Medizinrecht

Abschiebungsandrohung bei Erkrankung

Aktenzeichen  AN 4 K 17.33064, AN 4 K 17.33065

Datum:
10.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 4 Abs. 1, § 24
VwZG VwZG § 8
EMRK EMRK Art. 9

 

Leitsatz

1. Eine notwendige Dialysebehandlung steht in der Ukraine tatsächlich zur Verfügung. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Gefahr der Infektion mit dem Hepatitis C-Virus außerhalb der Dialysebehandlung handelt es sich um eine Gefahr, der die Bevölkerung in der Ukraine allgemein ausgesetzt ist (vgl. § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG). (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es gibt auf Grundlage vorliegender Erkenntnisse keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass armenische Volkszugehörige besonders schnell zum Wehrdienst eingezogen werden; die geäußerten Bedenken hinsichtlich des Wehrdienstes sind nicht Ausdruck einer tiefgreifenden Gewissensentscheidung. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Asylanerkennung, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz (§ 4 AsylG) oder auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach Auslegung des klägerischen Begehrens (§ 88 VwGO), betrachtet das Gericht den in Ziffer III formulierten Klageantrag als redundant zu dem unmittelbaren Kassationsantrag in Ziffer I.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben worden. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand musste vorliegend nicht entschieden werden. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Unterlagen wurden die Bescheide im Laufe des Verfahrens (den Klägern zu 1) bis 3) am 12. Mai 2017 direkt und dem anwaltlichen Vertreter hinsichtlich des Klägers zu 4) am 19. Mai 2017) nachträglich bekanntgegeben, wodurch der bis dahin bestehende Zustellungsmangel geheilt wurde (§ 8 VwZG). Die Kläger mussten entgegen § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG die Zustellung an ihre bisherige Anschrift in der Gemeinschaftsunterkunft … nicht gegen sich gelten lassen, da dort eine Zustellung an den Leiter der Gemeinschaftsunterkunft möglich gewesen wäre.
2. Die Kläger berufen sich schwerpunktmäßig zunächst auf die Erkrankung des Klägers zu 1). Der Kläger zu 1) hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebehindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine Existenzialgefahr im Sinne dieser Vorschrift konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Vielmehr zeigt sich, zur Überzeugung des Gerichts, aufgrund des gesamten Vorbringens und der Prozessgeschichte, dass der an sich schwer erkrankte Kläger zu 1) an dem besseren medizinischen Standard in der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen will. Auf einen gleichwertigen medizinischen Standard wie in Deutschland hat er aber keinen Anspruch, vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG.
a) Für das hier geltend gemachte Abschiebehindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommen vorliegend grundsätzlich nur zielstaatbezogene Gesichtspunkte in Betracht, auf die das Bundesamt bei seiner Prüfung beschränkt ist (Bergmann / Dienelt, Kommentar zu § 24 AsylG, 11. Auflage 2016, Rn. 11; Hofmann, Ausländerrecht, Kommentar zu § 24 AsylG, 2. Auflage 2016, Rn. 26; BVerwG B.v. 10.10.2012, 10 B 39/12). Inlandsbezogene Gesichtspunkte, einschließlich der Reisefähigkeit, sind von der Ausländerbehörde im Rahmen des Vollzugs zu berücksichtigen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich die Erkrankung des Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, kann ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen BVerwG U.v. 25.11.1997, Az. 9 C 58/96 zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG). Die Vorschrift des § 60 Abs. 7  AufenthG regelt in Satz 3 weiter, dass es nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
Erheblich ist die Gefahr, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Gerät der Ausländer alsbald nach der Rückkehr in die Heimat in diese Lage, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten der Behandlung seines Leidens angewiesen ist und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte, so ist die Gefahr auch konkret (vgl. BVerwG U.v. 25.11.1997, a.a.O.). Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG U.v. 17.10.2006, Az. 1 C 18/05 – juris Rn. 15).
b) Auf Basis der ärztlichen Attestierungen kann festgehalten werden, dass der Kläger zu 1) dialysepflichtig ist. Die notwendige Dialysebehandlung steht in der Ukraine tatsächlich zur Verfügung und ist für den Kläger zu 1) auch erreichbar. Auf die Ausführungen im Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 7. Februar 2017 (Lagebericht 2017) zur medizinischen Versorgung auf Seite 16 wird erneut verwiesen. Dem ist die Klage nicht maßgeblich entgegengetreten. Vielmehr hat der Kläger zu 1) selbst erklärt, eine Dialysebehandlung in … erhalten zu haben. Dort habe sich jedoch die Versorgungslage aufgrund des Konflikts in der Ostukraine verschlechtert. Von dem Kläger zu 1) kann aber das Ausweichen auf ein anderes Krankenhaus innerhalb des Landes erwartet werden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wurde das klägerische Vorbringen dahingehend gesteigert, dass dem Kläger zu 1) in der ganzen Ukraine keine Dialysebehandlung zur Verfügung stehen soll. Dem kann auch aufgrund des ergänzenden Vorbringens unter Berücksichtigung der vorgelegten Schriftstücke nicht gefolgt werden ohne dass weitergehende Sachverhaltsermittlungen veranlasst sind. Vielmehr ergibt sich auch unter Berücksichtigung der übersetzten Artikel ein konsistentes Bild einer an sich erreichbaren Dialysebehandlung. Die in dem Artikel angeführten Probleme hinsichtlich der Qualität und der Kapazität der Dialysebehandlung in der Ukraine stehen dieser Annahme nicht entgegen. Hinsichtlich der Qualität wird offensichtlich über einen isolierten Medizinprodukteskandal berichtet. Mit Blick auf die Kapazitäten kann ohne weiteres angenommen werde, dass die – laut Lagebericht 2017 zur Verfügung stehenden – gut ausgebildeten Ärzte die bestehenden Kapazitäten zum Wohl der Patienten priorisieren und einem terminalen Patienten entsprechend Vorrang einräumen bzw. ausreichend eintakten. Vor diesem Hintergrund sei nochmals betont, dass der Kläger zu 1) ja bereits Dialyse erhalten hatte, wenn auch aus seiner Sicht, nicht lange und häufig genug.
Der ebenfalls überreichte USB-Datenträger muss gerichtlicherseits nicht weiter ausgewertet werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 GVG). Eine weitergehende Auswertung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, da auch auf Rückfrage des Gerichts nicht ersichtlich war, wie die Behauptung „es gehe um die Dialysebehandlung in der ganzen Ukraine und viele Menschen würden auf die Straße gehen, weil sie keine Behandlung bekommen würden“ sich in den bisherigen Erkenntnisstand mit neuen maßgeblichen Informationen einfügt.
c) Eine erheblich konkrete Gefahr der Infektion mit dem Hepatitis C-Virus in der Ukraine, insbesondere im Rahmen der Dialysebehandlung, ist nicht glaubhaft gemacht. Der Kläger zu 1) hatte selbst erklärt, dass die Mehrfachverwendung von Filtern der Überlastungssituation in … geschuldet war. Es kann – auch aufgrund der Ausführungen im Lagebericht 2017 – ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine solche Mehrfachverwendung nicht der medizinische Standard in der Ukraine ist. Bei der Gefahr der Infektion mit dem Hepatitis C-Virus außerhalb der Dialysebehandlung handelt es sich, auch unter Berücksichtigung des sonstigen Vorbringens in den Attestierungen der Klinik …, um eine Gefahr, der die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG).
d) Die in verschiedenen ärztlichen Mitteilungen behauptete „Nicht-Behandelbarkeit der Hepatitis B-Erkrankung mit dem Mitteln im Zielland“ ist unsubstantiiert und entzieht sich der allgemeinen, auch fachärztlichen, Sachkunde. Im Übrigen ist nicht dargelegt, dass der Abbruch der Behandlung tatsächlich in einem hinreichend zeitlich konkreten Zusammenhang zu einer erheblichen Verschlechterung der Gesundheit des Klägers zu 1) führt (vgl. Hofmann, Ausländerrecht, Kommentar zu § 60 AufenthG, 2. Aufl. 2016, Rn. 34; BVerwG U.v. 17.10.2006, Az. 1 C 18/05 – juris Rn. 15).
Wie bereits dargelegt erscheinen die Atteste des Facharztes für Allgemeinmedizin … vom 13. Juni, vom 17. Juli 2017 und vom 12. Oktober 2017 besonders unglaubwürdig. Attestierungen von Herrn … sind dem Gericht aus verschiedenen Verfahren bekannt. Seine Atteste sind, wie auch im vorliegenden Fall, erkennbar von dem Wunsch geprägt, seinen Patienten zu helfen. Es ist vollkommen unklar, wie der Arzt zu seinen Diagnosen kommt. Auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 8. August 2017 (Az. AN 4 S. 17.34898) wird verwiesen. Das Attest vom 12. Oktober 2017 wiederholt die widersprüchliche Behauptung, der Kläger zu 1) leide an einer Leberzirrhose, während im nächsten Satz behauptet wird, es drohe lediglich der Übergang in eine Leberzirrhose.
Die Bescheinigung der internistischen Gemeinschaftspraxis … führt im Wesentlichen aus, dass sich bei einem Abbruch der Behandlung die Prognose allgemein verschlechtern würde. Die … bescheinigen, dass bei dem Kläger zu 1) eine „hochreplikative Hepatitis B-Erkrankung“ vorliege, die mit Entecavir behandelt werde. Beim Abbruch der Behandlung drohe ein zirrhotischer Umbau. Eine alsbaldige Existenzialgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG ist damit nicht dargetan. Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Aussage des Klinikums … (Bundesamtsakte Bl. 101), nach der mit einem zirrhotischen Umbau und weiteren Folgeerkrankungen in ein paar Jahren zu rechnen sei.
e) Der Kläger zu 1) soll ausweislich der vorgelegten Unterlagen eine Nierentransplantation bekommen. Insoweit handelt es sich um eine Heilungschance und nicht um die Gefahr einer Verschlechterung im Abschiebungsfall. Weiter ist nicht vorgetragen, dass eine Transplantation in der Ukraine nicht erreichbar ist. Auf Grundlage des Lageberichts 2017 ist von der Erreichbarkeit auszugehen. Das gleiche gilt für die erforderliche Nachsorge und zwar auch im Hinblick auf die vorgetragene Hepatitis-Erkrankung.
f) Hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankung an einer Depression ist zunächst festzustellen, dass ausweislich des Lageberichts 2017 psychische Erkrankungen im Zielland behandelbar sind. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers zu 1) ist daher auch unter dem Aspekt der Depression nicht zu besorgen.
Auf die – im Übrigen unglaubwürdigen – Attestierungen kommt es daher im Ergebnis nicht an.
Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Attestierungen von Herrn … wurde bereits in den Eilverfahren Stellung genommen, worauf verwiesen werden kann. Letztendlich ähnliches gilt für die Bescheinigung des Klinikums … – Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie – vom 28. September 2017. Das Attest ist von der Beurteilung der vermeintlichen Folgen im Falle einer Abschiebung geprägt. Im Verhältnis zum Umfang der Anamnese ist es damit insgesamt als unglaubwürdig einzustufen.
g) Hinsichtlich der weiteren vorgetragenen möglichen Erkrankungen ist eine Existenzialgefahr schon nicht zu befürchten. In der Gesamtschau, auch unter der Berücksichtigung der Multipathologie, ist festzuhalten, dass beim Kläger zu 1) kein Abschiebungshindernis nach § 60 VII AufenthG festzustellen ist. Die ärztlichen Schreiben und Attestierungen rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Sie geben insbesondere kein fachlich qualifiziertes Bild von den Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat wieder, die die Feststellungen des Lageberichts 2017 erschüttern.
Es war auch mit Blick auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag keine weiteren Ermittlungen anzustellen. Die vorliegenden Erkenntnismittel reichen aus um den Fall zu entscheiden. Es muss daher nicht weiter darauf eingegangen werden, ob der Beweisantrag sich darüber hinaus auch als Beweisermittlungsantrag darstellt.
3. Hinsichtlich der Aktivitäten der Klägerin zu 2) als Mitglied der Partei der Regionen kann auf den Bescheid des Bundesamtes und auf das bereits geschriebene verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend hierzu kann gesagt werden, dass auf Grundlage des Lageberichts 2017 eine Verfolgung der Klägerin zu 2) weder staatlicherseits noch staatlicherseits geduldet zu befürchten ist. Der geltend gemachte einmalige Vorfall am Arbeitsplatz der Klägerin zu 2) ist hinsichtlich seiner Intensität nicht ausreichend, um Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz zu gewähren.
4. Mit Blick auf die geltend gemachte Erkrankung der Klägerin zu 3) kann auf Basis des oben beschriebenen Maßstabs festgehalten werden, dass eine konkrete erhebliche Gesundheitsgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch auf Basis des vorgelegten ärztlichen Attestes der Kinderärzte … vom 6. Juni 2017, wonach die Klägerin zu 3) an einem familiären Mittelmeerfieber leidet, nicht glaubhaft gemacht wurde.
5. Als eigenes Vorbringen beruft sich der Kläger zu 4) auf eine möglicherweise drohende Einberufung. Aufgrund des Vorbringens ist ihm kein asylrelevanter Status zuzusprechen.
a) Die Pflicht zur Ableistung von Wehrdienst kann von einem Staat gegenüber seinen Bürgern ohne weiteres abverlangt werden. Sie ist grundsätzlich auch in Deutschland möglich. Eine Wehrdiensteinziehung kann nur dann in eine politische Verfolgung umschlagen, wenn damit gezielt bestimmten Personen wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen (BVerwG, B.v. 10.9.1999 – 9 B 7/99 – juris Rn. 3). Eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen einer Wehrdienstentziehung kann aufgrund einer Gewissensentscheidung regelmäßig nur angenommen werden, wenn der Betreffende durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 EMRK verletzt wird. Dabei kommt es insbesondere auch darauf an, ob der Betreffende eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Wehr- oder Kriegsdienst glaubhaft machen kann (VGH München, B.v. 13.1.2017 – 11 ZB 16.31051 – juris Rn. 4).
b) Diese Grundsätze zugrunde gelegt konnte der Kläger zu 1) nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft machen, dass ihn die Wehrdienstentziehung aufgrund eines asylerheblichen persönlichen Merkmals persönlich betrifft oder er den Wehrdienst sonst aufgrund eines Gewissenskonfliktes ablehnt und ihm daher eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung droht.
In seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte der Kläger zu 4) die Behauptung aufgestellt, dass armenische Volkszugehörige besonders schnell zum Wehrdienst eingezogen werden würden. Diese Einschätzung wurde nicht näher unterlegt und hierfür gibt es – abgesehen von der subjektiven Empfindung des Klägers zu 4) – auf Grundlage der sonstigen Erkenntnismittel keinerlei Anhaltspunkte. Dagegen spricht jedoch die tatsächlich vom Kläger zu 4) vorgetragene Zurückstellung vom Wehrdienst.
Die geäußerten Bedenken hinsichtlich des Wehrdienstes sind entweder allgemein politischer Natur, etwa weil der Kläger zu 4) den konkreten Konflikt in der Ostukraine nicht verstehe, oder aber allgemeingültige ethische Mindeststandards, wenn der Kläger zu 4) etwa vorträgt, dass er niemanden erschießen wolle. Sie sind dagegen nicht Ausdruck einer tiefgreifenden Gewissensentscheidung, wie von der zitierten Rechtsprechung gefordert. Auf das von dem anwaltlichen Vertreter geltend gemachte Grundrecht nach Art. 4 Abs. 3 GG muss deshalb hier nicht weiter eingegangen werden, wenn auch sein persönlicher Schutzbereich grundsätzlich eröffnet ist.
c) Im Übrigen besteht die Gefahr eines Kampfeinsatzes in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht. Zunächst trägt der Kläger selbst vor, dass er derzeit zurückgestellt ist. Darüber hinaus und vor allem werden ausweislich des Lageberichts des Auswärtigen Amtes für das Jahr 2017 in den umkämpften Gebieten nur Freiwillige eingesetzt.
Aufgrund des oben gesagten kommt es für den vom anwaltlichen Vertreter gestellten Beweisantrag nicht entscheidungserheblich auf das beantragte Beweisthema an. Denn es fehlt bereits an einer echten Gewissensentscheidung des Klägers zu 4).
6. Damit war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, da die Voraussetzungen für eine Abweisung als offensichtlich unbegründet vorlagen, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Eine solche qualifizierte Klageabweisung setzt voraus, dass im Entscheidungszeitpunkt an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung – nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre – sich die Klageabweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 20.9.2001, 2 BvR 1392/00 – juris Rn. 17). Die Unbegründetheit der Klage ist für das Gericht aus den oben beschriebenen Gründen offensichtlich in diesem Sinne, da der umfassend geklärte Sachverhalt aus keinem rechtlich erdenklichen Gesichtspunkt eine Stattgabe zulässt.


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