Medizinrecht

Aufhebung einer sozialgerichtlichen Beiladung nach Rechtswegverweisung

Aktenzeichen  22 O 497/20

Datum:
2.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43020
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 75
GVG § 17a

 

Leitsatz

1. Ein im sozialgerichtlichen Verfahren (einfach) Beigeladener bleibt grundsätzlich auch nach Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit im Zivilprozess Verfahrensbeteiligter. (Rn. 2)
2. Das Zivilverfahren kennt keine der einfachen Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren vergleichbare prozessuale Stellung des Beteilgiten, weshalb die Beiladung nach Verweisung des Rechtsstreits jedenfalls dann aufzuheben ist, wenn der Beteiligte dem nicht widerspricht. (Rn. 6 – 8)

Tenor

Die Beiladung des P. G. aufgrund Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.07.2019 wird aufgehoben.

Gründe

I.
Der am Verfahren Beteiligte P. G. wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.07.2019 zum Verfahren beigeladen (Bl. 65 d.A.). Es handelt sich dabei um einen Fall der sog. einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG.
Die Beiladung gilt auch nach Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 17a Abs. 2 GVG durch das Sozialgericht Bayreuth an das Landgericht Bayreuth mit Beschluss vom 05.06.2020 (Bl. 112 d.A.) fort mit der Folge, dass der Beteiligte auch im Zivilprozess als Verfahrensbeteiligter anzusehen ist (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 17 Rn. 48; BeckOK-SozialR/Mink, 57 Ed. 01.06.2020, § 75 SGG Rn. 9; BeckOGK/Straßfeld,Stand 01.09.2019, § 75 SGG Rn. 209).
Die Beteiligten wurden mit Beschluss vom 07.08.2020 auf die beabsichtigte Aufhebung der Beiladung hingewiesen (Ziff. I. 3 des Beschlusses, Bl. 120 f. d.A.). Binnen der gesetzten Stellungnahmefrist haben sich weder die Parteien noch der Beigeladene hierzu geäußert. Die Klagepartei hat auf diesbezügliche Anfrage des Gerichts (Ziff. IV des genannten Beschlusses, Bl. 122 d.A.) jedoch mit Schriftsatz vom 31.08.2020 (Bl. 137 d.A.) mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtige, dem Beigeladenen den Streit zu verkünden.
II.
Die Beiladung des P. G. ist aufzuheben, weil ihre Voraussetzungen nicht vorliegen und im Zivilprozess keine einer Beiladung entsprechende Verfahrensstellung eines Dritten existiert.
1. Eine Beiladung nach § 75 SGG setzt eine sozialrechtliche Streitigkeit voraus. Eine solche liegt aber nicht vor, sondern eine zivilrechtliche, weshalb das Sozialgericht den Rechtsstreit auch nach § 17a Abs. 2 GVG an das Landgericht verwiesen hat.
2. Das Zivilprozessrecht kennt keine einem (einfachen) Beigeladenen im Sozialverfahren hinreichend vergleichbare prozessuale Stellung eines Drittbeteiligten.
Eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren kann insbesondere nicht mit einer Nebenintervention im zivilgerichtlichen Verfahren gleichgestellt werden. Die §§ 64 ff. ZPO werden im sozialgerichtlichen Verfahren gerade durch die Regelungen zur Beiladung ersetzt und sind daher in diesem grundsätzlich nicht anwendbar (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 75 Rn. 2). Vor allem aber bestehen wesentliche Unterschiede zwischen beiden Formen der Beteiligung Dritter am Verfahren: Während im Sozialgerichtsverfahren gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGG eine (einfache) Beiladung entweder auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen möglich ist, ist eine Einbeziehung Dritter von Amts wegen in der ZPO grundsätzlich nicht vorgesehen (vgl. nur Musielak/Voit/Weth, ZPO, 17. Aufl. 2020, vor § 64 Rn. 3; Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 64 Rn. 1; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O. Rn. 3).
Vorliegend erfolgte die Beiladung gerade auch von Amts wegen (vgl. Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.07.2020, Bl. 65 d.A.). Die Entscheidung über eine Einbeziehung eines Dritten in den Prozess muss im Zivilprozess in den Händen der Prozessparteien (Streitverkündung) bzw. des Dritten selbst (Beitritt zum Prozess) liegen, sofern – wie hier – keine anderslautenden gesetzlichen Sonderregeln (zu diesen vgl. Zöller/Althammer, a.a.O.∙ Rn. 2) eingreifen.


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