Medizinrecht

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Aktenzeichen  RO 12 K 19.1032

Datum:
9.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4105
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 7 Abs. 1
BayBhV § 7 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 „N“
BayBhV § 21
BayBhV § 49 Abs. 2

 

Leitsatz

Nichtgewährung von Beihilfe für ein EXOGEN-Ultraschallgerät.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung.
Die mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 05.06.2019 als allgemeine Leistungsklage erhobene Klage ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger begehrt, den Beklagten im Sinne einer Verpflichtungsklage dazu zu verpflichten, Beihilfe in beantragter Höhe zu gewähren.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen, Bezügestelle Beihilfe 2 Bearbeitungsstelle S., vom 18.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamtes für Finanzen, Bezügestelle Beihilfe 2 Bearbeitungsstelle S., vom 08.05.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Diesem steht der streitgegenständlich geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen aus der Behandlung mit dem Exogen-Ultraschallgerät nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Gemäß Art. 96 Abs. 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) erhalten u. a. Beamte und Beamtinnen Beihilfen als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge, solange ihnen laufende Besoldung oder Versorgungsbezüge zustehen. Beihilfeleistungen werden nach Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge gewährt. Das Nähere ist durch das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat durch Rechtsverordnung zu regeln (Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG). Von dieser Ermächtigung wurde durch Erlass der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) Gebrauch gemacht.
Der Kläger ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BayBhV beihilfeberechtigt. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen richtet sich nach §§ 7, 21, 49 BayBhV in der anzuwendenden Fassung. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 02.04.2014 – 5 C 40/12, Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Das Ultraschallgerät wurde gemäß Rechnung vom 28.01.2019 am selben Tag an den Kläger versandt, so dass die BayBhV in der Fassung gültig ab 01.01.2019 bis 31.12.2020 Anwendung findet.
Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf Beihilfe für die verfahrensgegenständlichen Aufwendungen:
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beihilfe aus § 7 BayBhV.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften der BayBhV beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig (Nr. 1) und der Höhe nach angemessen sind (Nr. 2) und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Nr. 3). Gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV sind Aufwendungen für Untersuchungen oder Behandlungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden einschließlich der hierbei verordneten Arznei- und Verbandmittel und Medizinprodukte, die in Anlage 2 Nr. 1 aufgeführt sind, nicht beihilfefähig (Ausschluss).
Bei der Selbstbehandlung mittels niedrigdosierten, gepulsten Ulltraschalls handelt es sich, wovon der Beklagte ausgeht, um eine nicht wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode (OVG NRW, Beschluss v. 18.06.2019 – 1 A 1559/19, juris Rn. 6). Dies entspricht auch der Beschlusslage des Gemeinsamen Bundesausschusses (NUB-Richtlinie (II)/Anlage B (Niedrigdosierter, gepulster Ultraschall); Beschluss vom 24.04.1998) und davon geht auch die BayBhV aus (§ 7 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 „N“). Gegenteiliges wird vom Kläger bereits nicht behauptet. Vielmehr stützt er seinen (möglichen) Beihilfeanspruch auf das Vorliegen eines besonders begründeten Ausnahmefalles im Sinne des § 49 BayBhV.
Die fehlende allgemeine wissenschaftliche Anerkennung einer Behandlungsmethode oder eines Arzneimittels führt jedoch noch nicht zwangsläufig dazu, dass ein Anspruch auf Beihilfegewährung ausnahmslos ausgeschlossen ist. Insoweit führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 13.12.2010 (Az. 14 BV 08.1982, juris Rn. 54 ff.) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil v. 29.06.1995 – 2 C 15/94, Urteil v. 18.06.1998 – 2 C 24/97) u.a. Folgendes aus:
Das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV, eine Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Aufwendungen zu leisten, kann den Dienstherrn in Ausnahmefällen dazu verpflichten, die Kosten einer solchen Behandlungsmethode oder eines solchen Arzneimittels nach den jeweiligen Bemessungssätzen gleichwohl zu erstatten. Dieses Ergebnis wird durch § 7 Abs. 5 BayBhV bestätigt. Danach sind Aufwendungen für Untersuchungen oder Behandlungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden einschließlich der hierbei verordneten Arznei- und Verbandmittel und Medizinprodukte, die in Anlage 1 Nr. 1 zu § 7 Abs. 5 BayBhV aufgeführt sind, nicht beihilfefähig (Ausschluss; Nr. 1), bzw. die in Anlage 1 Nr. 2 aufgeführt sind, nur unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen beihilfefähig (Teilausschluss; Nr. 2). Die Norm enthält damit Regelungen über den Ausschluss bzw. Teilausschluss von Beihilfeleistungen für bestimmte Aufwendungen. Hieraus folgt, dass es nach der Vorstellung des Verordnungsgebers grundsätzlich Fallkonstellationen geben kann, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung einer Behandlungsmethode besteht.
Die Verpflichtung zur Beihilfegewährung ist in solchen Fällen dann gegeben, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit – z. B. unbekannter Genese – noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall – z. B. wegen einer Gegenindikation – das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist, der Betroffene sozusagen schulmedizinisch (erfolglos) austherapiert ist. Insofern ist jedoch weiter notwendig, dass die wissenschaftlich allgemein noch nicht anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Hierfür ist zumindest erforderlich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann. Unter den genannten Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten. Insofern ist es dann auch unbeachtlich, ob für die in Mitten stehende Behandlungsmethode oder das in Mitten stehende Arzneimittel in den maßgeblichen Rechtsvorschriften ein ausdrücklicher Ausschlusstatbestand vorgesehen ist oder nicht. In einer derartigen Fallgestaltung muss die Beihilfestelle dann in eine Einzelfallprüfung eintreten und feststellen, ob bei Anlegung eines strengen Maßstabes die medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen für eine Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode besteht.
Diesen Maßstab zu Grunde gelegt hat der Kläger auch nicht ausnahmsweise Anspruch auf Beihilfeleistungen für seine Aufwendungen in Zusammenhang mit dem Exogen-Ultraschallgerät. Der Kläger hat nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die wissenschaftlich allgemein noch nicht anerkannte Methode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Darauf, ob beim Kläger darüber hinaus eine Gegenindikation im oben genannten Sinne gegeben ist, kommt es nicht mehr an.
Dass eine Methode wissenschaftlich nicht endgültig verworfen worden ist und eine Anerkennung in Zukunft noch in Betracht kommen könnte, genügt alleine noch nicht, um ausnahmsweise die Beihilfefähigkeit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu rechtfertigen. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d.h. die begründete Erwartung, auf wissenschaftliche Anerkennung besteht (BVerwG, Urteil v. 18.06.1998 – 2 C 24/97, juris Rn. 13). Dies war jedenfalls zum 24.04.1998 nicht der Fall (vgl. Niedrigdosierter, gepulster Ultraschall (NGU) – Zusammenfassender Bericht des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung“ des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Bewertung des niedrigdosierten, gepulsten Ultraschalls zur Beschleunigung der normalen Knochenbruchheilung sowie zur Therapie der verzögerten Knochenbruchheilung und der Pseudarthrose gemäß § 135 Abs. 1 SGB V vom 22.07.1999). Der gemeinsame Bundesausschuss hat zu diesem Zeitpunkt unter Analyse und Bewertung aller Stellungnahmen, der wissenschaftlichen Literatur und sonstigen Fundstellen keinen hinreichenden Beleg für die Wirksamkeit und medizinische Notwendigkeit gesehen; der Arbeitsausschuss hat keine Möglichkeit gesehen, den niedrigdosierten, gepulsten Ultraschall für die vertragsärztliche Versorgung, auch nicht teilweise, anzuerkennen (Bericht S. 4, 18, 27 ff.). In dem Bericht wird auch ausgeführt, dass eine Fraktur, die nach Primärversorgung nicht in einem gewissen Zeitraum Heilungstendenzen zeigt, in der Regel mit dem Goldstandard der Operation nachbehandelt wird, um die Knochenheilung einzuleiten (Bericht S. 12, 14; ebenso MDS Gutachten vom 01.09.2015, S. 10). Mit Stand 01.09.2015 hat der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) ein Gutachten veröffentlicht („LIPUS zur Behandlung von Pseudarthrosen“), das eine systematische Bewertung der Evidenzlage auf Basis einer Literaturrecherche unternommen hat (vgl. S. 3 des Gutachtens). Hintergrund der Beauftragung des Gutachtens war die Prüfung, ob die derzeitige Evidenzlage zum Thema LIPUS (= Low Intensitiy Pulsed Ultra Sound) zur Behandlung einer Pseudarthrose ausreichend ist, um eine erneute Begutachtung im Gemeinsamen Bundesausschuss, nachdem mit Beschluss vom 24.04.1998 die Behandlung mit NGU nicht als vertragsärztliche Leistung erbracht werden durfte, zu beantragen (vgl. S. 6 des Gutachtens). Zusammenfassend gelangte das Gutachten zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Datenlage schlecht sei und mangels laufender, den einschlägigen Kriterien genügenden Studien auch nicht davon auszugehen sei, „dass in absehbarer Zeit belastbare Evidenz zur Verfügung steht“ (S. 18 des Gutachtens). Weiter „kann geschlussfolgert werden, dass sich der Erkenntnisstand seit der Anfertigung des Gutachtens der MDK-Gemeinschaft im Jahr 1997 nicht strukturell verändert hat“ (S. 19 des Gutachtens).
Das vom Kläger als Anlage K5 vorgelegte Handbuch und die als Anlage K6 vorgelegte klinische Studie der Firma EXOGEN führen zu keiner abweichenden Erkenntnis, da fast ausschließlich Studien aus Jahren vor der Veröffentlichung des MDS Gutachtens im September 2015 zitiert werden. Bei vereinzelt aufgeführten Studien aus der Zeit nach 2015 wird vom Kläger weder vorgetragen, dass diese Studien den wissenschaftlichen Standards für eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung genügen, noch dass durch diese Studien überhaupt neuere Erkenntnisse im Vergleich zum MDS-Gutachten aus dem Jahr 2015 vorliegen, die die begründete Erwartung auf wissenschaftliche Anerkennung belegen können. Auch die als Anlage K7 vorgelegte „Empfehlung des medizinischen Beirates des BG Kliniken – Klinikverbundes (Stand 13.10.2015)“ gibt für die Annahme einer wissenschaftlich allgemeinen Anerkennung nichts her, da sie sich auf die bloße Empfehlung, diese additiven Methoden jeweils im Einzelfall dann einzusetzen, wenn ein andersartiges und insbesondere operatives Vorgehen nicht zwingend erforderlich sei, beschränkt (so auch VG Münster, 28.03.2019 – 5 K 4360/17; OVG NRW, Beschluss v. 18.06.2019 – 1 A 1559/19).
II.
Ein Anspruch des Klägers auf Beihilfe ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 21 BayBhV.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen für die Anschaffung oder Miete der in Anlage 4 genannten oder vergleichbaren Geräte zur Selbstbehandlung oder Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände beihilfefähig, wenn sie ärztlich in Schriftform verordnet sind, wobei dies nicht gilt für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen. Das Exogen-Ultraschallgerät ist kein Gerät zur Behandlung mit elektromagnetischen Wechselfeldern im Sinne der Anlage 4 zu § 21 BayBhV. Darüber hinaus steht das Erfordernis der wissenschaftlichen Anerkennung von Untersuchungen und Behandlungen, für die Beihilfe begehrt wird, entgegen. Die Voraussetzung der wissenschaftlichen Anerkennung kommt als allgemeiner Grundsatz des Beihilferechts in der Vorschrift des § 7 Abs. 5 BayBhV zum Ausdruck und ergibt sich bei Hilfsmitteln nach § 21 BayBhV – ohne dass damit in der Sache Unterschiede zum Kriterium der wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode verbunden wären – nach Auffassung der Kammer daraus, dass Aufwendungen für Gegenstände mit geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Da es an einer wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlung mit niedrigdosiertem, gepulsten Ultraschall fehlt und auch die begründete Erwartung auf eine wissenschaftliche Anerkennung nicht besteht (s.o.), sind schon deshalb die hierfür vom Kläger getätigten, verfahrensgegenständlichen Aufwendungen nicht beihilfefähig.
III.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Beihilfe aus § 49 BayBhV oder der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht.
Nach § 49 Abs. 2 BayBhV kann die oberste Dienstbehörde – im staatlichen Bereich das Staatsministerium – in besonders begründeten Ausnahmefällen, die nur bei Anlegung des strengsten Maßstabs anzunehmen sind, über diese Verordnung hinaus die Gewährung von Beihilfe zulassen.
Mit der Schaffung einer solchen allgemeinen Härtefallregelung (vgl. auch BayVGH, Beschluss v. 07.02.2018 – 14 ZB 17.1297, juris Rn. 10) soll der Anspruch auf Fürsorge für den Bereich der Beihilfe konkretisiert werden. Die Bayerische Beihilfeverordnung ist so ausgestaltet, dass Krankheits- und Pflegekosten typischerweise nicht zu einer Gefährdung des amtsangemessenen Lebensunterhalts der Beamtin oder des Beamten und ihrer oder seiner Familie führen. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet es allerdings, auch dann eine angemessene Beihilfe zu gewähren, wenn die in der BayBhV vorgesehenen Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe nicht erfüllt sind, die Versagung einer Beihilfe aufgrund außergewöhnlicher Umstände des Einzelfalls aber eine besondere Härte für den Beamten bedeuten würde. An das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist ein sehr strenger Maßstab anzulegen (VG München, Urteil v. 10.09.2015 – M 17 K 14.2666, juris Rn. 38 zur nahezu wortlautidentischen Vorgängervorschrift des § 49 Abs. 3 BayBhV). Ein besonderer Härtefall wird nicht bereits dann anzunehmen sein, wenn keine der besonderen Härtefallregelungen anwendbar ist. Es müssen besondere Umstände hinzukommen, die eine Ausnahme rechtfertigen. Kriterien können sein, dass eine angemessene Selbstvorsorge nicht gewährleistet werden kann, beispielsweise durch die Bildung von Rücklagen oder den Abschluss von Ergänzungstarifen der privaten Krankenversicherung (BayVGH, Beschluss v. 07.02.2018 – 14 ZB 17.1297, juris Rn. 10), oder jemand aus sonstigen Gründen unverschuldet in eine Notlage gerät, in der die Belastung mit Krankheits- oder Pflegekosten den amtsangemessenen Unterhalt der Beamtin oder des Beamten und ihrer oder seiner Familie gefährdet (VG München, Urteil v. 10.09.2015 – M 17 K 14.2666, juris Rn. 38 mit Verweis auf VG Würzburg, Urteil v. 25.03.2013 – W 1 K 12.815, juris Rn. 22; z.B. bei chronischen Erkrankungen: VG München, Urteil v. 12.07.2016 – M 17 K 16.2357, juris Rn. 39). Es muss sich um besondere Ausnahmesituationen handeln, deren außergewöhnliche Form zu einer existentiellen Belastung für den Beamten und seiner Familie führen können (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen Bd. 2 183. AL – Stand Juli 2020, Anm. 4 (1) zu § 49 Abs. 3 BayBhV; BayVGH, Beschluss v. 07.02.2018 – 14 ZB 17.1297, juris Rn. 10; VG München, Urteil v. 10.09.2015 – M 17 K 14.2666, juris Rn. 3). Für eine solche außergewöhnliche Ausnahmesituation, die vom Leistungskatalog der Beihilfeverordnung nicht abgedeckte Aufwendungen erfordert hat, bestehen im Falle des Klägers keine Anhaltspunkte. Eine solche hat der Kläger schon nicht behauptet, sondern sich lediglich auf den Ausschluss einer alternativen Behandlungsmöglichkeit seiner behandelnden Ärzte bezogen.
Auf die Frage, ob die Entscheidung nach § 49 Abs. 2 BayBhV von Amts wegen geboten ist (vgl. VG Würzburg, Urteil v. 25.03.2013 – W 1 K 12.815, juris Rn. 23) oder es sich hierbei um ein eigenes Verwaltungsverfahren (so VG Würzburg, Urteil v. 13.03.2013 – W 1 K 13.15, juris Rn. 23) mit Antragserfordernis durch den Kläger handelt, kommt es deshalb vorliegend nicht an.
Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt auch nicht, dass Aufwendungen in Krankheits- bzw. Pflegefällen durch ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden oder dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 30.04.2009 – 2 C 127/07; Urteil v. 10.6.1999 – 2 C 29/98). Der Beamte muss wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten (vgl. BayVGH, Beschluss v. 08.01.2007 – 14 ZB 06.2911).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.


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