Medizinrecht

Beschwerde, Allgemeinverfügung, Verbot von (unangemeldeten) Versammlungen aus Gründen des Infektionsschutzes, Gefahrenprognose, Verhältnismäßigkeit

Aktenzeichen  10 CS 22.126

Datum:
17.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3881
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 13 Abs. 1, 15 Abs. 1
§ 28a Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 7 S. 1 i.V.m. Abs. 8 S. 1 letzter Halbsatz Nr. 3 IfSG

 

Leitsatz

§ 28a Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 8 Satz 1 letzter Halbsatz Nr. 3 IfSG ist so auszulegen, dass Versammlungsverbote nicht allein deswegen erlassen werden dürfen, weil jede Versammlung zwangsläufig zu infektionsschutzrechtlich unerwünschten Kontakten führt. Die Regelungen stehen jedoch Versammlungsverboten im Einzelfall nicht entgegen, wenn eine konkrete Gefahrenprognose ergibt, dass bei Durchführung der Versammlung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch absehbare Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus unmittelbar gefährdet ist und sich diese Gefahr nicht durch Beschränkungen im Sinne von § 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG auf ein vertretbares Maß reduzieren lässt.

Verfahrensgang

M 33 S 22.187 2022-01-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2022 (Az. M 33 S 22.187) wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2022, mit dem dieses dem Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die „Allgemeinverfügung vom 14. Januar 2022 zu Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen die Corona-Maßnahmen“ des Antragsgegners (Landratsamt Starnberg) (im Folgenden: Allgemeinverfügung) stattgegeben hat. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung untersagt in der Stadt Starnberg sowie in den Gemeindegebieten der Gemeinden Gilching, Gauting und Herrsching Versammlungen „im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen“ am 17. Januar 2022, „sofern die Anzeige und Mitteilungspflicht nach Art. 13 BayVersG nicht eingehalten ist“.
Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Wesentlichen darauf gestützt, dass erhebliche Zweifel an der Gefahrenprognose des Antragsgegners bestünden. Hinsichtlich der in den Bescheidsgründen aufgezählten Versammlungen sei weder von Vorfällen, die für ein „aufgeheiztes und emotionales Klima“ sprechen würden, noch von konkreten Verstößen gegen die allgemein bekannten, infektionsschutzrechtlich gebotenen Regeln berichtet worden. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass die Versammlungsteilnehmer einer Anordnung etwa zu Masken- bzw. Abstandspflicht nicht gefolgt oder eine Beschränkung auf eine stationäre Versammlung nicht hingenommen hätten. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass vorliegend keine im Vergleich zum verfügten Verbot milderen Mittel gleicher Eignung vorhanden seien.
Zur Beschwerdebegründung trägt der Antragsgegner vor, die streitgegenständliche Allgemeinverfügung sei formell rechtmäßig und hinreichend bestimmt. Der Versammlungsbehörde werde durch die bewusst unterlassenen Versammlungsanzeigen die Möglichkeit für einzelfallbezogene, differenzierte und angemessene Versammlungsbeschränkungen genommen. Jedenfalls überwiege bei einer Interessenabwägung das öffentlich Vollzugsinteresse.
Er beantragt,
den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2022 (Az. M 33 S 22.187) aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Akteninhalt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, auf das sich nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die Prüfung des Beschwerdegerichts beschränkt, erweist sich die streitgegenständliche Allgemeinverfügung des Antragsgegners voraussichtlich als rechtswidrig, sodass bei der im Rahmen einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen Abwägung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit überwiegt.
1. Art. 8 Abs. 1 des GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen (hierzu und zum Folgenden BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (stRspr, vgl. etwa BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 16).
Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, wobei solche Beschränkungen im Lichte der grundlegenden Bedeutung des Versammlungsgrundrechts auszulegen sind. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind daher nur zum Schutz gleichrangiger anderer Rechtsgüter und unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. BVerfG, B.v. 21.11.2020 – 1 BvQ 135/20 – juris Rn. 6). Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 − 1 BvR 1190/90 − BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 54, 63).
Dementsprechend kann die zuständige Behörde gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG eine Versammlung verbieten oder beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die öffentliche Sicherheit umfasst dabei die Unverletzlichkeit und den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen und Ehre des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und den Bestand der staatlichen Einrichtungen (BVerfG B. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 – BVerfGE 69, 315). Mit der Aufnahme von Versammlungsbeschränkungen in den Katalog möglicher Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) gemäß § 28a Abs. 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Wertung vorweggenommen, dass solche Beschränkungen grundsätzlich geeignet sind, Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner zu begegnen und einer Überlastung des Gesundheitssystems entgegenzuwirken (vgl. § 28 Abs. 3 Satz 1 IfSG; BayVGH, B.v. 31.1.2021 – 10 CS 21.323 – Rn. 17 ff.). Auf dieser Grundlage muss nach § 9 Abs. 1 Satz 1 15. BayIfSMV bei Versammlungen unter freiem Himmel zwischen allen Teilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt werden. Nach Satz 2 haben die gemäß Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden erforderlichenfalls sicherzustellen, dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein vertretbares Maß beschränkt bleiben. Diese Bestimmungen konkretisieren auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG im Hinblick auf die Zielsetzungen des § 28a IfSG (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2020 – 10 CS 20.2103 – juris Rn. 7).
2. Der Senat geht bei der aus Zeitgründen nur möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass vieles dafür spricht, dass Versammlungsverbote auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 BayVersG auch durch die aktuell geltenden Regelungen des IfSG nicht ausgeschlossen sind.
Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (vgl. OVGRhPf, B.v. 3.1.2022 – 7 B 10005/22.OVG – Pressemitteilung vom 3. Januar 2022 abrufbar unter https://ovg.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/eilantrag-gegen-verbot-von-montagsspaziergaengen-im-landkreis-suedliche-weinstrasse-erfolglos/; vgl. auch VG Düsseldorf, B.v. 7.1.2022 – 29 L 23/22 für ein auf § 28 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 7 CoronaSchVO NRW gestütztes Versammlungsverbot, abrufbar unter https://rewis.io/urteile/urteil/fdv-07-01-2022-29-l-2322/) Zweifel an der Möglichkeit eines Versammlungsverbots aus Gründen des Infektionsschutzes geäußert hat, teilt der Senat diese Zweifel nicht. Das Oberverwaltungsgericht nimmt an, nach dem Ende der durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite schließe § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG ausdrücklich die Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen als mögliche Schutzmaßnahme aus. Es spreche einiges dafür, darin eine infektionsschutzrechtliche Spezialregelung zu sehen, die eine Sperrwirkung gegenüber dem Versammlungsgesetz insoweit entfalte, als sie einen Rückgriff auf diese allgemeine versammlungsrechtliche Befugnis zum Erlass eines Versammlungsverbots bei einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die Verbreitung von COVID-19 jedenfalls grundsätzlich ausschließe. Wenn eine solche grundsätzliche Sperrwirkung zu bejahen sein sollte, würde sich die weitere Frage stellen, wie weit diese grundsätzliche Sperrwirkung reiche und ob nicht Ausnahmen von einem solchen Grundsatz zuzulassen seien. Eine Klärung dieser schwierigen Rechtsfragen müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Ungeachtet kompetenzieller Fragen (der Freistaat Bayern hat von seiner Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht mit Erlass des BayVersG abschließend Gebrauch gemacht, vgl. Art. 125a Abs. 1 GG), können § 28a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 7 Satz 1, Abs. 8 Satz 1 letzter Halbsatz Nr. 3 IfSG nach Auffassung des erkennenden Senats nicht so verstanden werden, dass Versammlungsverbote aus Gründen des Infektionsschutzes ausnahmslos unzulässig wären. Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber pauschale Versammlungsverbote aus Gründen des Infektionsschutzes nur noch bei einer formellen Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Reichweite im Sinne von § 5 Abs. 1 IfSG zulassen wollte (vgl. § 28a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 8 Satz 1 letzter Halbsatz Nr. 3 IfSG). Dass für Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG auch weiterhin Beschränkungen aus Gründen des Infektionsschutzes möglich sein sollen, ergibt sich jedoch aus den Verweisungen in § 28a Abs. 7 Satz 1 Nrn. 4 bis 6 und 8 auf § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG sowie aus der Gesetzesbegründung (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 8.11.2021, BR-Drs. 20/15 S. 29 ff.). Der Gesetzgeber geht demnach davon aus, dass auch von verfassungsrechtlich geschützten Versammlungen Infektionsgefahren ausgehen können, und erlaubt den zuständigen Behörden den Erlass von bindenden Regelungen für Versammlungen durch Verordnung, Allgemeinverfügung oder Einzelverwaltungsakt (Beschränkungen wie Maskenpflicht, Abstandsgebot, Teilnehmerobergrenze, Hygienekonzept und andere dem Infektionsschutz dienenden Maßgaben). Weder der Wortlaut des Gesetzes noch seine Entstehungs- oder Änderungsgeschichte lassen dabei einen Willen des Gesetzgebers erkennen, dass eine Missachtung solcher bindenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben für Versammlungen in dem Sinne sanktionslos bleiben müsste, dass eine Auflösung der Versammlung nach den jeweiligen Versammlungsgesetzen ausgeschlossen wäre.
Weiter stehen die bundesgesetzlichen Regelungen auch einem Versammlungsverbot nicht entgegen, das deswegen ausgesprochen wird, weil nach den erkennbaren, konkreten Umständen des Einzelfalls die Prognose gerechtfertigt ist, dass Beschränkungen der Versammlungen nicht geeignet sind, die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren zu verhüten, etwa weil deren systematische Missachtung zu befürchten ist. In solchen Fällen sind die Versammlungsbehörden auch nicht durch § 28a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 7 Satz 1, Abs. 8 Satz 1 letzter Halbsatz Nr. 3 IfSG gezwungen, sehenden Auges zuzuwarten, bis es zu einer infektiologisch relevanten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gekommen ist. Vielmehr dürfen sie solche Versammlungen zur effektiven Gefahrenabwehr auch weiterhin präventiv verbieten (vgl. insofern BayVGH, B.v. 16.1.2021 – 10 CS 21.166, BeckRS 2021, 787 Rn. 17, B.v. 19.9.2020 – 10 CS 20.2103 – juris Rn 10). Ein anderer Wille des Gesetzgebers ist weder dem Wortlaut noch der Entstehungs- oder Änderungsgeschichte des § 28a IfSG zu entnehmen. Insofern umschreiben die gesetzlichen Regelungen des IfSG im Ergebnis lediglich den – oben dargestellten – hergebrachten und im Verhältnismäßigkeitsprinzip verankerten Grundsatz, dass ein Versammlungsverbot nur die ultima ratio sein darf, wenn konkret absehbaren Gefahren nicht mit Beschränkungen bzw. deren Durchsetzung mit polizeilichen Mitteln effektiv begegnet werden kann.
§ 28a Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 8 Satz 1 letzter Halbsatz Nr. 3 IfSG ist nach alledem so auszulegen, dass Versammlungsverbote nicht allein deswegen erlassen werden dürfen, weil jede Versammlung zwangsläufig zu infektionsschutzrechtlich unerwünschten Kontakten führt (vgl. etwa BVerfG, B.v. 17.4.2020 – 1 BvQ 37/20 – juris Rn. 23 f.). Die Regelungen stehen jedoch Versammlungsverboten im Einzelfall nicht entgegen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch absehbare Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist (vgl. zur insoweit stRspr des Senats etwa BayVGH, Bv. 11.9.2020 – 10 CS 20.2063 – juris Rn. 8 m.w.N.) und sich diese Gefahr nicht durch Beschränkungen im Sinne von § 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG auf ein vertretbares Maß reduzieren lässt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn aufgrund des Versammlungsthemas, des zu erwartenden Teilnehmerkreises und weiterer Umstände des Einzelfalls konkret zu erwarten ist, dass solche Beschränkungen systematisch nicht beachtet werden.
3. Allerdings genügt die Gefahrenprognose des Antragsgegners, die der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung zu Grunde liegt, nicht den beschriebenen Anforderungen.
Anhand der im Bescheid geschilderten Erfahrungen mit früheren Versammlungen im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung kann der Senat nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, dass es bei jeder Form der Versammlung im Geltungsbereich der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung zu unmittelbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kommen wird. Den Schilderungen im Bescheid (S. 4) ist lediglich zu entnehmen, dass es in insgesamt vier Gemeinden zu nicht angezeigten Versammlungen mit zwischen 20 und 300 Teilnehmern gekommen ist. Dass dabei infektionsschutzrechtlich oder sonst relevante Gefahren entstanden wären, wird im Bescheid nicht aufgezeigt. Auch ist der Begründung nicht zu entnehmen, warum im konkreten Fall nicht mildere Mittel in Form von durch eine Allgemeinverfügung angeordnete und von der Polizei durchzusetzende Beschränkungen (Ort, Teilnehmerzahl, Abstands- und Maskenpflichten) in Frage gekommen sind. Die bloße Verletzung der Anzeigepflicht – soweit sie besteht – rechtfertigt jedenfalls für sich nicht das schematische Verbot einer Versammlung (BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 – BVerfGE 69, 315 – juris Rn. 74 f. – Brokdorf).
Die Beschwerdebegründung, die insofern lediglich pauschal geltend macht, die unterlassene Versammlungsanzeige mache es der Versammlungsbehörde unmöglich, einzelfallbezogene, differenzierte und angemessene Versammlungsbeschränkungen zu erlassen, ohne dies anhand der konkreten Umstände bei früheren Versammlungen im Geltungsbereich der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung zu erläutern, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Ob die Allgemeinverfügung bei einer entsprechenden Begründung rechtmäßig ergehen hätte können, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Gleiches gilt für die Rechtmäßigkeit vergleichbarer Allgemeinverfügungen im Geltungsbereich des BayVersG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für beide Instanzen beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, sieht der Senat keinen Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu mindern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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