Medizinrecht

Auflagen zur Fahrerlaubnis bei Erkrankung mit Diabetis mellitus

Aktenzeichen  RN 8 S 18.1078

Datum:
9.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33272
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 2 Abs. 4 S. 2
FeV § 23 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Bei einer Diabetes mellitus können Auflagen zur Fahrerlaubnis, wonach jährliche Kontrolluntersuchungen durchzuführen und die diabetesrelevanten Laborparameter zu kontrollieren sowie der Ausschluss einer diabetogenen Retinopathie zu attestieren sein sollen, zulässig sein, wenn ein Gutachten zur Fahreignung Auflagen solcher Art empfohlen hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Erteilung seiner Fahrerlaubnis unter Auflagen durch das Landratsamt K. (LRA).
Der am 11. Juni 1958 geborene Antragsteller stellte am 7. März 2017 bei dem LRA einen Antrag auf Verlängerung seiner Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1 und C1E mit Eintrag der Schlüsselnummer 95, und legte eine Bescheinigung über das Sehvermögen, Qualifikationsnachweise für die Schlüsselnummer 95 sowie eine Bescheinigung über die nach der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) erforderliche ärztliche Untersuchung vom 7. März 2017 vor, nach der eine weitergehende Untersuchung wegen Diabetes mellitus und Polyneuropathie empfohlen wurde. Mit Schreiben vom 17. März 2017 forderte das LRA den Antragsteller zur Vorlage eines Attestes des behandelnden Arztes auf. Der Antragsteller legte ein ärztliches Attest des behandelnden Arztes Dr. med. H. … W. …, M+++++, vom … 2017 vor, nach dem der Diabetes mellitus seit 1998 bekannt sei, der Antragsteller seit 2010 insulinpflichtig sei und sich die Polyneuropathie über die Jahre langsam entwickelt habe und seit ca. 2010 zu Beschwerden führe. Der Krankheitsverlauf habe sich in den letzten Jahren stabilisiert, die Zuckerwerte seien gut und eine Unterzuckerung habe in den letzten Jahren nicht stattgefunden. Der Antragsteller habe eine deutliche Hypoglykämiewahrnehmung.
Das LRA forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 28. März 2017 zur Vorlage eines Gutachtens eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum 30. Juni 2017 zur Klärung der folgenden Fragestellung auf:
„1. Liegt bei dem Untersuchten eine Erkrankung vor, die nach Nr. 5 der Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellt? Wenn ja: Ist der Untersuchte (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der o.g. Gruppe gerecht zu werden?
2. Liegt bei oben Genannten eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweise auf – ggf. selbstindizierte – Unter- oder Überdosierung] usw.) vor?
3. a) Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden?
b) Ist (bzw. sind) insbesondere eine fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich?
– In welchem Zeitabstand?
– Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden?
4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete Nachbegutachtung (je vorhandene Fahrerlaubnisklasse) notwendig? Wenn ja: in welchem zeitlichen Abstand?
5. Liegt vor dem Hintergrund einer möglichen Wahrnehmungsbeeinträchtigung/der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln (…) – die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges jeder Fahrerlaubnisklassengruppe vor? Ist andernfalls eine Kompensation zu prüfen oder wird die Möglichkeit einer Kompensation (z.B. wegen Kumulation von Mängeln) ausgeschlossen? Ist unter Berücksichtigung besonderer Umstände (z.B. grenzwertige Prozentränge, gesundheitliche Faktoren, altersbedingter Leistungsabbau) eine fachlich einzelfallbegründete Nachbegutachtung der Leistungsfähigkeit notwendig? Wenn ja: In welchem Zeitabstand?“
Auf die Begründung der Gutachtensanordnung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller legte ein beim LRA am 16. Juni 2017 eingegangenes ärztliches Gutachten der BAD Gesundheitsvorsorge und S. GmbH vom 13. Juni 2017 vor. In der Bewertung der Befunde wurde ausgeführt, dass beim Antragsteller ein Diabetes mellitus Typ 2 vorliege, der mit Insulin und oralen Antidiabetika behandelt werde. Die Glukoselangzeitwerte würden auf eine ausgeglichene Stoffwechsellage hinweisen. Der Antragsteller zeige Tiefensensibilitätsstörungen am rechten Bein, Auswirkungen auf die Fahreignung ergäben sich im jetzigen Stadium noch nicht. Das Gutachten beantwortete die oben wiedergegebene Fragestellung wie folgt:
„1. Beim Untersuchten liegt eine Erkrankung vor, die nach Nr. 5.4 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellt. Der Untersuchte ist (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der o.g. Gruppe gerecht zu werden.
2. Es liegt bei oben Genannten eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsichtigkeit, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme (…) usw.) vor.
3. a) Es sind Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisgruppe) gerecht zu werden.
b. Es ist eine fachlich einzelfallbegründete Auflage nach Anlage 4 Nr. 5.4 erforderlich.
– Es sind bis zur nächsten Nachuntersuchung jährliche Kontrolluntersuchungen durchführen zu lassen.
– Es sollen die diabetesrelevanten Laborparameter kontrolliert werden und der Ausschluss einer diabetogenen Retinopathie attestiert werden.
4. Es ist eine fachlich einzelfallbezogene Nachbegutachtung für die Gruppe 2 nach 3 Jahren notwendig.
5. Es liegt vor dem Hintergrund einer möglichen Wahrnehmungsbeeinträchtigung/der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln (…) die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges jeder Fahrerlaubnisklassengruppe vor. Eine Kompensation ist nicht zu prüfen. Es ist unter Berücksichtigung besonderer Umstände (…) keine fachlich einzelfallbegründete Nachbegutachtung der Leistungsfähigkeit notwendig.“
Der Antragsteller bestätigte am 26. Juni 2017 schriftlich den Erhalt des Führerscheins und fügte über seiner Unterschrift den Zusatz „unter Vorbehalt“ ein.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2017 versah das LRA die Fahrererlaubnis des Antragstellers der Klasse A 79, A1 79, AM, B, BE, L, T (Gruppe 1) und C1, C1E, C und CE (Gruppe 2) mit der Auflage, jährliche ärztliche Kontrolluntersuchungen bis zur nächsten Nachuntersuchung (30. Juni 2020) von einem Facharzt für Diabetologie durchführen zu lassen und die ärztlichen Atteste am 1. Juni 2018, 1. Juni 2019 und 1. Juni 2020 unaufgefordert der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; in der Kontrolluntersuchung sollten die diabetesrelevanten Laborparameter kontrolliert und der Ausschluss einer diabetogenen Retinopathie attestiert werden (Ziffer 1 a). Die Fahrerlaubnis wurde mit der Auflage versehen, für die Fahrerlaubnislasse C1, C1E, C und CE (Gruppe 2) ein Gutachten über die Beurteilung der Fahreignung bezüglich der Diabetes-Erkrankung, erstellt durch einen Arzt einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle bis spätestens 30. Juni 2020 unaufgefordert der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen (Ziffer 1b). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 2). Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 51,20 EUR festgesetzt, die Auslagen betrugen 3,45 EUR (Ziffer 3). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das vorgelegte Gutachten schlüssig und nachvollziehbar den Erlass von Auflagen für erforderlich halte. Nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV erteile die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen, wenn der Bewerber/Inhaber auf Grund körperlicher oder geistiger Mängel nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Unter Abwägung der Interessen des Betroffenen mit dem Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer an der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs sei die Verpflichtung zur Vorlage eines Gutachtens nach drei Jahren angemessen und verhältnismäßig. Durch die Auflagenanordnung könne der individuellen Situation des Betroffenen als auch den Erfordernissen der allgemeinen Verkehrssicherheit Rechnung getragen werden. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers legten mit Schriftsatz vom 7. August 2017 Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Juli 2017 ein und führten aus, dass der Bescheid rechtswidrig sei, da die Fahrerlaubnis ohne Auflagen verlängert worden sei und das LRA dem Antragsteller einen sog. „Vertrauensvorschuss“ eingeräumt habe. Neue Umstände, die eine abweichende Bewertung der Fahreignung rechtfertigen würden, lägen nicht vor, vielmehr seien dem LRA bereits bei Aushändigung der Fahrerlaubnis ohne Auflagen alle relevanten Umstände bekannt gewesen. Das LRA legte der Regierung von … den Widerspruch mit Schreiben vom 9. November vor und führte u.a. aus, dass der Antragsteller bereits bei Aushändigung des Führerscheins auf die Fahrerlaubniserteilung unter Auflagen hingewiesen worden sei und deshalb der Empfang des Führerscheins unter Vorbehalt bestätigt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2018 wies die Regierung von … den Widerspruch zurück und führte u.a. aus, dass dem Antragsteller am 26. Juni 2017 bei Aushändigung des Führerscheins mündlich erläutert worden sei, dass er gemäß dem ärztlichen Gutachten nur bedingt fahrgeeignet sei und daher ein Auflagenbescheid ergehen werde. Der Antragsteller sei mit diesen Auflagen wohl nicht einverstanden gewesen und habe deshalb den Empfang des Führerscheins „unter Vorbehalt“ bestätigt. Es liege daher keine nachträgliche Auflagenerteilung vor.
Mit am 27. Juni 2018 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 18. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2018 ein, über die noch nicht entschieden ist (Az.: RN 8 K 18.982). Mit am 17. Juli 2018 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird u.a. das bereits in der Widerspruchsbegründung Vorgetragene ausgeführt und ergänzt, dass der Antragsteller nicht mündlich über den Erlass eines Auflagenbescheids aufgeklärt worden sei. Die Erklärung „unter Vorbehalt“ bei Aushändigung des Führerscheins sei darauf zurückzuführen, dass der Antragsteller trotz der Anforderung von Unterlagen eine Befristung nur bis zum 20. April 2022 gewährt worden sei und nicht bis Juni 2022.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamtes K. vom 18. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 4. Juni 2018 wiederherzustellen.
Eine Äußerung und Antragstellung des Antraggegners erfolgte nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheids des LRA vom 18. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 4. Juni 2018. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist, oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Juni 2017 hat die erlassende Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2018 ist nicht begründet.
1. Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei behördlicher Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll dem Betroffenen ermöglichen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem dient die Begründungspflicht dazu, der Behörde den Ausnahmecharakter einer Vollzugsanordnung vor Augen zu führen und die Behörde zu der Prüfung zu veranlassen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Es bedarf daher einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung, die nicht lediglich formelhaft sein darf. An den Inhalt der Begründung sind dabei keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 36). In solchen Fällen ist die Behörde daher nicht verpflichtet, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Insbesondere, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht zählt (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2015 – Cs 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die Umstände, aus denen sich die Fahrungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ergibt, sind regelmäßig auch geeignet, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten Fahrerlaubnisentziehung zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2005 – 11 CS 05.1967; BayVGH, B.v. 14.12.1994 – 11 AS 94.3847, BayVBl 1995, 248). Ist ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, liegt es auf der Hand, dass ihm im Hinblick auf die Gefährlichkeit seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr und der zu schützenden Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich sofort das Führen von Kraftfahrzeugen untersagt werden muss.
Die vorliegende Begründung genügt diesen Anforderungen. Die sofortige Vollziehung wurde damit begründet, dass zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer einem Kraftfahrzeugführer, dessen Fahrerlaubnis mit einer Auflage versehen sei, die Möglichkeit genommen werden müsse, die Auflagenanordnung durch Widerspruch und Anfechtungsklage hinauszuzögern. Die Behörde müsse die Möglichkeit der sofortigen Durchsetzung der Auflage haben, was Ausdruck der staatlichen Pflicht zum Schutz von Leib, Leben und körperlicher Unversehrtheit sei. Es sei nicht möglich, einen nur bedingt geeigneten Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, ohne dass die Durchführung der Auflage durchgesetzt werden könne. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigene Interessenabwägung durchgeführt.
2. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt.
Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass die Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Juni 2017 erfolglos bleiben wird, weil der Erlass der Auflagen rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Anordnung von Auflagen zu einer bestehenden Fahrerlaubnis ist § 2 Abs. 4 Satz 2 StVG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV, wonach erforderliche Auflagen durch die Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als bedingt geeignet zum Führen von Kraftahrzeugen erweist. Rechtsgrundlage für den Erlass von Auflagen bei Erteilung einer Fahrerlaubnis ist § 2 Abs. 4 Satz 2 StVG i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 1 FeV. Danach erlässt die Fahrerlaubnisbehörde bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis Auflagen, wenn dadurch das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges durch einen bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeigneten Bewerber gewährleistet wird.
Vorliegend waren die Auflagen erforderlich, hinsichtlich der bestehenden Fahrererlaubnis der Gruppe 1 und der zu erteilenden Fahrerlaubnis der Gruppe 2 jährliche Kontrolluntersuchungen durch einen Facharzt für Diabetologie zur Kontrolle der diabetesrelevanten Laborparameter und zum Ausschluss einer diabetogenen Retinopathie durchführen zu lassen, sowie hinsichtlich der zu erteilenden Fahrerlaubnis der Gruppe 2 ein Gutachten über die Beurteilung der Fahreignung bezüglich der Diabeteserkrankung, erstellt durch einen Arzt einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle, bis spätestens 30. Juni 2020 vorzulegen. Die Erforderlichkeit des Erlasses dieser Auflagen ergibt sich aus dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 13. Juni 2017. In diesem wird nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, dass die genannten Auflagen erforderlich sind.
Das Gutachten darf dabei von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ungeprüft übernommen werden, sondern muss einer eigenen kritischen Würdigung unterzogen werden (Geiger NZV 2007, 491). Das Gutachten muss daher gemäß § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Nr. 2 Buchst. a der Anlage 15 zur FeV in allgemeinverständlicher Sprache abgefasst sowie nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Dabei können auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung herangezogen werden, die zwar keine Rechtsqualität besitzen, aber als Niederschlag sachverständiger Erfahrung von Gewicht sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2008 – 3 C 32/07 – juris Rn. 16). Das vorgelegte Gutachten vom 13. Juni 2017 kommt nachvollziehbar zu dem Schluss, dass jährliche Kontrolluntersuchungen für die Fahrerlaubnis der Gruppe 1 und 2 sowie eine Nachbegutachtung nach drei Jahren für die Fahrerlaubnis der Gruppe 2 erforderlich sind. Das Gutachten führt in der vorgenommenen Bewertung insbesondere aus, dass körperliche Symptome als Folge des Diabetes diagnostiziert werden können. Der Antragsteller zeige Tiefensensibilitätsstörungen am rechten Bein. Auswirkungen auf die Fahreignung ergäben sich im jetzigen Stadium noch nicht. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis des Gutachtens nachvollziehbar und schlüssig, eine Auflage zur jährlichen Kontrolle sowie eine Nachbegutachtung nach drei Jahren für erforderlich zu halten, um den Krankheitsverlauf überprüfen zu können.
Das Gericht geht dabei davon aus, dass der Antragsteller bereits bei Aushändigung des Führerscheins am 26. Juni 2017 mündlich auf die Erteilung der Fahrerlaubnis unter Auflagen hingewiesen worden ist. Insoweit wird den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2018 gefolgt, in denen nachvollziehbar dargelegt wurde, dass der Antragsteller bei Aushändigung des Führerscheins mündlich auf die Erteilung der Fahrerlaubnis unter Auflagen hingewiesen worden ist. Es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, weshalb sich das LRA in Widerspruch zu dem von ihm angeordneten Gutachten setzen sollte und die Fahrerlaubnis ohne Auflagen erteilen sollte. Der bloße Vortrag des Antragstellers, ein solcher mündlicher Hinweis sei nicht erteilt worden, genügt dabei nicht zur Glaubhaftmachung eines nicht erfolgten solchen Hinweises. Auch spricht der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Aushändigung des Führerscheindokumentes am 26. Juni 2017 und dem Erlass des Auflagenbescheids am 18. Juli 2017 für eine nachfolgende schriftliche Bestätigung der ursprünglich mündlich mitgeteilten Auflagen. Nicht plausibel ist auch die Erklärung, dass der Empfang „unter Vorbehalt“ erklärt worden sei, da die Fahrerlaubnis fälschlicherweise bis April 2022, und nicht bis Juni 2022 erteilt worden sei. Im Ergebnis erweist sich somit der Erlass der Auflagen als rechtmäßig.
Nach allem war daher der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 GKG.


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