Kosten- und Gebührenrecht

Zur Auslegung einer Kostenregelung in einem nicht rechtshängige Ansprüche einbeziehenden Prozessvergleich

Aktenzeichen  5 W 65/16

Datum:
19.12.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 126621
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 242
VV RVG 3101 Nr. 2, 3104

 

Leitsatz

1 Die Vereinbarung, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden, ist im Kostenfestsetzungsverfahren analog §§ 133, 157, 242 BGB auszulegen. Sie bedeutet, dass jede Partei diejenigen Kosten selbst zu tragen hat, die durch den Vergleich verursacht worden sind; ein Kostenerstattungsanspruch besteht insoweit nicht. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Allein durch den Vergleichsabschluss ausgelöst und deshalb von jeder Partei selbst zu tragen sind die Verfahrensdifferenzgebühr nach VV 3101 Nr. 2 RVG und die Differenz der Terminsgebühr nach VV 3104 RVG, die dadurch entstanden ist, dass in dem Vergleich nach entsprechenden Erörterungen in der mündlichen Verhandlung weitere Ansprüche geregelt wurden, die bis zu den Vergleichsverhandlungen nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 34/15 2016-06-03 Kostenfestsetzungsbeschluss LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bamberg vom 03.06.2016 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 1.134,- € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger beanspruchte von der Beklagten die Zahlung von Maklerhonorar im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kaufverträgen über von der Beklagten errichtete und vertriebene Eigentumswohnungen. Mit der Teilstufenklage verlangte der Kläger von der Beklagten Auskunft über, von der Beklagten verkaufte Wohneinheiten in deren Bauvorhaben in M., R-straße … Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 12.10.2015 Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 07.12.2015 wurde diese Auskunftsklage erweitert. Hinsichtlich der Anträge wird auf den Schriftsatz vom 07.12.2015 Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 01.04.2016 schlossen die Parteien nach einer diesbezüglichen Erörterung folgenden Vergleich:
1. Die Beklagte zahlt an den Kläger 90.000,- € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer, insgesamt 107.100,- € bis 30.04.2016 bei Klägerseite eingehend. Damit sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem streitgegenständlichen Bauvorhaben und der Vereinbarung vom 01.04./04.04.2014 abgegolten und erledigt.
2. Der Geschäftsführer der Beklagten A. erklärt seinen Schuldbeitritt zu der in Ziffer 1. geregelten Zahlungsverpflichtung.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
Im Kostenfestsetzungsantrag vom 20.04.2016 hat der Kläger u.a. eine Terminsgebühr nach Nr. 3100 VVRVG aus einem Streitwert von 107.100,- € (1,2-Gebühr) in Höhe von 1.803,60 € geltend gemacht.
Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.06.2016 lediglich eine Terminsgebühr, berechnet aus dem Streitwert des Rechtsstreites in Höhe von 10.000,- € festgesetzt. Die darüber hinausgehende, vom Kläger als zu erstatten verlangte Gebühr in Höhe von weiteren 1.134,- € hat sie nicht festgesetzt. Zur Begründung hat sie – nach Eingang der Beschwerdebegründung – im Nichtabhilfebeschluss vom 16.06.2016 ausgeführt, dass aufgrund der getroffenen Kostenvereinbarung, wonach die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden, sowohl die Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VVRVG als auch die höhere Terminsgebühr aus dem höheren Vergleichswert von dieser Vereinbarung erfasst würden, so dass die Parteien diese Kosten selbst tragen müssten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 16.06.2016 Bezug genommen.
Der Kläger wendet sich mit der am 14.06.2016 beim Landgericht Bamberg eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den ihm am 10.06.2016 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bamberg. Er vertritt die Auffassung, dass die ihm zu erstattende Terminsgebühr aus dem gegenüber dem ursprünglichen Gegenstandswert des Rechtsstreites erhöhten Streitwert von 107.100,- € zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Vergleichsvereinbarung unter Ziffer 3. zähle. Diese Terminsgebühr zähle nicht zu den Kosten des Vergleichs, da sie tatbestandsmäßig unabhängig vom Abschluss des Vergleichs entstehe und anfalle. Sie sei daher ein Teil der Kosten des Rechtsstreits. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrages des Beschwerdeführers wird auf die Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten Bezug genommen Die Beklagte ist der Ansicht, dass Vergleichskosten alle die Kosten seien, die wegen der Vergleichsverhandlungen entstanden seien. Die Terminsgebühr aus dem höheren Streitwert sei nur deshalb entstanden, weil nicht rechtshängige Ansprüche zusätzlich in den Vergleich und die vorausgegangenen Gespräche im Verhandlungstermin einbezogen worden seien. Nach dem maßgeblichen, objektivierenden Empfängerhorizont sei der Prozessvergleich daher dahingehend auszulegen, dass alle Kosten, die aufgrund der Einbeziehung von nicht rechtshängigen Ansprüchen in den Vergleich entstanden sind, zu den Vergleichskosten gehörten.
II.
Die gemäß §§ 104 Abs. 3 S. 1; 567 ff. ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bamberg vom 03.06.2016 hat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Festsetzung der Verfahrensdifferenzgebühr sowie der höheren Terminsgebühr nach einem Streitwert von 107.100,- € gegenüber dem Streitwert der rechtshängigen Ansprüche in Höhe von 10.000,- €, als von der Beklagten dem Kläger zu ersetzen, abgelehnt. Der Umfang der Kostenerstattung richtet sich nach der in Bezug auf die Pflicht zur Kostentragung in dem Prozessvergleich getroffenen Vereinbarung zwischen den Parteien. Es ist dabei zu unterscheiden, welche Gebühren einerseits entstanden und welche Gebühren andererseits vom unterlegenen Prozessgegner zu erstatten sind. Im vorliegenden Fall wurde von Parteien vereinbart, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Diese Vereinbarung ist im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 133, 157, 242 BGB analog auszulegen. Dies bedeutet, dass jede Partei die Kosten, die durch den Vergleich verursacht worden sind, selbst zu tragen hat. Ein Kostenerstattungsanspruch bezüglich der durch die Vergleichsregelung verursachten und entstandenen Kosten gegen den jeweiligen Prozessgegner besteht daher nicht. Die allein durch den Vergleich für den Kläger verursachten und hervorgerufenen Mehrkosten sind daher nicht erstattungsfähig. Die Verfahrensdifferenzgebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 2 VVRVG wird allein durch den Vergleichsabschluss ausgelöst. Dies gilt auch für die Differenz der Terminsgebühr, die dadurch entstanden ist, dass in dem Vergleich, nachdem zuvor in der mündlichen Verhandlung entsprechende Erörterungen stattgefunden haben, weitere Ansprüche geregelt wurden, die ursprünglich bis zu den Vergleichsverhandlungen nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren. Die Erhöhung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 VVRVG durch die Erörterung über zusätzliche Ansprüche, die letztendlich in dem Vergleich mit geregelt wurden, wurden alleine dadurch hervorgerufen, dass man über nicht rechtshängige Ansprüche eine vergleichsweise Regelung angestrebt und erzielt hat. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Regelung bezüglich der Tragung der Kosten des Vergleichs sind alle durch den Abschluss des Vergleiches veranlassten Kosten, d. h. neben der Einigungsgebühr auch alle anderen durch den Abschluss des Vergleichs verursachten Mehrkosten, einer Erstattung durch den Prozessgegner nicht mehr zugänglich. Anders kann die von den Parteien in dem Vergleich gewählte Regelung bei einer objektivierten, nach dem Empfängerhorizont einer durchschnittlichen Prozesspartei durchgeführten Auslegung nicht verstanden werden (§§ 133, 157, 242 BGB analog). Sowohl die Verfahrensdifferenzgebühr als auch die gegenüber dem Streitwert der rechtshängigen Ansprüche erhöhte Terminsgebühr wären ohne die Einbeziehung dieser nicht rechtshängigen Ansprüche in den Vergleich nicht entstanden. Wenn die Parteien jene Vereinbarung anders verstanden wissen wollten, hätten sie dies durch eine eindeutigere Formulierung im Vergleich zum Ausdruck bringen können und müssen (vgl. zum Ganzen OLG Köln JurBüro 10, 208; OLG München JurBüro 06, 598; 98, 86; OLG Koblenz JurBüro 07, 138 m.w.N.).
Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist zwar eine Terminsgebühr nach einem Streitwert von 107.100,- € entstanden, weil auch die im Vergleich mitumfassten, bis dahin nicht rechtshängigen Ansprüche Gegenstand der Verhandlung im Termin waren (vgl. OLG Köln JurBüro 10, 208 m.w.N.). Hierbei handelt es sich um Kosten des Vergleichs, da sie allein dadurch entstanden sind, dass die im Vergleich mitgeregelten Ansprüche, die zuvor nicht rechtshängig waren und damit zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Rechtsstreits waren, nunmehr Gegenstand der Erörterung im Termin wurden, wodurch die höhere Gebühr verursacht wurde. Diese Kosten werden daher von der Regelung im Prozessvergleich umfasst, wo vereinbart wurde, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Der Kläger kann daher die ihm entstandenen Kosten, die allein durch den Vergleich verursacht wurden, nicht von der Beklagten erstattet verlangen. Er kann lediglich die aus dem Streitwert der bereits rechtshängigen Ansprüche in Höhe von 10.000,- € entstandene Terminsgebühr als Kosten des Rechtsstreites erstattet verlangen. Dies hat das Landgericht bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten zutreffend berücksichtigt. Dem steht die Entscheidung des BGH vom 22.02.2007, veröffentlicht u.a. in NJW-RR 07, 1149 nicht entgegen. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist nach Auffassung des Senats mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar. Die Entscheidung des BGH betrifft eine außergerichtlich erfolgte Einigung in Form eines Vergleichs, dessen Zustandekommen nach § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen war und die nur die in dem Rechtsstreit bereits rechtshängigen Ansprüche umfasste. In dieser Regelung wurden daher ausschließlich die dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Ansprüche endgültig erfasst. Im vorliegenden Fall sind jedoch über die rechtshängigen Ansprüche hinaus weitere, nicht rechtshängige Ansprüche in die mündliche Verhandlung im Termin dadurch einbezogen worden, dass über sie eine vergleichsweise Regelung zunächst beabsichtigt war und dann auch durchgeführt wurde. Die nur wegen des beabsichtigten Vergleichsabschluss entstandenen Teile der Verfahrens- und der Terminsgebühr gehören daher nach dem durch Auslegung der Vereinbarung ermittelten Willen der Parteien regelmäßig allein zu den Kosten des Vergleichs (vgl. auch OLG Köln JurBüro 10, 208). Die Parteien wollten, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, dass die durch den Vergleich verursachten Kosten letztendlich von jeder Partei selbst zu tragen sind. Hinsichtlich der dadurch verursachten Gerichtskosten sollte eine hälftige Teilung erfolgen.
Das Landgericht hat daher bei der Festsetzung der von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten zu Recht für die Terminsgebühr einen Betrag in Höhe von 669,60 € berücksichtigt. Ein darüber hinausgehender Gebührenbetrag, wie ihn der Kläger als von der Beklagten zu erstatten verlangt, steht ihm nicht zu. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers ist daher unbegründet und zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert beträgt 1.134,- €. Dies ist der Wert des Interesses, den der Kläger und Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO liegen vor. Sie ist zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine Entscheidung des BGH zu der hier streitentscheidenden Rechtsproblematik, die häufig vorkommt, liegt nach Auffassung des Senats nicht vor.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen