Medizinrecht

2 WD 21/20

Aktenzeichen  2 WD 21/20

Datum:
17.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:170621U2WD21.20.0
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat

Leitsatz

Verursacht ein Soldat bei einer außerdienstlichen Fahrt fahrlässig den Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers, ist in disziplinarrechtlicher Hinsicht ein Beförderungsverbot Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Hat er dabei grob fahrlässig oder vorsätzlich eine Straßenverkehrsgefährdung im Sinne des § 315c StGB begangen, ist von einer Herabsetzung im Dienstgrad auszugehen.

Verfahrensgang

vorgehend Truppendienstgericht Nord, 11. Juni 2020, Az: TDG N 5 VL 7/18

Tenor

Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 11. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Tatbestand

1
Das Berufungsverfahren betrifft die disziplinarische Ahndung einer im Straßenverkehr außerdienstlich verursachten fahrlässigen Tötung eines Menschen.
2
1. Der 1991 geborene frühere Soldat absolvierte nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. 2012 wurde er unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Obermaat ernannt und 2016 in die Besoldungsgruppe A 7 eingewiesen. Seine Dienstzeit endete Anfang …
3
Der frühere Soldat gehörte der Verwendungsreihe Schiffsbetriebstechnik an. Er hat den Laufbahnlehrgang und den Fachlehrgang Schiffsbetriebstechnikgast mit “befriedigend” absolviert. Zwischen 2012 und 2014 gehörte er der Fahrbereitschaft an. Seit Ende September 2014 bis zu seinem Ausscheiden versah er Dienst in der …
4
2015 und 2016 war er mehrere Monate zum Einsatzverband UNIFIL sowie 2015 mehrere Wochen zum Einsatzverband ATALANTA kommandiert. Er ist berechtigt, die Einsatzmedaille für die Teilnahme am Auslandseinsatz der Bundeswehr in Bronze zu tragen.
5
2019 erhielt er eine förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung. Neben seiner dauerhaft zuverlässigen Auftragserfüllung habe er bereitwillig oft die über den normalen Tagesdienst hinausgehenden Wachaufgaben übernommen. Trotz längerer Abwesenheit der Besatzungen habe auch er die Durchführung wichtiger Instandsetzungen und die Einsatzbereitschaft des Waffensystems Korvette gewährleistet.
6
In seinem Dienstzeugnis vom 10. März 2020 wird er als Soldat beschrieben, der beständig überzeugende Arbeitsergebnisse gezeigt habe. Er habe seine Aufgaben stets selbständig mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit erledigt und sich wegen seiner hohen Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft aus der Masse der Dienstgradgruppe deutlich hervorgehoben. Der Leumundszeuge Fregattenkapitän A., von Oktober 2018 bis zum Dienstzeitende des früheren Soldaten dessen nächster Disziplinarvorgesetzter, hat erstinstanzlich ausgesagt, der frühere Soldat sei zuverlässig, hilfsbereit und in der Truppe anerkannt gewesen. Er habe sich stets freiwillig bereiterklärt, Zusatzdienste zu übernehmen. In der Vergleichsgruppe bewege er sich wegen seiner sehr guten Leistungen im oberen Drittel.
7
Die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister und der Auszug aus dem Disziplinarbuch weisen jeweils das sachgleiche rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts … vom 28. September 2016 (Strafurteil) aus. Mit ihm wurde der frühere Soldat wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Zudem wurde ihm aufgegeben, unter Anrechnung auf bestehende Schmerzensgeldansprüche 1 500 € an die Mutter des Opfers zu zahlen. Der Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 9. Juni 2020 enthielt zum Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Truppendienstgericht keine Eintragungen mehr.
8
Nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr hat der frühere Soldat erfolgreich das Abitur erlangt, für welches er bereits seit 2017 wöchentlich die Abendschule besucht hatte. Er studiert im zweiten Semester Rechtswissenschaften.
9
Der frühere Soldat ist kinderlos und hat eine Lebensgefährtin, die demnächst als Studienreferendarin tätig wird. Er erhält monatliche Übergangsgebührnisse von etwa 1 850 € netto; die Übergangsbeihilfe wurde zur Hälfte einbehalten.
10
2. Nach ordnungsgemäßer Einleitung und Anschuldigung hat das Truppendienstgericht das Disziplinarverfahren mit Urteil vom 11. Juni 2020 unter Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt.
11
a) Vor allem aufgrund der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen stehe der angeschuldigte Sachverhalt fest. Der frühere Soldat befuhr am … um … Uhr mit seinem Pkw, amtliches Kennzeichen …, die Kreisstraße … aus … kommend in Richtung … mit einer Geschwindigkeit von mindestens 100 km/h, wobei er die Linkskurve am Abzweig … schnitt und sich mit seinem Pkw komplett auf der linken Fahrspur befand. Dabei stieß er mit dem Geschädigten B., welcher mit seinem Mofa kurz zuvor als Linksabbieger von … kommend auf die Kreisstraße … aufgefahren war, frontal zusammen. Der Geschädigte erlitt dadurch derart schwere Verletzungen, dass er noch an der Unfallstelle verstarb. Der frühere Soldat hätte den Unfall vermeiden können, wenn er bei der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit auf der rechten Fahrspur verblieben wäre. Er habe beim Schneiden der Linkskurve dem Verbot nach Zeichen 295 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO zuwider die durchgezogene Mittellinie vollständig überfahren und damit auch gegen § 2 Abs. 2 StVO verstoßen.
12
Aus dem im Strafverfahren erstellten Sachverständigengutachten folge, dass der frühere Soldat mit der festgestellten Geschwindigkeit die Linkskurve unter Nutzung der rechten Fahrspur gefahrlos hätte befahren und dass auch der Geschädigte das Unfallgeschehen hätte vermeiden können, wenn er nicht vor dem für ihn erkennbaren Pkw des früheren Soldaten auf die K … aufgefahren wäre. Selbst wenn dessen Pkw auf der rechten Fahrspur verblieben wäre, hätte ein äußerst knappes Auffahrmanöver des Geschädigten vorgelegen. Das Splitterfeld am Unfallort habe aus gutachterlicher Sicht auf eine vergleichsweise hohe Geschwindigkeit des Kleinkraftrades zum Zeitpunkt der Kollision hingewiesen. Dies spreche dafür, dass der Geschädigte zuvor nicht angehalten habe. Zum Unfallzeitpunkt hätten Tageslichtbedingungen geherrscht und es sei trocken gewesen. Von der Einmündung aus sei die K … verhältnismäßig weit einsehbar gewesen.
13
Der frühere Soldat habe bei dem Unfall nur eine leichte Schnittverletzung an der Hand davongetragen und sei eine Woche krankgeschrieben gewesen. Danach sei er noch in einen Auslandseinsatz gegangen. Der Totalschaden am Fahrzeug des früheren Soldaten sei durch seine Versicherung bis auf 500 € (Selbstbeteiligung) beglichen worden. Zusätzlich zur Zahlung von 1 500 € an die Angehörige des Getöteten habe er sich keine weiteren Forderungen ausgesetzt gesehen.
14
Das Unfallgeschehen habe den früheren Soldaten stark belastet. Er habe anfangs Scheu davor gehabt, sich wieder in ein Fahrzeug zu setzen, und unter “Flashbacks” gelitten. Durch die lange Verfahrensdauer sei das Geschehen zudem immer wieder aufgewühlt worden. Der frühere Soldat habe sich zu einer Truppenpsychologin begeben und dort mehrere Sitzungen absolviert. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei festgestellt worden.
15
b) Durch die fahrlässige Tötung eines Menschen habe der frühere Soldat zugleich gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen und somit ein Dienstvergehen begangen, wobei er als Vorgesetzter verschärfter Haftung unterliege. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilde ein Beförderungsverbot, weil die Elemente der Straßenverkehrsgefährdung und des innerdienstlichen Vergehens fehlten, welche typischerweise nach einer Dienstgradherabsetzung verlangten. Jedoch stehe dem Ausspruch eines Beförderungsverbots § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WDO entgegen. Der frühere Soldat habe keinen besonders exponierten Dienstgrad bekleidet und der Vorfall sei nur einem kleinen Personenkreis bekannt geworden.
16
3. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft begründet ihre zulasten des früheren Soldaten eingelegte maßnahmebeschränkte Berufung im Wesentlichen damit, das Truppendienstgericht habe den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen unzutreffend bestimmt. Dass sich der frühere Soldat zum Tatzeitpunkt vollständig auf der linken Fahrbahnhälfte befunden hätte, begründe die Dienstgradherabsetzung als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen; angesichts mehrerer Milderungsgründe sei davon jedoch nach Ansicht des Bundeswehrdisziplinaranwalts abzuweichen und eine Herabsetzung in der Besoldungsgruppe angemessen.


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