Medizinrecht

Asylverfahren: Erfolgloser Klage einer schwerhörigen Klägerin auf Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens (Nigeria)

Aktenzeichen  Au 9 K 21.30646

Datum:
6.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30686
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 13 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c
VwVfG § 49, § 51
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Wiederaufnahmevoraussetzungen liegen nicht vor. Das fachärztliche Gutachten zur Schwerhörigkeit der Klägerin ist in Bezug auf das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbotes nicht geeignet eine günstigere Entscheidung zu begründen.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Corona-Pandemie in Nigeria handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, die nicht geeignet ist, ein Abschiebungsverbot zu begründen. Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die Corona-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Erforderlich ist, durch Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Anzugeben ist dabei weiter, wie viele Personen im Zielland konkret infiziert sind, einen schweren Verlauf haben und gestorben sind, ob landesweit eine betreffende Gefahr besteht bzw. konkret an dem Ort, an dem der Betreffende zurückkehrt und welche Schutzmaßnahmen der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat.  (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.  
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckba

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage der Klägerin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2021 verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 6. September 2021 form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Wege der Wiederaufnahme des behördlichen Verfahrens bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung diesbezüglich. Der diesen Anspruch versagende Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird zunächst unter Absehen von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Das Bundesamt ist im Ergebnis zurecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Wiederaufnahmevoraussetzungen des § 51 VwVfG nicht erfüllt. Nach dem hier allein in Betracht kommenden Abs. 1 Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn (1) sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat oder (2) neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Beides ist hier nicht der Fall.
Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass das im Wiederaufgreifensverfahren vorgelegte fachärztliche Gutachten des Klinikums der … vom 26. April 2020 eine neue Beweistatsache zugunsten der Klägerin darstellt. Selbst bei dieser Annahme ist dieses Gutachten und insbesondere dessen Ausführungen in Ziff. IV Nr. 5 nicht geeignet, eine für die Klägerin günstigere Entscheidung in Bezug auf das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
Die im vorgenannten Gutachten dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin (an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und rezeptive und expressive Sprachentwicklungsstörung mit dem Erfordernis einer logopädischen Therapie) rechtfertigen nicht die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der medizinischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 4). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 5). Mit § 60 Abs. 7 Sätze 3 bis 5 AufenthG unternimmt der Gesetzgeber in materieller Hinsicht eine Konkretisierung der Anforderungen insbesondere vor dem Hintergrund der Geltendmachung von Abschiebungshindernissen aus gesundheitlichen Gründen, wie sie vorliegend inmitten stehen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 60 Abs. 7 AufenthG wird davon ausgegangen, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äußert gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass das im Folgeantragsverfahren vorgelegte ärztliche Gutachten des Klinikums der … vom 26. April 2020 den nach § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung zu stellenden Anforderungen an ärztliche Atteste und Befundberichte entspricht, besteht vorliegend zur Überzeugung des Einzelrichters (§ 108 Abs. 1 VwGO) keine Erkrankung, die die Schwelle von § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erreicht und ein gesundheitlich begründetes Abschiebungsverbot rechtfertigen könnte. Dies wurde bereits im rechtskräftig gewordenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg am 14. März 2019 (Az. Au 2 K 17.34198) festgestellt. An dieser Einschätzung hält das erkennende Gericht fest. Die an eine Taubheit grenzende Schwerhörigkeit der Klägerin wurde bereits im Januar bzw. April 2018 durch die medizinische Versorgung mit Cochlea-Implantaten beseitigt. Dass beim Ausbleiben von Nachsorgebehandlungen, wie sie im Gutachten des Klinikums der … vom 26. April 2020 in Ziff. IV. 5 angedeutet wird, eine Gesundheitsgefährdung entstünde, die die strengen Anforderungen von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt, ist bereits nicht ersichtlich. Mögliche Komplikationen bei der Verwendung der Cochlea-Implantate in Nigeria, wie sie von der Bevollmächtigten der Klägerin angesprochen wurden, sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rein spekulativ und hypothetischer Natur. In der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2021 hat die gesetzliche Vertreterin der Klägerin auch ausgeführt, dass die der Klägerin eingesetzten Cochlea-Implantate grundsätzlich auch auf eine lebenslange Verwendung ausgelegt seien. Lediglich aufgrund der sich veränderten Anatomie des Kindes sei zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls zu überlegen, ob das Implantat entfernt und auf eine äußerliche Anwendung umgestellt werden könne. Auch dieser Umstand lässt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilen. Nach den Ausführungen der gesetzlichen Vertreter in der mündlichen Verhandlung befindet sich die Klägerin derzeit lediglich in einer Beobachtungs- bzw. Kontrollphase mit begleitender logopädischer Sprachförderung. Da die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland die entsprechende Therapie zur Beseitigung ihrer an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit bereits erhalten hat, ist die für die Zuerkennung von Abschiebungsschutz erforderliche gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes in Folge einer Abschiebung, das heißt eine konkrete Gefahr unmittelbar bei Rückkehr ins Heimatland, nicht belegt. Schließlich gilt es auch zu berücksichtigen, dass die der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland zugutegekommene qualifizierte medizinische Behandlung, nicht dazu führen kann, dass eventuell in Nigeria fehlende Kontrollmöglichkeiten für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Die Klägerin muss sich vielmehr in Bezug auf die Kontrolle der ihr eingesetzten Cochlea-Implantate auf den in Nigeria verfügbaren medizinischen Standard verweisen lassen. Ohne das es hierauf entscheidungserheblich ankäme, weist der Einzelrichter ergänzend daraufhin, dass auch die bei der Klägerin vorliegende Schwerhörigkeit an der Grenze zur Taubheit auch in unbehandelter Form nicht geeignet wäre, die Schwelle des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots zu übersteigen. Gleiches gilt im Übrigen für das von den gesetzlichen Vertretern der Klägerin geschilderte häufige Erbrechen, das ärztlicherseits noch nicht abschließend abgeklärt ist.
Auch eine Änderung in Bezug auf das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist nicht ersichtlich.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 16.1.2020, Stand. September 2019, Nr. I.2., S. 8) – ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht AA a.a.O. Nr. II.2 und 3., S.15 f.) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1
Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage ist hier zugunsten der Klägerin bereits nicht ersichtlich. Bei einer unterstellten Rückkehr der ausreisepflichtigen Familie nach Nigeria gelten die rechtskräftigen Feststellungen aus den bereits durchgeführten Asylerstverfahren (gerichtliche Aktenzeichen Au 2 K 17.34276 und Au 2 K 17.34198) unverändert fort. Dies gilt auch hinsichtlich der beim Vater der Klägerin vorhandenen Sehschwäche bzw. partiellen Blindheit, welche bereits bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorhanden war und damit an den rechtskräftig getroffenen Feststellungen im Urteil vom 14. März 2019 in Bezug auf das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten teilnimmt.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats Nigeria i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat die Klägerin bereits nicht aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Davon kann nicht ausgegangen werden.
Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in Nigeria lediglich 196.000 Corona-Fälle bestätigt und es ist lediglich zu 2.552 Todesfällen gekommen. (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia). Im Zeitraum zwischen dem 23. August und dem 5. September 2021 ist es in Nigeria insgesamt nur zu 8.488 weiteren Erkrankungsfällen gekommen. Die Infektionsrate beträgt in Nigeria 0,09%, die Letalitätsrate 1,31%. Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Dieser Umstand ist daher nicht geeignet, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die Corona-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Erforderlich ist, durch Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Anzugeben ist dabei weiter, wie viele Personen im Zielland konkret infiziert sind, einen schweren Verlauf haben und gestorben sind, ob landesweit eine betreffende Gefahr besteht bzw. konkret an dem Ort, an dem der Betreffende zurückkehrt und welche Schutzmaßnahmen der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat (OVG NW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris). An einem entsprechenden substantiierten Vorbringen der Klägerin fehlt es. Durchgreifende Gründe für eine relevante Gefahr sind auch sonst nicht ersichtlich.
Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Nigeria derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppen, denen die Klägerin angehört. Sie muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“ (vgl. zu Malaria OVG NW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4479/19.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris), im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen zumindest teilweise mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2020, vom 5.12.2020, S. 24 f.) verweisen lassen.
Damit hat die Klägerin aber auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48,49 VwVfG. Die Klägerin hat diesbezüglich zwar einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Im gerichtlichen Verfahren beachtliche Ermessensfehler (§ 114 VwGO) sind vorliegend weder ersichtlich, noch vorgetragen.
Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit erfolgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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