Medizinrecht

Amtliche Feststellung einer Salmonelleninfektion rechtmäßig

Aktenzeichen  Au 1 K 19.49

Datum:
11.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3477
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 4
GflSalmoV § 22
GflSalmoV § 23

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand der Klage ist die amtliche Feststellung einer Infektion mit Salmonellen der Kategorie 1 gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 GflSalmoV, welche mit Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2018 unter Ziffer II erfolgte. Darüber hinaus wendet sich die Klägerin in der Folge gegen die Anordnung der Maßregeln (Ziffern 3 und 4) und die hierfür angedrohten Zwangsgelder (Ziffer 5). Die Klägerin begehrt nach Klageänderung nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids.
2. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich dieser erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
a) Eine Erledigungssituation liegt hier vor. Die verfahrensgegenständliche amtliche Feststellung einer Infektion mit Salmonellen der Kategorie 1 galt nach der Fiktion des § 24 Abs. 2 GflSalmoV spätestens am 11. Februar 2019 als erloschen, da zu diesem Zeitpunkt sämtliche Hühner und Eier aus dem Betrieb entfernt worden waren und eine abschließende Reinigung und Desinfektion stattgefunden hatte.
b) Die Klägerin kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit geltend machen. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur dann zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Dieses Interesse muss – unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der betroffenen Rechtspositionen – über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung hinausgehen und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Maßgeblich ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet erscheint, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 20.12 – juris Rn. 11 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 113 Rn. 129 f. m.w.N.).
Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus der ernsthaften Absicht eines Amtshaftungsprozesses. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses dienen soll, muss der Betroffene von sich aus substantiiert darlegen, dass er bereits einen solchen Prozess eingeleitet hat oder die Klageerhebung zeitnah beabsichtigt. Insbesondere muss er aufzeigen, was er konkret anstrebt, d.h. welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will. Die bloß abstrakte Möglichkeit eines Sekundärverfahrens genügt dagegen nicht. Zwar dürfen an den Vortrag keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, insbesondere bedarf es regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass der Kläger einen Amtshaftungsprozess tatsächlich anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde Angabe der Schadenshöhe (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 13.7.2015 – 1 WB 49/14 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 17.4.2018 – 4 ZB 17.1490 – juris Rn. 21; B.v. 13.6.2014 – 15 ZB 14.510 – juris Rn. 10; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47 m.w.N.). Der Klägerbevollmächtigte äußerte mit Schriftsatz vom 18. November 2019 die ernsthafte Absicht eines noch durchzuführenden Amtshaftungsprozesses und legte mit Schriftsatz vom 6. Februar 2020 hierzu auch eine Schadensaufstellung bei.
3. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die amtliche Feststellung rechtmäßig war und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die Rechtsgrundlage der amtlichen Feststellung findet sich in § 23 Satz 1 GflSalmoV. Demnach sind diverse Schutzmaßregeln von Legehennenbetrieben einzuhalten, wenn auf Grund einer Untersuchung nach § 22 eine Infektion mit Salmonellen der Kategorie 1 amtlich festgestellt worden ist. Die am 12. November 2018 durchgeführte Routinekontrolle des Beklagten nach Maßgabe der Nummer 2.1 Satz 4 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 517/2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 war für die Feststellung einer Salmonelleninfektion nach § 23 GflSalmV grundsätzlich ausreichend (so auch VG München, U.v. 31.5.2017 – M 18 K 16.3174 – juris Rn. 57 ff.).
b) Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten führte der verfahrensgegenständliche positive Befund aus der anlassunabhängigen Routinekontrolle der Probenahme vom 12. November 2018 nach Nummer 2.1 4 a des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 517/2011 zu einer amtlichen Feststellung einer Salmonelleninfektion. Die insoweit geäußerten Bedenken der Klägerin hinsichtlich der Durchführung der Probenahme greifen nicht durch, da ein Nachweis der nicht fachgerechten Probenahme nicht möglich war. Insbesondere ist nicht nachgewiesen, dass durch das Abstellen einer Probenahmekiste bzw. das Anziehen von Teilen der Beprobungskleidung im Vorfeld des Stalles (auch) eine Beprobung des Außenbereichs erfolgte.
Die durch das Gericht durchgeführte Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts blieb ergebnislos, da mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln die tatsächlichen Umstände der Probenahme vom 12. November 2018 unaufklärbar sind. Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist daher verpflichtet, von Amts wegen und ohne ausdrückliches Vorbringen eines Beteiligten den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst zu ermitteln und aufzuklären (Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Auflage, Rn. 6 zu § 86). Bei der Kontrolle vom 12. November 2018 waren sowohl die Veterinärassistentin als auch der Sohn der Betriebsinhaber anwesend. Sie wurden in den mündlichen Verhandlungen vom 17. Dezember 2019 bzw. 11. Februar 2020 als Zeugen vernommen:
aa) Der Sohn der Betriebsinhaber gab zur Sache an, dass die Veterinärassistentin die „Sockentupfer“ auf einem ca. drei bis vier Meter vom Stall entfernten Frontlader im Außenbereich des Stalls abgestellt habe und sich dort die Plastiküberschuhe, welche später in direkten Kontakt mit dem Probenahmeträger gekommen seien, angezogen habe. Der Boden vor dem Stall bestehe aus Erde bzw. Grasbewuchs. Sie sei in den Plastiküberschuhen zum Stall gelaufen und habe die „Sockentupfer“ anschließend über die Überschuhe gezogen.
Die Aussage des nicht beeidigten Zeugen ist für das Gericht glaubhaft. Er konnte insbesondere nachvollziehbar erläutern, dass er sich aufgrund der Abwesenheit der Betriebsinhaber in einer besonderen Situation befand und sich daher auch ein Jahr nach der Probenahme noch an die konkreten Einzelheiten des Geschehens erinnern konnte. Die Aussage war zudem detailreich, widerspruchsfrei und schlüssig. Nachfragen wurden spontan beantwortet. Übertreibungen, welche das Handeln der Veterinärassistentin in einem besonders schlechten Licht darstellen würden (Belastungseifer), wurden durch den Zeugen nicht geäußert. Vielmehr gab der Zeuge zu, selbst die eigentlich nötigen Hygieneregeln beim Verlassen und Betreten des Stalls nicht eingehalten zu haben.
bb) Die Veterinärassistentin gab zur Sache an, in ihrem Schutzanzug und in Gummistiefeln mit der Probenahmekiste zum Stall gelaufen zu sein und die Kiste anschließend im Vorraum des Stallinneren abgestellt zu haben. Anschließend habe sie jeweils einen Überschuh angezogen und das entsprechende Bein im Stallinneren abgestellt. Zudem habe sie sterile Handschuhe und Überhandschuhe getragen. Die Sockentupfer habe sie erst nach dem Gatter des Legehennenstalls selbst angezogen.
Auch die Aussage der vereidigten Zeugin ist für das Gericht glaubhaft. Sie konnte nachvollziehbar den Ablauf der Probenahme erläutern und anhand eines durch die Klägerin vorgelegten Fotos (Foto 1) ihr Vorgehen nicht nur im Allgemeinen, sondern auch im konkreten Einzelfall darlegen. Auch ihre Aussage war detailreich, widerspruchsfrei und in sich schlüssig. Nachfragen des Gerichts und der Klägerin konnten spontan beantwortet werden. Anzeichen für eine besonders positive Darstellung des Geschehens oder Hinzufügungen waren nicht ersichtlich. Die Zeugin gab selbst an, sich an einzelne Umstände wie den Standort eines Frontladers im Hofbereich nicht mehr erinnern zu können.
cc) Die beiden glaubhaften Zeugenaussagen widersprechen sich. Folgt man der Aussage des Sohnes der Betriebsinhaber liegt eine fehlerhafte (Mit-)Beprobung des Außenbereichs der Stallanlage vor, sodass berechtigte Zweifel an der Einordnung des Untersuchungsergebnisses als amtliche Untersuchung bestünden und die Infektion mit Salmonellen der Kategorie 1 möglicherweise mit Bescheid vom 7. Dezember 2018 nicht hätte amtlich festgestellt werden dürfen. Folgt man dagegen der Aussage der Veterinärassistentin, ist die Probenahme lege artis ausgeführt worden, sodass an der ordnungsgemäßen amtlichen Feststellung der Salmonelleninfektion keine Zweifel bestehen.
Dem Gericht stehen keine weiteren Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung. Weitere Zeugen oder Beweismittel ergeben sich weder aus den vorgelegten Akten, noch wurden diese durch die Beteiligten genannt, angeboten oder dargebracht. Die durch den Bevollmächtigten der Klägerin angesprochenen Berufskollegen der Betriebsinhaber, welche bestätigen könnten, dass es vielfach zu Verstößen bei Probenahmen gekommen sei, wurden nicht namentlich benannt. Es bestehen zudem erhebliche Zweifel, dass diese etwas zur konkreten Situation am Tag der Probenahme im Betrieb der Klägerin ausführen könnten.
dd) Angesichts der vorliegenden Beweislage ist die Tatsache der fehlerhaften Probenahme unaufklärbar. Nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast geht dies zu Lasten der Klägerin.
Die Frage, zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit einer Tatsache geht, bestimmt sich grundsätzlich nach dem materiellen Recht, wobei die Art der Klage keinen Einfluss auf die Beweislast hat (Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Auflage, Rn. 2a zu § 86). Fehlen – wie hier – dem materiellen Recht ausdrückliche Regeln gilt der Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit zulasten des Beteiligten geht, der aus der fraglichen Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet (BVerwG, B.v. 1.11.1993 – 7 B 190/93 – juris Rn. 3). Die Tatsache der nicht ordnungsgemäßen Probenahme ist für die Klägerin günstig, da sie hierdurch die aufgrund der amtlichen Feststellung gesetzlich vorgegebenen Schutzmaßregeln des § 23 GflSalmoV nicht hätte einhalten müssen und somit durch deren Durchführung nicht belastet gewesen wäre.
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine nachträgliche Verifizierungsuntersuchung, wie sie in Anhang II Buchstabe D Nr. 4 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 der Behörde ermöglicht wird, trotz Nichtaufnahme in § 24 GflSalmoV möglich bzw. sogar erforderlich war (so VG München, U.v. 31.05.2017 – M 18 K 16.3174 – juris Rn. 64 ff.), da der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet war. Nach Anhang II Buchstabe D Nr. 4 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 kann die zuständige Behörde […] festgelegte Beschränkungen aufheben, damit falsch-positive Erstergebnisse ausgeschlossen werden. Bereits die Voraussetzung dieser unionsrechtlichen Ausnahmevorschrift ist nicht erfüllt, da das Vorliegen eines falsch-positiven Erstergebnisses im Falle der Klägerin nicht wahrscheinlich ist. Die Forderung nach einem falsch-positiven Erstergebnis im Verordnungstext zeigt, dass zumindest der Verdacht einer fehlerhaften Beprobung oder Untersuchung vorhanden sein muss, da der unionsrechtliche Gesetzgeber ansonsten auf diesen Einschub hätte verzichten können. Es wäre auch nicht mit dem in den Erwägungsgründen 2, 3 und 5 geforderten hohen Schutzniveau vor Zoonosen vereinbar, wenn sämtliche positiven Untersuchungsergebnisse aus amtlichen Proben nochmals der Möglichkeit einer behördlichen Zweitüberprüfung unterlägen. Dies liefe dem Ziel eines möglichst umfassenden, präventiven Gesundheitsschutzes zuwider. Dem widerspricht auch die Regelung des § 24 Abs. 3 GflSalmoV nicht, welcher bei betriebseigenen Kontrollen generell die Möglichkeit einer amtlichen Nachprüfung vorsieht, da nach den Regelungen des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 517/2011, insbesondere der Ziffern 2.2.1 und 2.2.2, verschiedene Anforderung an den Umfang und die Durchführung der betrieblichen bzw. amtlichen Probenahmen gestellt werden. Insgesamt gesehen ist daher die Anwendung der Zweitüberprüfung nach amtlichen Probenahmen auf Fälle zu beschränken, in welchen es wahrscheinlich ist, dass das Ergebnis der die Schutzmaßnahmen auslösenden amtlichen Untersuchung voraussichtlich fehlerhaft war. Ein solcher Verdacht ist im Falle der Klägerin weder belegt noch durch ausreichende Indizien gestützt. Außer den sich widersprechenden Zeugenaussagen sind keine Anhaltspunkte vorhanden, dass die Probenahme tatsächlich fehlerhaft erfolgte.
4. Die aufgrund der rechtmäßigen amtlichen Feststellung getroffenen Schutzmaßregeln und weiteren Anordnungen (Ziffern 3 und 4 des Bescheids) begegnen ebenso wie der Zwangsgeldandrohnung (Ziffer 5) keinen weiteren Bedenken. Solche wurden im Klageverfahren auch nicht vorgetragen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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