Medizinrecht

Asylrecht, Herkunftsland: Pakistan, Chronische Hepatitis C, Zwölffingerdarmgeschwür, Ärztliche Bescheinigung

Aktenzeichen  M 32 K 17.44343

Datum:
10.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49644
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagtenseite ordnungsgemäß geladen worden war (die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 auf die Einhaltung der Ladungsfrist und die förmliche Ladung gegen Empfangsbekenntnis verzichtet) und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Zudem verzichtete die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2019 auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch unter Einbeziehung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die Klage war daher abzuweisen.
Das Gericht folgt insoweit den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzt wie folgt:
1. Ein Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots ergibt sich nicht aus § 60 Abs. 5 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 25).
Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht.
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris Rn. 26). Dies ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger nichtstaatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will (EGMR, Urteile vom 21.01.2011 – 30696/09 – (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 und vom 28.06.2011 – 8319/07 und 11449/07 – (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681). Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt und „nichtstaatliche“ Gefahren für Leib und Leben im Zielgebiet aufgrund prekärer Lebensbedingungen vorliegen, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als unmenschliche Behandlung zu qualifizieren sein (BVerwG, U.v. 13.06.2013 – 10 C 13.12 – Rn. 24 f.; VGH B​W, U.v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 – juris Rn. 79 ff.).
Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist – wie im Rahmen von §§ 3 ff. und § 4 Asylgesetz – der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Auch im Rahmen des Art. 3 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr („real risk“) erforderlich, aber auch ausreichend, d.h. es muss eine ausreichende reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen dabei ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 11). Bei „nichtstaatlichen“ Gefahren für Leib und Leben ist ein sehr hohes Gefahrenniveau erforderlich ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris Rn. 27 m.w.N.). Des Weiteren ist für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten, grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26).
Ausgangspunkt für die Gefahrenprognose ist eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation. Erforderlich ist eine Gesamtschau und auf den konkreten Einzelfall bezogene Prüfung unter Berücksichtigung objektiver Gesichtspunkte (darunter insbesondere die wirtschaftlichen und humanitären Verhältnisse einschließlich der Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage am Ankunftsort sowie an dem Ort, an den der Betroffene letztlich dauerhaft zurückkehren soll) und persönlicher und familiärer Umstände. Relevant kann dabei sein, ob die Person in der fraglichen Region eine familiäre Anbindung hat.
Zwar ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schwierig, aber dennoch relativ stabil ist. Insbesondere in den Städten gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Home Office, Pakistan: Background Information, including actors of protection and internal relocation (Independent Advisory on Country Information (IAGCI) – Home Office, Inländische Fluchtalternative), Juni 2017, Seite 35 f.; EASO, Pakistan Länderüberblick, 2015, Seite 43).
Für den Kläger kann jedoch auf Grund seiner individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Pakistan keine mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende besondere – außergewöhnliche – Gefahrenlage angenommen werden. Bei einer Gesamtschau der Lebensverhältnisse des Klägers – inklusive des Gesundheitszustandes – ist auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Bedingungen die Befürchtung nicht gerechtfertigt, der Kläger könnte sich im Fall der Rückkehr nach Pakistan keine zumindest auf niedrigem Niveau existenzsichernde Lebensgrundlage schaffen. Er wäre alsbald nach seiner Rückkehr keiner extremen Gefahrenlage ausgesetzt. Der Kläger ist ein überwiegend arbeitsfähiger und über durchschnittliche Schulbildung sowie zahlreiche berufliche Erfahrungen im In- und Ausland verfügender Mann mittleren Alters, der vor der Ausreise erfolgreich einen eigenen Betrieb mit Angestellten geleitet hat. Trotz seiner wohlwollend berücksichtigten gesundheitlichen Verfassung, der daraus resultierenden etwas eingeschränkten Erwerbsfähigkeit und des damit verbundenen Medikamentensowie Kontrollbedarfs (ausführlicher dazu siehe unten) ist davon auszugehen, dass auch in Pakistan die Wiederaufnahme einer praktischen, auch selbständigen, beruflichen Tätigkeit möglich sein wird, mit der er das in Art. 3 EMRK geschützte Existenzminimum für sich erwirtschaften kann. Insbesondere hat er auf Grund des Konflikts mit seiner Familie faktisch keine Unterhaltspflichten dieser gegenüber. Mit seiner Schwester, zu der noch Kontakt bestehe, könne ihn zwar bedingt durch ihre eigene Lebenssituation nicht finanziell unterstützen, könnte ihm jedenfalls am Anfang Unterkunft gewähren und so die Rückkehr erleichtern.
Insgesamt liegen daher die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht vor. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte und Grundfreiheiten der EMRK kann angesichts des klägerischen Vortrags, der vorgelegten medizinischen Unterlagen und der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel nicht festgestellt werden.
2. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten“ Gefahr im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. „Konkret“ ist die Gefahr, wenn die Verschlechterung „alsbald“ nach der Rückkehr des Betroffenen in den Heimatstaat einträte, weil er dort auf unzureichende Möglichkeiten der Behandlung seiner Leiden träfe und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1997 – 9 C 58/96 – juris Rn. 13; U.v. 22.3.2012 – 1 C 3/11 – juris Rn. 34; OVG Münster, U.v. 18.1.2005 – 8 A 1242/03.A – juris Rn. 53; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 9 ZB 13.30236 – juris Rn. 28). Zudem muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen liegt dabei nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst also nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist also nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz bei existentiellen Gesundheitsgefahren (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2015 – 11 ZB 15.30054 – juris Rn. 10; OVG Münster, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56). Dabei ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
Die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG sind auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105). Gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (Satz 1); der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (Satz 2). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (Satz 3). Ergänzend zu den in § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG genannten Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung sind auch weiterhin die Kriterien heranzuziehen, die das Bundesverwaltungsgericht als Mindestanforderungen an ein qualifiziertes fachärztliches Attest herausgearbeitet hat (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – BVerwGE 129, 251 ff.). Danach muss sich aus dem fachärztlichen Attest nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt, etwa mit Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden, deren Behandlungsbedürftigkeit, der bisherige Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) sowie im Fall einer auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützten PTBS, deren Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen werden, in der Regel auch eine Begründung dafür, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht wurde.
Gemessen hieran liegen dem Gericht keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Die gesetzliche Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wurde nicht widerlegt.
Das vom erkennenden Gericht mit Beweisbeschluss vom 5. Juni 2019 in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten vom 7. Oktober 2019 nimmt zur gesamtheitlichen Gesundheitssituation des Klägers Stellung. Der Gutachter stellt darin fest, dass der Kläger an der Leber ein Fibrosestadium F0 aufweise, wobei das Stadium F1 nicht sicher auszuschließen sei, eine Leberzirrhose jedoch äußerst unwahrscheinlich sei. Die Laboruntersuchungen hätten eine normale Leberfunktion ergeben. Es liege eine chronische Gastritis auf dem Boden einer Helicobacter pylori-Besiederung vor, ferner sei ein Geschwür im Zwölffingerdarm mit schlechter Abheilungstendenz nachweisbar. Bei aktuell fehlendem Nachweis einer Leberfibrose sei die Prognose der chronischen Hepatitis C in Hinblick auf die Ausbildung einer Leberzirrhose als sehr günstig einzustufen. Es bestehe ein äußerst geringes Risiko einer Tumorentstehung. Bei Persistieren des Zwölffingerdarmgeschwürs könne es in seltenen Fällen komplizierend zu der lebensgefährichen Situation einer intestinalen Blutung oder einer Perforation der Darmwand kommen. Hierbei werde das Risiko einer Blutungsepisode eines Ulcus duodeni auf 10-20%, das Risiko einer Darmwandperforation im Bereich eines Ulcus duodeni als sehr gering (kleiner als 5%) eingeschätzt. Aufgrund der entzündlichen Reaktion an der Leber bestehe das Risiko der Entstehung von Leberstrukturveränderungen im Sinne der Ausbildung einer Leberfibrose und einer Leberzirrhose über einen längeren Zeitraum. Hierbei sei das Risiko der Entwicklung einer Leberzirrhose im Falle einer nicht durchgeführten antiviralen Therapie innerhalb der nächsten 5 Jahre mit unter 5% anzunehmen. Im Ergebnis stellt der Gutachter fest, dass das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder aktuell schwerwiegenden Erkrankung – unter Berücksichtigung aller genannten Erkrankungen – nicht festzustellen sei.
Diese Feststellung konnten auch durch die im weiteren Verlauf eingereichten ärztlichen Bescheinigungen nicht entkräftet werden.
Unabhängig davon, ob die ärztlichen Bescheinigungen vom 27. September 2019 sowie 15. November 2019 des Herrn Dr. med. B. den gesetzlichen Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG, zumindest in der Zusammenschau, entsprechen, enthalten sie keine ausreichend substantiierten und konkreten Ausführungen zu den möglichen Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Insbesondere wird aus diesen zwei Attesten nicht deutlich, inwieweit nun von der Feststellung des Gutachtens abzuweichen sei. Beachtlich ist, dass in der Bescheinigung vom 27. September 2019 festgestellt wird, dass ein Zwölffinderdarmgeschwür nicht mehr nachgewiesen werden könne, obgleich weiterhin eine deutlich erosiv ödematöse Duodenitis gegeben sei. Somit besteht die beschriebene Gefahr einer intestinalen Blutung oder einer Perforation der Darmwand, die mit dem Persistieren des Zwölffingerdarmgeschwürs verbunden gewesen war und auch lediglich mit 10-20 bzw. unter 5% angegeben wurde, damit wohl nicht mehr. Auch die Feststellung in der ärztlichen Bescheinigung vom 15. November 2019, auf Grund der leichtgradigen Fibrose sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass im Laufe der kommenden Jahre eine gravierende Verschlechterung der Lebererkrankung eintreten dürfte, erreicht den erforderlichen Konkretheitsgrad nicht („im Laufe der kommenden Jahre […] eintreten dürfte“), sowie fehlt es an der zeitlichen Komponente („alsbald“).
Das ärztliche Attest des Herrn Dr. med. B. vom 10. Januar 2020 stellt erneut fest, dass aktuell kein Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür) mehr nachweisbar sei, sich der Bulbus duodeni aber narbig verzogen mit divertikulitischen Aussackungen zeige. Das postbulbäre Duodenum erscheine unauffällig. Die Diagnose enthält – in Widerspruch zum Gutachten – unter 4. „Leberzirrhose“, ohne dafür die Methode der Tatsachenerhebung zu benennen oder darauf näher einzugehen, so dass fraglich erscheint, ob sie tatsächlich so getroffen wurde. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass die Magenveränderungen sich gegenüber den Befunden vom 27. September 2019 nicht wesentlich gebessert hätten. Die Feststellung – es sei in jedem Fall bezüglich der Magenproblematik mit weiter bestehenden Beschwerden des Patienten zu rechnen, auch die Hepatitis-Problematik bestehe fort und dürfte im Laufe der kommenden Monate und Jahre zu erheblichen Problemen führen – erfüllt nicht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, und steht ebenfalls im Widerspruch zum Ergebnis des Sachverständigengutachtens.
Der histopathologische Befund vom 10. Januar 2020 des Instituts für Pathologie und Zytologie R2. enthält ebenfalls keine Angaben zu den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Darin wird lediglich festgestellt, dass weiterhin eine persistierende Helicobacter pylori – Gastritis (Aktivitätsgrad 2) vorliege und Helicobacterkeime in hoher Dichte nachweisbar seien.
Der von der Prozessbevollmächtigen in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Beweisantrag wird mit der Begründung abgelehnt, dass nicht substantiiert vorgetragen worden ist, warum angesichts der Fülle der vorgelegten Atteste eine weitere ergänzende fachärztliche Auskunft benötigt wird, dass es sich zumindest zum Teil um einen Ausforschungsantrag handelt, da die im Beweisantrag erwähnte „lebensbedrohliche[n] Erkrankung“ im Gutachten nicht bestätigt wurde, sondern von der Prozessbevollmächtigten unterstellt wird sowie, da die Beweistatsache – konkrete Gefahr des Ausfalls lebenswichtiger Funktionen der Leber und im Magen-Darmbereich (Blutungen durch Darmwandbruch infolge persistierender Gastritis und der hohen Dichte der Helicobacter Keimbesiederlung) – angesichts des nicht mehr nachweisbaren Zwölffingerdarmgeschwürs sowie mangels dahingehender ärztlicher Einlassungen als ins Blaue hinein bewertet werde. Jedenfalls ist der Beweisantrag nicht entscheidungserheblich, da die Erkrankungen des Klägers in Pakistan behandelbar sind (siehe unten) und angesichts der mehrjährigen und dennoch trotz des hohen Standards bisher erfolglosen medizinischen Behandlung in Deutschland nicht ersichtlich ist, inwiefern die Erkrankungen sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, da sie auch in Deutschland nicht in dem gewünschten Maß geheilt werden können.
Insbesondere könnten die Erkrankungen des Klägers grundsätzlich auch in Pakistan behandelt werden (Auskunft der Deutschen Botschaft an das VG Köln v. 25.7.2014; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan – Lagebericht – Stand: Mai 2019, S. 25.). Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes kann man sich in den staatlichen Krankenhäusern in Pakistan auch bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Auch das vom Kläger derzeit eingenommene Medikament Pantoprazol ist in Pakistan verfügbar (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note Pakistan: Medical and healthcare issues, Februar 2015, S. 27). Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, sodass sie für weite Teile der Bevölkerung ohnehin erschwinglich sind (Auswärtiges Amt, Lagebericht 2019, S. 25). Zudem sei laut Beklagter eine Bezuschussung in Höhe von PKR 300.000 möglich. Das Gericht geht daher davon aus, dass sowohl die Hepatitis C als auch die Magen-Darm-Erkrankung des Klägers in Pakistan grundsätzlich behandelbar sind, wenn auch nicht mit dem in der Bundesrepublik gängigen Standard, was auch in Deutschland, wie bereits festgestellt, trotz mehrjähriger Behandlung jedoch bisher nicht zum Erfolg geführt hat. Vor allem sind neue nebenwirkungsfreie Medikamente gegen Hepatitis C mittlerweile auch in Pakistan verfügbar und es besteht die Hoffnung, dass diese Medikamente bald für die Mehrheit der Bedürftigen erschwinglich werden (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note Pakistan: Medical and healthcare issues, August 2018, S. 12-14). Ebenso ist die Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen vorhanden (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note Pakistan: Medical and healthcare issues, August 2018, S. 10). So ist der Kläger hinsichtlich etwaiger Behandlungen und Kontrolluntersuchungen auf den Standard seines Heimatlandes zu verweisen (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Überdies stellt Hepatitis C in Pakistan angesichts der hohen Prävalenz (mit 5% die zweithöchste auf der Welt) eine allgemeine, eine politische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfordernde Gefahr vor, die ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gem. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG grundsätzlich ausschließt (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris Rn. 12; U.v. 27.4.1998 – 9 C 13/97 – juris Rn. 7; U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 9; U.v. 22.3.2012 – 1 C 3/11 – juris Rn. 34). In solchen Konstellationen kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung nur gewährt werden, wenn im Abschiebezielstaat für den bzw. die Ausländer (entweder aufgrund allgemeiner Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht erlangbaren medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren würden (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris Rn. 14; U.v. 27.4.1998 – 9 C 13/97 – juris Rn. 7; B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 u.a. – juris Rn. 3; U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 f.).
Die Voraussetzungen einer solchen landesweiten Extremgefahr sind im Fall des Klägers aus den dargelegten Gründen nicht erfüllt.
3. Gegen die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung bestehen keine Bedenken.
Auch an der Rechtmäßigkeit der Befristungsentscheidung gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG bestehen keine Zweifel. Dass nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert angeordnet werden muss, macht den Bescheid nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in einer behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer zu sehen (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2019 – 10 C 18.1821 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – juris Rn. 25ff.; a.a.O., B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72; a.a.O., U.v. 25.7.2017 – 1 C 13.17 – juris Rn. 23). Besondere Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Befristungsentscheidung wurden nicht vorgetragen und liegen auch ersichtlich nicht vor.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben