Medizinrecht

Ablehnung der Zulassung zu einer dritten Wiederholungsprüfung

Aktenzeichen  AN 2 K 19.01777

Datum:
29.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26554
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 121 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Anzahl der Wiederholungsprüfungen aufgrund eines Härtefalls auf maximal zwei Versuche, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, da verfassungsrechtlich lediglich die einmalige Wiederholungsmöglichkeit zu eröffnen ist. (NVwZ-RR 1999, 245; BeckRS 1991, 31267779) (Rn. 45) (Rn. 41 – 46) (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Wiederholungsprüfung aufgrund eines Härtefall ist nur zulässig, wenn trotz der vorausgegangen Prüfungsleistungen Zweifel bestehen, dass die Ausgangsprüfung das tatsächliche Leistungsvermögen des Prüflings zutreffend abgebildet hat, und hinreichend zu erwarten ist, dass die erneute Prüfung bestanden wird. (BeckRS 1994, 20557, a.A. BeckRS 2008, 3262). (Rn. 47 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Antrag auf Einräumung einer Wiederholungsprüfung kann als nachträglicher Prüfungsrücktritt ausgelegt werden, wenn er ohne schuldhaftes Zögern gem. § 121 Abs. 1 BGB gestellt wird. Daran fehlt es regelmäßig, wenn der Prüfling, wie vorliegend, das (negative) Ergebnis der Prüfung abwartet und erst anschließend den Rücktritt erklärt. (Rn. 54 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
4 Darüber hinaus bedarf es zur Beurteilung eines unverzüglichen Prüfungsrücktritts aufgrund einer ggf. vorliegenden unerkannten Prüfungsunfähigkeit eines substantiierten Vortrags unter Vorlage eines ärztlichen Attests, aus welchem nicht nur die Krankheit und deren Auswirkungen hervorgehen, sondern auch, aus welchem Grund eine frühere Rücktrittserklärung nicht möglich oder unzumutbar gewesen ist (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 291). (Rn. 59 – 64) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die als Anfechtungsklage gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen sowie als Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage gegen die Ablehnung einer weiteren Wiederholungsprüfung erhobene Klage ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 und 2 VwGO).
Zwar ist die einmonatige Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO betreffend den Bescheid der Beklagten über das endgültige Nichtbestehen des klägerischen Studiengangs vom 26. April 2019 nicht eingehalten. Denn nach eigenem Vortrag wurde dem Kläger der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen am 16. Mai 2019 bekannt gegeben. Hiergegen hat er mit Eingang bei der Beklagten am Dienstag, 18. Juni 2019, also nicht binnen Monatsfrist, Widerspruch erhoben. Auch kann der Antrag des Klägers vom 23. April 2019 auf Einräumung einer weiteren Wiederholungsprüfung nicht als Widerspruch gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen ausgelegt oder dahin umgedeutet werden. Denn nach eigenem Vortrag des Klägers hatte dieser im Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Kenntnis von dem Bescheid über das endgültige Nichtbestehen, was im Übrigen der klare Wortlaut auch der Antragsbegründung bestätigt. Dennoch steht hier die Verfristung des Widerspruchs der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Dann für den Fall, dass die Widerspruchsbehörde trotz Verfristung des Widerspruchs mit ihrem Widerspruchsbescheid in der Sache entscheidet, ist anerkannt, dass hierdurch die Klagemöglichkeit gegen den Bescheid wiedereröffnet wird (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 8 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Denn die Beklagte hat die Zurückweisung des Widerspruchs gerade nicht mit Erwägungen zur Zulässigkeit, sondern materiell begründet.
2. Die Klage ist aber unbegründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten über das endgültige Nichtbestehen vom 26. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2019 sowie die konkludente Versagung einer weiteren Wiederholungsprüfung mit demselben Bescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine weitere Wiederholungsprüfung zu, insbesondere nicht unter den Gesichtspunkten eines Härtefalls oder des Prüfungsrücktritts, auch nicht mit Blick auf eine etwaige unerkannte Prüfungsunfähigkeit.
a) Nach der einschlägigen Prüfungsordnung steht dem Kläger kein dritter Wiederholungsversuch bzw. Viertversuch der nicht bestandenen Prüfung English … zu, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Härtefalls. Diese Ausgestaltung der Prüfungsordnung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar.
aa) § … (Allgemeine Studien- und Prüfungsordnung … … sieht vor, dass nicht bestandene Prüfungen der Grundlagen und Orientierungsprüfung und die Bachelorarbeit einmal, alle übrigen Prüfungen zweimal wiederholt werden können. Wiederholungsmöglichkeiten darüber hinaus sieht die bezeichnete Prüfungsordnung nicht vor, insbesondere keine Härtefallregelung.
Danach besitzt der Kläger mit Blick auf die Prüfungsordnung keinen Anspruch auf weitere Wiederholungsprüfungen. Denn der Kläger hat die Prüfung English … unstreitig bereits dreimal – im Erstversuch sowie in zwei Wiederholungsversuchen – erfolglos abgelegt und damit alle von der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfungsversuche vollständig ausgeschöpft.
bb) Auch aus höherrangigem Recht lässt sich kein Anspruch auf weitere Wiederholungsprüfungen herleiten, auch nicht aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Die Beschränkung auf insgesamt drei Prüfungsversuche nach § … ist als Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 101 BV gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Dass Prüfungen innerhalb eines Studiums nicht endlos wiederholt werden können, dient zum einen dazu, die Eignung der Studierenden für einen bestimmten Beruf feststellen zu können, und zum anderen, dem Interesse der Allgemeinheit, dass begrenzte Ausbildungsressourcen für solche Studierende genutzt werden sollen, die ihre Qualifikation in den von der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfungen bzw. Prüfungswiederholungen nachweisen können (vgl. zu letzterem Gesichtspunkt Niehues/ Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 769). Zwar stellen Prüfungen zwangsläufig lediglich Stichproben der Fähigkeiten eines Prüflings zu einem bestimmten Zeitpunkt – dem der Prüfungsleistung – dar. Dabei ist die Aussagekraft einer einzelnen Stichprobe begrenzt (vgl. zum Ganzen OVG Münster a.a.O.; BVerfG, B.v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 – NVwZ 1989, 850, 853). So mag die Stichprobe zufällig gerade einen Zeitpunkt erfassen, der nicht die durchschnittliche Leistungsfähigkeit des Prüflings widerspiegelt, sondern „Ausreißer“ des Leistungsvermögens nach oben oder unten abbildet. Aus diesem Grund ist die einmalige Wiederholungsmöglichkeit einer Prüfung verfassungsrechtlich geboten, aber auch ausreichend (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.1998 – 6 PKH 11.98 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 7.3.1991 – 7 B 178.90 – juris Rn. 14; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 766, 769). Der Grund für das verfassungsrechtliche Gebot lediglich einer Wiederholungsmöglichkeit liegt letztlich darin begründet, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sogar zwei – zeitlich zufällige – Stichproben in das Leistungsvermögen des Prüflings jeweils nicht nur „Ausreißer“, sondern zudem noch „Ausreißer nach unten“ abbilden. Schließlich gebieten weder das Grundgesetz noch die Bayerische Verfassung, dass eine Prüfung unbegrenzt wiederholt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris Rn. 96; BayVerfGH, E.v. 27.1.1994 – 14-VII-92 – NVwZ 1994, 503).
Hier geht die einschlägige Prüfungsordnung über die dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben hinaus, indem sie den Studierenden für die hier betroffene Prüfung zwei Wiederholungsmöglichkeiten einräumt. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte nach insgesamt drei nicht bestandenen Prüfungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht die notwendige Eignung für den gewählten Studiengang und darauf aufbauend später auszuübenden Berufe besitzt.
cc) Darüber hinaus würde eine weitere Prüfungswiederholung wegen Härtefalls – wäre diese in der Prüfungsordnung vorgesehen – auch deswegen ausscheiden, weil die allgemeinen Voraussetzungen für eine Härtefallprüfung nicht vorliegen. Denn hier kann ein Prüfungserfolg in der angestrebten Härtefallprüfung ex ante nicht hinreichend sicher erwartet werden.
(1) Allerdings wird die Frage unterschiedlich beurteilt, ob eine Wiederholungsprüfung wegen Härtefalls eine solche Erwartung voraussetzt.
Nach der Rechtsprechung des OVG Bautzen (B.v. 12.12.2007 – 4 B 412/07 – BeckRS 2008, 3262) soll für die Annahme eines prüfungsrechtlichen Härtefalls keine positive Erfolgsprognose für die Wiederholungsprüfung erforderlich sein.
Dagegen versteht das OVG Lüneburg (B.v. 1.6.2004 – 2 LA 153/03 – juris Rn. 6) die Entscheidung der Prüfungsbehörde über die Zulassung zu einer Härtefallprüfung als Verwaltungsakt mit prüfungsspezifischen Wertungen, so dass der Prüfungsbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei. Bei der Härtefallregelung handele es sich um eine eng auszulegen Ausnahmevorschrift. Eine Wiederholungsprüfung sei danach nicht schon dann zu gewähren, wenn lediglich die theoretische oder bloß rechnerische Möglichkeit bestehe, dass die Prüfung insgesamt noch bestanden werde.
Das OVG Münster (U.v. 26.11.1993 – 22 A 3246/92 – BeckRS 1994, 20557) wiederum sieht Raum für die Annahme eines Ausnahme- bzw. Härtefalls nur dann, wenn die bisherigen Prüfungsleistungen bei einem nur knapp verfehlten Prüfungserfolg die Vermutung aufdrängen, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Wiederholungsversuch besteht. Beachtlich für Ausnahme- bzw. Härtefälle könnten nur solche Gründe sein, die ihre Ursache zwar im Leistungsbereich hätten, deren Heranziehung zur Eröffnung einer weiteren Prüfungschance allerdings nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
Die zuletzt genannte Ansicht überzeugt. Denn eine Härtefallregelung verfolgt keinen Selbstzweck. Sie lässt vielmehr – ausnahmsweise – eine weitere Prüfung zu, um den Grundsatz der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG zu verwirklichen (OVG Lüneburg a.a.O.). Insoweit ist bereits dargelegt, dass verfassungsrechtlich eine einzige Wiederholungsprüfung geboten, aber auch ausreichend ist, und grundsätzlichen bereits die Aussagekraft zweier (negativer) Prüfungsergebnisse verlässlich ist. Auf dieser Grundlage kann eine außerordentliche Wiederholungsmöglichkeit wegen Härtefalls – im Fall einer entsprechenden Rechtsgrundlage in der Prüfungsordnung – nur dann in Betracht kommen, wenn erstens trotz der vorausgegangen Prüfungsleistungen ausnahmsweise Zweifel bestehen, dass diese das tatsächliche Leistungsvermögen des Prüflings zutreffend abgebildet haben, und zweitens hinreichend zu erwarten ist, dass der Prüfling die neue Prüfung tatsächlich bestehen werde. Diese Voraussetzungen liegen beispielsweise nahe, wenn Umstände weggefallen sind, die den Prüfling zuvor in seinem Leistungsvermögen beeinträchtigt haben, und der Prüfungserfolg etwa (zweifach) lediglich knapp verfehlt wurde oder eine Leistungssteigerung aus den vorangegangenen Prüfungsversuchen erkennbar ist (vgl. OVG Münster a.a.O.). Wollte man dagegen eine außerordentliche Wiederholungsmöglichkeit wegen Härtefalls unabhängig von Zweifeln an der Aussagekraft der vorangegangenen Prüfungen und unabhängig von den aktuellen Aussichten auf den Prüfungserfolg zulassen, würde die Härtefallprüfung das Gebot prüfungsrechtlicher Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwirklichen, sondern verletzen. Denn in diesem Fall würden zum einen auch solche Prüflinge eine neue Prüfungschance erhalten, deren Leistungsvermögen durch die vorangegangenen Prüfungen bereits zutreffend abgebildet wurde. Für eine solche Privilegierung gegenüber bereits im Erst- oder Zweitversuch erfolgreichen Prüflingen ist aber kein sachlicher Grund ersichtlich. Vielmehr haben in diesem Fall die vorangegangenen Prüfungen gerade das verfolgte Ziel der Differenzierung nach Leistungsvermögen erreicht. Zum anderen würden auch Prüflinge ohne Aussicht auf Prüfungserfolg eine neue Prüfungschance erhalten. Eine Wiederholungsprüfung unter diesen Voraussetzungen wäre aber letztlich sinnlos und könnte schon deswegen nicht das Ziel prüfungsrechtlicher Chancengleichheit verwirklichen. Außerdem wäre das berechtigte Allgemeininteresse beeinträchtigt, wonach begrenzte Ausbildungsressourcen für solche Studierende genutzt werden sollen, die ihre Qualifikation spätestens in den von der Prüfungsordnung regulär vorgesehenen Wiederholungsversuchen nachweisen können (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 769).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze würde es hier auch an den allgemeinen Voraussetzungen für Wiederholungsmöglichkeiten wegen Härtefalls fehlen, sofern die … eine solche Härtefallregelung vorsähe. Denn jedenfalls wäre nicht hinreichend ersichtlich, dass der Kläger die fragliche Wiederholungsprüfung bestehen könnte. So hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, er habe seit Erhalt des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen nicht mehr weiter studiert. Bis heute habe er keinen Termin für eine psychologische Behandlung erhalten. Danach ist weder die Krankheit des Klägers als Ursache der Leistungsprobleme beseitigt noch hat sich der Kläger – mangels Studium – im letzten Jahr insbesondere mit dem Prüfungsstoff beschäftigt. Unter diesen Voraussetzungen ist zumindest nicht hinreichend ersichtlich, dass der Kläger in einem dritten Wiederholungsversuch bzw. in einem Viertversuch die Prüfung bestehen könnte.
b) Ein Anspruch des Klägers auf eine weitere Wiederholungsprüfung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Antrag des Klägers auf Einräumung einer solchen Wiederholungsmöglichkeit vom 23. April 2019 als wirksame Erklärung des (nachträglichen) Prüfungsrücktritts ausgelegt oder dahingehend umgedeutet werden könnte. Insoweit fehlt es jedenfalls an einem Beleg der Prüfungsunfähigkeit im Zeitpunkt der fraglichen Prüfung am … 2019. Zudem kann hier nicht von einer unverzüglichen Rücktrittserklärung ausgegangen werden, auch nicht unter dem Gesichtspunkt unerkannter Prüfungsunfähigkeit.
aa) Eine etwaige Prüfungsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der fraglichen Prüfung am … 2019 ist nicht belegt. Denn der Kläger hat kein ärztliches Attest vorgelegt, aus dem sich eine Prüfungsunfähigkeit an diesem Tag ergeben würde. Vielmehr hat der Kläger lediglich ein ärztliches Attest von Herrn … vom 25. April 2019 vorgelegt, wonach er sich bei dem Arzt in hausärztliche Betreuung mit der Diagnose einer depressiven Episode befinde. Aus diesen Gründen bzw. wegen dieser Krankheit habe sich der Kläger am 5. Februar 2019 in der Sprechstunde des Arztes befunden. Er sei diesbezüglich an Psychotherapeuten weitergeleitet worden. Eine Prüfungsunfähigkeit am … 2019 ist dem nicht zu entnehmen. Zudem befindet sich bei der Behördenakte (Bl. 27 der Behördenakte) ein ärztliches Attest desselben Arztes vom 13. Februar 2019 – also zeitlich nach der Vorstellung des Klägers wegen der depressiven Episode -, welches allein Diagnosen körperlicher Krankheiten, nämlich „Schwindel und Taumel“, Kopfschmerzen und “[s]onstige und nicht näher bezeichnete Krankheiten des Kreislaufsystems“ ausweist. Im Fall einer depressiven Erkrankung des Klägers bereits im Zeitpunkt seiner ärztlichen Vorstellung am 5. Februar 2019 wäre indes zu erwarten gewesen, dass auch das Attest vom 13. Februar 2019 diese psychische Erkrankung ausgewiesen hätte.
bb) Nach allgemeinen Grundsätzen – ohne Berücksichtigung etwaiger unerkannter Prüfungsunfähigkeit – liegt hier keine unverzügliche Rücktrittserklärung vor.
Anerkannt ist, dass es dem Prüfling obliegt, den Rücktritt von der Prüfung unverzüglich zu erklären, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 282). Das Gebot der Unverzüglichkeit dient dazu, missbräuchliches Prüfungsverhalten zu vermeiden (Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O.). Die Voraussetzung der Unverzüglichkeit ist Ausdruck des im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit (Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 283). Danach fehlt es grundsätzlich jedenfalls dann an der Unverzüglichkeit, wenn der Prüfling das (negative) Ergebnis der Prüfung abwartet und erst anschließend den Rücktritt erklärt. Denn es entspricht weder Treu und Glauben noch prüfungsrechtlicher Chancengleichheit, sich im Unterschied zu den übrigen Prüfungsteilnehmern erst in Kenntnis des Prüfungsergebnisses für oder gegen einen neuen Prüfungsversuch zu entscheiden (so zur Rügeobliegenheit Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 218).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt hier kein unverzüglich erklärter Prüfungsrücktritt vor. Denn der Kläger hat sich hinsichtlich einer Wiederholungsprüfung erst nach Kenntnisnahme des Nichtbestehens seines letzten Prüfungsversuchs an die Beklagte gewandt.
cc) Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze unerkannter Prüfungsunfähigkeit ist hier nicht von einem unverzüglichen Prüfungsrücktritt auszugehen.
(1) Die nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit ist ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn sich Prüflinge aufgrund Unkenntnis ihrer Krankheit oder krankheitsbedingter Fehleinschätzung der Prüfungssituation aussetzen und sie diesen Nachteil nicht zuvor, ggf. nach ärztlicher Beratung, durch Prüfungsrücktritt bzw. Verschiebung der Prüfung abwenden konnten. Dasselbe gilt, sofern den Prüflingen ihre Krankheit im Prüfungszeitpunkt zwar bekannt ist, diese sich aber während der Prüfung verschlimmert, ohne dass dies für die Prüflinge vorhersehbar oder in seiner Tragweite überschaubar ist (vgl. so zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018 Rn. 290). Auch in Fällen unerkannter Prüfungsunfähigkeit obliegt es den Prüflingen, den Rücktritt unverzüglich bezogen auf den Zeitpunkt zu erklären, in dem sie die bis dahin unerkannte Prüfungsunfähigkeit erkannt haben. Auch obliegt es Prüflingen regelmäßig, sich bereits im Fall subjektiven Krankheitsverdachts ärztlich untersuchen zu lassen. Wird der Rücktritt wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit erklärt, obliegt es den Prüflingen auch, mittels ärztlichen Attests nicht nur die Krankheit und deren Auswirkungen substantiiert darzulegen, sondern auch, aus welchem Grund eine frühere Rücktrittserklärung nicht möglich oder unzumutbar gewesen ist (vgl. zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 291).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe scheidet hier ein Prüfungsrücktritt nach den Grundsätzen unerkannter Prüfungsunfähigkeit aus.
Bereits ausgeführt ist, dass es bereits an einem Beleg dahingehend fehlt, dass der Kläger tatsächlich im Zeitpunkt der fraglichen Prüfung am … 2019 prüfungsunfähig war. Darüber hinaus fehlt es an Darlegungen, die die Kammer in die Lage versetzen würden, überhaupt erst zu beurteilen, ob der Kläger nach Erkennen seiner Prüfungsunfähigkeit unverzüglich den Rücktritt erklärt hat. Insoweit fehlen jedenfalls substantiierte Ausführungen hinsichtlich des Zeitpunkts, in dem der Kläger ggf. erstmals von seiner – bislang unerkannten – Prüfungsunfähigkeit Kenntnis erlangt hat. Entsprechend kann die Kammer bezogen auf diesen Zeitpunkt nicht prüfen, ob die erstmalige Kontaktaufnahme des Klägers bei der Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Prüfung mit Schreiben vom 23. April 2019 rechtzeitig – nämlich unverzüglich – erfolgt ist. Erst recht mangelt es an entsprechenden, substantiierten Ausführungen im Rahmen eines ärztlichen Attests.
Soweit der Kläger vorbringt, er habe in seiner Widerspruchsbegründung ausführlich geltend gemacht, weshalb er seine Prüfungsunfähigkeit nicht habe erkennen und nicht zu einem früheren Zeitpunkt habe geltend machen können, trifft dies zur Überzeugung der Kammer so nicht zu. So enthält der Widerspruch des Klägers keine Ausführungen in der Sache. Auch ist keine weitergehende Widerspruchsbegründung des Klägers eingegangen. In dem Antrag des Klägers auf eine weitere Prüfungswiederholung vom 23. April 2019 finden sich zwar substantiierte Ausführungen zu seiner derzeitigen persönlichen Situation. Dass der Kläger seine Prüfungsunfähigkeit bislang nicht erkannt habe bzw. den Antrag krankheitsbedingt nicht früher habe stellen können, kann dem Schreiben allerdings nicht entnommen werden, erst recht kein Zeitpunkt, in dem der Kläger ggf. seine Prüfungsunfähigkeit erkannt hat. Vielmehr spricht das bezeichnete Schreiben gegen die Annahme einer unverzüglichen Reaktion nach erkannter Prüfungsunfähigkeit. Denn der Kläger führt in dem Schreiben – nachdem er von dem Nichtbestehen auch seiner zweiten Wiederholungsprüfung erfahren hatte – aus, hinsichtlich seiner akademischen Laufbahn habe er zeitnah zu den Prüfungsterminen körperliche und psychische Unfähigkeit festgestellt und nicht seine beste Leistung erbringen können. Danach wäre im Fall eines unverzüglichen Handelns zumindest eine zeitnahe Reaktion gegenüber der Prüfungsbehörde nach Abschluss der zweiten Wiederholungsprüfung zu erwarten gewesen. Stattdessen hat der Kläger die Beklagte hinsichtlich der Prüfung aber erstmals nach Notenbekanntgabe kontaktiert.
Schließlich ist weder substantiiert dargelegt noch durch ärztliches Attest belegt, warum der Kläger ggf. krankheitsbedingt nicht in der Lage war, zeitnah, insbesondere vor Notenbekanntgabe mit Blick auf die streitgegenständliche Prüfung Kontakt zur Beklagten aufzunehmen.
3. Die Entscheidung, dem Kläger keine weitere Wiederholungsmöglichkeit einzuräumen, und der damit einhergehende Bescheid über das endgültige Nichtbestehen des Studiengangs sind auch verhältnismäßig im Einzelfall. Der Zweck der Begrenzung von Wiederholungsmöglichkeiten liegt in dem legitimen Interesse der Allgemeinheit, dass begrenzte Ausbildungsressourcen für solche Studierende genutzt werden, die ihre Qualifikation spätestens in den nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Wiederholungsversuchen nachweisen (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 769). Hierfür ist das Mittel der Begrenzung von Prüfungsmöglichkeiten auch vorliegend nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Denn jede weitere Wiederholungsmöglichkeit würde das Ziel der effektiven Nutzung begrenzter Ressourcen weniger wirksam verwirklichen. Die Versagung einer weiteren Wiederholungsprüfung ist hier auch angemessen. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger – über das verfassungsrechtlich Gebotene hinaus – drei Prüfungsversuche erhalten hat. Des Weiteren war der Kläger den geltend gemachten Härten im Zusammenhang mit den fraglichen Prüfungen rechtlich betrachtet nicht schutzlos ausgeliefert. Vielmehr hätte er eine etwaige Prüfungsunfähigkeit im Prüfungstermin vom 8. April 2019 – ggf. auch unter dem Gesichtspunkt unerkannter Prüfungsunfähigkeit – substantiiert geltend machen und durch ärztliches Attest belegen können.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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