Kosten- und Gebührenrecht

Vervielfältigungskosten im elektronischen Rechtsverkehr

Aktenzeichen  M 727/21

Datum:
28.9.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31818
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Aichach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GvKostG KV 700
ZPO § 133 Abs. 1 S. 2, § 169 Abs. 2, § 192, § 253 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Die Gläubigerin ist für die Zurverfügungstellung der zuzustellenden Schriftstücke mit den erforderlichen Abschriften auch im elektronischen Rechtsverkehr verantwortlich. Die Gerichtsvollzieherin kann etwaig fehlende Abschriften auf Kosten der Gläubigerin selbst herstellen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Erinnerung der Gläubigerin V. AG vom 17.05.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 11,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.
1. Die Gläubigerin beantragte vorliegend beim Amtsgericht Aichach über ihren Verfahrensbevollmächtigten aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 07.08.2017 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf elektronischem Weg über das besondere Anwaltspostfach. Dieser wurde vom angerufenen Gericht erlassen und im Parteibetrieb durch die Gerichtsvollzieherin R. auftragsgemäß zugestellt.
Letztere fertigte hierüber eine Abrechnung, die unter anderem gem. KV 700 GVKostG auch eine Dokumentenpauschale von 11,00 € beinhaltet. Die Gerichtsvollzieherin hat diese in Ansatz gebracht, da ihr der Beschluss nicht vollständig in 3-facher Ausfertigung vom Amtsgericht Aichach überlassen wurde, diese Anzahl an Ausfertigungen aber zum Zwecke der Zustellung unstreitig erforderlich war. Die Vervielfältigung nahm die Gerichtsvollzieherin daher selbst vor.
Die Gläubigerin meint nun, die Voraussetzungen gem. KV 700 GVKostG lägen nicht vor, da ein Antrag im Rahmen der Zwangsvollstreckung in diesem Sinne nicht ausreiche und Abschriften im elektronischen Rechtsverkehr nicht mehr notwendig gewesen seien, §§ 133 Abs. 1 S. 2, 253 Abs. 5 S. 2 ZPO. Die Justiz hätte daher selbst die erforderlichen Abschriften herstellen müssen, § 169 Abs. 2, Abs. 3 ZPO. Eine Belastung der Rechtsanwälte damit habe der Gesetzgeber nicht gewollt, was auch Nr. 9000 Ziff. 1 und Ziff. 2 des Kostenverzeichnisses zum GKG zu entnehmen sei. Eine Zahlung sei daher insoweit nur unter Vorbehalt erfolgt.
Die Gerichtsvollzieherin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Vollstreckungsgericht vorgelegt.
3. Der Auffassung der Gläubigerin schließt sich das Gericht nicht an. Es ist unweigerlich und unstreitig so, dass egal welche Art des Rechtsverkehrs die Gläubigerin nutzt, die Gerichtsvollzieherin jedenfalls die erforderliche Zahl an Abschriften benötigt, um den streitgegenständlichen Beschluss wirksam zustellen zu können. Diese hatte sie vorliegend selbst herzustellen, da sie vom Gericht diese nicht ausreichend erhalten hat. Der Anfall des Aufwandes lässt sich mithin nicht verleugnen.
Dieser Aufwand konnte der Gläubigerin in Rechnung gestellt werden, zumal sie die Zustellung beantragt hat. Es handelt sich um eine Zustellung im Parteibetrieb gem. § 192 ZPO. Hiernach ist die Gläubigerin für die Zurverfügungstellung der zuzustellenden Schriftstücke mit den erforderlichen Abschriften verantwortlich und die Gerichtsvollzieherin kann etwaig fehlende Abschriften selbst herstellen (§ 192 Abs. 2 ZPO), freilich nicht kostenfrei. Dies hat sich mit dem elektronischen Rechtsverkehr nicht geändert. Wenn nun die Gläubigerin nicht entsprechende Abschriften selbst oder aber über das Gericht veranlasst, muss sie sich mit den dann entstehenden Kosten abfinden, was sich auch KV 700 Nr. 1b) GVKostG entnehmen lässt. Wegen der Eilbedürftigkeit der Zustellung ist eine vorherige Anfrage bei der Gläubigerin regelmäßig nicht sachgerecht. Vergleiche mit Bestimmungen des GKG oder der Übermittlung von Antragsschriftsätzen an das Gericht über das beA hinken zudem, da dies andere Sachverhalte betrifft. Ein zusätzlicher Zwangsvollstreckungsauftrag lag ebenfalls nicht vor.
Die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs entbinden im Ergebnis nicht in allen Bereichen von der Einhaltung der übrigen prozessualen und kostenrechtlichen Anforderungen und Konsequenzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


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