Medizinrecht

Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung: Rechtsschutz gegen präventive polizeiliche Ingewahrsamnahme – Subsidiarität verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber fachgerichtlichem Eilrechtsschutz – Rüge einer Verletzung der Rechtsschutzgarantie unsubstantiiert

Aktenzeichen  2 BvQ 41/17

Datum:
9.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Ablehnung einstweilige Anordnung
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2017:qk20170709.2bvq004117
Normen:
Art 2 Abs 2 S 2 GG
Art 104 Abs 2 GG
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG
§ 32 Abs 1 BVerfGG
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
§ 92 BVerfGG
§ 58 FamFG
Spruchkörper:
2. Senat 2. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend AG Hamburg, 8. Juli 2017, Az: Eil XIV 54/17, Beschluss

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1
1. Der anwaltlich vertretene Antragsteller begehrt seine Freilassung aus dem polizeilichen Gewahrsam. Er gehörte einer Personengruppe von circa 200 Personen an, die sich im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg befand und deren Mitglieder schwarz gekleidet und teilweise vermummt waren (“Schwarzer Block”). Diese Personengruppe wurde durch eine Hundertschaft der Polizei überprüft, wobei es zu Angriffen auf die Polizeibeamten und ihre Einsatzfahrzeuge unter anderem mit Steinen und Bengalos kam. Im Rahmen der daraufhin erfolgten Festnahmen und Durchsuchungen von gut 70 Personen wurden Sturmhauben, Feuerwerkskörper, Hammer, Sägen und Schutzbewaffnung aufgefunden. Auch der Antragsteller besaß eine Sturmhaube.
2
Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt er die aus seiner Sicht fehlende Unverzüglichkeit einer richterlichen Entscheidung über die gegen ihn verhängte Ingewahrsamnahme. Ferner behauptet er eine Verletzung seiner Grundrechte durch die fehlende Einrichtung eines Eildienstes am Landgericht Hamburg am 8. und 9. Juli 2017 für Beschwerden gemäß § 58 FamFG gegen amtsgerichtliche Beschlüsse, mit denen die präventive Ingewahrsamnahme einer Person angeordnet worden ist.
3
2. a) Soweit der Antragsteller eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch die fehlende Einrichtung eines Eildienstes am Landgericht Hamburg rügt, hat er die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht substantiiert (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) dargelegt. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Der Antrag in der Hauptsache darf weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2015 – 1 BvQ 28/15 -, juris; Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. September 2015 – 2 BvQ 29/15 -, juris, und vom 20. April 2017 – 2 BvQ 14/17 -).
4
Diesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Über die auf der Homepage des Amtsgerichts Hamburg (http://justiz.hamburg.de/ag-g20/8946622/ag-g20/) genannte Rufnummer des amtsgerichtlichen Eildienstes für Entscheidungen über freiheitsentziehende Maßnahmen betreffend die polizeirechtlichen Ingewahrsamnahmen ist ohne Weiteres in Erfahrung zu bringen, dass ein landgerichtlicher Eildienst am 8. und 9. Juli 2017, jeweils von 9.00 bis 11.00 Uhr, eingerichtet ist.
5
b) Auch hinsichtlich der Rüge des Antragstellers, sein Freiheitsgrundrecht aus Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sei verletzt, weil das Amtsgericht nicht “unverzüglich” im Sinne von Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG entschieden habe, hat sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg.
6
Zwar ist nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits ein Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache anhängig ist (vgl. BVerfGE 105, 235 ; 113, 113 ; stRspr). Jedoch gilt auch im vorgelagerten verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kommt daher nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 13. Februar 2013 – 1 BvQ 2/13 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Oktober 2013 – 2 BvQ 42/13 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvQ 9/14 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. August 2016 – 2 BvQ 36/16 -, juris).
7
Dies hat der Antragsteller nicht getan, weil er eine gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss nicht eingelegt hat. Ein solches Vorgehen wäre ihm zumutbar gewesen, weil ein richterlicher Eildienst beim Landgericht Hamburg eingerichtet ist.
8
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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