Medizinrecht

Begründungsumfang der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Fahrerlaubnisrecht, Erkrankung an Epilepsie, Nichtvorlage eines fachärztlichen Gutachtens

Aktenzeichen  B 1 S 21.539

Datum:
26.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24902
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 46 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3
FeV § 11 Abs. 8

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
1. Am 05.11.2012 legte der Antragsteller ein fachärztliches Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beim Landratsamt K* … (Landratsamt) vor. In diesem Gutachten heißt es, dass der Antragsteller an einer idiopathisch generalisierten Epilepsie mit Absencen sowie an einem zuletzt aufgetretenen einmaligen Grand-mal-Anfall leide. Der Antragsteller sei für die Dauer eines Jahres nach dem letzten Anfallsereignis, also bis zum 10.04.2013, nicht in der Lage, ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Sollte es bis zu diesem Zeitpunkt zu keinem weiteren Anfallsereignis gekommen sein und auch regelmäßige, mindestens vierteljährliche, ambulant neurologische Untersuchungen durchgeführt werden, sei der Antragsteller nach Ablauf des Jahres wieder in der Lage, ein Fahrzeug der Gruppe 1 zu führen, wenn dies vom behandelnden Nervenarzt attestiert werde. Es sollten dann jedoch für ein weiteres Jahr vierteljährlich nervenärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorgelegt werden.
Die Polizeiinspektion … teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 19.09.2020 mit, dass der Antragsteller am 11.09.2020 gegen 08:15 Uhr mit seinem PKW einen Verkehrsunfall gehabt habe. Der Antragsteller sei in einer leichten Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abgekommen, habe ca. 150 Meter weit ein Feld durchfahren und sei letztendlich mit einem Baum kollidiert. Durch den Aufprall habe sich das Fahrzeug überschlagen und sei auf dem Dach liegengeblieben.
Der Antragsteller sei bekannter Epileptiker, dürfe aber laut einem neurologischen Attest vom 21.12.2017 ohne Einschränkungen ein Kraftfahrzeug, u.a. der Klasse B, führen. Seit dem Attest sei der Antragsteller laut eigenen Angaben anfallsfrei gewesen. An der Unfallstelle habe der Antragsteller gegenüber PHK W. angegeben, dass er einen Krampfanfall gehabt haben solle. In seiner Vernehmung am 15.09.2020 habe der Antragsteller aber ausgesagt, dass er kurz vor dem Unfall eine Zigarette geraucht habe und dabei am Radio etwas eingestellt habe. Hierdurch solle er kurz abgelenkt gewesen sein, weshalb er nach links ins Bankett geraten sei. Hierdurch solle er derart geschockt gewesen sein, dass er nicht mehr handlungsfähig gewesen sei und ungebremst über die Wiese gefahren sei.
Die Zeugin Frau S. habe ausgesagt, dass der Antragsteller direkt vor ihr gefahren sei. Sie habe angegeben, nicht schneller als 80 km/h gefahren zu sein. Plötzlich sei der Antragsteller mit seinem Fahrzeug langsam in Richtung Kurvenäußeres gefahren und dann schließlich in die Wiese. Dort sei er dann, ohne dass sie Bremslichter gesehen habe, bis zur Kollision mit einem Baum über die Wiese gefahren. Der Antragsteller habe ihr gegenüber keinerlei Angaben gemacht, da er auf sie gewirkt habe, als hätte er einen Schock.
Bei einer telefonischen Rücksprache mit der Notaufnahme im Klinikum … habe nur angegeben werden können, dass die Epilepsie beim Antragsteller bekannt sei. Auf einen möglichen Anfall würde hindeuten, dass sich der Antragsteller eingenässt habe. Nähere Auskünfte hätten nicht eingeholt werden können. Das Attest aus der Notaufnahme habe der Antragsteller nicht herausgeben wollen, da in diesem falsche Angaben zu seinem Krankheitsverlauf und intime Details stehen würden, die er nicht preisgeben möchte.
Mit Schreiben vom 01.10.2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, über seine Fahreignung ein ärztliches Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation der Fachrichtung Neurologie vorzulegen. Daraufhin legte der Antragsteller dem Landratsamt ein Attest von Dr. …, Facharzt für Neurologie am Klinikum …, vom 16.11.2020 vor, wonach von neurologischer Seite nichts dagegen spreche, dass der Antragsteller ein Kfz der Gruppe 1 führen dürfe.
Mit Schreiben vom 03.12.2020 hob das Landratsamt die Begutachtungsaufforderung vom 01.10.2020 auf und erließ unter dem Datum des 03.12.2020 eine erneute Begutachtungsaufforderung. Das Landratsamt schilderte u.a. das Unfallgeschehen vom 11.09.2020 aus dem Schreiben der Polizeiinspektion … vom 19.09.2020 und forderte den Antragsteller auf, zur Klärung der Eignungszweifel bzw. Fahrerlaubnisvoraussetzungen bis zum 03.03.2021 ein ärztliches Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation der Fachrichtung Neurologie vorzulegen. Das Attest von Dr. … vom 16.11.2020 sei ohne genügende Aussagekraft, da es nicht nachvollziehbar sei. Es handele sich hierbei nicht um ein Gutachten im Sinne der FeV i.V.m. der Anlage zur FeV. Es seien hierbei weder Befunde noch Untersuchungsverfahren diagnostiziert, noch sei auf konkrete Fragen und den bisherigen Verlauf der Erkrankung eingegangen worden. Außerdem sei Herr Dr. … kein Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation. Die Akten der Fahrerlaubnisbehörde hätten ihm ebenfalls nicht vorgelegen.
Aufgrund dessen müsse nun mittels eines ärztlichen Gutachtens geprüft werden, ob der Antragsteller aufgrund seiner Krankheiten (Epilepsie) zum Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen der Gruppen 1 (Fahrerlaubnisklassen B, AM und L) geeignet sei. Zur Abklärung dieser Eignungszweifel werde nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gemäß § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV i.V.m. Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV ein ärztliches Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation der Fachrichtung Neurologie benötigt. Für die Beurteilung der Fahreignung des Antragstellers sei das ärztliche Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation der Fachrichtung Neurologie ein angemessenes und geeignetes Mittel. Dieser verfüge über das Sachwissen, die geeigneten Mittel sowie Erfahrung mit der Begutachtung von Kraftfahrern. Ziel des Gutachtens sei es festzustellen, ob die Fahreignung des Antragstellers durch die Erkrankung an Epilepsie beeinträchtigt werde. Die damit verbundenen finanziellen und zeitlichen Aufwendungen stünden in angemessenem Verhältnis zur Klärung der Eignungsfrage und seien somit verhältnismäßig.
Die Fragestellung wurde wie folgt gefasst:
„Ist Herr … trotz des Vorliegens der Erkrankungen (Epilepsie), die nach Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellt, in der Lage, den Anforderungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 (FE-Klassen B, AM und L) gerecht zu werden? Kann ggf. durch Auflagen oder Beschränkungen eine bedingte Eignung hergestellt werden?
– Wird die Durchführung von Testverfahren im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Prüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit für notwendig gehalten?
– Sind nachträgliche Eignungsuntersuchungen in Form von Nachkontrollen, Nachuntersuchungen oder Nachbegutachtungen erforderlich? Wenn ja, in welchen zeitlichen Abständen?“
Weiter wies das Landratsamt darauf hin, dass gemäß § 11 Abs. 6 Satz 5 FeV die Untersuchung in Auftrag des Antragstellers erfolge. Der Facharzt solle nicht der behandelnde Arzt des Antragstellers sein. Das Landratsamt werde aus einer Verweigerung der Untersuchung oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Gemäß § 11 Abs. 6 FeV habe der Antragsteller die Möglichkeit, vor der Aktenübersendung an den von ihm gewünschten Facharzt Einsicht in die zu übersendenden Akten zu nehmen. Je nach Ausgang des Gutachtens könne auch noch eine zusätzliche medizinisch-psychologische Begutachtung notwendig werden.
Mit Schreiben vom 04.03.2021 hörte das Landratsamt den Antragsteller zu einer beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an, weil der Antragsteller das geforderte ärztliche Gutachten nicht vorgelegt habe.
Mit Telefax vom 18.03.2021 zeigte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Landratsamt an.
Mit Email vom 01.04.2021 an den Bevollmächtigten des Antragstellers verwies das Landratsamt auf die bereits dargelegten Möglichkeiten einer Akteneinsicht und kündigte den Erlass des Entziehungsbescheids an, falls bis 06.04.2021 keine Nachricht erfolgen sollte.
Das Landratsamt wandte sich mit Email vom 15.04.2021 an das Landratsamt H**. Der Antragsteller sei während des laufenden Entzugsverfahrens in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamts H** verzogen. Aufgrund von Gefahr im Verzug werde um Zustimmung gemäß § 73 Abs. 2 Satz 4 FeV gebeten. Das Landratsamt H** erteilte hierzu seine Zustimmung mit Email vom 16.04.2021.
Mit Bescheid vom 29.04.2021 entzog das Landratsamt dem Antragsteller seine Fahrerlaubnis der Klassen A 79, A1 79, AM, B und L (Ziffer 1 des Bescheids). Der Führerschein sei innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung dieses Bescheids beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2a des Bescheids). Sollte der Führerschein unauffindbar sein, so sei stattdessen innerhalb derselben Frist eine Versicherung an Eides Statt über den Verbleib des Führerscheins beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2b des Bescheids). Dieser Bescheid werde in den Ziffern 1 und 2 für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 3 des Bescheids). Falls die in Ziffer 2 Buchst. a bzw. b genannte Verpflichtung nicht fristgerecht erfüllt werde, werde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 750,00 Euro zur Zahlung fällig (Ziffer 4 des Bescheids). Die Kosten des Verfahrens habe der Antragsteller zu tragen (Ziffer 5 des Bescheids). Für diesen Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 200,00 Euro festgesetzt (Ziffer 6 des Bescheids).
Zur Begründung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass sich seine örtliche Zuständigkeit aufgrund von Gefahr im Verzug aus § 73 Abs. 2 Satz 4 FeV ergebe.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sei § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV. Da das geforderte Gutachten nicht vorgelegt worden sei, sei das Landratsamt gemäß § 11 Abs. 8 FeV berechtigt, von der Nichteignung des Antragstellers auszugehen und ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Auf seine berufliche und private Angewiesenheit auf den Führerschein könne aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung keine Rücksicht genommen werden. Auch die Aussage des Antragstellers, dass es sich bei dem Vorfall am 11.09.2020 nicht um einen Anfall gehandelt habe, sondern er dies nur gesagt habe, da er unter Schock gestanden habe, ändere nichts an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Vorlage des ärztlichen Gutachtens vom 03.12.2020, da in diesem eben gerade der Grund für den verursachten Unfall geklärt werden solle. Da die Ursache bis dato noch ungeklärt gewesen sei und der Antragsteller sich auch nicht mehr daran habe erinnern können, könne ein erneuter Anfall nicht ausgeschlossen werden.
Mit der Entziehung erlösche die Fahrerlaubnis (§ 3 Abs. 2 Satz 1 StVG sowie § 46 Abs. 6 Satz 1 FeV). Der Führerschein sei nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV unverzüglich dem Landratsamt vorzulegen. Die Frist von sieben Tagen sei für die Erfüllung der Verpflichtung angemessen.
Zur Begründung der Ziffer 3 des Bescheids führte das Landratsamt aus, dass gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO der Bescheid in den Ziffern 1 und 2 des Tenors nach Abwägung der betroffenen Interessen für sofort vollziehbar erklärt worden sei. Das überwiegende öffentliche Interesse verlange, dass andere Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrzeugführern geschützt werden müssten.
Die Ziffer 1 des Bescheides sei für sofort vollziehbar erklärt worden, weil aufgrund der Nichtvorlage des ärztlichen Gutachtens befürchtet werden müsse, dass der Antragsteller nicht zum Führen von Fahrzeugen geeignet sei und ohne die Anordnung des Sofortvollzugs (weitere) Fahrten vorgenommen würden. Der Antragsteller würde somit die Sicherheit des Straßenverkehrs ganz erheblich gefährden. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei vorliegend dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung ein höheres Gewicht beizumessen als ihn vorerst von der Wirkung der Untersagung verschont zu lassen.
Der Sofortvollzug der Ziffer 2 Buchst. a bzw. b des Bescheids sei angeordnet worden, um einer missbräuchlichen Verwendung des Führerscheins bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids vorzubeugen. Beim Vorzeigen des Dokumentes könnten zur Kontrolle zuständige Personen nicht erkennen, dass das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen erloschen sei.
Mit Email vom 30.04.2021 fragte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Landratsamt unter Bezugnahme auf die E-Mail des Landratsamts vom 01.04.2021 an, in welcher Größenordnung sich die Kosten einer kompletten Aktenkopie belaufen könnten.
2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 03.05.2021 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid des Landratsamts vom 29.04.2021 Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth (Az.: B 1 K 21.540) und beantragte gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts vom 29.04.2021, dortig zu Ziffer 1 und 2, wiederherzustellen, hilfsweise die sofortigen Vollziehungen aufzuheben.
Zur Begründung bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass er letztlich durch den Bescheid vom 29.04.2021 vor vollendete Tatsachen gestellt worden sei, ohne vorher die Möglichkeit gehabt zu haben, über seinen Bevollmächtigten eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgeben zu können. Die Angelegenheit sei nicht so eilbedürftig gewesen, dass nicht noch bis zum Vorliegen einer Stellungnahme hätte zugewartet werden können.
In der Sache selbst seien aufgrund des einmaligen Vorfalls eines dokumentierten Fahrfehlers, der auch krankheitsmäßig völlig unbelasteten Bürgern jederzeit hätte passieren könne und in Ermangelung weiterer zu Lasten des Klägers sprechender Umstände keine Zweifel daran angebracht, dass der Antragsteller aktuell geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Diese Auffassung werde auch gestärkt durch das fachärztliche Attest des Dr. … vom Klinikum … Der Antragsgegner habe das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Die Begründung sei vielmehr formel- und floskelhaft erfolgt, ohne dass eine durchgeführte materielle Interessenabwägung erkennbar wäre. Dies gelte insbesondere hinsichtlich des Einwands des Antragstellers, dass er auf den Führerschein für Fahrten zum Arbeitsplatz dringend angewiesen sei, weil ansonsten auch die Gefahr bestehe, dass er seinen Arbeitsplatz verliere. Selbst wenn der Verwaltungsakt nach lediglich summarischer Prüfung rechtmäßig erscheinen sollte, so sei damit noch nicht automatisch ein überwiegendes öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung dargetan. Insoweit müsse vielmehr zusätzlich ein besonderes Vollzugsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bestehen und auch nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO dargelegt sein.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz des Landratsamts vom 12.05.2021, den Antrag abzulehnen.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache weder im Hauptantrag noch im Hilfsantrag Erfolg.
1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
a) Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat das Landratsamt die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichendem Maße schriftlich begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung und einer in Folge dessen ergehenden Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (vgl. BayVGH, B.v. 15.06.2009 – 11 CS 09.373 – juris, Rn. 19). Denn bei einer Fahrerlaubnisentziehung wegen mangelnder Eignung fallen Erlass- und Vollzugsinteresse schon aufgrund der zu regelnden Materie zusammen. Ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung kann hier der Gesetzeszweck nicht erreicht werden. Es erscheint undenkbar, dass einem Kraftfahrer, dem es an der erforderlichen Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, noch weiterhin gestattet wird, nach Entziehung der Fahrerlaubnis am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen. Es kann nicht verantwortet werden, dass höchstrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer durch einen mangelnder Fahreignung dringend verdächtigen Fahrerlaubnisinhaber für den beträchtlichen Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung gefährdet werden. Somit verbleibt auch für eine einzelfallbezogene Argumentation regelmäßig kein Raum, so dass eine nur formelhafte Begründung rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. Eyermann/Hoppe, Kommentar zur VwGO, § 80 Rn. 55 und 46, jeweils m.w.N. – beck-online). Gleiches muss dann auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins gelten, die lediglich einen Vollzugsakt bzw. eine Nebenverfügung zu der Entziehung der Fahrerlaubnis darstellt (vgl. VG München, B.v. 08.07.2020 – M 6 20.2061 – juris, Rn. 22).
Im vorliegenden Fall ist es somit ausreichend, dass das Landratsamt im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat, dass wegen der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens die Befürchtung bestehe, dass dem Antragsteller die Fahreignung fehle, und daher im Interesse der öffentlichen Sicherheit zum Ausschluss einer Gefährdung der Entzug der Fahrerlaubnis sowie – zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung – auch die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins mit sofortiger Wirkung zu erfolgen hatte und ein rechtskräftiger Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden konnte.
b) Der vorliegende Antrag ist abzulehnen, weil die summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts vom 29.04.2021 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers erfolgte rechtmäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog Bezug auf die Begründung des Bescheids des Landratsamts vom 29.04.2021 und macht sich diese zu eigen. Ergänzend hierzu wird, insbesondere zum Vorbringen des Antragstellers in seiner Antragsbegründung, Folgendes ausgeführt:
aa) Das Landratsamt war trotz des am 01.12.2020 erfolgten Umzugs des Antragstellers in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamts H** für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des Landratsamts ergibt sich hier aus Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG. Die Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 4 FeV ist hingegen nicht einschlägig, da das Landratsamt hier erkennbar eine nicht nur vorläufige Verfügung treffen wollte und auch eine nicht nur vorläufige Verfügung getroffen hat. Kommt es, wie vorliegend der Fall, erst nach der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zu einer Veränderung der die örtliche Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde unter den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG das Verwaltungsverfahren fortführen. Die Subsidiarität des Verwaltungsverfahrensgesetzes (Art. 1 Abs. 1 BayVwVfG) steht der Anwendung dieser Vorschrift im Fahrerlaubnisrecht nicht entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 12.03.2012 – 11 B 10.955 – juris, Rn. 50 f. m.w.N.).
Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG sind erfüllt, da das auf Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers gerichtete Verwaltungsverfahren durch das Schreiben des Landratsamts vom 01.10.2020 eingeleitet wurde, welches die Forderung nach Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens zum Gegenstand hatte. Weiter diente es im Sinne von Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG der einfachen und zweckmäßigen Durchführung dieses Verfahrens, wenn das Landratsamt auch nach dem Wegzug des Antragstellers aus dem Landkreis zuständig blieb. Interessen des Antragstellers standen dem nicht entgegen; insbesondere ergab sich aus dem Weiterbetrieb des Verfahrens durch das Landratsamt keine nennenswerte Erschwernis des Kontakts zwischen ihm und der Behörde. Die nach Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG erforderliche Zustimmung hat das Landratsamt H** mit Email vom 16.04.2021 erteilt. Auch wenn diese Email nicht auf die Regelung des Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG Bezug nimmt, besteht kein Zweifel daran, dass die Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch das Landratsamt dem Willen des Landratsamts H** entsprach.
bb) Ein Verfahrensfehler wegen fehlender Anhörung des Antragstellers (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller wurde vom Landratsamt mit Schreiben vom 04.03.2021 zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und wurde bereits mit der Begutachtungsaufforderung vom 03.12.2020 auf diese Konsequenz im Falle der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens hingewiesen. Dass sich dann der Bevollmächtigte des Antragstellers auch erst nach Ablauf der im Schreiben vom 04.03.2021 gesetzten Äußerungsfrist (bis zum 15.03.2021) beim Landratsamt anzeigte, fällt in den Verantwortungsbereich des Antragstellers und kann nicht zu Lasten des Landratsamts gehen. Weshalb dann eine weitere Äußerung des Bevollmächtigten des Antragstellers zu der Frage bzw. den Modalitäten einer Akteneinsicht und zu der Email des Landratsamts vom 01.04.2021 erst mit Email vom 30.04.2021 – und damit bereits nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids – erfolgt ist, ist für das Gericht nicht erkennbar und kann dem Landratsamt ebenfalls nicht angelastet werden. Der Bescheidserlass am 29.04.2021 auch ohne Vorliegen einer Stellungnahme des Antragstellers ist somit nicht zu beanstanden.
Sollte man hier dennoch einen Verstoß gegen das Anhörungsgebot annehmen wollen, wäre ein derartiger Fehler jedenfalls durch die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vom Antragsteller abgegebene Stellungnahme gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt.
cc) Das Landratsamt ist zutreffend von einer fehlenden Fahreignung des Antragstellers ausgegangen und hat dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Nach der hier einschlägigen Norm des § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach der Anlage 4 oder 5 hinweisen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Voraussetzung ist allerdings insoweit, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig war und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.6.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris). In formeller Hinsicht muss die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es sachgerecht, bei einer unberechtigten Weigerung ohne weitere vertiefte Ermittlungen die Schlussfolgerung zu ziehen, der Betroffene habe „gute Gründe“ für seine Weigerung, weil eine Begutachtung seine bislang nur vermutete Ungeeignetheit aufdecken und belegen würde. In materieller Hinsicht ist eine Gutachtensaufforderung nur rechtmäßig, wenn – erstens – aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des betroffenen Kraftfahrers bestehen und – zweitens – die angeordnete Überprüfung ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel ist, um gerade die konkret entstandenen Eignungszweifel aufzuklären. Hiernach muss sich die Anforderung eines Gutachtens auf solche Mängel beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht verkehrsgerecht und umsichtig verhalten werde, was es auf der anderen Seite ausschließt, jeden Umstand, der auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutet, als hinreichenden Grund für die Anforderung eines Gutachtens anzusehen (ständige Rspr., so z.B. VGH Baden-Württemberg, U.v. 23.02.2010 – 10 S 221/09 – juris). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung eines Gutachtens ist auf den Zeitpunkt der Gutachtensanforderung abzustellen. Eine unberechtigte Aufforderung zur Gutachtenbeibringung kann nicht dadurch „geheilt“ werden“, dass die Behörde nachträglich – etwa im Gerichtsverfahren – darlegt, objektiv hätten seinerzeit Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung hätten geben können (BVerwG, U.v. 05.07.2001 – 3 C 13/01 – juris Rn. 27).
Gemessen an diesen Grundsätzen entspricht die Gutachtensanforderung des Landratsamts vom 03.12.2020 den gesetzlichen Voraussetzungen, so dass sich auf dieser Grundlage und der Weigerung des Antragstellers, das geforderte Gutachten beizubringen, die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtens erweist.
In formeller Hinsicht begegnet die Gutachtensanforderung keinen Bedenken. Im der Gutachtensanforderung vom 03.12.2020 werden die dem Landratsamt seit dem Jahr 2012 bekannten Vorkommnisse mit Relevanz für die Fahreignung des Antragstellers dargestellt, insbesondere seine Erkrankung an Epilepsie. Sodann wird das Unfallgeschehen vom 11.09.2020 aus dem Polizeibericht der Polizeiinspektion … referiert und dieses als neue Auffälligkeit im Hinblick auf die Erkrankung des Antragstellers an Epilepsie bezeichnet, was zur Begutachtungsaufforderung vom 01.10.2020 geführt habe. Im Anschluss legt das Landratsamt dar, weshalb das vorgelegte Attest von Dr. … vom 16.11.2020 nicht ausreichend sei. Für den Antragsteller war damit klar erkennbar, aus welchem konkreten Anlass die hier in den Blick zu nehmende Gutachtensanforderung vom 03.12.2020 erfolgte.
Die Gutachtensaufforderung genügt damit den sich aus § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen und enthält auch zulässige Fragestellungen zu der beim Antragsteller vorliegenden Krankheit. Die Gutachtensaufforderung enthält auch den erforderlichen Hinweis nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folge einer nicht fristgerechten Gutachtensvorlage.
In materieller Hinsicht erweist sich das mitgeteilte Unfallgeschehen vom 11.09.2020 und dessen Begleitumstände als ausreichend tragfähig für den Erlass der Begutachtungsaufforderung vom 03.12.2020. Bereits im ärztlichen Gutachten aus dem Jahr 2012 wird festgestellt, dass sich die Erkrankung an Epilepsie auf die Fahreignung des Antragstellers auswirken kann. Damit erfolgte die Begutachtungsaufforderung vom 03.12.2020 nicht ins Blaue hinein, sondern aufgrund einer bestehenden Dauererkrankung und eines (erneuten) konkreten Anlasses in Form des Unfallgeschehens vom 11.09.2020.
Das Landratsamt hat auch das in Folge der ersten Begutachtungsaufforderung vom 01.10.2020 vom Antragsteller vorgelegte Attest des Dr. … vom 16.11.2020 berücksichtigt. Zutreffend hat das Landratsamt dazu festgestellt, dass dieses Attest nicht ausreichend ist und dies im Einzelnen dargelegt. Weder geht aus dem Attest selbst hervor noch ist sonst erkennbar, dass Herrn Dr. … bei der Erstellung dieses Attests das Unfallgeschehen vom 11.09.2020 bekannt war, zumal wegen des nicht vorgelegten Berichts aus der Notaufnahme nach dem Unfallgeschehen nicht bekannt ist, wer den Antragsteller am 11.09.2020 im Krankenhaus … behandelt hat. Eine Kenntnis des Geschehens vom 11.09.2020 ist aber entscheidend, um eine Aussage über die aktuelle Fahreignung des Antragstellers treffen zu können. Mag auch der letzte epileptische Anfall mehr als zwei Jahre vor dem 11.09.2020 erfolgt sein, würde alleine ein an diesem Tag erneut aufgetretener Anfall ausreichen, um die Fahreignung des Antragstellers neu bewerten zu müssen. Das fachärztliche Attest des Dr. … vom 16.11.2020 war somit nicht geeignet, um die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers auszuräumen, so dass die dann unter dem 03.12.2020 erlassene Begutachtungsaufforderung erforderlich war.
Soweit der Antragsteller einwendet, es habe sich am 11.09.2020 nur um einen einmaligen „Fahrfehler“ gehandelt, der jedem passieren könne und daher nicht ausreichend sei, um Fahreignungszweifel zu begründen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Begleitumstände des Unfallgeschehens sprechen hier gegen einen gewöhnlichen Fahrfehler und legen vielmehr die Vermutung nahe, dass ein epileptischer Anfall vorgelegen haben könnte. Dies ergibt sich in erster Linie aus der Aussage der Zeugin S., wonach der Antragsteller nach dem Abkommen von der Straße noch 150 Meter ohne zu bremsen über eine Wiese fuhr, bevor er mit einem Baum kollidierte und gestoppt wurde. Die hierzu erfolgte Einlassung des Antragstellers, er habe etwas am Radio eingestellt, sei dadurch von der Fahrbahn abgekommen und sei dann so geschockt gewesen, dass er nicht mehr habe reagieren können, erscheint dem Gericht als weniger überzeugend, jedenfalls aber als nicht ausreichend, um den Verdacht auf einen epileptischen Anfall ausräumen zu können. Zudem ergibt sich aus dem Polizeibericht, dass sich nach Aussage der Notaufnahme des Klinikums … der Antragsteller eingenässt habe, was ebenfalls für das Vorliegen eines epileptischen Anfalls spreche. Schließlich muss hier auch zu Lasten des Antragstellers gehen, dass er das Attest aus der Notaufnahme über seine Behandlung nach dem Verkehrsunfall nicht herausgegeben hat, und somit die vorliegenden Verdachtsmomente auch nicht entkräftet werden konnten. Soweit der Antragsteller hierzu angibt, das Attest enthalte falsche Angaben zu seinem Krankheitsverlauf und intime Details, erscheint dies dem Gericht nicht überzeugend. Denn in der Behördenakte sind bereits zahlreiche ärztliche Atteste bzw. Gutachten sowie Polizeiberichte enthalten, die das beim Antragsteller bestehende Krankheitsbild ausführlich darlegen und teilweise ebenfalls den persönlichen bzw. intimen Bereich betreffen. Es drängt sich daher die Vermutung auf, dass der Antragsteller dieses Attest bewusst zurückhält, weil aus diesem negative Schlüsse hinsichtlich seiner Fahreignung gezogen werden könnten.
dd) Das Landratsamt konnte und musste daher hier auf die Nichteignung des Antragstellers schließen, weil der Antragsteller das rechtmäßig geforderte ärztliche Gutachten eines Facharztes für Neurologie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation nicht fristgerecht vorgelegt hat (vgl. BVerwG, U.v. 05.07.2001 – 3 C 13.01). Die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV räumt der Behörde kein Ermessen hinsichtlich der Frage ein, ob aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 11 CS 12.2276 – juris, Rn. 13. m.w.N.). Die persönliche und berufliche Situation des Antragstellers, wie die Erforderlichkeit des Führerscheins zum Erreichen und Erhalt des Arbeitsplatzes, muss daher außer Betracht bleiben.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben