Medizinrecht

Beschränkung einer Versammlung – Routenänderung

Aktenzeichen  10 CS 20.2655

Datum:
13.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32674
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 8
BayVersG Art. 15 Abs. 1, Art. 25
VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 4 S. 6, § 152 Abs. 1
GKG § 52 Nr. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Kollidiert die Versammlungsfreiheit mit dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, ist bei der Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erwägungen zur Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs können der Versammlung nur entgegen gehalten werden, wenn sie hinreichend konkret sind. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 S 20.2449 2020-11-13 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. In Abänderung von Ziffer I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. November 2020 wird die aufschiebende Wirkung der Klage (bzgl. der Routenänderung in Nr. 2.3.2.1 des angefochtenen Bescheids) angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt die Antragsgegnerin.
III. In Abänderung von Ziffer III. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. November 2020 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Änderung der Route der von ihm für den 13. November 2020 angemeldeten Versammlung mit dem Titel „Verkehrswende N* …“ durch die Antragsgegnerin weiter.
Der Antragsteller hatte mit Anzeige vom 17. Oktober 2020 eine Versammlung unter dem Thema „Verkehrswende N* …“ für den 13. November 2020 von 17:00 Uhr bis 20:00 Uhr in N* … angezeigt. Die Versammlung mit 500 Teilnehmern soll am K* …markt beginnen. Danach soll ein Fahrradumzug, unter anderem auch auf einer Teilstrecke des F* …wegs, stattfinden.
Mit Bescheid vom 11. November 2020 bestätigte die Antragsgegnerin die Anzeige. Gleichzeitig verfügte sie jedoch mehrere Beschränkungen. Insbesondere wurde die angezeigte Route in Nr. 2.3.2.1 des Bescheids so geändert, dass der F* …weg lediglich gekreuzt wird. Die Änderung der Versammlungsstrecke sei nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt worden, um die zur erwartenden erheblichen Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu verhindern und einen geordneten Verkehrsablauf zu gewährleisten. Die vom Antragsteller zuletzt vorgeschlagene Wegstrecke unter Einschluss des F* …wegs gefährde Rechte Dritter sowie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs unverhältnismäßig. Die Strecke führe über einen Abschnitt des F* …wegs, der dort über zwei innerstädtische Kreuzungen im Zentrum N* …s verlaufe. Der Abschnitt zwischen „An den R* …“ und der R* … Straße sei einer der am stärksten frequentierten Straßenabschnitte im Stadtgebiet mit überörtlicher Bedeutung und mit einem sehr hohen Lkw-Aufkommen. Zur Befahrung dieses Abschnitts müsse der Verkehr an mehreren Einmündungen zeitgleich gesperrt werden. Das Teilstück des F* …wegs sei einschließlich der Querung der Kreuzung R* … Straße 775 m lang. Die Versammlung erreiche das Teilstück im Dunkeln noch zu Zeiten des starken Feierabendverkehrs. Um eine Vermengung der Versammlungsteilnehmer mit den Kraftfahrzeugen zu verhindern und eine zügige Durchfahrt der Versammlungsteilnehmer zu gewährleisten müsse der Verkehr bereits so rechtzeitig vor Durchfahrt der Versammlungsteilnehmer gesperrt werden, dass sich der Stau vor den Ampeln bis zur Ankunft der Versammlungsteilnehmer aufgelöst habe. Insgesamt sei mit einer zeitgleichen Sperrung von sieben Einmündungen von mindestens einer halben Stunde Dauer zu rechnen. Nach summarischer Prüfung erscheine es in Abwägung zwischen den konkreten Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und dem Versammlungsrecht der Anmelder verhältnismäßig, die Versammlungsstrecke anstelle über das 750 m lange Teilstück des F* …wegs nur über das 75 m lange Kreuzungsstück auf der R* … Straße mit lediglich zwei kurzen Querungen zu führen. Auch so bestehe ein ausreichender Bezug zum Versammlungsthema, bei dem auch der geplante Ausbau des F* …wegs Inhalt sei.
Am 12. November 2020 erhob der Antragsteller Klage gegen die Änderung der Aufzugsroute beim Verwaltungsgericht Ansbach und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Mit Beschluss vom 13. November 2020 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Zwar sei von der Versammlung im Wesentlichen nur die Leichtigkeit des Verkehrs betroffen, diese überwiege aber die Versammlungsfreiheit. Das Interesse der Versammlungsteilnehmer auf größtmögliche Wahrnehmung sei auch durch die kürzere Versammlungsstrecke auf dem F* …weg ausreichend gewährleistet.
Der Antragsteller beantragt im Beschwerdeverfahren,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach aufzuheben und aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts habe zu Recht nur die Leichtigkeit des Straßenverkehrs als einen der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Belang herangezogen. Wenn aber eine halbstündige Sperrung einer Kreisstraße für eine Versammlung mit einem bloßen Verweis auf die Leichtigkeit des Verkehrs abgelehnt werde, komme dies einem generellen Verbot von derartigen Versammlungen gleich. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass die Nutzung des F* …wegs nicht nur der Erzeugung von Aufmerksamkeit für die Versammlung diene. Die Benutzung des F* …weges mit dem ökologisch verträglichen Verkehrsmittel „Fahrrad“ weise auf das Anliegen der Versammlung hin. Den Veranstaltern komme es darauf an, die Versammlung auch dort abzuhalten, wo Fahrrädern im Stadtverkehr sonst kein Platz eingeräumt werde.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie ergänzend auf einen Internetpost, in dem für die Versammlung auf einen „Streik“ hingewiesen werde. Dies lasse befürchten, dass die zeitliche Inanspruchnahme des F* …wegs deutlich länger dauern werde.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligte sich nicht am Verfahren.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage – wie hier (vgl. Art. 25 BayVersG) – keine aufschiebende Wirkung hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.
2. Gemessen daran führen die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe zu einer Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
a) Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage ist voraussichtlich begründet. Die Änderung der Versammlungsroute im angegriffenen Bescheid ist nach summarische Prüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (hierzu und zum Folgenden zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (stRspr, vgl. etwa BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 16).
Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 − 1 BvR 1190/90 − BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 54, 63). Insoweit gilt die Regel, dass kollektive Meinungsäußerungen in Form einer Versammlung umso schutzwürdiger sind, je mehr es sich bei ihnen um einen Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt (stRspr, vgl. BVerfG, U.v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 – BVerfGE 73, 206 – juris Rn. 102).
Gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
Der Schutz der „öffentlichen Sicherheit“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG umfasst die gesamte Rechtsordnung und damit auch straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs regeln (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1989 – 7 C 50/88 – BVerwGE 82, 34 – juris Rn. 15). Kollidiert die Versammlungsfreiheit mit dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, ist – wie auch sonst – eine Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz erforderlich. Wichtige Abwägungselemente sind dabei unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit der blockierten Tätigkeit Dritter, aber auch der Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Dritten und dem Protestgegenstand. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben (HessVGH, B.v. 30.10.2020 – 2 B 2655/20 – juris Rn. 5 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 24.10.2001 − 1 BvR 1190/90 − BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 64).
bb) Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben erweist sich Änderung der Versammlungsroute voraussichtlich als unangemessener Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Antragstellers.
Das Versammlungsthema „Verkehrswende N* …“ ist bereits für sich genommen ein Thema von überregional großer öffentlicher Bedeutung. Es ist eingebunden in die allgemeine Diskussion um die „Verkehrswende“ als Beitrag zu einer klimafreundlichen Politik. Allgemein wird als Verkehrswende der Prozess bezeichnet, Verkehr und Mobilität auf nachhaltige Energieträger, sanfte Mobilitätsnutzung und eine Vernetzung verschiedener Formen des Individualverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs umzustellen. Sie beinhaltet auch einen kulturellen Wandel, eine Umverteilung des öffentlichen Raums und eine Umleitung von Geldströmen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrswende; zu Elementen der Verkehrswerde etwa Umweltbundsamt, Verkehrswende für Alle, 2020, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/verkehrswende-fuer-alle.). Damit weist das Versammlungsthema einen unmittelbaren Bezug zur Nutzung des F* …wegs auf. Die Inanspruchnahme des zum Ausbau vorgesehenen Teilstücks einer der „wichtigsten Infrastruktureinrichtungen für den ganzen Großraum N* …“ (vgl. nur https://www.nuernberg.de/internet/soer_nbg/fsw_vorwort.html) zielt gerade auf die im Rahmen der Verkehrswende diskutierte Umverteilung des öffentlichen Raumes ab. Aufgrund dieses engen Bezugs zu einem die Öffentlichkeit wesentlich interessierenden Themas sind sowohl die Versammlung als solche als auch die gewählte Route in besonderer Weise schutzwürdig. Die von der Antragsgegnerin vorgesehene Alternativroute mit einer bloßen Querung des F* …wegs würde dem kommunikativen Anliegen der Versammlung gerade nicht in vergleichbarer Weise Rechnung tragen.
Dies vorangestellt überwiegt vorliegend die Versammlungsfreiheit des Antragsstellers das beeinträchtigte öffentliche Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs.
Der Senat kann aufgrund der nur möglichen summarischen Prüfung nicht erkennen, dass die Sperrung des F* …wegs zu Verkehrsgefahren führen wird, die die allgemeinen Verkehrsgefahren wesentlich erhöhen und den Versammlungsteilnehmern unmittelbar zugerechnet werden könnten. Weder die von der Antragsgegnerin besorgten Unfälle noch die Möglichkeit verkehrsrechtswidriger Wendemanöver von im Stau stehenden Autofahrern zeichnen sich so hinreichend konkret ab, dass sie als unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angesehen werden können. Hinzukommt, dass sich der Antragsteller rechtswidriges Verhalten Dritter nicht ohne Weiteres zurechnen lassen muss. Soweit in der Stellungnahme des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 11. November 2020 auf eine Beeinträchtigung der „wirksame(n) Aufgabenerfüllung benachbarter BOS, wie Feuerwehr und Rettungsdienst“ hingewiesen wird, ist dies für die Annahme einer unmittelbaren Gefahr nicht hinreichend konkret und substantiiert. Die Stellungnahme selbst spricht insofern nur davon, dass es zu einer nicht näher quantifizierten Verlängerung von Anfahrtszeiten kommen „könnte“. Entsprechendes gilt für den Hinweis auf mögliche Störmaßnahmen von Versammlungsteilnehmern, zumal das Polizeipräsidium den Veranstaltern in derselben Stellungnahme attestiert, dass frühere Versammlungen „geordnet und störungsfrei“ verlaufen seien.
Der Senat verkennt nicht, dass die Inanspruchnahme des F* …wegs durch die Versammlungsteilnehmer erhebliche Beeinträchtigungen der Leichtigkeit des Straßenverkehrs im Stadtgebiet der Antragsgegnerin und wohl auch darüber hinaus verursachen wird. Auch berechtigt die Versammlungsfreiheit als solche nicht ohne weiteres dazu, die von den Teilnehmern gewollte Verkehrswende ohne Rücksicht auf die Rechte Einzelner oder öffentliche Interessen gleichsam auf eigene Faust durchzusetzen. Solange die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums durch diese Art der Versammlung in Dauer und Frequenz überschaubar, d.h. insbesondere auf einen relativ kurzen Zeitraum von ca. 30 Minuten begrenzt bleibt, sind die damit einhergehenden Beeinträchtigungen im Hinblick auf den hohen Wert der Versammlungsfreiheit einerseits und die Bedeutung des Versammlungsthemas für die öffentliche Meinungsbildung andererseits in einer demokratischen Gesellschaft jedoch noch hinzunehmen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Veranstalter Sorge dafür tragen werden, dass der F* …weg von den Versammlungsteilnehmern zügig befahren und ohne vermeidbaren Zeitverzug wieder verlassen wird.
Soweit Antragsgegnerin und Verwaltungsgericht darauf verweisen, dass angesichts der Kürze der Zeit bis zum Versammlungsbeginn kaum mehr entsprechende verkehrspolizeiliche Vorkehrungen getroffen werden können, kann dieser Umstand vor dem Hintergrund der Bedeutung der Versammlungsfreiheit und der Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht einseitig zu Lasten des Antragsstellers gehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Streitwert war nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Nr. 2 GKG zu bestimmen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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