Medizinrecht

Abgewiesene Klage im Streit um Zuerkennung des subsidiären Schutzes des Klägers

Aktenzeichen  M 21 K 14.31075

Datum:
27.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Mangels substantiiertem Sachvortrag besteht kein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder auf die Feststellung, dass nationale Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthaltG bestehen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2017 entschieden werden, obwohl kein Vertreter der Beklagten zum Termin erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung, auf deren förmliche Zustellung das Bundesamt durch allgemeine Prozesserklärung verzichtet hat, wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
Die zulässig erhobene Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 26. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO.
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der vom Kläger begehrten Verpflichtung der Beklagten ist der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Gericht am 22. Februar 2017. Dies ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Halbsatz 1 Asylgesetz (AsylG) i.d.F. d. Bek. vom 2. September 2008, der mangels weiterer Übergangsregelung gemäß Art. 1, 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722) auf das für das bereits vor dessen Inkrafttreten am 24. Oktober 2015 anhängig gewordene Asylverfahren des Klägers Anwendung findet.
2. Der Kläger kann gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder auf die Feststellung, dass nationale Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) i.d.F. d. Bek. vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390), hinsichtlich Nigerias vorliegen, geltend machen. Die Beklagte hat diese vom Kläger (noch) geltend gemachten Ansprüche zu Recht abgelehnt, weil das Vorbringen des Klägers zur Überzeugung des Gerichts nicht geeignet ist, das Vorliegen der Gefahr eines ernsthaften Schadens durch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG bzw. das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbotes zu begründen.
a) Unabhängig von der Frage, wie genau die Abgrenzung zwischen den Ansprüchen auf internationalen Schutz aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und den nationalen Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in den Fällen einer geltend gemachten (psychischen) Erkrankung des Asylbewerbers zu ziehen ist (vgl. ausführlich Marx, Kommentar zum AsylG, 9. Aufl. 2017, § 4 Rn. 86 ff./91 ff.) bedarf es jedenfalls der Überzeugung des erkennenden Tatrichters, dass die für den Asylbewerber diagnostizierten psychischen Erkrankungen auf realen Tatsachen beruhen. Die im Verfahren vorgelegten ärztlichen und psychologischen Befunde und Stellungnahmen diagnostizieren die Symptome einer psychischen Erkrankung des Klägers, lassen jedoch die Frage des tatsächlichen Vorliegens traumatisierender, die Krankheiten auslösender Ereignisse ausdrücklich unbeantwortet („Keine Frage, dass weder der Gutachter noch ein zuständiger Sachbearbeiter noch das Bundesamt (…) die objektiven Tatbestände erheben kann. (…) Tatsächlich geht es im vorliegenden Gutachtensfall aber auch gar nicht darum (…)“; Stellungnahme vom 28.6.2016, S. 24; Bl. 190/213 der Gerichtsakte). Notwendig ist es somit, dass der Schutzsuchende gegenüber dem Tatrichter die behaupteten traumatisierenden Ereignisse nachweist bzw. durch sein Vorbringen wahrscheinlich macht (BayVGH, B.v. 17.10.2012 – 9 ZB 30390/10 – juris Rn. 7 f. m.w.N.).
b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend das Gericht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2017 davon überzeugt, dass das Vorbringen des Klägers nicht auf einem realen Erleben beruht.
aa) Der Kläger hat zu seinem Alter gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er mit 13 Jahren im Rahmen der familiären Auseinandersetzungen von seiner „Adoption“ erfahren hat. Wie das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 26. September 2014 bereits ausgeführt hat, ist diese Altersangabe nicht mit dem Vorbringen des Klägers zu seiner schulischen Ausbildung vereinbar, da der Kläger nach neun Schuljahren etwa 15 bis 16 Jahre alt gewesen sein muss.
Auch in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2017 hat der Kläger auf ausdrückliche Nachfrage bestätigt, dass er bis zu dem (aus finanziellen Gründen) gescheiterten Übertritt in die 10. Klasse neun Jahre die (Grund- und weiterführende) Schule besucht hat und etwa mit sechs Jahren eingeschult worden ist. Im Zeitpunkt seiner Flucht im Jahr 2009 hätte der Kläger damit etwa 15 Jahre alt sein müssen. Dies widerspricht jedoch seiner Angabe zum Geburtsdatum im Jahr 1996.
bb) Auch die Schilderung des Klägers zu den Umständen seiner Flucht aus dem Haushalt seiner „Adoptiveltern“ ist für das Gericht nicht glaubwürdig.
Wenn der Kläger beim Bundesamt und im gerichtlichen Verfahren vorträgt, dass es sich bei dem Wohnort um ein dicht bebautes Dorf gehandelt hat, bei dem sämtliche Nachbarn die lautstarke Auseinandersetzung innerhalb der Familie mitbekommen haben, aber keiner dieser Nachbarn auf sein Schreien reagiert haben will, so ist dies für das Gericht in keiner Weise nachvollziehbar. Die Erklärungsversuche des Klägers für dieses Verhalten der Nachbarschaft bzw. seine planlose Flucht ohne den Versuch, Hilfe herbeizuholen, überzeugen nicht. Sie sprechen vielmehr für das Gericht dafür, dass der Kläger sein Vorbringen insoweit an die jeweiligen Nachfragen im Verfahren angepasst hat, um es trotz der Zweifel an dem realen Geschehensablauf nachvollziehbar zu schildern.
cc) Auch das Vorbringen des Klägers zu seiner Einreise auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ist für das Gericht unglaubwürdig.
Zwar ist die Frage des Reisewegs kein wesentlicher Bestandteil der Schilderung des Verfolgungsschicksals. Allerdings sind Zweifel an der Nachvollziehbarkeit der Angaben zum Reiseweg geeignet, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylbewerbers insgesamt in Frage zu stellen (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.7.2013 – 7 K 30163/13 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2017 hat der Kläger zu dem Ablauf seiner Einreise mit dem Zug aus Weißrussland kommend in die Bundesrepublik Deutschland zunächst vorgetragen, dass er innerhalb eines Tages von Minsk aus nach München gereist ist. Auf Vorhalt seines Bevollmächtigten änderte er die Angaben zur Reisedauer und ging von einer Zwischenübernachtung in Berlin aus. Diese Angabe änderte er dann erneut und wiederholte letztlich seine Angabe zur Reisedauer von etwa einem Tag.
Während der Kläger sich hinsichtlich der Reisedauer nur sehr ungenau erinnern will, hat er bezüglich der von ihm (zwischenzeitlich) behaupteten Übernachtung in Berlin eine sehr genaue Erinnerung daran, dass er sich vor der Weiterreise nach München geduscht hat, um dann letztlich aber anzugeben, dass eine Übernachtung in Berlin gar nicht stattgefunden hat.
Hinzu kommt, dass der Kläger – unabhängig von der Frage, ob er auf der Reise in Berlin übernachtet hat oder nicht – nicht plausibel machen kann, weshalb er zwar nach der Ankunft in München die Chance zur Flucht ergriffen haben will, bei dem Aufenthalt oder evtl. sogar bei einer Übernachtung in Berlin keine Möglichkeit gefunden haben will, sich von seinem Begleiter abzusetzen.
Insgesamt erscheint dem Gericht die Schilderung des Klägers zu dem Reiseweg als der jeweiligen Aussagesituation angepasst. Die Angabe der Reisedauer von Minsk nach München mit etwa einem Tag wurde durch die Nachfrage seines Bevollmächtigten in Frage gestellt, so dass der Kläger seinen Vortrag entsprechend dieser Situation verändert und eine Übernachtung in Berlin schildert. Nach einem Hinweis des Gerichts auf mögliche Zweifel an dieser behaupteten Übernachtung hat der Kläger seinen Vortrag erneut angepasst und den zunächst erfolgten Vortrag zur Reisedauer wiederholt.
c) Insgesamt ist es somit für das Gericht unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Zweifel nicht glaubhaft, dass der Kläger ein reales Geschehen geschildert hat. Das Vorbringen zum Geschehensablauf erscheint als an die jeweilige Fragesituation angepasst. Vor allem die (für das Gericht unglaubwürdigen) Angaben des Klägers zu seinem Alter sollen dabei den Eindruck besonderer Schutzbedürftigkeit unterstreichen und plausibel machen, weshalb sich der Kläger erstmals nach der Ankunft in München der Überwachung durch seinen Begleiter entziehen konnte.
Fehlt es aber an einem glaubhaften Vortrag, so ist die nach der Schilderung des Klägers vorgenommene ärztliche bzw. therapeutische Bewertung der Symptome der Erkrankung und die darauf gestützte Ableitung traumatisierender Ereignisse im Leben des Klägers nicht plausibel. Die Tatsachengrundlagen, die ursächlich für die Traumatisierungen des Asylbewerbers sein sollen, sind vorliegend gerade nicht zur richterlichen Überzeugung glaubhaft gemacht. Die darauf gestützten ärztlichen und therapeutischen Bewertungen zur weiteren Behandlungsbedürftigkeit des Klägers sind damit nicht auf tatsächliche Grundlagen gestützt, die die Diagnosen tragen können.
3. Unabhängig davon, dass das Gericht – wie vorstehend ausgeführt – von der fehlenden Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zu dem von ihm geltend gemachten Verfolgungsschicksals ausgeht, bestehen jedoch auch – die Wahrheit des klägerischen Vorbringens unterstellt – nach der Auskunftslage keine Umstände, aufgrund derer bei der Rückkehr des Klägers nach Nigeria bei diesem der Eintritt eines ernsthaften Schadens i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG oder diesem eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen.
a) Dem Ausländer ist nach § 4 Abs. 1 AsylG der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen, wenn ihm in seinem Herkunftsland aufgrund seines Vorbringens ein ernsthafter Schaden droht.
Vorliegend ist insoweit (nur) geltend gemacht, dass infolge der beim Kläger diagnostizierten (psychischen) Erkrankungen bei dessen Rückkehr nach Nigeria diesem ein ernsthafter Schaden wegen der zu erwartenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG).
Ein ernsthafter Schaden im Sinne der vorgenannten Vorschrift droht dann, wenn ein konkretes Risiko („real risk“) besteht, dass der Asylbewerber bei einer Rückkehr in sein Heimatland der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt ist (vgl. Marx, AsylG, § 4 Rn. 9). Dabei bedarf es in den Fällen der fehlenden medizinischen Versorgung nach der Rechtsprechung des EuGH für die Anwendung des § 4 AsylG des bewussten, zielgerichteten Handelns des Staates durch die (absichtliche) Verweigerung der medizinischen Versorgung (Marx, a.a.O., Rn. 32). Jedenfalls ist aber die individuelle Situation des Asylbewerbers in den Blick zu nehmen, da nur so die Frage der Konkretheit der Gefahrenlage zutreffend beantwortet werden kann (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127 Rn. 94; Marx, a.a.O., Rn. 32 ff.).
aa) Nach der Auskunftslage ist eine ausreichende medizinische Versorgung der Erkrankungen des Klägers in Nigeria möglich. So weist das Auswärtige Amt in Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 3. Dezember 2015 (Stand Dezember 2015) zwar darauf hin, dass in Nigeria zwar „kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen“ existiert (Lagebericht S. 24), dass aber eine Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger durch entsprechende Einrichtungen möglich ist. Dies entspricht den Feststellungen von Nichtregierungsorganisationen, nach denen im dreigliedrigen Gesundheitssystem Nigerias vor allem im Bereich größerer Städte (auch) spezialisierte Krankenhäuser vorhanden sind, die eine umfassende – wenn auch nicht mit europäischem Standard vergleichbar – medizinische Versorgung gewährleisten (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 9.11.2009 – „Psychotherapeutische Behandlung“; S. 1 f.).
bb) Eine Behandlung des Klägers ist in Nigeria somit in einem ausreichenden Maße möglich, so dass ein konkretes Risiko für den Eintritt eines ernsthaften Schadens nicht besteht. Dies ist auch in der individuellen Situation des Klägers, so wie sie sich aufgrund der therapeutischen Stellungnahme vom 28. Juni 2016 darstellt, nicht anders zu beurteilen.
Nach den Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2017 wird er derzeit nicht regelmäßig medizinisch oder therapeutisch behandelt. Er erhält nach seinen Angaben keine Medikamente, therapeutische Gespräche finden seit seinem Umzug im Rahmen der von ihm ab dem Herbst 2014 aufgenommenen Berufsausbildung nur noch „ab und an“ statt.
Diese Änderung der therapeutischen Behandlung hat offenbar auch zu keiner erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes beim Kläger geführt. Denn obwohl aus ärztlicher Sicht in dem Befundbericht vom 6. November 2014 (Bl. 67 der Gerichtsakte) die Notwendigkeit der Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung für „voraussichtlich“ „weitere 2 Jahre“ prognostiziert worden ist, kommt die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte psychologische Stellungnahme vom 28. Juni 2016 zum Ergebnis, dass die ärztlich diagnostizierte PTBS „in voller Symptomausprägung jetzt nicht mehr nachgewiesen werden kann“ (Stellungnahme vom 28.6.2016, S. 20; Bl. 190/209 der Gerichtsakte). Auch wenn der Therapeut den Kläger aufgrund seiner Untersuchung einer PTBS-Risikogruppe zurechnet (Stellungnahme vom 28.6.2016, S. 21; Bl. 190/210 der Gerichtsakte), ist nach den vorliegenden Befunden jedenfalls auch ohne eine ununterbrochene therapeutische und medizinische Behandlung eine Stabilisierung des Klägers erfolgt.
Vor diesem Hintergrund und der Auskunftslage ist für das Gericht nicht erkennbar, dass bei einer Rückkehr des Klägers nach Nigeria eine konkrete gegenwärtige Gefahr besteht, die zum Eintritt eines ernsthaften Schadens führt.
b) Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist zu verneinen.
aa) Die Bejahung des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, das für den Kläger aufgrund der diagnostizierten Erkrankungen geltend gemacht wird, setzt voraus, dass in Nigeria als dem Zielstaat einer Abschiebung für den Kläger eine erhebliche, konkrete Gefahr für Leib oder Leben besteht. Dabei sind durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) in § 60 Abs. 7 Satz 2 mit Satz 4 AufenthG für gesundheitsbezogene Abschiebungsverbote spezifische Regelungen in das Gesetz aufgenommen worden. Diese Regelungen haben allerdings nur die in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits vorher geltende Rechtsgrundsätze zur Frage des Vorliegens krankheitsbedingter Abschiebungsverbote kodifiziert, so dass auf diese Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33 zum Maßstab einer erheblichen konkreten Gefahr im Falle einer zielstaatsbezogenen Verschlimmerung der Erkrankung des Asylbewerbers).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen – wie vorliegend – nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern. Damit setzt der Gesetzgeber voraus, dass Abschiebungsverbote in diesen Fällen nur zu bejahen sind, wenn es sich um äußerst gravierende Erkrankungen mit einer erheblichen konkreten Leib- und Lebensgefahr handelt, die sich durch die Abschiebung konkretisiert (vgl. die Nachweise bei Marx, AsylG, § 4 Rn. 91).
bb) Nach der Stellungnahme des Therapeuten vom 28. Juni 2016 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bereits nicht davon auszugehen, dass eine entsprechende schwerwiegende Erkrankung beim Kläger vorliegt. Nach der in der Vergangenheit ärztlich diagnostizierten PTBS-Erkrankung ist diese nach der Stellungnahme vom 28. Juni 2016 derzeit nicht mehr in voller Systemausprägung nachweisbar, vielmehr wird die Erkrankung des Klägers insoweit als „abklingend“, mit einem „subsyndromalen“, also abgeschwächten Verlauf beschrieben (Stellungnahme vom 28.6.2016, S. 19; Bl. 190/208 der Gerichtsakte).
Auch die weiter diagnostizierten Erkrankungen des Klägers, für die jeweils ärztliche Diagnosen nicht vorliegen, stellen sich nicht als schwerwiegende Erkrankungen im Sinne der Rechtsprechung dar. Jedenfalls aber sind diese weiteren Erkrankungen nach der Auskunftslage auch in Nigeria behandelbar (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 9.11.2009 – Psychotherapeutische Behandlung – S. 1: „In psychiatrischen Kliniken in Nigeria werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt“), da es insoweit auch nicht erforderlich ist, dass die dazu notwendige Versorgung mit derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
cc) Aufgrund der nach der Auskunftslage in Nigeria – nach den dortigen bestehenden medizinischen Versorgungsmöglichkeiten (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG) – zu bejahenden Behandelbarkeit der beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen ist mit einer wesentlichen Verschlechterung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 AufenthG, die eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben des Klägers begründet, nicht anzunehmen. Ein Abschiebungshindernis liegt damit auch nicht aufgrund der für den Kläger geltend gemachten Erkrankungen vor.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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