Medizinrecht

Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Konfirmation wegen Coronabeschränkungen

Aktenzeichen  M 26b E 20.5181

Datum:
17.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29643
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayIfSMV Art. 25a Abs. 2 S. 1
VwGO § 114, § 123
ZPO § 294, § 920 Abs. 1, Abs. 2
GG Art. 6, Art. 14

 

Leitsatz

1. Die in § 25a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 7. BayIfSMV festgelegte enge Begrenzung des Teilnehmerkreises bei privaten Feiern dient als Teil eines Maßnahmenbündels, dass die Eindämmung von COVID-19-Erkrankungen zum Ziel hat, einem legitimen Zweck (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die zusätzliche Anwesenheit bei einer privaten Feier von weiterer Verwandtschaft, die nicht zur Kernfamilie gehört, betrifft nicht den Schutzbereich von Art. 6 GG. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beschränkung der Teilnehmerzahl für die geplante private Feier betrifft einen Antragsteller in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Dieses Recht gilt jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegt einem Gesetzesvorbehalt und tritt derzeit im Ergebnis gegenüber dem mit der Kontaktbeschränkung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) zurück. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller beabsichtigt, am 17. und 18. Oktober 2020 die Konfirmation seiner Tochter zu feiern und begehrt dafür von der Antragsgegnerin eine Ausnahmegenehmigung nach den aktuellen Vorschriften des Infektionsschutzrechts.
Nach den Plänen des Antragstellers soll am Samstag, den 17. Oktober 2020, am Abend eine Feier in seiner Privatwohnung stattfinden, am Sonntag, den 18. Oktober 2020, soll es im Anschluss an die Konfirmation einen Empfang im Freien und anschließend eine Feier wiederum in der Privatwohnung des Antragstellers geben. Insgesamt sollen nach seinen Angaben bis zu 21 Personen gleichzeitig an der Feier teilnehmen, davon gehören 5 Personen zur engen Familie des Antragstellers. Bei den übrigen Gästen handelt es sich um den leiblichen Vater der zu konfirmierenden Tochter, die Großeltern der Tochter, Onkel, Tanten Cousins und Cousinen der Tochter sowie eine Freundin der Tochter. Als Gastgeber habe der Antragsteller und seine enge Familie sich am Mittwoch dieser Woche vorsorglich auf eine Infizierung mit SARS-CoV-2 testen lassen. Die Testergebnisse seien negativ. Es bestehe ein ausgefeiltes Schutz- und Hygienekonzept, das den Gästen mitgeteilt worden sei, Alkohol werden nur in sehr geringem Maß ausgeschenkt werden. Zudem hätten alle Gäste die Corona-Warn-App installiert und verhielten sich entsprechend.
Am 15. Oktober 2020 beantragte der Antragsteller wegen der sich abzeichnenden Verschärfung der Infektionsschutzmaßnahmen auf dem Gebiet der Landeshauptstadt M. bei der Antragsgegnerin vorsorglich eine Ausnahmegenehmigung für die Durchführung der vorgesehenen Feier.
Nachdem sein Antrag nicht verbeschieden wurde, wandte sich der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes mit Telefax vom 16. Oktober 2020 an das Verwaltungsgericht München. Er beantragt sinngemäß,
im Wege einer einstweiligen Anordnung eine Ausnahmegenehmigung nach § 5 der 7. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) für die folgenden privaten Feiern zu erteilen:
1. am 17. Oktober 2020 von 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr in der Wohnung des Antragstellers,
2. am 18.Oktober 2020 von 10:30 bis 12:00 Uhr im Freien in A.,
3. am 18. Oktober 2020 von 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr in der Wohnung des Antragstellers.
Die geplante Feier sei unter der aktuell geltenden Rechtslage genehmigungsfrei zulässig. Den Medien sei aber zu entnehmen, dass es ab Samstag, den 17. Oktober 2020, zu Verschärfungen der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen kommen solle, die dazu führten, dass die Feier nicht mehr zulässig sei. Sein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung stütze sich auf die Ausübung der Religionsfreiheit, auf das Grundrecht des Schutzes der Familie, den Schutz der privaten Wohnung und Bestandsschutz im Hinblick auf die bisherigen Regelungen. Dem leiblichen Vater der Tochter und seiner Herkunftsfamilie dürfe an einem so wichtigen Tag der Kontakt zur Tochter nicht untersagt sein. In anderen Bundesländern werde für private Feiern nur eine Empfehlung ausgesprochen. Es seien bereits Investitionen getätigt worden. Von der Feier gehe kein relevantes Risiko aus.
Die Antragsgegnerin nahm mit Telefax vom 16. Oktober 2020 zum Verfahren Stellung. Sie beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wies sie darauf hin, dass nach aktuell geltender Rechtslage die private Familienfeier genehmigungsfrei durchgeführt werden könne. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag sei daher derzeit nicht erkennbar. Rein vorsorglich werde für den Fall, dass aufgrund einer Änderung der Rechtslage am 17. Oktober 2020 für die Durchführung der Feier eine Ausnahmegenehmigung erforderlich sei, darauf verwiesen, dass eine solche im Ermessen der Antragsgegnerin stehe und an die Ermessensausübung strenge Kriterien anzulegen seien. Bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, komme es auf das Gesamtgepräge und die Ausgestaltung der Veranstaltung an. Es sei zu berücksichtigen, dass das Infektionsgeschehen im Stadtgebiet gegenwärtig stetig ansteige, und dass die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit gezeigt hätten, dass Feiern im privaten Umfeld zur Ausbreitung der Corona-Pandemie beitragen könnten, indem sie sich als Superspreaderevents erwiesen. Bei privaten Feiern stehe der kommunikative Austausch im Vordergrund. Ein solcher gehe regelmäßig mit Situationen einher, in denen der Mindestabstand nicht eingehalten werde und Masken, zumindest während des Essens und Trinkens, abgesetzt würden. Nach ministeriellen Vorgaben sei bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen von der Wertung des Verordnungsgebers auszugehen, wonach größere Veranstaltungen im Regelfall nicht möglich sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
1. Die Entscheidung ergeht wegen Dringlichkeit durch die Vorsitzende (§§ 80 Abs. 8, 123 2 Satz 3 Abs. VwGO).
2. Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach den derzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorschriften. Nachdem in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre, findet einstweiliger Rechtsschutz im Wege des § 123 VwGO statt.
3. Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
4. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Anordnungsanspruch des Antragstellers.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Es gilt daher die 7. BayIfSMV vom 1. Oktober 2020 (BAyMBl. 2020 Nr. 562) in der Fassung der letzten Änderung vom 16. Oktober 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 588), welche laut § 3 der Änderungsverordnung am heutigen 17. Oktober 2020 in Kraft trat.
4.1. Gemäß § 25a Abs. 2 7. BayIfSMV in der aktuell gültigen Fassung gibt das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege täglich auf seiner Internetseite unter https://www.stmgp.bayern.de die Landkreise und kreisfreien Städte bekannt, in denen laut Feststellung des Robert Koch-Instituts oder des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 von 50 pro 100.000 Einwohner innerhalb von 7 Tagen überschritten wird oder vor weniger als 6 Tagen noch überschritten worden ist (§ 25a Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV). Auf der angegebenen Internetseite ist seit gestern das Stadtgebiet M. unter den Städten und Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz nun ab 50 gelistet (abgerufen am 16. Oktober 2020 um 22:00 Uhr und am 17. Oktober 2020 um 9:30 Uhr).
Gemäß § 25a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 7. BayIfSMV gilt daher ab dem Tag, der auf den Tag der erstmaligen Nennung folgt, d. h. ab heute, dass der Teilnehmerkreis an nach § 5 Abs. 2 zulässigen privaten Feiern (wie insbesondere Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern oder ähnlichen Feierlichkeiten) unabhängig vom Ort der Veranstaltung auf die Angehörigen von zwei Hausständen oder auf höchstens fünf Personen beschränkt ist. Die vom Antragsteller beabsichtigte Feier mit bis zu 21 Personen ist daher nicht mehr zulässig.
Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 7. BayIfSMV kann die Kreisverwaltungsbehörde in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zulassen, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
4.2. Der Antragsteller hat im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung glaubhaft gemacht. Die Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung steht im Ermessen der Antragsgegnerin. Ein Anspruch auf Erteilung kommt nur dann in Betracht, wenn der Ermessensspielraum der Antragsgegnerin auf null reduziert ist, d. h. wenn keine andere Entscheidung rechtmäßig ist als die vom Antragsteller begehrte Erteilung der Ausnahmegenehmigung. Das wäre dann der Fall, wenn die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtmäßig wäre, insbesondere, wenn sie nach § 114 VwGO ermessensfehlerhaft wäre. Insoweit beruft sich der Antragsteller darauf, er habe einen Anspruch auf Erteilung, weil die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung unverhältnismäßig sei.
Unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens vermag das Gericht im vorliegenden Fall eine Unverhältnismäßigkeit nicht zu erkennen. Die in § 25a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 7. BayIfSMV festgelegte enge Begrenzung des Teilnehmerkreises bei privaten Feiern dient einem legitimen Zweck, ist zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich und steht auch nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen Eingriffen in die Rechte des Antragstellers.
4.2.1. Die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung verfolgt einen legitimen Zweck. Sie ist Teil eines Maßnahmenbündels, dass die Eindämmung von COVID-19-Erkrankungen zum Ziel hat.
Die Eindämmung des Infektionsgeschehens ist zweifelsfrei notwendig. Nach der Risikobewertung des Robert KochInstituts vom 7. Oktober 2020 handelt es sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit nimmt die Anzahl der Fälle weiterhin zu. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau ist aktuell ein kontinuierlicher Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Es kommt bundesweit zu Ausbruchsgeschehen, insbesondere im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis und bei Gruppenveranstaltungen und es werden wieder vermehrt COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet. Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Corona-virus/Risikobewertung.html?nn=13490888, abgerufen am 17. Oktober 2020). Nach dem täglichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts zu COVID-19 vom 16.10.2020 ist aktuell ein beschleunigter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Bundesweit gibt es in verschiedenen Landkreisen Ausbrüche, die unter anderem mit größeren Feiern im Familien- und Freundeskreis im Zusammenhang stehen. Aktuell nehmen auch die Erkrankungen unter älteren Menschen wieder zu, die häufiger einen schweren Verlauf aufweisen. Diese können vermieden werden, wenn sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert, insbesondere auch indem Menschenansammlungen besonders in Innenräumen möglichst gemieden und feiern auf den engsten Familien -und Freundeskreis beschränkt bleiben (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/ Okt_2020/2020-10-16-de.pdf? blob=publicationFile, abgerufen am 17. Oktober 2020).
In der Landeshauptstadt M. überschritt die 7-Tage-Inzidenz am 18. September 2020 erstmals 50 Fälle/100.000 Einwohner und liegt aktuell laut LGL bei 52,15 (Stand: 14.9.2020). Auch in vielen anderen europäischen Ländern sind 7-Tage-Inzidenzen von über 50 Fälle pro 100.000 im Landesdurchschnitt beziehungsweise unverändert steigende 7-Tage-Inzidenzen festzustellen (https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/covid-19-testing). Angesichts des inzwischen wieder exponentiellen Verlaufs des Infektionsgeschehens und der Tatsache, dass nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie zur Verfügung stehen, ist eine Situation gegeben, die effektive und konsequente Maßnahmen erfordert, um Leben und Gesundheit der Bevölkerung, vor allem Angehöriger von Risikogruppen zu schützen sowie das Gesundheitssystem vor einer drohenden Überlastung zu bewahren. Es sind gesamtgesellschaftliche Anstrengungen notwendig, um eine Weiterverbreitung des Virus einzudämmen. Die in jüngster Zeit dramatisch steigenden Fallzahlen haben gezeigt, dass die bisherigen Bemühungen nicht den gewünschten Erfolg hatten. Bund und Länder haben sich daher auf eine Verschärfung der Maßnahmen geeinigt, die der Freistaat Bayern durch die aktuelle Änderung der 7. BayIfSMV umgesetzt hat.
4.2.2. Die Beschränkung von Kontakten im privaten Bereich ist geeignet, dazu beizutragen, weitere Infektionen zu vermeiden. Dabei ist ein Mittel bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann und es zur Zweckerreichung beiträgt (vgl. BVerwG, U.v. 2.8.2012 – 7 CN 1.11 – juris Rn. 29, BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 S 20.1821 – juris Rn. 27). Da sich gerade private Feiern im Hinblick auf das Infektionsgeschehen in jüngster Zeit als höchst problematisch erwiesen haben, besteht an der Geeignetheit der Maßnahme kein Zweifel.
4.2.3. Die Kontaktbeschränkung für private Feiern ist auch erforderlich, da ein milderes, gleich wirksames Mittel zur Erreichung des verfolgten Zieles nicht ersichtlich ist. Insbesondere ist das Hygienekonzept des Antragstellers für den privaten Bereich zwar vorbildlich, kann jedoch nicht mit gleicher Sicherheit Infektionen verhindern wir eine Beschränkung der Teilnehmerzahl. Zu Recht hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass bei privaten Feiern der Aspekt der Geselligkeit im Vordergrund steht, wodurch das Einhalten von Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen nach dem Gepräge der Veranstaltung nur schwerlich konsequent einzuhalten sein wird. Jedenfalls beim Essen und Trinken müssen Masken abgesetzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass, Familienmitglieder und Freunde im geselligen Beisammensein einer Feier, auch ohne übermäßigen Alkoholausschank, Hygienemaßnahmen und Abstände nicht immer konsequent einhalten. Im Hinblick auf die negativen Testergebnisse der Gastgeber ist zu sehen, dass diese einerseits eine Aussage nur punktuell begrenzt auf den Zeitpunkt der Testung, nämlich Mittwoch dieser Woche, treffen und eine zwischenzeitliche Infektion nicht ausschließen können. Außerdem haben sich nur die Gastgeber, nicht auch die übrigen Gäste testen lassen, sodass ein Eintrag des Virus über eingeladene Gäste möglich ist. Im Übrigen ist Folgendes zu berücksichtigen: Bereits vor der aktuellen Neufassung der 7. BayIfSMV war die Durchführung privater Veranstaltungen nur mit Hygienekonzept zulässig. Würde nach der Neufassung die Einhaltung eines Hygienekonzepts die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gebieten, so würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis der neugefassten Verordnung ins Gegenteil verkehrt. Das Infektionsgeschehen in der Vergangenheit hat gezeigt, dass private Feiern erheblich zur Verbreitung des Virus beigetragen haben, obwohl Hygienekonzepte vorgesehen waren. Die Vorhaltung bzw. Einhaltung eines Hygienekonzepts hat sich nicht als hinreichend wirksam erwiesen.
4.2.4. Die angeordneten Kontaktbeschränkungen stehen hinsichtlich ihrer Folgen für den Antragsteller auch nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck.
Der Antragsteller rügt, in verschiedenen Grundrechten verletzt zu sein. Einen Eingriff in die Religionsfreiheit (Art. 4 Grundgesetz – GG) vermag das Gericht allerdings nicht zu erkennen, da der kirchliche Akt der Konfirmation als solcher nicht infrage gestellt wird. Insoweit gelten die Regelungen aus § 6 7. BayIfSMV. Die geplanten Feiern haben zwar die Konfirmation zum Anlass, sind aber nicht Teil der Religionsausübung. Auch liegt kein Eingriff in den Schutz der Familie (Art. 6 GG) vor. Art. 6 GG schützt die Kernfamilie, d. h. das Zusammensein von Eltern und ihren minderjährigen Kindern. Insoweit ist bereits fraglich, ob der Antragsteller die von ihm gerügte Behinderung einer Teilnahme des leiblichen Vaters seiner Tochter überhaupt geltend machen kann, da insoweit das Recht der (Stief-)Tochter, nicht jedoch ein eigenes Recht des Antragstellers betroffen ist; denn ihn verbindet keine geschützte verwandtschaftliche Beziehung mit dem leiblichen Vater der Tochter. Abgesehen davon ist nach der Neufassung der Verordnung eine Feier mit der Kernfamilie unter Teilnahme des leiblichen Vaters als Vertreter eines anderen Hausstands möglich. Die zusätzliche Anwesenheit weiterer Verwandtschaft, die nicht zur Kernfamilie gehört, betrifft nicht den Schutzbereich von Art. 6 GG. Auch im Hinblick auf den Schutz der Wohnung (Art. 13 GG) fehlt es an einem Eingriff. Art. 13 GG schützt vor staatlichem Eindringen in die eigene Wohnung, etwa durch Lauschangriff oder Wohnungsdurchsuchung. Der Schutzbereich ist daher nicht berührt. Soweit der Antragsteller geltend macht, bereits Investitionen getätigt zu haben, die sich bei einer Einschränkung der Feier als überflüssig erweisen würden, ist auch nicht etwa Art. 14 GG verletzt, da dieser nicht das Vermögen, sondern nur konkrete Eigentumspositionen schützt.
Der Antragsteller ist durch die Beschränkung der Teilnehmerzahl für die geplanten Feierlichkeiten bzw. die Versagung einer Ausnahmegenehmigung allerdings in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen. Dieses Recht gilt jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegt einem Gesetzesvorbehalt und tritt derzeit im Ergebnis gegenüber dem mit der Kontaktbeschränkung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. Angesichts der in jüngster Zeit stark ansteigenden Infektionszahlen und der Überschreitung einer 7-Tages-Inzidenz von 50 Neuinfizierten je 100.000 Einwohnern ist derzeit eine entscheidende Phase für die Bekämpfung SARS-CoV-2-Pandemie eingetreten, die effektive und konsequente Maßnahmen erfordert. Gelingt es nicht, dass Infektionsgeschehen zu verlangsamen, ist mit einem weiteren Anstieg an teils schweren Erkrankungen oder gar Todesfällen zu rechnen, die über kurz oder lang zu einer Überlastung des Gesundheitswesens führen können. Zum Gesundheitswesen zählen nicht nur Ärzte und Krankenhäuser, sondern auch die Gesundheitsämter, die für die Nachverfolgung von Infektionsketten zuständig sind. Die rasche Nachverfolgung von Infektionsketten ist eine entscheidende Säule der Pandemiebekämpfung, eine Überlastung der Gesundheitsämter mit der Folge, dass aus Kapazitätsgründen Infektionsketten nicht mehr nachverfolgt werden können, soll daher möglichst verhindert werden. Angesichts der überragenden Bedeutung von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und der derzeit angespannten Pandemielage muss in der Abwägung das Recht des Antragstellers hinter den höherrangigen und höher zu gewichtenden Rechten der Allgemeinheit zurücktreten. Um einen weiteren Lockdown des öffentlichen Lebens mit gravierenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen zu verhindern, hat der Antragsteller Einschränkungen im privaten Bereich hinzunehmen. Ein Vertrauensschutz auf den Bestand der bis gestern geltenden Rechtslage kann dem Antragsteller nicht zugestanden werden. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass dies dem mit den gesetzlichen Regelungen verfolgten Zweck des Infektionsschutzrechts widersprechen würde.
Es besteht nach alledem kein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.
4.3. Einwände gegen die Gültigkeit der Rechtsgrundlage (§ 25a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BayIfSMV) hat der Antragsteller nicht erhoben. Im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz gebotenen Prüfungstiefe vermag das Gericht derzeit keine formellen oder materiellen Mängel der Rechtsgrundlage zu erkennen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog (Nr. 1.5 Satz 2).


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