Medizinrecht

Beihilfe, Künstliche Befruchtung (IVF/ICSI), Ehevorbehalt, Körperprinzip

Aktenzeichen  24 ZB 20.2268

Datum:
24.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16906
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 43 Abs. 1 Nr. 3, S. 2 und S. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 17 K 18.3378 2020-09-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 4.100,86 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfe zu den Kosten von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bei seiner Ehefrau im Wege der intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI).
Der Kläger ist bayerischer Beamter und zu 50 Prozent beihilfeberechtigt. Seit dem 12. März 2018 ist er mit seiner Ehefrau verheiratet. Die Anmeldung zur Eheschließung erfolgte am 4. Dezember 2017. Der Kläger leidet an einer Subfertilität.
Mit Beihilfeantrag vom 21. Mai 2018 machte der Kläger sowohl eigene Aufwendungen sowie Aufwendungen seiner Ehefrau für zwei künstliche Befruchtungen im Dezember 2017 und im April 2018 im Wege der IVF/ICSIBehandlung geltend. Mit Bescheid vom 28. Mai 2019 lehnte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Ansbach (im Folgenden: Landesamt), den Antrag insoweit ab, als Aufwendungen der Ehefrau geltend gemacht worden sind, und versagte mit Bescheid vom 29. Mai 2018 dem Kläger die geltend gemachten eigenen Aufwendungen aus den vorgelegten Rechnungen vom 5. Januar 2018 und vom 11. Mai 2018 in Höhe von 2.893,93 Euro und von 2.889,73 Euro. Zur Begründung der Bescheide führte das Landesamt aus, die Ehefrau des Klägers sei „hier nicht bekannt“ und der Kläger erfülle nicht alle erforderlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 BayBhV.
Den gegen beide Bescheide eingelegten Widerspruch vom 21. Juni 2018 wies das Landesamt mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2018 zurück. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBhV gelte ab dem 1. September 2017 das sogenannte Kostenteilungsprinzip, so dass jede Kostenerstattungsstelle für die bei ihrem Leistungsnehmer entstandenen Aufwendungen zuständig sei. Zur Klarstellung dieser Rechtslage sei das Körperprinzip in § 43 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBhV noch deutlicher hervorgehoben worden. Das Verursacherprinzip sei nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. März 2010 (Az. 14 B 08.3188) nicht anzuwenden/einschlägig. Dem verfahrensgegenständlichen Beihilfeantrag könne nicht entnommen werden, seit wann die Ehe bestehe, sodass auch eine Prüfung der Altersgrenze nicht möglich sei. Zudem sei ein Behandlungsplan nicht vorgelegt worden. Vor der Eheschließung sei die Verlobte keine berücksichtigungsfähige Angehörige und erhalte dementsprechend keine Beihilfe. Ab der Eheschließung werde keine Beihilfe aufgrund des Überschreitens der Einkommensgrenze gem. Art. 96 Abs. 2 BayBG gewährt.
Das Verwaltungsgericht München wies die hiergegen am 11. Juli 2018 eingelegte Klage, mit der der Kläger auch einen Behandlungsplan vom 2. Juli 2018 vorlegte, mit Urteil vom 28. September 2020 ab. Soweit die Klage noch zulässig sei, sei sie unbegründet, da der Kläger weder einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Aufwendungen seiner Ehefrau noch einen Anspruch auf Gewährung einer höheren als der bereits zugesagten Beihilfe für die an ihn gerichteten Rechnungen habe. Für die im Zeitraum bis einschließlich 11. März 2018 entstanden Aufwendungen sei die Ehefrau des Klägers mit diesem noch nicht verheiratet gewesen und gehöre damit nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des Art. 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BayBB i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV nicht zum Kreis der berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Die nach der Eheschließung entstandenen Aufwendungen könnten nicht übernommen werden, da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehefrau nach § 2 Abs. 3 EStG nach den ausdrücklichen Angaben des Klägers im Beihilfeantrag im Vorvorkalenderjahr vor Antragstellung aber auch im laufenden Kalenderjahr der Antragstellung 18.000 Euro übersteige (Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG). Die Aufwendungen der Ehefrau könnten auch nicht nach dem sogenannten Verursacherprinzip dem Kläger zugerechnet werden. Denn nach § 43 BayBhV gelte das sogenannte Körperprinzip, sodass es nicht darauf ankomme, bei welchem Ehepartner die Ursache für die Kinderlosigkeit liege. Es gelte insoweit nicht das Verursacherprinzip, sondern es erfolge eine anwendungs- bzw. (wie hier) eine körperbezogene Zuordnung der Kosten. Die Aufwendungen des Klägers für eine künstliche Befruchtung einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel vom 5. Januar 2018 seien nicht beihilfefähig, da zu diesem Zeitpunkt die Ehe mit seiner Ehefrau noch nicht bestanden habe. Eine Regelung, die die Erstattungsfähigkeit medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf Personen beschränke, die miteinander verheiratet seien, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz vereinbar; dies gelte nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auch für den Bereich der beamtenrechtlichen Beihilfe.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hält folgende Fragen gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„1. Ehevorbehalt: a) Verstößt § 43 Abs. 1 Zif. 3 BayBhV gegen höherrangiges Recht, wenn dort Maßnahmen für eine künstliche Befruchtung unter die Voraussetzung gestellt werden, dass das beteiligte Kinderwunschpaar miteinander verheiratet sein muss im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung?“ und
„b) Ist die Ehevoraussetzung erfüllt für den Fall, dass das Paar miteinander verlobt ist und – hier in Bezug auf den 1. Behandlungsversuch – kurz nachher geheiratet hat?“ sowie
„2. Kostenzuordnung bei männlicher Krankheit und Behandlung der männlichen Krankheit: Ist es beihilferechtlich zulässig, beim Vorliegen einer männlichen Krankheit und deren Behandlung Kosten für Behandlungsmaßnahmen von der Beihilfefähigkeit auszuschließen, allein deswegen, weil Maßnahmen zur künstlichen Herbeiführung einer Schwangerschaft, die biologisch notwendigerweise nur bei der Frau eintreten kann, „bei der Frau“ oder in Richtung des weiblichen Körpers durchgeführt werden?“.
Zur Begründung führt der Kläger aus, es verstoße gegen höherrangiges Recht als Leistungsvoraussetzung die Verheiratung des Kinderwunschpaares zu verlangen. Auch lasse sich die Kostenzuordnung nicht aus § 43 Abs. 2 Satz 3 BayBhV herleiten. Er sei in fertilitätsrelevanter Hinsicht krank und alle hier streitgegenständlichen Maßnahmen und Kosten seien aus Anlass der Behandlung von ihm, dem kranken Beihilfeberechtigten, durchgeführt worden. Entsprechend den Grundprinzipien des Beihilferechts, wonach eine anlassbezogene finanzielle Unterstützung der beihilfeberechtigten Person aus Anlass der Behandlung einer Krankheit stattfinde (Verursacherprinzip), stehe ihm auch ein Beihilfeanspruch für alle Aufwendungen zu. Denn im Beihilferecht werde grundsätzlich an die Krankheit der erkrankten Person und die darauf zielenden Behandlungsmaßnahmen angeknüpft. Das beihilferechtliche Grundprinzip sei es, anlassbezogene Hilfe für die Behandlung der Krankheit des Beihilfeberechtigten zu gewähren. Hieran knüpfe auch § 8 BayBhV, der an die Behandlung der Krankheit des Beihilfeempfängers anknüpfe. Entsprechend laute § 43 Abs. 2 Satz 2 BayBhV, dass die Zuordnung der Kosten zu den jeweiligen Ehepartnern nach der Person erfolge, anlässlich deren Beratung und Behandlung die Kosten entstehen. Die Zuordnungsregelung des Satzes 3 des § 43 Abs. 2 BayBhV sei daher rechtswidrig. Aus den ausgeführten Gründen läge auch der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor.
Der Kläger beantragt zudem, die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen, da das Urteil auf einem Verfahrensfehler beruhe. Das Erstgericht habe den Behandlungsanlass (Krankheit des Klägers) für sämtliche Maßnahmen in Zweifel gezogen (Seite 12 des Urteils). Hierzu hätte es rechtliches Gehör gewähren müssen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. September 2020 zuzulassen.
Der Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen und beantragt den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 54), ergeben sich weder die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch liegen Verfahrensfehler gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor.
1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor, da der Kläger bereits seinen Darlegungsverpflichtungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht nachgekommen ist.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Der Rechtsmittelführer muss mit schlüssigen Gegenargumenten darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist (Happ in Eyermann, VwGO, Rn. 61 zu § 124a). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.). Dem wird die Antragsbegründung nicht gerecht.
Der Kläger hat bereits keine Gründe i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dargelegt, die über die Argumente hinausgehen, die er für die Rechtfertigung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vorgetragen hat. Insofern wird auf die Ausführungen in Ziffer 2 dieses Beschlusses Bezug genommen.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich und obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
2.1. Der Kläger ist der Ansicht, es verstoße gegen höherrangiges Recht, dass als Leistungsvoraussetzung die Verheiratung des Kinderwunschpaares verlangt werde. Bei der Beihilfe gehe es um die Heilbehandlung wegen Krankheit, die nichts mit dem Personenstand der erkrankten Person zu tun habe. Dies sei insbesondere vor der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Stiefkindadoption bei nicht verheirateten Paaren (B.v. 26.3.2019 – 1 BvR 673/17) nicht haltbar. Zudem sei es mit dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 3 GG nicht zu rechtfertigen, dass § 43 Abs. 4 BayBhV Beihilfe für nicht medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche jeder Person gewähre, eine medizinisch indizierte Kinderwunschbehandlung dagegen nur verheirateten Paaren vorbehalten sein solle. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007 (NJW 2007, 1343 ff. Rn. 34) ergebe sich „nichts zugunsten des Beklagten“, da das Beihilferecht einen „derartigen besonderen Beihilfefall im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht geschaffen“ habe. Der Vorschrift des § 43 BayBhV lasse sich nicht entnehmen, dass für den Bereich der künstlichen Befruchtung von den Grundsätzen des Beihilferechts, insbesondere von § 8 BayBhV abgewichen werde.
Die Einwände des Klägers vermögen eine Zulassung der Berufung nicht zu begründen.
2.1.1. So ist bereits dem Ansatz des Klägers, dass es sich bei der vorgenommenen künstlichen Befruchtung um eine Heilbehandlung des Klägers wegen Krankheit handelt, nicht zuzustimmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung zur künstlichen Befruchtung erneut ausgeführt (U.v. 29.7.2021 – 5 C 18.19 – juris Rn. 18), dass der Bundesgesetzgeber die künstliche Befruchtung als eigenständigen Beihilfefall ansieht, bei dem Beihilfe nicht aus Anlass einer Krankheit des Beihilfeberechtigten (oder seines berücksichtigungsfähigen Ehegatten), sondern aus Anlass der Unfähigkeit eines Ehepaares, auf natürlichem Weg Kinder zu zeugen, gewährt wird. Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat unter Berufung auf die gleichlautende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U.v. 28.2.2007 – 1 BvL 5/03 – BVerfGE 117, 316/326 = juris Rn. 34; B.v. 27.2.2009 – 1 BvR 2982/07 – NJW 2009, 1733 = juris Rn. 10) und des Bundessozialgerichts zu § 27a Abs. 1 SGB V (vgl. etwa BSG, U.v. 3.4.2001 – B 1 KR 22/00 R – BSGE 88, 51/55; U.v. 3.4.2001 – B 1 KR 40/00 R – BSGE 88, 62 = juris Rn. 13). Auch in diesen Entscheidungen wird ausgeführt, dass medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27 a SGB V nicht als Behandlung einer Krankheit anzusehen sind, sondern diese nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt werden und insoweit einen eigenständigen Versicherungsfall bilden. Der Begriff der Krankheit, der grundsätzlich die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auslöst, kann nicht durch Auslegung dahingehend erweitert werden, dass er auch den Wunsch nach einer erfolgreichen Familienplanung in einer Ehe umfasst. Die künstliche Befruchtung beseitigt keinen regelwidrigen körperlichen Zustand, sondern umgeht ihn mit Hilfe medizinischer Technik, ohne auf dessen Heilung zu zielen (BVerfG, B.v. 27.2.2009 – 1 BvR 2982/07 – juris Rn. 10). Zwar erging die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem Begriff der Krankheit im Sinne der Regelungen des SGB V. Der Kläger hat aber bereits nicht substantiiert dargelegt, warum diese nicht auch im bayerischen Beihilferecht Anwendung finden sollte.
Soweit der Kläger zur Untermauerung seiner These, dass es sich bei der künstlichen Befruchtung um Maßnahmen der Krankenbehandlung handelt, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007 in Rn. 34, Zeile 1-7, zitiert (1 BvL 5/03 – BVerfGE 117, 316/326: „Die dargestellte Ungleichbehandlung wäre allerdings im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würden die in § 27a SGB V geregelten medizinischen Maßnahmen der Beseitigung einer Krankheit im Sinne von § 11 Abs. 1 Nrn. 4 und § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V dienen. Dann hätte die Vorschrift, würde sie eine solche Leistung der gesetzlichen Krankenkasse nur verheirateten, aber nicht unverheirateten Personen zugutekommen lassen, vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand.“), wird auf den diesem Zitat nachfolgenden Satz hingewiesen, in dem das Bundesverfassungsgericht gerade ausgeführt hat, dass der Gesetzgeber jedoch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V nicht als Behandlung einer Krankheit angesehen, sondern nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt hat. Auch der Bayerischen Beihilfeverordnung ist zu entnehmen, dass die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nicht als Aufwendungen in Krankheitsfällen angesehen werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass „Beihilfefähige Aufwendungen in Krankheitsfällen“ in Abschnitt IV der Beihilfeverordnung geregelt sind (§§ 8-28 BayBhV), die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung jedoch in Abschnitt VII stehen, in dem die „Aufwendungen in sonstigen Fällen“ geregelt sind. Zwar gibt das Bundesverfassungsgericht weiter zu bedenken, dass § 27a SGB V keine Anwendung auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V findet, die als Krankenbehandlung zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit angesehen werden. Eine dem § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V entsprechende Vorschrift findet sich im bayerischen Beihilferecht nicht. Es kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben, ob diese Aufwendungen für Maßnahmen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit – wie beispielsweise chirurgische Eingriffe, die Verordnung von Medikamenten oder eine psychotherapeutische Behandlung – nach der Bayerischen Beihilfeverordnung beihilfefähige Aufwendungen in Krankheitsfällen sind, mit der Folge, dass die entsprechenden Aufwendungen auch dann übernommen werden, wenn die beihilfeberechtigte Person nicht verheiratet ist. Denn vorliegend geht es unstreitig um Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach § 43 Abs. 2 Nr. 5 BayBhV und nicht um die Herstellung der Zeugungsfähigkeit des Klägers, sodass diese Frage hier nicht entscheidungserheblich ist.
2.1.2. Soweit der Kläger für klärungsbedürftig hält, ob die in § 43 Abs. 1 Nr. 4 BayBhV geregelte Leistungsvoraussetzung der Verheiratung des Kinderwunschpaares gegen Art. 3 GG verstoße und ob die Ehevoraussetzung dann gegeben sei, wenn das verlobte Paar kurz nach der künstlichen Befruchtung heirate, fehlt es darüber hinaus schon an einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Darlegung. Insbesondere erfolgt keine substantiierte Auseinandersetzung mit der vom Erstgericht zitierten Rechtsprechung (UA S. 12), in der ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund des Ehevorbehaltes bei der Gewährung von Beihilfe bzw. der Erstattung der Aufwendungen der Krankenversicherung bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verneint wurde. Soweit der Kläger ausführt, § 43 Abs. 1 Nr. 3 BayBhV sei insbesondere vor der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U.v. 26.3.2019 – 1 BvR 673/17) zur Adoption von Stiefkindern nicht haltbar, fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung, in welcher Hinsicht dieser Fall mit der hiesigen Konstellation vergleichbar ist. In der Entscheidung zum Adoptionsrecht entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das geltende Recht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, weil es Kinder in nichtehelichen Stiefkindfamilien gegenüber Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien ohne ausreichenden Grund benachteilige. Diesem Verfahren lag daher eine vollkommen andere Ausgangslage zugrunde als dem hiesigen Fall, so dass es insoweit an der Vergleichbarkeit fehlt. Ebenso liegt es auf der Hand, dass eine Kinderwunschbehandlung nicht mit einem Schwangerschaftsabbruch – wie vom Kläger vorgetragen – vergleichbar ist. Denn ein Schwangerschaftsabbruch kommt vor allem auch in den Konstellationen in Betracht – man denke an Vergewaltigungen, Schwangerschaften von Minderjährigen u.Ä. – in denen die beteiligten Parteien nicht verheiratet sind, zumal der Kläger auch hier wieder nur sehr knapp die Vergleichbarkeit dargelegt hat, sodass auch die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers nicht tragen.
Die weitere vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Ehevoraussetzung dann erfüllt ist, wenn ein Paar miteinander verlobt ist und kurz danach heiratet, ist in vorliegendem Fall bereits nicht entscheidungserheblich, da für die beihilferechtliche Entscheidung zum einen allein die Sach- und Rechtslage bei Entstehen der jeweiligen Aufwendungen maßgeblich ist (UA S. 8, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12) und zum anderen das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, dass Verlobte gem. Art. 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BayBG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV nicht zu dem Kreis der berücksichtigungsfähigen Angehörigen gehören (UA S. 9).
2.2. Soweit der Kläger die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kostenzuordnung und hierbei insbesondere die körperbezogene Zuordnung der Aufwendungen beanstandet, geht sein Einwand ins Leere. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO hierauf Bezug.
Lediglich ergänzend ist zu dem Zulassungsvorbringen auszuführen, dass die aufgeworfene Frage bereits deswegen keine grundsätzliche Bedeutung hat, da bereits höchst- und obergerichtlich geklärt ist, dass die in § 43 Abs. 2 Satz 3 BayBhV normierte körperbezogene Kostenzuordnung beihilferechtlich zulässig ist und nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.2.2011 – 2 C 40.09 – juris Rn. 10 zu der damals einschlägigen bundesrechtlichen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 BhV i.V.m. § 27a SGB V) ist die Beihilfegewährung zu den Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung nach dem sogenannten anwendungsbezogenen Körperprinzip mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Gesamtkosten einer künstlichen Befruchtung werden danach auf den Beihilfeberechtigten und seinen Ehegatten aufgeteilt, wobei grundsätzlich danach differenziert wird, an wessen Körper der jeweilige Teil der Behandlung vorgenommen wird (BVerwG, U.v. 29.7.2021 – 5 C 18.19 – juris Rn. 20 m.w.N.). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 15.11.2019 – 14 B 18.1583 – juris Rn. 19 ff. zu der dort maßgeblichen Regelung des § 43 Abs. 1 BayBhV i.V.m. § 27a SGB V) hat bereits entschieden, dass das sogenannte Körperprinzip mit höherrangigem Recht, insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und dem allgemeinen Gleichheitssatz im Einklang steht. Anhaltspunkte, die jetzt eine von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweichende Beurteilung im Rahmen des § 43 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BayBhV gebieten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO wurde bereits nicht hinreichend dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) und liegt auch nicht vor.
Der Kläger führt insoweit aus, das Verwaltungsgericht habe den Behandlungsanlass, die Krankheit des Klägers, für sämtliche Maßnahmen in Zweifel gezogen. Hierzu hätte das Gericht rechtliches Gehör gewähren und ferner die erforderlichen Feststellungen treffen müssen. Das Urteil beruhe auf diesem Verfahrensfehler.
Diese Rüge greift in vorliegendem Fall nicht durch. Das Zulassungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine Berufungszulassung wegen Gehörsverletzung. Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist sowohl ein prozessuales Grundrecht als auch ein rechtsstaatliches konstitutives Verfahrensprinzip, das mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in funktionalem Zusammenhang steht. Es sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Aus Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich weiter, dass nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwertet werden dürfen, die vorher zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden und zu denen sich die Parteien äußern konnten. Insofern kommt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dann in Betracht, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2011 – 1 BvR 980/10 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör vorliegend nicht zu erkennen. Der erkennende Senat kann den Entscheidungsgründen bereits nicht entnehmen, dass und wodurch das Verwaltungsgericht die Krankheit des Klägers tatsächlich in Zweifel gezogen haben soll. Soweit der Klägerbevollmächtigte eine solche Aussage der Seite 12 des Urteils entnehmen will, fehlt es an einer substantiierten Darlegung. Weder wurde die entsprechende Stelle der Entscheidungsgründe zitiert noch anderweitig dargelegt, aus welcher konkreten Formulierung der Kläger diesen Zweifel herausliest. Unabhängig davon fehlt es darüber hinaus aber schon an einer substantiierten Darlegung, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem Verfahrensmangel beruht (vgl. BVerwG, B.v. 28.12.2011 – 9 B 53.11 – juris Rn. 3).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 3 und 1, 52 Abs. 3 GKG und entspricht der nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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