Medizinrecht

Ablehnung einer Terminsaufhebung

Aktenzeichen  RN 6 K 19.1698

Datum:
24.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9508
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 173 S. 1
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1
GVG § 17 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Wird eine Terminsaufhebung bzw. -verlegung erst kurzfristig vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Obwohl seitens der Beteiligten lediglich der Beigeladenenvertreter in der mündlichen Verhandlung erschienen ist, konnte das Gericht gemäß § 102 Abs. 2 VwGO verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten in der Ladung darauf hingewiesen wurden.
Sofern mit dem Schreiben vom 24. Januar 2020 die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt werden sollte, hat das Gericht durch die Ablehnung des Antrags keine Verfahrensrechte des Klägers verletzt, insbesondere nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Gericht musste sich auch nicht von Amts wegen zur Verlegung veranlasst sehen.
Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § ZPO § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann eine Verhandlung aus erheblichen Gründen vertagt werden. Die Vorschrift dient unter anderem dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag zu ermöglichen, so dass ihre Verletzung den Anspruch auf rechtliches Gehör berührt (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 178 S. 68 = NJW 1986, 1057; BVerwGE 81, 229 = NVwZ 1989, 650 = NJW 1989, 2486, Ls.). Die Unzumutbarkeit des Erscheinens oder des Verhandelns ist daher in der Regel ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 178 S. 68 = NJW 1986, 1057; Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 21 S. 1 f. = NJW 1995, 1231; B.v. 26.4.1999 – 5 B 49/99 – BeckRS 1999, 15506 und Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 30 S. 6 = NJW 2001, 2735). Wenn ein solcher Grund vorliegt, verdichtet sich angesichts des hohen Rangs des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Ermessen, das § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO einräumt, regelmäßig zu einer entsprechenden Verpflichtung des Gerichts (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 21.12.2009 – 6 B 32/09 – BeckRS 2010, 45899, Rn. 3).
Hier war jedoch weder eine Verlegung des Termins veranlasst noch war aufgrund der Tatsache, dass der Verlegungsantrag erst 56 Minuten vor Beginn der mündlichen Verhandlung bei Gericht einging, eine vorhergehende Verbescheidung des Antrags oder ein Hinweis des Gerichts veranlasst.
Wird die Verlegung eines Termins begehrt, muss der Grund der Verhinderung angegeben und hinreichend substantiiert werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 102 Rn. 6 m.w.N.). Hierzu reicht es nicht aus, dass der Kläger mittels Fax lediglich mitteilt, er sei an einer schweren Darmgrippe erkrankt und werde daher nicht anreisen. Insoweit lassen die Ausführung des Klägers schon nicht erkennen, ob der Kläger überhaupt eine Verlegung des mündlichen Verhandlungstermins begehrte oder ausschließlich das Gericht von seinem Nichterscheinen in Kenntnis setzen wollte. Sofern ein Verlegung aus kranheitsbedingten Gründen angestrebt worden wäre, hätte vielmehr dargelegt werden müssen, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungs- und/oder gegebenenfalls der Reisefähigkeit entgegenstehen (vgl. BFH, B.v. 26.11.2013 – I B 2/13 – BeckRS 2014, 94389).
Wird eine Terminsaufhebung bzw. -verlegung erst kurzfristig vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht. Im Fall eines erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungs- bzw. Verlegungsantrags ist das Gericht grundsätzlich weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (vgl. BSG, SozR 4-1500 § 110 Nr. 1 = BeckRS 2013, 71542 Rn. 12; BeckRS 2010, 75394 = NZS 2011, 640, Ls.). Selbst die Vorlage einer (pauschalen) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht generell nicht aus (vgl. BFH, B.v. 8.9.2015 – XI B 33.15 – BeckRS 2015, 95812; OVG Lüneburg, B.v. 5.11.2012 – 2 LA 177/12 – BeckRS 2012, 59349; OVG Münster, B.v. 5.6.2012 – 17 E 196/12, BeckRS 2012, 51657; Eyermann/Geiger, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 102 Rn. 10a), denn sie belegt keine Verhandlungs- und/oder gegebenenfalls Reiseunfähigkeit auch für eine begrenzte Zeit (Anreise und Dauer der mündlichen Verhandlung). Nur die Vorlage eines ärztlichen Attests, welches dem Beteiligten eine krankheitsbedingte Verhinderung (im Sinne einer Verhandlungs- und/oder ggf. Reiseunfähigkeit) bescheinigt, ist grundsätzlich als ausreichende Entschuldigung anzusehen (vgl. BVerwG, Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 35 = BeckRS 2007, 25771). Dies gilt für den hier vorliegenden Einzelfall umso mehr, als der Kläger offenbar in der Lage gewesen ist, das Fax – wie sich aus der Faxnummer des Absenders ergibt – nicht aus seinem Heimatort versendet hat, sondern sich zumindest zeitweilig hierfür in einen anderen Ort begeben hat.
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
Die Klage ist infolge doppelter Rechtshängigkeit nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) unzulässig. Bereits vor Erhebung der vorliegenden Klage hat der Kläger die unter dem Az. RN 6 K 17.1938 geführte Klage erhoben. In jenem Verfahren hat sein Bevollmächtigter den hier angefochtenen Änderungs- und Ergänzungsbescheid vom 16.8.2019 des Landratsamtes R.-I. in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und dessen Aufhebung beantragt. Gegen das klageabweisende Urteil vom 3.9.2019 stellten die Bevollmächtigten des Klägers Antrag auf Zulassung der Berufung, welcher derzeit beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig ist.
Der Zulässigkeit steht somit entgegen, dass der gleiche Streitgegenstand bereits und noch rechtshängig ist. Die Rechtshängigkeit einer Streitsache endet im Verwaltungsprozess erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens (Eyermann/Rennert, 15. Aufl. 2019, VwGO, § 41 Rn. 12). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Regensburg vom 3.9.2019 noch nicht entschieden. Eine doppelte Rechtshängigkeit bei gleichem Streitgegenstand ist unzulässig (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG).
Die Klage wäre im Übrigen auch unbegründet. Insoweit kann auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichtes Regensburg vom 3.9.2019, RN 6 K 17.1938, verwiesen werden.
Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind dem Kläger aufzuerlegen, weil die Beigeladenen einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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