Medizinrecht

Änderung der Route einer angemeldeten Versammlung, Untersagung der Nutzung einer Bundesautobahn für eine Fahrraddemonstration, Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs

Aktenzeichen  AN 4 S 21.01552

Datum:
23.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26500
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 8 Abs. 1
BayVersG Art. 15 Abs. 1
FStrG § 1 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine teilweise Änderung der angezeigten Wegstrecke einer für Dienstag, den 24. August 2021 geplanten überörtlichen Versammlung in Nürnberg, Fürth und Erlangen.
1. Die Antragstellerin zeigte als Vertreterin der “…” am 30. Juli 2021 gegenüber der Antragsgegnerin eine für den 24. August 2021 geplante Versammlung zum Thema “Raddemo Südtour Ohne Kerosin Nach Berlin” an. Die Versammlungszeit wurde mit E-Mail vom 5. August 2021 auf 10:00 bis 13:30 Uhr festgelegt. Mit E-Mail vom 12. August 2021 wurde die erwartete Teilnehmerzahl mit 800 beziffert und die angezeigte Versammlungsstrecke korrigiert, sodass letztlich folgende Versammlungsstrecke angezeigt war:
K.-markt – J.-straße – F1.-straße – F1.-tor – Fr1.-graben – Am P. – R1. Straße – F2.-weg (A..) bis Autobahnausfahrt .. E.-B. – B.. – P.-G.-Straße – G1.-straße – R.-park.
In einem Kooperationsgespräch am 10. August 2021 zwischen der Antragstellerin als Veranstalterin und Herrn … als Leiter der Versammlung sowie der Antragsgegnerin konnten die Beteiligten keine Einigung über die Versammlungsstrecke erzielen. Einen Vorschlag der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 10. August 2021 zu einer alternativen Route lehnte die Antragstellerin mit E-Mail vom 12. August 2021 ab. Die Strecke solle insbesondere über das Autobahnkreuz Fürth/Erlangen führen und an der Ausfahrt E.-B. die A.. verlassen.
In einem weiteren Kooperationsgespräch am 13. August 2021 konnten die Beteiligten sich erneut nicht auf eine Versammlungsstrecke, jedoch auf die Grünfläche im R.-park als Abschlusskundgebungsort verständigen.
Mit E-Mail vom 16. August 2021 legte die Antragstellerin der Antragsgegnerin dar, warum aus ihrer Sicht ein Befahren der A.. zwischen N. und E.-B. für die Versammlung erforderlich sei.
Die Regierung von M. bestimmte mit Schreiben vom 16. August 2021 die Antragsgegnerin als zuständige Kreisverwaltungsbehörde für die überörtliche Versammlung gemäß Art. 24 Abs. 4 BayVersG.
2. Mit Bescheid vom 19. August 2021 legte die Antragsgegnerin die Wegstrecke für die Versammlung in Ziffer 1. wie folgt fest:
Kornmarkt (Auftaktkundgebung) – J.-straße – F1.-straße – F1.-tor – Fr1.-graben – Am P. – R1. Straße – F2.-weg (A..) bis Ja.-brücke – M.-straße – T.-H.-Brücke – N.-ring – E. Straße (B4) – Kreuzung R2. Straße – R2. Straße – B1. Straße – Wetterkreuz – S.-straße – W.-straße – K.-Sch.-Straße – Allee am R.-park – R.-park.
Weiter enthielt der Bescheid folgende Beschränkungen:
“2.3.2.1 Die am 12.08.2021 aktualisierte Versammlungsstrecke Kornmarkt – J.-straße – F1.straße – F1.-tor – Fr1.-graben – Am P. – R1. Straße – F2.-weg (A..) bis Autobahnausfahrt 33 E.-B. – B4 – P.-G.-Straße – G.-straße – R.-park wird im unterstrichenen Teilstück wie folgt geändert:
– F2.-weg (A..) bis Ja.-brücke – M.-straße – T.-H.-Brücke – No.-ring – E. Straße (B4) – Kreuzung R2. Straße – R2. Straße – B1. Straße – Wetterkreuz – S.-straße – W.-straße – K.-Sch.-Straße – Allee am R.-park – R.-park
2.3.2.2 Die Demonstration auf der A.. ab nach der Kreuzung F2.-weg/Ja.-brücke bis zur Autobahnausfahrt 33 E./B. ist untersagt.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass die Abänderung der Wegstrecke und die Untersagung der Teilstrecke auf der A.. auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG beruhten. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung umfasse auch die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften und deren Ziel, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs als allgemeines und für die betroffenen Verkehrsteilnehmer auch individuelles Schutzgut zu gewährleisten. Das den Grundrechtsträgern durch Art. 8 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung sei durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt. Rechtsgüterkollisionen sei durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung Rechnung zu tragen.
Die angezeigte Teilstrecke auf der Bundesautobahn A.. zwischen R1. Straße und der Autobahnausfahrt E.-B. sei 17,2 km lang und beinhalte sieben Anschlussstellen, einen Autobahnparkplatz sowie ein Autobahnkreuz mit der A3 (Kreuz Fürth/Erlangen), das im Zuge des Ausbaus der A3 eine Großbaustelle sei. Bundesautobahnen seien Bundesfernstraßen, die nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt seien (§ 1 Abs. 3 FStrG). Dieser Widmungszweck schließe sie zwar nicht grundsätzlich für Versammlungen aus, jedoch stünden sie nach der Rechtsprechung aufgrund dieses speziellen und beschränkenden Widmungszweck nicht in gleicher Weise wie innerörtliche Straßen als Stätten des Informations- und Meinungsaustausches für Versammlungen offen. Bei öffentlichen Straßen, die allein dem Straßenverkehr gewidmet seien, dürfe den Verkehrsinteressen größere Bedeutung beigemessen werden als bei innerörtlichen Straßen und Plätzen, bei denen die Widmung die Nutzung zur Kommunikation und Informationsverbreitung einschließe. Den Verkehrsinteressen dürfe im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG erhebliche Bedeutung beigemessen werden (BayVGH, B.v. 4.6.2021 – 10 CS 21.1590). Wichtige Abwägungselemente seien unter anderem Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, Dringlichkeit der blockierten Tätigkeit Dritter, Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Dritten und dem Protestgegenstand. Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben (HessVGH, B.v. 30.10.2020 – 2 B 2655/20).
Bei der Abwägung der Interessen der Antragstellerin an der gewünschten Nutzung der Autobahn und der Beeinträchtigung der durch erforderliche Straßensperrungen und Umleitungen betroffenen Allgemeinheit falle zu Lasten der Antragstellerin ins Gewicht, dass das Versammlungsthema (Verkehrswende im Allgemeinen, konkret gegen Ausbau des F2.-wegs) keinen unmittelbaren Bezug zum begehrten Versammlungsort der A.. zwischen Ja.-brücke und der Autobahnausfahrt E.-B. aufweise. Im Vordergrund stehe die Verkehrspolitik im Allgemeinen und die mediale Aufmerksamkeit. Im Kooperationsgespräch am 10. August 2021 sei als Begründung für die Fahrt auf der A.. bis nach Erlangen lediglich pauschal angegeben worden, es sei das einzige Autobahnstück auf der Wegstrecke bis nach Berlin, es sei die direkte Verbindung nach Erlangen, es gehe im Allgemeinen um die Verkehrswende und im Besonderen um den Ausbau des F2.-weges, es lasse sich auf dem Straßenbelag sehr gut fahren und man könne mit einer Fahrt über die Autobahn mehr Teilnehmer mobilisieren. In der E-Mail vom 12. August 2021 habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass das Autobahnkreuz Fürth/Erlangen ein wichtiges Symbol für die bislang gescheiterte Verkehrswende sei und man mit der Befahrung des Autobahnkreuzes ein deutliches Zeichen für die dringend notwendige Verkehrswende setzen wolle. Mit E-Mail vom 16. August 2021 sei zusätzlich angeführt worden, dass generell Autobahnneubau und -ausbau kritisiert werde, sowie auch das Missverhältnis der vorhandenen Infrastruktur für Radverkehr gegenüber derjenigen für den Autoverkehr, was speziell am F2.-weg und dort eben an dem Abschnitt zwischen Nürnberg und Erlangen besonders deutlich werde. Kein kreuzungsfreier Radschnellweg verbinde Nürnberg, Fürth und Erlangen, während dem Kfz-Verkehr schon seit langem eben die autobahnmäßig ausgebaute Verbindung zur Verfügung stehe, wodurch dieser zwischen den Städten und in diese Städte hinein besonders gefördert worden sei. Der Radverkehr im Raum Nürnberg-Fürth-Erlangen habe im Vergleich zum Autoverkehr nur nachrangige veraltete Radverbindungen. Der F2.-weg sei daher insbesondere im Abschnitt zwischen N. und E. ein Negativbeispiel für falsche Verkehrspolitik und die fehlende Verkehrswende. Die Befahrung der Autobahn sei unerlässlich, weil diese grundsätzlich allein dem Autoverkehr vorbehalten und damit auch ein Symbol des Autowahns sei. Die hiesige Autobahnstrecke sei zudem extra für den Tourstart der Raddemo “Ohne Kerosin Nach Berlin” gewählt worden, bei dem ein größeres Medieninteresse zu erwarten sei.
Die Versammlungsbehörde gestehe das 1,4 km lange Teilstück auf dem F2.-weg zwischen R1. Straße und Ja.-brücke für die Versammlung zu, das eine besondere und aktuelle verkehrspolitische Brisanz aufweise und am Anfang der Route sei. Das Versammlungsthema habe keinen konkreten Bezug zur übrigen Strecke auf der A… Das verfolgte Anliegen, die erforderlich gehaltene Verkehrs- und Mobilitätswende im Allgemeinen, ein kreuzungsfreier Radschnellweg zwischen Nürnberg und Erlangen sowie die Errichtung moderner Radverbindungen, könne in ähnlich wirksamer Weise auf der zugewiesenen Alternativroute verfolgt werden. Zumal die Alternativroute neben dem brisanten Stück auf der A.. zwischen R1. Straße und Ja.-brücke eine mehr als 10 km lange Fahrt auf der Bundesstraße B4 zwischen Nürnberg und Erlangen [enthalte] und auf der aufgrund der Durchfahrt mehrerer Ortschaften auch neben der medialen Berichterstattung eine enorme öffentliche Wahrnehmung stattfinden könne. Der Bau eines Radschnellwegs entlang der E. Straße werde diskutiert und geprüft und sei der Antragstellerin laut E-Mail vom 16. August 2021 ebenfalls ein großes Anliegen. Die Bedeutung des Autobahnkreuzes Erlangen/Fürth könne als ausreichende Begründung für die angemeldete Fahrstrecke nicht anerkannt werden, da es im Verhältnis zur Gesamtstrecke sehr kurz und die Gefahren durch Rückstaus und Unfälle im Bereich der Großbaustelle besonders hoch seien. Das Befahren dieser 17,2 km langen Autobahnstrecke mit sieben Anschlussstellen und einem Autobahnkreuz nebst Großbaustelle stehe außer Verhältnis zum Widmungszweck und gefährde die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in besonders hohem Maße.
Die Strecke gehöre zu den stark bzw. sehr stark befahrenen Autobahnabschnitten in Nordbayern (s. Autobahndirektion Nordbayern, Verkehrsbelastungen auf Bundeautobahnen in Nordbayern, Stand Januar 2020, www.addnb.bayern.de). Im August 2020 habe die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke von Montag bis Freitag an den Dauerzählstellen Nürnberg/Fürth 73.698 Kfz, AK Fürth/E. 71.997 Kfz und AS Erlangen-Zentrum 82.172 Kfz betragen (Bayerische Staatsbauverwaltung, Automatische Straßenverkehrszählung in Bayern, Monatsauswertung August 2020, https://www.baysis.bayern.de/web/content/veroeffentlichungen/default.aspx). Für August 2021 seien keine signifikanten Änderungen anzunehmen. Die Strecke werde von sehr vielen Lkws benutzt, da sie die Abfahrt vom Güterverkehrszentrum Nürnberg-Hafen Richtung Norden sei und entlang der Strecke mehrere Gewerbegebiete lägen.
Für die 17,2 km lange Strecke würde die Fahrraddemo bei einer angenommenen Fahrtgeschwindigkeit von 15 km/h rund 75 Minuten benötigen. Die erwarteten 800 Teilnehmer würden bei einer Fahrt in fünf Reihen mit 5 m Platzbedarf pro Rad einschließlich Abstand eine ca. 800 m lange Radgruppe bilden, wobei wegen des dynamischen Ablaufs einer Fahrradfahrt und der unterschiedlich trainierten Teilnehmer mit einer größeren Länge zu rechnen sei. Während dieser Zeit könnte der Autoverkehr nur mit der Fahrgeschwindigkeit nachfolgen, ein Überholen sei aus Sicherheitsgründen unmöglich. Die normale Fahrzeit für Kfz auf dieser Strecke von ca. 13 Minuten würde sich um ca. 60 Minuten verlängern und es würde sich ein ständig anwachsender Rückstau über mehrere Kilometer bilden. Die sieben Auffahrten und die beiden Auffahrten von der A3 Richtung Bamberg müssten für jeweils ca. fünf Minuten gesperrt werden, was zu Rückstaus auf den überquerenden Straßen und der A3 in beiden Richtungen im derzeit bereits verengten und unübersichtlichen Baustellenbereich führen würde. Auf der A3 habe die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke von Montag bis Freitag im August 2020 in Richtung Westen 81.937 Kfz und in Richtung Osten 105.901 Kfz betragen (Bayerische Staatsbauverwaltung, Automatische Straßenverkehrszählung in Bayern, Monatsauswertung August 2020, a.a.O.). Es bestehe eine erhöhte Unfallgefahr am Stauende auf der A.., an den Auffahrten und insbesondere im Baustellenbereich der A3. Laut Stellungnahme des Polizeipräsidiums M. vom 12. August 2021 müsste der Verkehr in den Innenstädten Nürnberg und Fürth für die Auffahrt zur A.. in Richtung Erlangen gesperrt werden. Bereits die Sperrung in Nürnberg ziehe einen Rückstau auf dem F2.-weg, der nachfolgenden A.. und der am Autobahnkreuz Nürnberg-Süd angeschlossenen A6 nach sich. Die gesamte Innenstadt und der westliche Teil der Stadt Nürnberg wären von den Staufolgen betroffen. Durch die Sperrung der Fürther Anschlussstellen würde sich der Staubereich nach und nach auf die Innenstadt von Fürth erweitern, da ab Stadtgrenze Nürnberg/Fürth über Fürth-Poppenreuth und Fürth-Ronhof, sowie die Anschlussstelle Fürth-Steinach ebenfalls kein Auffahren auf die A.. in Fahrtrichtung Erlangen möglich wäre. Eine Umleitung des Verkehrs durch das Stadtgebiet würde dort zu einer stark erhöhten Verkehrsbelastung insbesondere auch mit Schwerlastverkehr und zudem zu Rückwirkungen in den Innenstadtbereich mit einer auch dort zu berücksichtigenden Erhöhung von Gefahren für Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer führen. Durch die Sperrung der Auffahrtsäste am Autobahnkreuz Fürth/Erlangen in Fahrtrichtung Erlangen würde der Stau auch noch auf die A3 übertragen, sodass auch der Nürnberger Norden bzw. die Zufahrt nach Nürnberg von Würzburg kommend beeinträchtigt wären.
Weiter müssten Verzögerungen z.B. bedingt durch Pannen einberechnet werden. Durch die bestehenden Lärmschutzwände wären Bergungs- oder Rettungsmaßnahmen für “liegengebliebene” Radfahrer nur eingeschränkt möglich.
Die Fahrradgruppe auf der Autobahn stelle auch für Autofahrer auf der Gegenrichtung eine besonders atypische Verkehrssituation dar, die erfahrungsgemäß zu Ablenkungen und Unaufmerksamkeiten führten und eine besonders hohes Unfallrisiko darstellten. Laut Erklärung im Kooperationsgespräch am 10. August 2021 erhoffe man sich, “dass von den Insassen der entgegenkommenden Autos auch Fotos von der Demo gemacht werden und anschließend geteilt werden.”
Eine geeignete Umleitungsstrecke stehe nicht zur Verfügung. Sie würde durch dicht besiedelte Stadtbereiche von Nürnberg und Fürth führen. Aufgrund der Zeitdauer der Verkehrsbehinderung würden sehr viele Autofahrer und Lkws versuchen, die Staus über die Ortsstraßen zu umfahren, was zu erheblichen Verkehrsbehinderungen und Verkehrsbelastungen in den angrenzenden Stadtbereichen führen und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der A.. und in allen angrenzenden Stadtgebieten gefährden würde.
Bei Befahrung des angemeldeten Autobahnstücks würden die Sicherheit und Leichtigkeit im Hinblick auf die Zahl der betroffenen Verkehrsteilnehmer, die Dauer und die räumliche Ausdehnung massiv gefährdet. Das Interesse der Antragstellerin an der Durchführung der Demonstration auf der von ihr beabsichtigten Route müsse hinter dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zurückzustehen.
Die Änderung der Versammlungsstrecke sei nach pflichtgemäßen Ermessen festgesetzt worden. Sie führe am Anfang über die angemeldete Strecke und anschließend über die stark befahrene E. Straße, die ebenfalls eine Bundesfernstraße (B 4) auf direktem Weg nach Erlangen sei. Die Fahrstrecke bis zum R.-park in E. verkürze sich dadurch nur um 1,6 km. Hier hätten auch interessierte Fußgänger Kontakt zur Versammlung, während Fußgänger die Versammlung auf der A.. nur an wenigen Stellen wahrnehmen könnten. Die Bundesstraße führe hier parallel zu einem Teil des streitigen Teilstückes der A.., sodass durch die räumliche Nähe zur Autobahn auch ein inhaltlicher Bezug zum Versammlungsthema hergestellt werden könne. Das Recht der Antragstellerin auf Versammlungsfreiheit werde nicht unangemessen eingeschränkt: Das mit der Demonstration verfolgte Anliegen könne in ähnlich öffentlichkeitswirksamer Weise auf der Alternativroute verfolgt werden, die Versammlung könne am geplanten Punkt starten und enden, die beabsichtigte Strecke zwischen R1. Straße und Ja.-brücke könne befahren werden, die B 4 liege in räumlicher Nähe zur A.., der Zeitrahmen könne eingehalten werden und die Gesamtlänger der Strecke bleibe nahezu gleich.
3. Die Antragstellerin ließ mit Schriftsatz vom 23. August 2021 Klage erheben und beantragt, die Beschränkungen in Ziffer 2.3.2.1 und 2.3.2.2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 19. August 2021 aufzuheben. Gleichzeitig beantragt die Antragstellerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 23. August 2021,
der Antrag wird abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die schriftsätzlichen Ausführungen zur Antragsbegründung und Antragserwiderung, Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 2.3.2.1 und 2.3.2.2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 19. August 2021 hat in der Sache keinen Erfolg, da das öffentliche Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.
1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage kraft Gesetzes – wie vorliegend gemäß Art. 25 BayVersG – entfällt, diese ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Ermessensentscheidung, bei der es zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage abwägt. Wesentliches – aber nicht alleiniges – Kriterium für die Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Prüfung, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich Erfolg hat, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweist sich der Verwaltungsakt hingegen als voraussichtlich rechtmäßig und das Hauptsacheverfahren damit als voraussichtlich erfolglos, überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse, dem der Gesetzgeber in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO generell den Vorrang eingeräumt hat, wenn nicht ausnahmsweise besondere Umstände des Einzelfalls eine abweichende Entscheidung rechtfertigen (vgl. zu allem BayVGH, B.v. 23.2.2012 – 14 CS 11.2837 – juris Rn. 38; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 146, 152 f., 158 f.). Bei offenen Erfolgsaussichten muss eine reine Interessenabwägung erfolgen (BVerwG, B.v. 29.4.1974 – IV C 21.74 – juris Rn. 8 f.; B.v. 17.5.2004 – 1 VR 1/04 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 9; Gersdorf in BeckOK, VwGO, 58. Ed., Stand: 01.07.2021, § 80 Rn. 187, 191; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93).
2. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.
a) Bei summarischer Prüfung wird die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage gegen Ziffer 2.3.2.1 und 2.3.2.2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 19. August 2021 voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil die Änderung eines Teilstücks der Versammlungsstrecke in dem in Ziffer 2.3.2.1 benannten Umfang rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihrem Versammlungsgrundrecht nach Art. 8 Abs. 1 GG verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 17). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (BVerfG, B.v. 12.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 17).
Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfG, B.v. 21.11.2020 – 1 BvQ 135/20 – juris Rn. 6; B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 18). Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung, etwa Veränderungen der Route eines Aufzuges, Rechnung zu tragen (BVerfG, B.v. 24.10.2001 ? 1 BvR 1190/90 ? BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 63).
Nach Art. 15 Abs. 1 Alt. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Der Schutz der “öffentlichen Sicherheit” i.S.v. Art. 15 BayVersG umfasst die gesamte Rechtsordnung und damit auch straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs regeln (BVerwG, U.v. 21.41989 – 7 C 50.88 – BVerwGE 82, 34 – juris Rn. 15). Kollidiert die Versammlungsfreiheit mit dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, ist eine Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz erforderlich. Wichtige Abwägungselemente sind dabei unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit der blockierten Tätigkeit Dritter, aber auch der Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Dritten und dem Protestgegenstand. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben (BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 – BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 64; BayVGH, B.v. 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 20; B.v. 13.11.2020 – 10 CS 20.2655 – juris Rn. 22).
Bundesautobahnen sind zwar gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 FStrG an sich “nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt”. Die spezifische Widmung der Autobahnen für den überörtlichen Kraftfahrzeugverkehr schließt deren Nutzung für Versammlungszwecke aber nicht generell aus und macht sie damit nicht generell zum “versammlungsfreien Raum” (NdsOVG, B.v. 4.6.2021 – 11 ME 126/21 – juris Rn. 10; HessVGH, B.v. 4.6.2021 – 2 B 1193/21 – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 30.1.2017 – 15 A 296/16 – juris Rn. 17). Jedoch darf bei öffentlichen Straßen, die allein dem Straßenverkehr gewidmet sind, den Verkehrsinteressen größere Bedeutung beigemessen werden, sodass das Interesse des Veranstalters und der Versammlungsteilnehmer an der ungehinderten Nutzung einer solchen Straße gegebenenfalls zurückzutreten hat (HessVGH, B.v. 4.6.2021 – 2 B 1193/21 – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 30.1.2017 – 15 A 296/16 – juris Rn. 19). Die Einstufung einer Straße als Bundesautobahn entscheidet nicht darüber, ob auf dieser Straße grundsätzlich eine Versammlung stattfinden darf und entbindet Versammlungsbehörden und Gerichte nicht von einer Güterabwägung, sie entfaltet allenfalls Indizwirkung für das Gewicht der gegen eine Versammlung sprechenden Interessen der Öffentlichkeit oder Dritter (BayVGH, B.v. 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 21).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die teilweise Abänderung der angezeigten Versammlungsstrecke betreffend die A.. zwischen der Kreuzung F2.-weg/Ja.-brücke und Autobahnausfahrt E.-B. voraussichtlich als rechtmäßig.
(1) Betrachtet man den Bezug des Versammlungsthemas zum fraglichen Abschnitt der A.. ist zugunsten der Versammlung zu berücksichtigen, dass diese gerade das Autobahnkreuz Fürth/Erlangen sowie den Abschnitt der A.. zwischen Nürnberg und Erlangen als Symbol einer aus ihrer Sicht bislang gescheiterten Verkehrswende betrachtet sowie auf das fehlende Vorhandensein eines kreuzungsfreien Radschnellwegs zwischen N., F. und E. aufmerksam machen will, während eine kreuzungsfreie Verbindung für Autofahrer in Form der A.. zur Verfügung stehe. Es besteht damit ein besonderer Bezug des Anliegens der Versammlung zum fraglichen Streckenabschnitt und zu den sich dort üblicherweise fortbewegenden Kraftwagenfahrern, welche durch eine Sperrung der A.. zwischen Nürnberg/Fürth und E.-B. zur Ermöglichung des Befahrens durch die Raddemonstration beeinträchtigt würden.
Die Kritik am Autobahnneu- und -ausbau im Allgemeinen hat hingegen keinen spezifischen Bezug gerade zum gewählten Autobahnabschnitt. Soweit die Versammlung als weiteres Anliegen die Kritik am Ausbau des F2.-wegs anführt, beziehen sich diese Pläne eines kreuzungsfreien Ausbaus des F2.-wegs auf den Streckenabschnitt, der zwischen der Anschlussstelle Nürnberg/Fürth und Nürnberg-Hafen als Kreisstraße N4 gewidmet ist, genauer auf den Bereich um die Ausfahrt Nürnberg-Gostenhof, in dem die Strecke aktuell durch drei Kreuzungen bzw. Einmündungen unterbrochen wird. Die Versammlungsbehörde hat aber ein Befahren der Kreisstraße N4 zwischen der R1. Straße und der Jansenbrücke und damit des von den Ausbauplänen betroffenen Abschnitts erlaubt, sodass diesem Anliegen vollumfänglich Rechnung getragen wird.
(2) Soweit die Antragstellerin weiter geltend macht, dass man sich von der Fahrt auf der Autobahn mehr Teilnehmer erwarte und mit einem größeren Medieninteresse des Tourstarts der Raddemonstration gerechnet werde, mag es zutreffen, dass viele Radfahrer sich die einmalige Gelegenheit, auf einer Autobahn radfahrend zu demonstrieren, nicht entgehen lassen würden und ein Befahren einer knapp 15 km langen Strecke einer Bundesautobahn medienwirksame Bilder liefern würde. Jedoch vermögen diese Aspekte gepaart mit dem zuvor erwähnten besonderen thematischen Bezug zum fraglichen Abschnitt der A.. vorliegend nicht die mit einer Sperrung einhergehenden zu erwartenden Störungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu überwiegen.
(3) Bezüglich der Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Straßenverkehrs ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von der Antragstellerin für die Versammlungsroute vorgesehenen Abschnitt der A.. zwischen Nürnberg und Erlangen um eine Bundesautobahn handelt, die gemäß § 1 Abs. 3 FStrG nur für den Schnellverkehr von Kraftfahrzeugen bestimmt ist. Zudem zählt dieser Abschnitt mit durchschnittlich 75.000 bis 100.000 Kfz pro Tag zu den sehr stark befahrenen Autobahnabschnitten in Nordbayern (vgl. Autobahndirektion Nordbayern, Verkehrsbelastung auf Bundesautobahnen in Nordbayern, Stand Januar 2020, http://www.bildergalerie-autobahn-nordbayern.de/zahlen_fakten/2020_01_jb_abdn_betrieb_verkehrsbelastung.pdf). Im August 2020 befuhren wochentags durchschnittlich ca. 34.500 Kfz und ca. 4.000 Fahrzeuge des Schwerverkehrs den Autobahnabschnitt zwischen Nürnberg/Fürth und Autobahnkreuz Fürth/Erlangen Nord in Richtung Norden (Bayerische Staatsbauverwaltung, Automatische Straßenverkehrszählung Bayern, Monatsauswertung August 2020, S. 18, https://www.google.com/url?sa=t& rct=j& q=& esrc=s& source=web& cd=& ved=2ahUKEwi06-zWkcfyAhUnyoUKHQGIAV4QFnoECAMQAQ& url=https%3A%2F%2Fwww.baysis.bayern.de%2Fweb%2Fdownload.ashx%3Fi%3D78712e02-df57-4768-bb45-21ea6e8b1ef3& usg=AOvVaw2v7rCexjxoDc63YjMSNNmB). Tagsüber (6 bis 22 Uhr) fuhren unabhängig vom Wochentag pro Stunde durchschnittlich 3.500 Fahrzeuge auf dieser Strecke, nachts durchschnittlich ca. 800 Fahrzeuge, d.h. ca. 80% des Verkehrs findet tagsüber statt. Dies zugrunde gelegt, fuhren somit wochentags zwischen 6 und 22 Uhr auf dem Autobahnabschnitt zwischen Nürnberg/Fürth und Autobahnkreuz Fürth/Erlangen Richtung Norden durchschnittlich ca. 1.925 Fahrzeuge (38.500 Fahrzeuge wochentags x 0,8 Tagesanteil: 16 Stunden von 6 bis 22 Uhr). Eine wesentliche Veränderung der Verkehrsverhältnisse seit letztem Jahr ist nicht ersichtlich.
Die Sperrung der A.. zwischen Jansenbrücke und Autobahnausfahrt E.-B. würde mindestens eineinhalb Stunde dauern. Ausgehend von einem Tempo von 15 km/h würde der Fahrradkorso für die 15,5 km zwischen Jansenbrücke und Ausfahrt E.-B. etwa eine Stunde benötigen. Der Auf- und Abbau der Sperrungen dürfte nach grober Schätzung mindestens jeweils weitere 15 Minuten in Anspruch nehmen, sodass mit einer Gesamtsperrzeit von eineinhalb Stunden zu rechnen ist. Nachdem der Fahrradkorso die zuvor gesperrten Autobahnauffahrten vollständig passiert hat, könnten die Autofahrer dem Korso diese 90 Minuten lang langsam nachfolgen, bis dieser die A.. bei E.-B. wieder verlässt. Ein Überholen des Fahrradkorsos selbst durch langsam fahrende Fahrzeuge auf der zweispurigen Straße erscheint auch unter Benutzung des Standstreifens angesichts der Vielzahl nebeneinander fahrender Radfahrer schon unter dem Aspekt möglicher Stürze als zu gefährlich. Von der notwendigen mindestens eineinhalbstündigen Sperrung des Abschnitts der A.. zwischen Nürnberg/Fürth und E.-B. wären somit mindestens 2.800 Fahrzeuge auf der A.. selbst betroffen.
Hinzu kommen die Rückstaus auf den überquerenden Straßen an den fünf zu sperrenden Autobahnauffahrten (Nürnberg/Fürth, Fürth-Poppenreuth, Fürth-Ronhof, Fürth-Steinach, Erlangen-Eltersdorf; eine Sperrung der Auffahrt E.-B. erscheint nicht erforderlich, da die Versammlung zuvor über die Ausfahrt E.-B. abfahren würde) und der Rückstau auf der A3 in beide Fahrtrichtungen durch Sperrung der Auffahrten von der A3 auf die A… Gerade die Auswirkungen auf den Verkehr auf der A3 dürften enorm sein, da hier momentan aufgrund der Großbaustelle die Fahrbahnen in beide Richtungen verengt sind. Die Zählstelle Autobahnkreuz F./E. Ost Richtung West passierten im August 2020 wochentags durchschnittlich ca. 60.000 Fahrzeuge, d.h. tagsüber pro Stunde ca. 3.000 Fahrzeuge (60.000 x 0,8 : 16), die Zählstelle Autobahnkreuz Fürth/Erlangen West Richtung Ost ca. 50.000 Fahrzeuge, d.h. tagsüber pro Stunde ca. 2.500 Fahrzeuge (50.000 x 0,8 : 16). Diese insgesamt 5.500 Fahrzeuge auf der A3 wären durch eine Sperrung der Auffahrten auf die A.. ebenfalls betroffen, wobei die Dauer der Einschränkung hier jedoch deutlich kürzer ausfallen dürfte, da zwischen dem Autobahnkreuz und der Abfahrt E.-B. nur noch ca. 2,5 km liegen, wofür die Radfahrer bei 15 km/h knapp 10 Minuten bräuchten.
Weiter ist laut Stellungnahme des Polizeipräsidiums M. infolge der Sperrung der Auffahrten auf die A.. auch mit Rückstaus in die Innenstädte von Nürnberg und Fürth zu rechnen. Das Polizeipräsidium M. geht auch davon aus, dass es in Folge der Sperrung des F2.-wegs zu Rückstaus auf der A.. südlich von Nürnberg und über das Autobahnkreuz Nürnberg-Süd auf der angeschlossenen A6 kommen wird. Zwar ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass für die von der Versammlungsbehörde nicht untersagte Befahrung der Kreisstraße N4 zwischen R1. Straße und Jansenbrücke diese in Richtung Norden sowieso gesperrt werden muss und damit auch die vorgeschaltete A.. Richtung Norden. Eine Sperrung der A.. südlich von Nürnberg ist damit ohnehin erforderlich. Jedoch wird mit zunehmender Dauer der Sperrung der Stau auf der A.. südlich von Nürnberg und damit auch auf der A6 stetig länger werden, wodurch weitere Fahrzeuge betroffen werden.
Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin vorträgt, dass an einem Dienstagvormittag in den Sommerferien das Verkehrsaufkommen deutlich reduziert sein dürfte, ist anzumerken, dass die zu Grunde gelegten Zahlen der Autobahndirektion Nordbayern ebenfalls aus dem August (2020) und damit aus der Sommerferienzeit stammen, sodass dieser Effekt bereits berücksichtigt ist. Zudem ist aktuell aufgrund der Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, die vom 21. August 2021 bis zum 25. August 2021, 2:00 Uhr, dauern sollen (Deutsche Bahn, Alle Infos zum GDL-Streik, https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/Presse-Blog-Alle-Infos-zum-GDL-Streik-6174662), damit zu rechnen ist, dass viele Reisende vom öffentlichen Nahverkehr auf den Individualverkehr ausweichen werden, sodass am fraglichen Dienstag, den 24. August 2021 sogar mit einem noch höheren Verkehrsaufkommen als üblich zu rechnen ist.
Von der Sperrung des fraglichen Abschnitts der A.. zwischen Nürnberg und Erlangen wären somit mehrere tausend Autofahrer auf der A.., der A3, der A6, den überquerenden Straßen an den fünf zu sperrenden Autobahnauffahrten auf die A.. und in den Innenstädten von Nürnberg und Fürth für mindestens eineinhalb Stunden, wenn nicht sogar bis zur vollständigen Auflösung der Rückstaus länger, betroffen. Die Leichtigkeit des Straßenverkehrs wäre somit großräumig massiv beeinträchtigt. Ausweichmöglichkeiten für die betroffenen Fahrzeuge stehen nur bedingt zur Verfügung. Ein Umfahren des Raums Nürnberg-Fürth durch den überregionalen Verkehr über die A9 und die A3 käme nur eingeschränkt in Betracht, da die Fahrzeuge über das Autobahnkreuz Fürth/Erlangen von der A3 wieder auf die A.. abfahren müssten, dieses aber zumindest zeitweise ebenfalls gesperrt wäre. Dem örtlichen Verkehr im Raum Nürnberg-Fürth verblieben als Ausweichrouten die B 4 östlich der A.. und die Ortstraßen Richtung Norden, welche von den vom Stau betroffenen Autofahrern erst erreicht werden müssten und infolge des ungewöhnlichen hohen Verkehrsaufkommen nicht in der Lage sein dürften, den kompletten Ausweichverkehr aufzunehmen.
(4) Beeinträchtigungen für die Sicherheit des Straßenverkehrs ergeben sich aus der erhöhten Unfallgefahr am Stauende auf der A3, der A.. und der A6.
Soweit die Antragsgegnerin eine erhöhte Unfallgefahr am Stauende auf der A.. anführt, verfängt dieses Argument nur teilweise, da für die nicht untersagte Befahrung der Kreisstraße N4 zwischen R1. Straße und Jansenbrücke diese und die A.. südlich von Nürnberg sowieso gesperrt werden müssen und damit die Auffahrunfallgefahr am Stauende der A.. in jedem Fall besteht. Wie aber bereits dargelegt, wird mit einer um eineinhalb Stunden längeren Sperrung, die bei einem Befahren des Autobahnabschnitts zwischen Nürnberg und Erlangen durch die Versammlung erforderlich würde, der Stau auf der A.. und damit über das Autobahnkreuz Nürnberg-Süd auf der A6 stetig länger werden und länger dauern. Je länger ein Stau aber dauert, desto mehr Autos müssen innerhalb kürzester Zeit aus hoher Geschwindigkeit bis zum Fahrzeugstillstand abbremsen, was die Auffahrunfallgefahr schon rein quantitativ erhöht.
Von einer erhöhten Auffahrunfallgefahr ist auch am Stauende auf der die A.. kreuzenden A3 auszugehen. Wie bereits dargelegt, wird sich die – wenn auch zeitlich kürzere – Sperrung der Auffahrten von der A3 auf die A.. auf die Flüssigkeit des Verkehrs auf der durch die Großbaustelle verengte A3 auswirken und zu Rückstaus führen. Auch hier besteht am Stauende eine erhöhte Gefahr für Auffahrunfälle.
Weiter ergibt sich eine erhöhte Unfallgefahr auch auf der Gegenfahrbahn der A.., d.h. den zwei Richtung Süden führenden Fahrstreifen. Zwischen den Gegenfahrbahnen besteht gerichtsbekannt durchgängig Sichtkontakt. Zwar ist die Geschwindigkeit auf der A.. zwischen Erlangen und Nürnberg bereits auf 80 km/h bzw. 100 km/h begrenzt, dennoch begründen auch bei diesen Geschwindigkeiten mehrere hundert Fahrradfahrer, mit denen auf einer Autobahn grundsätzlich nicht zu rechnen ist, eine Ablenkung für Verkehrsteilnehmer auf der Gegenfahrbahn. Überraschungen und Ablenkungen können auch auf der Gegenfahrbahn zur Unfällen führen (NdsOVG, B.v. 4.6.2021 – 11 ME 126/21 – juris Rn. 14; OVG Hamburg, B.v. 11.12.2020 – 4 Bs 229/20 – BeckRS 2020, 48778 Rn. 17). Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin geltend macht, dass Fahrraddemonstrationen auf Autobahnen mittlerweile nicht mehr völlig atypisch und der Bevölkerung bekannt seien (so HessVGH, B.v. 4.6.2021 – 2 B 1201/21 – juris Rn. 13), vermag das Gericht dieser Ansicht nicht zu folgen. Zumindest in der hiesigen Region sind dem Gericht keine Demonstrationen der letzten Jahre bekannt, die auf Autobahnen stattgefunden hätten.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin führt zu den Gefährdungen durch Staus aus, dass die geltend gemachten Gefahren bei einer geplanten und geordneten Autobahnsperrung deutlich geringer und beherrschbarer seien als bei einem unvorhergesehenen plötzlichen Stau und dass durch Presseinformationen frühzeitig auf die Sperrung hingewiesen werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass durch einen Hinweis auf die Sperrung und die zu erwartenden Stauungen in Rundfunk und Presse die durch eine Staubildung begründeten Gefahren nicht ausgeschlossen werden können. Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich sämtliche Verkehrsteilnehmer, insbesondere solche aus anderen Regionen auf der Durchreise, stets aktuell über lokale Ereignisse informieren, zumal zwischen Eingang des Eilantrags bei Gericht und dem Versammlungsbeginn 24 Stunden liegen und eine langfristige Information der Öffentlichkeit somit verhindert wurde. Zum anderen würde sich die Unfallgefahr bereits dann realisieren, wenn bereits ein Verkehrsteilnehmer nicht vorgewarnt und/oder nicht ausreichend aufmerksam ist und das Stauende übersieht oder auch ohne Stau auf der Gegenfahrbahn ablenkungsbedingt das Lenkrad verreißt (vgl. NdsOVG, B.v. 4.6.2021 – 11 ME 126/21 – juris Rn. 16).
(5) Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin weiter geltend macht, dass bereits vier Demonstrationen des Veranstalters auf dem F2.-weg stattgefunden hätten, die Teilnehmer die Demonstrationsstrecke zügig passiert hätten und es der Kenntnis des Veranstalters nach in Folge dieser Versammlungen nicht zu Unfällen und/oder einem Verkehrschaos gekommen sei, sind diese Versammlungen nicht hinreichend vergleichbar mit der hier angezeigten Versammlung, um die vorliegend zu erwartenden Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs auszuschließen. Die von den angesprochenen Demonstrationen damals befahrenen Abschnitte der Kreisstraße N4 waren deutlich kürzer und wurden schneller passiert, sodass die erforderliche Sperrung der A.. südlich von Nürnberg weniger lang dauerte und die A.. nördlich von Nürnberg und die kreuzende A3 überhaupt nicht betroffen waren. Außerdem war die Unfallgefahr auf der Gegenfahrbahn als geringer zu bewerten, da die Geschwindigkeit hier bereits größtenteils auf 60 bzw. 50 km/h reduziert ist und es sich nicht um eine als Autobahn gewidmete Straße handelt, sondern um eine durch Ampeln und Kreuzungen unterbrochene Kreisstraße, auf der Radfahrer weniger überraschend wirken als auf der A…
(6) Die teilweise Abänderung der angezeigten Versammlungsstrecke und Untersagung des Befahrens der A.. zwischen der Kreuzung F2.-weg/Ja.-brücke und Autobahnausfahrt E.-B. erscheint trotz des teilweise thematischen Bezuges des Versammlungsthemas zu diesem Streckenabschnitt, der Bedeutung des Versammlungsthemas für die öffentliche Meinungsbildung gerade vor der anstehenden Bundestagswahl und der Wichtigkeit der Autobahnbenutzung für die Generierung von Aufmerksamkeit für die Versammlung angesichts der enormen Beeinträchtigungen der Leichtigkeit des Verkehrs und der erhöhten Unfallgefahren voraussichtlich als rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat durch die Untersagung des Befahrens des angezeigten Streckenabschnitts und die Auswahl der Alternativroute über die B 4 einen verhältnismäßigen und ermessensfehlerfreien Ausgleich zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der Durchführung der Versammlung und dem öffentlichen Interesse an einer Vermeidung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit hergestellt.
Bei der B 4 handelt es sich nach der A.. um die zweitbedeutsamste Verbindungsstrecke zwischen Nürnberg und Erlangen. Zwar kommt die Versammlung auf der Route entlang der B 4 der Autobahn nicht nahe, jedoch ist die Kritik am Neubau und Ausbau von Autobahnen im Allgemeinen und an der aus Sicht der Antragstellerin gescheiterten Verkehrswende symbolisiert durch den Abschnitt der A.. zwischen Nürnberg und Erlangen nur eines von mehreren Anliegen der Versammlung. Der Versammlung geht es auch um das aus ihrer Sicht bestehende Missverhältnis zwischen vorhandener Infrastruktur für Radverkehr gegenüber derjenigen für Autoverkehr und das Fehlen eines kreuzungsfreien Radschnellwegs zwischen Erlangen, Fürth und Nürnberg. Dieses Anliegen kann auch ohne unmittelbare örtliche Nähe zur A.. verfolgt werden, insbesondere da die B 4 aufgrund ihres 4-spurigen Ausbaus einen autobahnähnlichen Charakter aufweist.
Die festgelegte Alternativroute führt weder zu einer Veränderung des Starts und Ziels der angezeigten Versammlung noch zu einer wesentlichen Veränderung der Länge der Versammlungsstrecke oder Dauer der Versammlung. Die öffentliche Wahrnehmung der Versammlung auf der Ausweichroute ist, wenn auch in anderer Gestalt, ebenfalls gegeben. Während die Versammlung auf der A.. durch Fahrer auf der Gegenfahrbahn und Passanten auf den Autobahnbrücken gesehen würde, wird die Versammlung auf der Ausweichroute durch das Stadtgebiet von Nürnberg und Erlangen von Passanten am Straßenrand wahrgenommen werden.
Soweit die Antragstellerin vortrug, dass es sich auf der Autobahn gut fahren lasse, ist nicht erkennbar, dass es sich auf der Bundesstraße B 4 nicht ebenso gut fahren lässt.
b) Besondere Umstände, die ein Abweichen von dem grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses im vorliegenden Fall rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich. Mithin fällt die Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG und folgt der Empfehlung Nr. 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da die vorliegende Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt, wurde der Empfehlung in Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 folgend der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes angehoben.


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