Medizinrecht

Asyl: Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; keine umfassenden Frage- und Hinweispflichten des Gerichts

Aktenzeichen  1 ZB 18.32051

Datum:
24.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24991
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 86 Abs. 3, § 108 Abs. 1 S. 2, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Aussagen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und die wesentlichen Gründe für ihre Entscheidung anzugeben. Weiter soll er sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des rechtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zu diesem Zweck muss der Verfahrensbeteiligte Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die für die Entscheidung erheblich sein können. Mit diesem Äußerungsrecht korrespondiert aber keine umfassende Frage- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3 Insbesondere muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (vgl. BVerwG BeckRS 2018, 20473). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 17.46235 2018-06-27 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und der Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) sind nicht dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) bzw. liegen nicht vor.
Mit dem Zulassungsantrag wird geltend gemacht, dass das Gericht den Vortrag der Klägerin zu einer bereits erfolgten und noch zu befürchtenden Schlechtbehandlung im Heimatland zu Unrecht als nicht glaubhaft angesehen habe. Die Klägerin habe inländische fachärztliche Atteste vorgelegt, die im Zusammenhang mit dem geschilderten Verfolgungsgeschehen und der Stellungnahme von Solwodi das Bild abrundeten. Soweit das Gericht die Sachkunde der Fachärzte, die die ärztlichen Atteste ausgestellt hätten, insoweit in Frage ziehe, als das Gericht die von der Klägerin geschilderten Ausreisegründe als nicht glaubhaft erachtet habe, liege ein Verstoß gegen Art. 103 GG vor. Hätten Zweifel an der Grundlage der vorgelegten ärztlichen Atteste bestanden, so hätte das Gericht einen entsprechenden richterlichen Hinweis analog § 139 ZPO im Rahmen eines fairen Verfahrens geben müssen. Dies hätte angemessen vor der mündlichen Verhandlung geschehen müssen, um der Klägerin und den befassten Ärzten eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Aussagen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und die wesentlichen Gründe für ihre Entscheidung anzugeben (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll weiter sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des rechtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die für die Entscheidung erheblich sein können. Mit diesem Äußerungsrecht korrespondiert aber keine umfassende Frage- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Auch in der Ausprägung, die der Anspruch auf rechtliches Gehör in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, wird dem Gericht keine umfassende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt. Insbesondere muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.2000 -9 B 614.99 – juris Rn. 5; B.v. 9.3.2007 – 1 B 171.06 – juris Rn. 6; B.v. 17.4.2008 -10 B 28.08 – juris Rn. 8; B.v. 14.8.2018 – 7 B 8.18 – juris Rn. 8).
Nach diesen Maßstäben wird ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinn des Art. 103 Abs. 1 GG nicht aufgezeigt. Das Gericht hat das klägerische Vorbringen, auch soweit es in den fachärztlichen Attesten bzw. der Stellungnahme von Solwodi enthalten ist, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Mit Angriffen auf die gerichtliche Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung lässt sich ein Gehörsverstoß regelmäßig nicht begründen (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2004 – 1 B 273.03 – BeckRS 2004, 21263; B.v. 4.6.2018 – 1 B 31.18 – juris Rn. 7). Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das Gericht die Sachkunde des Facharztes infrage gestellt habe, stellt das fachärztliche Attest vom 6. Juni 2018 zudem in seiner Beurteilung schon keinen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen dem Geschehen im Heimatland und dem Behandlungsbeginn her (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – BVerwGE 129, 251). Das Gericht war auch nicht verpflichtet, vor der mündlichen Verhandlung einen Hinweis auf die rechtliche Würdigung des bisherigen Vortrags der Klägerin zu geben. Insbesondere ist es Aufgabe der mündlichen Verhandlung, dem Asylbewerber Gelegenheit zu geben, seine Fluchtgründe nochmals darzulegen, und sich einen Eindruck über die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu bilden. Mit dem Zulassungsantrag wird auch nicht vorgetragen, was die Klägerin auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2007 – 1 B 171.06 – juris Rn. 6).
Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung werden nur behauptet, aber nicht ansatzweise dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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