Medizinrecht

Anforderungen an die Substantiierung des Vorbringens einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)

Aktenzeichen  M 4 K 16.31543

Datum:
13.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 1

 

Leitsatz

Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie seiner vielfältigen Symptomatik gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung sowie eines entsprechenden Beweisantrags regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests (BVerwG BeckRS 2016, 47723). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 13. April 2017 entscheiden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. In der ordnungsgemäßen Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-).
Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
1. Der Klägerin steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich. Die Klägerin würde in den Irak auch nicht ohne jegliche familiäre Strukturen zurückkehren. Vielmehr befinden sich ihre Töchter im Irak.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
(1) Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Iraks auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – NVwZ 2001, 1420).
(2) Sonstige Gefahren i.S. von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, liegen nicht vor.
Hinsichtlich der vorgetragenen Erkrankung an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gilt Folgendes:
Zwar kann grundsätzlich auch eine Erkrankung zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen. Trotz der bestehenden Amtsermittlungspflicht ergibt sich aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO jedoch die Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, was in besonderem Maße für Umstände gilt, die, wie etwa eine Erkrankung, in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen. Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer Erkrankung an einer PTBS genügt das vorgelegte Gutachten vom … September 2016 nicht. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS sowie eines entsprechenden Beweisantrags nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – Buchholz 402. 242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 31) regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
Diesen Voraussetzungen genügt das vorgelegte Attest nicht. Das Attest enthält keine Aussage zum Behandlungsverlauf der sich bereits seit Juni 2014 in Behandlung befindlichen Klägerin. Einzige Aussage ist, dass eine Therapie zunächst einmal wöchentlich stattgefunden habe und dies nunmehr einmal monatlich weiterhin tue. Genaue Inhalte der durchgeführten Therapie oder Aussagen über Behandlungsfortschritte enthält das Attest dagegen nicht. Vielmehr ist es (bis auf den ersten und den letzten Absatz) wortgleich mit einem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Attest vom … September 2014. Damit gibt das Attest nicht viel mehr wieder als den gesundheitlichen Zustand der Klägerin im Jahr 2014 – ist jedoch nicht dazu geeignet den gesundheitlichen Zustand der Klägerin im Jahr 2016 (erst recht nicht 2017) glaubhaft zu machen.
Auch enthält das Attest keine überzeugende Aussage dazu, wieso die Klägerin, die sich bereits seit dem Jahr 2012 in Deutschland befindet, erst im Jahr 2014 mit Symptomen einer PTBS vorstellig wurde, bzw. wann die geschilderten Symptome erstmals auftraten. So ist nicht nachvollziehbar, welche Ereignisse die Symptome ausgelöst haben bzw. warum die Symptome eventuell erst später auftraten.
Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, befinden sich im Attest auch absolut fachfremde Würdigungen („Für den Fall der Rückkehr in den Irak ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass [die Klägerin] wieder verfolgt, womöglich verschleppt und getötet werden würde“), die nicht zu seiner Glaubwürdigkeit beitragen.
2. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 3, wonach die Klägerin unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert wird, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber der Klägerin entgegenstünden, nicht ersichtlich; siebesitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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