Medizinrecht

Anspruch auf die Erteilung einer Fahrerlaubnis – medizinisch-psychologische Fahrtauglichkeitsuntersuchung

Aktenzeichen  B 1 K 18.692

Datum:
29.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8364
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2
StGB § 69, § 69a
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, § 117 Abs. 3 S. 2,

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Fahrerlaubnis. Der Beklagte hat den entsprechenden Antrag des Klägers wegen der nicht erfolgten Vorlage eines zwingend zu fordernden Gutachtens einer medizinisch-psychologischen Begutachtungsstelle für Fahreignung zu Recht abgelehnt. Die Klage ist daher abzuweisen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 13 Satz 1 Nr. 2a) Alt. 2 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn (sonstige) Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Dies gilt auch im Falle einer Neuerteilung nach einer Entziehung, was § 20 Abs. 1 FeV ausdrücklich klarstellt.
a) Vorliegend sind sonstige Tatsachen im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 02.12.2011, Az.: 11 B 11.246, juris, Rn. 21 ff.) ist § 13 Satz 1 Nr. 2a) FeV so zu verstehen, dass er in Fällen, in denen nur eine einmalige Alkoholfahrt mit einem Blutalkoholgehalt von unter 1,6 Promille inmitten steht, die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erlaubt, wenn zusätzlich konkrete Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne, also dafür vorliegen, dass der Betroffene generell zwischen einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und dem Fahren nicht zu trennen vermag. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Betroffene jeden Abend große Mengen Alkohol trinkt und jeden Morgen zur Berufsausübung ein Kraftfahrzeug führen muss oder nahezu tägliche Autofahrten erfolgen. Bei dieser Konstellation kann ein Dauerkonflikt zwischen Trinken und Fahren angenommen werden, der einen Verstoß gegen das Trennungsgebot der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV unausweichlich erscheinen lässt. Auch wenn dieses Urteil des BayVGH aus anderen Gründen in der Revision aufgehoben wurde, hat die in diesem Urteil dargestellte Rechtsprechung über das Vorliegen sonstiger Tatsachen für einen Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne bei einer (nur) einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von unter 1,6 Promille nach wie vor Gültigkeit. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 06.04.2017 – 3 C 24/15 – juris Rn. 14) bestätigt, dass die Annahme von Alkoholmissbrauch auch bei einer einmaligen Zuwiderhandlung im Straßenverkehr mit einer BAK von unter 1,6 Promille möglich ist, wenn zusätzliche Tatsachen diese Annahme rechtfertigen.
Die durchgeführte mündliche Verhandlung vom 29.01.2019 hat ergeben, dass der Kläger – jedenfalls bis zu dem Vorfall am 09.09.2017 – regelmäßig Alkohol konsumiert hat und im Anschluss ein Kraftfahrzeug geführt hat. Der Kläger hat eingeräumt, dass er bis zu dem Vorfall am 09.09.2017 des Öfteren während der Arbeit Bier getrunken hat, um den dort anfallenden Stress zu bewältigen. Er habe während der Arbeitszeit immer mal wieder ein Bier getrunken, bis der Stress vorbei war (vgl. S. 2 der Sitzungsniederschrift). Beispielsweise habe er während einer Samstagsschicht, die bis 16:00 Uhr dauere, bis 14:00 Uhr Bier getrunken. Es gäbe auch viel Stress auf der Arbeit, weil sie zu wenig Leute hätten. Der Kläger beginne daher am Samstag immer schon um 07:30 Uhr, obwohl sein regulärer Schichtbeginn erst um 08:24 Uhr sei. Am 09.09.2017 habe er wegen des Stresses bei der Arbeit bereits morgens zu Hause ein Bier getrunken, bevor er zur Arbeit gefahren sei. Weiter hat der Kläger angegeben, bis zu dem Vorfall am 09.09.2017 immer nur mit dem Auto zur Arbeit und danach wieder nach Hause gefahren zu sein.
Zur Überzeugung der Kammer steht daher fest, dass der Kläger jedenfalls bis zu dem Vorfall am 09.09.2017 Alkohol in weit überdurchschnittlichem Maß gewöhnt war. Die starke Alkoholgewöhnung zeigt sich hier in dem Umstand, dass der Kläger bei der Blutentnahme, die erst eine Stunde nach der Trunkenheitsfahrt durchgeführt wurde, noch eine BAK von 1,23 Promille aufwies. Dabei war dem Kläger laut ärztlichem Bericht vom 09.09.2017 die Alkoholisierung zwar deutlich anzumerken, Ausfallerscheinungen wies er jedoch keine auf. Wenn man berücksichtigt, dass der Kläger dabei seine ganze Kraft zusammengenommen haben mag, um nicht alkoholauffällig zu wirken, zeigt der Umstand, dass es ihm möglich war mit einer BAK, die bei Fahrtantritt über 1,30 Promille gelegen haben muss, noch nach Hause zu fahren, und der weitere Umstand, dass es ihm möglich war, bei der Blutentnahme und den dabei durchgeführten Tests keine Ausfallerscheinungen zu zeigen, dass eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung vorlag. Ansonsten wäre er zu dem gezeigten Verhalten nicht im Stande gewesen.
Damit bestand beim Kläger ein Dauerkonflikt im Sinne der Rechtsprechung, das Führen von Kraftfahrzeugen und den Konsum von Alkohol sicher zu trennen. Der Kläger hat regelmäßig an seiner Arbeitsstelle Alkohol konsumiert, um den dort gegebenen Stress zu bewältigen und ist dann im Anschluss immer mit seinem Auto nach Hause gefahren. Soweit der Kläger angibt, dass es am 09.09.2017 nur ausnahmsweise fünf oder sechs Bier gewesen seien, es aber sonst weniger – zwei oder drei Bier – gewesen wären, bleibt es dennoch bei dem Faktum, dass der Kläger regelmäßig Alkohol zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz konsumiert hat. Dazu hat der Kläger auch angegeben, immer mal wieder ein Bier getrunken zu haben, bis der Stress vorbei war. Der Kläger hat damit regelmäßig so viel Bier getrunken, wie er benötigt hat, um die von ihm angestrebte Wirkung – das Vorbeigehen des Stressgefühls – zu erreichen. Daher bestand auch jederzeit die Möglichkeit, dass dem Kläger die Menge des konsumierten Alkohols und der Grad seiner Alkoholisierung bei seiner Fahrt nach Hause gar nicht mehr bewusst war, zumal er – wie dargestellt – Alkohol in weit überdurchschnittlichem Maße gewöhnt war.
b) Soweit der Kläger angegeben hat, seit dem Vorfall vom 09.09.2017 keinen Alkohol mehr zu trinken, und angeboten hat, dazu medizinische Abstinenznachweise vorzulegen, ist dies alleine schon dem Grunde nach nicht ausreichend, um eine Wiedererlangung der Fahreignung nachzuweisen. Eine ärztliche Bestätigung der Einhaltung von Abstinenz für die Wiederherstellung der Kraftfahreignung reicht nicht aus, da eine prognostische Einschätzung erforderlich ist, ob die Verhaltensänderung stabil ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.06.2018 – 11 CS 17.2466 – juris, Rn. 15). Eine solche Beurteilung einer stabilen Verhaltensänderung kann aber nicht alleine durch ein ärztliches Gutachten vorgenommen werden, sondern bedarf einer medizinisch-psychologischen Untersuchung. Deshalb ordnet der Normgeber eine solche auch im Falle der (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis nach einer Alkoholproblematik – sei es Abhängigkeit oder auch „nur“ Missbrauch – in § 13 FeV an.
c) Die Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2a) FEV räumt der Fahrerlaubnisbehörde – anders als etwa § 11 Abs. 3 FeV – auch kein Ermessen bezüglich des „Ob“ der Anordnung einer MPU ein, was sich schon aus dem Wortlaut der Norm (… ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass …) ergibt (vgl. auch BayVGH, a.a.O.; Felix Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 13 FeV Rn. 26 i.V.m. Rn. 8 – beck-online). Der Einwand des Klägers, dass die Anordnung einer MPU im vorliegenden Fall unverhältnismäßig sei, kann daher nicht durchgreifen.
d) Im Ergebnis konnte und musste der Beklagte hier auf die Nichteignung des Klägers schließen und die beantragte Fahrerlaubnis ablehnen, weil der Kläger das rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt hat (vgl. BVerwG, U.v. 05.07.2001 – 3 C 13.01). Die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV räumt der Behörde kein Ermessen hinsichtlich der Frage ein, ob aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 11 CS 12.2276 – juris, Rn. 13. m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache evtl. eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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