Medizinrecht

Behandlungsmöglichkeit einer psychischen Erkrankung im Kosovo

Aktenzeichen  B 4 K 16.30500

Datum:
19.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 122682
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 2

 

Leitsatz

1 Im Kosovo kann eine lebensbedrohliche Verschlechterung einer psychischen Erkrankung durch entsprechende fachärztliche Behandlung verhindert werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Kosovo werden psychische Erkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem in neun regionalen Gesundheitszentren behandelt. Für eine stationäre Behandlung gibt es die Abteilungen für stationäre Psychiatrie in den vier Regionalkrankenhäusern sowie die Psychiatrische Klinik der Universitätsklinik Pristina. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Soweit die Klagen zurückgenommen wurden, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

Soweit die Klagen zurückgenommen wurden, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG gerichtete Klage ist zulässig, aber nicht begründet, weil die Feststellung des Bundesamtes im Bescheid vom 11.12.2015, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ausgehend von der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Für den Kläger zu 1 und die Kläger zu 3 bis 5 werden keine eigenen Abschiebungsverbote geltend gemacht. Sie wollen lediglich aus dem für die Klägerin zu 2 geltend gemachten Abschiebungsverbot ein humanitäres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet herleiten.
Die psychische Erkrankung der Klägerin zu 2 stellt auch unter der Prämisse, dass ohne psychiatrische Behandlung und Medikation eine Suizidgefahr besteht, keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar, weil eine lebensbedrohliche Verschlechterung auch in Kosovo durch entsprechende fachärztliche Behandlung verhindert werden kann.
Mit den Behandlungsmöglichkeiten in Kosovo setzt sich bereits der Bescheid des Bundesamtes ausführlich auseinander (Seiten 11 und 12 des Bescheides vom 11.12.2015). Insoweit folgt das Gericht der Begründung des Bescheides und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch aus dem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland vom 07.12.2016, Stand: September 2016, ergeben sich ausreichende Behandlungsmöglichkeiten. Danach werden psychische Erkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem in neun regionalen Gesundheitszentren behandelt. Für eine stationäre Behandlung gibt es die Abteilungen für stationäre Psychiatrie in den vier Regionalkrankenhäusern sowie die Psychiatrische Klinik der Universitätsklinik Pristina. Diese Einrichtungen verfügen jeweils über eine angeschlossene psychiatrische Ambulanz mit ambulanter fachärztlicher Betreuung. Darüber hinaus können freiwillige Rückkehrer sowie Zurückgeführte aus Deutschland bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung unmittelbar nach ihrer Ankunft kostenlos die Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Kosovo-Rückkehrer-Projektes URA II in Anspruch nehmen.
Bei dieser Sachlage erscheint es nicht glaubhaft, dass der Klägerin zu 2 eine notwendige psychiatrische Behandlung in Kosovo vorenthalten wird, wenn sie sich ernsthaft darum bemüht und alle gebotenen Möglichkeiten ausschöpft. Dass fehlende finanzielle Mittel eine Behandlung nicht ausschließen, ergibt sich bereits aus den Angaben des Klägers zu 1 gegenüber dem Bundesamt am 14.01.2015 und anlässlich seiner Vorsprache bei der Regierung von Oberfranken (ZAB) am 25.07.2016. Danach war die Klägerin zu 2 schon in Kosovo in psychiatrischer Behandlung gewesen, obwohl die Familie von Sozialleistungen lebte. Die eidesstattliche Versicherung der Kläger zu 1 und 2 vom 11.07.2017, dass die Klägerin zu 2 seit der Abschiebung nach Kosovo keinerlei therapeutische Weiterbehandlung ihrer psychischen Erkrankung habe durchführen lassen können und dass auch die Mindestversorgung mit Medikamenten wegen fehlender nötiger finanzieller Mittel nicht gewährleistet sei, ist nicht geeignet, die auf eine zuverlässige Erkenntnisquelle und die Aussage des Klägers zu 1 gestützte Annahme der Verfügbarkeit ausreichender Behandlungsmöglichkeiten zu widerlegen. Insbesondere fehlt eine Darlegung konkreter Bemühungen um eine psychiatrische Behandlung, die eine erforderliche Medikation einschließen würde.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in Kosovo für die Klägerin zu 2 keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO, § 83b AsylG.


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