Medizinrecht

Ablehnung der rückwirkenden Befreiung von der Versicherungspflicht eines Syndikusanwalts in der gesetzlichen Rentenversicherung

Aktenzeichen  S 56 R 1003/17

Datum:
30.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9674
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 231 Abs. 4 b

 

Leitsatz

Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung setzt voraus, dass die einkommensbezogenen Beiträge jeweils für die abhängige Beschäftigung gezahlt wurden, für die die Befreiung begehrt wird.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 20.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Kläger für seine Tätigkeit bei der C. GmbH im Zeitraum vom 18.01.2014 bis zum 31.03.2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Die Voraussetzungen für eine solche Befreiung sind nicht erfüllt.
Nach § 231 Abs. 4 b SGB VI wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung erteilt wurde, auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 01.04.2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 01.04.2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 04.04.2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 01.04.2016 gestellt werden.
Für den vorliegend streitigen Zeitraum vom 18.01.2014 bis zum 31.03.2014 kommt eine Befreiung nach dieser Vorschrift nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI erfüllt sind.
Nach § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI wirkt die mit Bescheiden vom 27.04.2016 und 14.09.2016 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht ab dem 01.04.2014 für die ausgeübte Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt bei der C. GmbH gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 231 Abs. 4 b SGB VI auch für Zeiten vor dem 01.04.2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden.
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Für den Zeitraum 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 hat der Kläger keine einkommensbezogenen Beiträge an die Beigeladene gezahlt. Denn der Kläger hat in dieser Zeit lediglich Beiträge für seine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt, die er neben seiner abhängigen Beschäftigung bei der C. GmbH ausgeübt hat, gezahlt.
Diese Beitragsverpflichtung ergibt sich aus den Regelungen der § 18 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 4 der Satzung der Beigeladenen. Da der Kläger in dem streitigen Zeitraum nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war, war für die Bemessung der zu entrichtenden Beiträge nach der Satzung der Beigeladenen das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit maßgeblich. Da der Kläger in dem für die Bemessung maßgeblichen Jahr 2012 jedoch keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt hat, hatte er nach § 19 Abs. 1 Satz 4 der Satzung den Grundbeitrag in Höhe eines Fünftels des Höchstbetrages zu entrichten. Daneben bestand gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 der Satzung keine weitere Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen aufgrund der abhängigen Beschäftigung. Dies hat die Vertreterin der Beigeladenen im Termin vom 30.01.2018 nochmals bestätigt.
Die Zahlung des Grundbeitrages für die selbständige Tätigkeit kann aber nicht als einkommensbezogene Beitragszahlung im Sinne des § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI angesehen werden.
Dabei teilt die Kammer einerseits die Auffassung des Klägers, dass auch der Grundbeitrag als einkommensbezogener Beitrag anzusehen ist. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 der Satzung sind für die Zeit der Mitgliedschaft Beiträge zu entrichten. Nach § 19 Abs. 1 der Satzung bestimmt sich dabei die Höhe der an die Beigeladene zu zahlenden Beiträge grundsätzlich nach dem Einkommen. Dies würde, wenn wie vorliegend beim Kläger kein Einkommen erzielt wurde, dazu führen, dass – im Widerspruch zur Verpflichtung, Beiträge zu zahlen -, keine Beiträge zu zahlen sind. Daher schreibt die Satzung in § 19 Abs. 1 Satz 4 für diese Konstellationen – und für besonders niedrige Einkommen – die Zahlung eines Grundbeitrages vor. Dieser ist damit beitragsbezogen, da er dann zu zahlen ist, wenn keine Einkünfte – oder geringe Einkünfte unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze – erzielt werden. Einkommensbezogenheit kann nicht nur dann vorliegen, wenn eine strikte Kongruenz zwischen Einkommen und Beitrag besteht. Insofern reicht es aus, dass bestimmte Einkommen mit einem ihnen zugeordneten Beitrag verbunden sind. Andernfalls könnte auch die Zahlung des Höchstbeitrages, weil ein Einkommen erzielt wird, das über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, nicht als einkommensbezogene Beitragszahlung angesehen werden.
Nach Ansicht der Kammer sind die von dem Kläger gezahlten Beiträge aber dennoch nicht als einkommensbezogene Beiträge im Sinne des § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI anzusehen, weil sie nicht für die Beschäftigung, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begehrt wird, sondern für die daneben bestehende selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt gezahlt wurden.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist für die Bestimmung der an die Beigeladene zu zahlenden Beiträge zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung zu unterscheiden. Unstreitig wurden vorliegend die Beiträge nicht für die abhängige Beschäftigung bei der C. GmbH gezahlt.
Die Befreiung setzt jedoch voraus, dass die einkommensbezogenen Beiträge für die abhängige Beschäftigung gezahlt wurden, für die die Befreiung begehrt wird. Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI. Denn dieser nennt keine weiteren Voraussetzungen für die einkommensbezogenen Beiträge. Dies ergibt sich jedoch aus der Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung.
So beziehen sich die in den Sätzen 1 bis 3 des § 231 Abs. 4 b SGB VI getroffenen Regelungen ausdrücklich auf die jeweiligen Beschäftigungen. Bereits dies spricht dafür, dass auch Satz 4 einen Bezug zur jeweils ausgeübten Beschäftigung hat. Bestätigt wird dies durch Satz 5 des § 231 Abs. 4 b SGB VI. Denn dieser schließt die Anwendbarkeit der Sätze 1 bis 4 für Beschäftigungen aus, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt auf Grund einer vor dem 04.04.2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Da Satz 5 ausdrücklich Beschäftigungen nennt und für diese unter anderem die Geltung des Satzes 4 unter den weiter genannten Voraussetzungen ausschließt, folgt hieraus nach Ansicht der Kammer, dass auch die Regelung des Satzes 4 einen Bezug auf die zu befreiende Beschäftigungen fordert.
Weiter spricht für dieses Verständnis die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der sogenannten „Doppelberufstheorie oder Zweitberufstheorie“ hatte der Syndikusanwalt zwei Berufe. Einerseits ein festes Dienst- und Anstellungsverhältnis zu einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und andererseits den Beruf als freier Rechtsanwalt neben seiner Tätigkeit im Unternehmen (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, S. 14). Dies führte in der Folge dazu, dass das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 03.04.2014, B5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R, festgestellt hat, dass nach dem damals geltenden Recht Syndikusanwälte nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können, weil die anwaltliche Tätigkeit neben der abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird und beide nicht im Sinne einer einheitlichen Betrachtung zusammengezogen werden können. Es handele sich um zwei unterschiedliche rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte, jeder Sachverhalt sei selbständig zu beurteilen (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, S. 15).
Demnach galt nach dieser Rechtsprechung – bis zur Eröffnung der Möglichkeit der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt am 01.01.2016 – eine strikte Trennung zwischen anwaltlicher Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung. War aber eine Trennung zwischen anwaltlicher Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung vorzunehmen, können Beiträge, die – wie vorliegend – für die anwaltliche Tätigkeit gezahlt worden sind, nicht als relevante einkommensbezogene Beiträge im Sinne des Satzes 4 angesehen werden.
Auch die Gesetzesbegründung stützt diese Auslegung.
Dort heißt es (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, S. 47):
„Satz 4 regelt, dass die Begrenzung der Rückwirkung der Befreiung auf April 2014 nicht in den Fällen gilt, in denen insbesondere in der Annahme des Bestehens einer gültigen Befreiung seinerzeit nur einkommensbezogene Pflichtbeiträge zur berufsständischen Versorgung gezahlt wurden, nicht jedoch zur gesetzlichen Rentenversicherung. … Hiermit wird umfassend eine Rückabwicklung der zur berufsständischen Versorgung entrichteten Beiträge vermieden und im Ergebnis die tatsächliche Beitragszahlung legalisiert.“
Hieraus folgt nach Ansicht der Kammer, dass einkommensbezogene Beiträge nur solche sind, die aufgrund satzungsrechtlicher Regelungen des Versorgungswerkes für eine abhängige Beschäftigung anstelle von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung an das Versorgungswerk gezahlt wurden. Denn die Begründung betont durch die Verwendung des Wortes „nur“, dass eine Befreiung alleine im Fall einer ausschließlichen Beitragszahlung an das Versorgungswerk anstelle von Zahlungen an die Rentenversicherung möglich sein soll. Solche Beiträge stehen zwingend im Zusammenhang mit einer abhängigen Beschäftigung und können nicht aus einer selbständigen Tätigkeit resultieren.
Aus der zuletzt zitierten Stelle der Gesetzesbegründung ergibt sich weiter, dass der Kläger nicht zu dem Personenkreis zählt, der nach dem Willen des Gesetzgebers im Zeitraum vor April 2014 rückwirkend von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden sollte. Diese Befreiungsmöglichkeit soll nur diejenigen Rechtsanwälte erfassen, die keinerlei Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt haben, sondern alleine einkommensbezogene Beiträge an das Versorgungswerk gezahlt haben. Diese Einschränkung des Personenkreises, der von der Befreiung profitieren kann, wird insbesondere durch den Hinweis auf die Vermeidung der Rückabwicklung der an die berufsständische Versorgung entrichteten Beiträge und die Legalisierung der tatsächlichen Beitragszahlung bestätigt.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach Ansicht der Kammer die Formulierung in der Gesetzesbegründung „insbesondere“ nicht schlüssig erscheint. Denn neben den Fällen der Annahme einer gültigen Befreiung bleibt lediglich die Möglichkeit, dass die alleinige Beitragszahlung an das Versorgungswerk in Kenntnis des Fehlens der Befreiung erfolgte. Es ist vor dem Hintergrund der Regelungen der Satzung der Beigeladenen und der anderen Versorgungswerke für Rechtsanwälte nicht ersichtlich, in welcher Konstellation sonst Beiträge alleine an das Versorgungswerk hätten abgeführt werden können.
Dem Kläger ist zuzugestehen, dass mit dieser Auslegung diejenigen Anwälte benachteiligt werden, deren Arbeitgeber sich – insbesondere nachdem bekannt geworden war, dass die Beklagte ihre bisherige Befreiungspraxis anhand der Vier-Kriterien-Theorie nicht mehr so großzügig handhabt wie in der Vergangenheit – korrekt verhalten haben und mangels Vorliegens eines Befreiungsbescheides die Meldung zur Rentenversicherung vorgenommen haben und für die daher an das Versorgungswerk nur Beiträge für ihre neben der Beschäftigung ausgeübte selbständige Tätigkeit gezahlt wurden.
Aber auch aus den weiteren Teilen der Gesetzesbegründung folgt nicht zwingend, dass der Kläger zu dem Personenkreis zählt, der nach dem Willen des Gesetzgebers von der Möglichkeit der rückwirkenden Befreiung profitieren soll.
So heißt es in der Gesetzesbegründung:
„Ein weiteres Ziel ist, die bisherige Praxis der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) zur Befreiung angestellter Rechtsanwälte von der Rentenversicherungspflicht gesetzlich weitestgehend fortzuschreiben und den Gleichlauf zwischen berufsrechtlicher Zulassungsentscheidung und der Entscheidung über die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung zu erreichen.“ (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, S. 13)
„Mit den Änderungen im SGB VI soll erreicht werden, dass die berufsrechtlichen Regelungen sowohl für die Zukunft als auch mit Wirkung für die Vergangenheit – im Zusammenwirken mit den Befreiungsvorschriften im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung – den bis zu den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 03. April 2014 bestehenden Status quo weitestgehend wieder herstellen können.“ (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, S. 22).
„Zum anderen soll durch die Einräumung eines rückwirkenden Befreiungsrechts für diejenigen, die nach der geänderten BRAO als Syndikusrechtsanwälte … zugelassen und von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können, auch für die Vergangenheit der Status quo hergestellt werden. Die während des Bestehens einer Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge sollen im Ergebnis (rückwirkend) an die Versorgungswerken erstattet werden können und eine trotz Fehlens einer wirksamen Befreiung erfolgte einkommensbezogene Beitragszahlung an die Versorgungswerke soll nachträglich legalisiert werden.“ (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, S. Seite 22).
Zu § 231 Absatz 4b SGB VI heißt es:
„Absatz 4b eröffnet für bestimmte Syndikusrechtsanwälte … die Möglichkeit, auf zusätzlichen Antrag … eine über § 6 Abs. 4 SGB VI hinausgehende Rückwirkung der Befreiung herbeizuführen. Eine bis zur Erteilung der Befreiung erfolgte Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung wird längstens bis zum 1. April 2014 rückabgewickelt. Eine erfolgte Beitragszahlung zu den berufsständischen Versorgungeinrichtungen der Rechtsanwälte … wird legalisiert. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass infolge der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Möglichkeit zur Befreiung für Syndikusanwälte vorübergehend zeitweise nicht gegeben war und berücksichtigt angemessen ein durch die bisherige Rechtspraxis bei der Befreiung von Syndikusrechts- und Syndikuspatentanwälten geschaffenes schutzwürdiges Vertrauen. Die Regelung hat nur Bedeutung für diejenigen Personen, die für ihre zum Zeitpunkt der Urteile des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 ausgeübten Beschäftigungen keinen gültigen Befreiungsbescheid besaßen, stets Pflichtmitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung waren und nunmehr als Syndikusrechtsanwälte … befreiungsfähig sind.“ (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, Bundestagsdrucksache 18/5201 vom 16.06.2015, S. 46).
Diesen Passagen lässt sich nicht klar entnehmen, welchen Personenkreis der Gesetzgeber im Sinne einer rückwirkenden Befreiung als schutzwürdig angesehen hat. Die Erwähnung schutzwürdigen Vertrauens aufgrund der bisherigen Rechtspraxis, die Bezugnahme auf Personen, die zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundessozialgerichts keinen gültigen Befreiungsbescheid besaßen, und die Nennung der Erstattung von Beiträgen durch die Rentenversicherung an das Versorgungswerk sprechen dafür, dass die rückwirkende Befreiungsmöglichkeit auch Syndikusanwälten in der Situation des Klägers offenstehen soll. Andererseits spricht hiergegen wiederum die Erwähnung der Legalisierung der an das Versorgungswerk erfolgten Beitragszahlung.
Schließt man den Personenkreis des Klägers, der sich nach Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten korrekt verhalten hat und für die abhängige Beschäftigung nur Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt hat, während die Beiträge an das Versorgungswerk nur aus der selbständigen Tätigkeit resultieren, von der rückwirkenden Befreiung aus, stellt sich auch die Frage, welche Bedeutung der Regelung des § 231 Abs. 4 b Satz 5 SGB VI zukommt. Aus ihr könnte geschlossen werden, dass Syndiuksrechtsanwälte, über deren Befreiung am 04.04.2014 noch nicht abschließend entschieden war, umfassend von den Befreiungsregelungen in den Sätzen 1 bis 4 profitieren können sollen. Allerdings dürften in den zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschiedenen Befreiungsverfahren in der Regel durch die Arbeitgeber bereits Beiträge an die Beklagte gezahlt worden seien. Es stellt sich daher die Frage, welche Fälle des Satzes 4 die Regelung dann erfassen soll.
Im Hinblick darauf, dass aus dem weiteren Inhalt der Gesetzesbegründung und aus der Regelung des § 231 Abs. 4 b Satz 5 SGB VI nicht eindeutig geschlossen werden kann, dass der Kläger zu dem Personenkreis gehört, dem der Gesetzgeber die Möglichkeit der rückwirkenden Befreiung eröffnen wollte, geht die Kammer im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesbegründung zur Regelung des § 231 Abs. 4 b SGB VI davon aus, dass einkommensbezogene Beiträge nur solche sind, die für die zu befreiende abhängige Beschäftigung gezahlt wurden.
Der Kläger kann sich für die von ihm vertretene Ansicht auch nicht auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19.07.2016, 1 BvR 2584/14 und vom 22.07.2016, 1 BvR 2434/14 berufen.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in diesen Beschlüssen für Sachverhalte, die dem hier zugrundeliegenden vergleichbar sind, ausgeführt, dass es sich auch bei Mindestbeiträgen um einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI handelt. Allerdings hat es dies nicht weiter ausgeführt und begründet. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern für eine einkommensbezogene Beitragszahlung im Sinne der Vorschrift die Zahlung von Beiträgen für eine selbständige Tätigkeit neben der zu befreienden Tätigkeit ausreichend ist. Es stellt sich daher die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 19. und 22.07.2016 die vorliegend streitige Problematik überhaupt gesehen hat und entscheiden wollte. Jedenfalls enthalten die von dem Bundesverfassungsgericht in den genannten Beschlüssen zitierten Aufsätze keine weiterführenden Erläuterungen. Letztendlich wird in ihnen nur darauf verwiesen, dass es sich bei den gezahlten Mindestbeiträgen zur selbständigen Tätigkeit um einkommensgerechte Beiträge handelt.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch Boris Wein und Daniela Walter in ihrem Aufsatz davon ausgehen, dass eine Befreiung für den Personenkreis, dem der Kläger angehört, nicht möglich ist. Sie führen sie aus, dass in Altfällen, in denen vor dem 01.04.2014 Beiträge an die DRV Bund gezahlt wurden, das Gesetz vorsieht, dass die bis zu diesem Zeitpunkt an die Rentenversicherung gezahlten Beiträge dort verbleiben, auch wenn die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgt. Dies sei ein Dilemma für diejenigen, die vor den Entscheidungen des BSG vom 03.04.2014 rechtskonform beim Arbeitgeberwechsel eine neue Befreiung nach § 6 SGB VI beantragt hätten, nicht befreit worden seien und sich über mehrere Jahre in der Auseinandersetzung mit der DRV Bund befunden hätten (Boris Wein/Daniele Walter, Die Anforderungen an den neuen Snydikusrechtsanwalt – ein Beitrag zum Unternehmensjuristen-Kongress 2016 des BUJ e.V., Betriebsberater 2016, S. 245 ff.)
Damit ergibt die Auslegung des Satzes 4, dass einkommensbezogene Beiträge nur solche sind, die für die zu befreiende abhängige Beschäftigung gezahlt wurden. Solche Beiträge hat der Kläger an das Versorgungswerk unstreitig nicht gezahlt.
Auch für die Zeit vom 18.01.2014 bis zum 31.01.2014 ist eine rückwirkende Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht nicht möglich. Zwar ist aufgrund der Angaben der Vertreterin der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.01.2018 davon auszugehen, dass für diesen Zeitraum Beiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen gezahlt wurden. Allerdings handelt es sich hierbei ebenfalls nicht um einkommensbezogene Beiträge im oben dargestellten Sinn. Der Kläger hat in der Klageschrift bestätigt, dass er auch an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen den Mindestbeitrag für die selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt gezahlt hat.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.


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