Medizinrecht

Bild- und Tonbandaufnahmen oder -aufzeichnungen der Polizei anlässlich einer Versammlung

Aktenzeichen  W 5 K 15.396

Datum:
28.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 43
BayVersG Art. 9 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5, Art. 15 Abs. 5
VersG VersG § 12a
StPO StPO § 100h, § 170 Abs. 2
PAG Art. 32
GG GG Art. 8, Art. 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Bild- und Tonbandaufnahmen oder -aufzeichnungen sind Realakte, gegen die auch nach einer Versammlung die Feststellungsklage möglich ist. Sie können wegen ihrer einschüchternden Wirkung faktische Eingriffe in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) darstellen; auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) kann hierdurch beeinträchtigt sein. (redaktioneller Leitsatz)
Tatsächliche Anhaltspunkte, die das Anfertigen von Bild- und Tonbandaufnahmen oder -aufzeichnungenen nach Art. 9 Abs. 1 BayVersG im Rahmen einer Gefahrenprognose des aktuellen Versammlungsgeschehens rechtfertigen können, sind auch Vorkommnisse und Erkenntnisse der Behörden im Vorfeld einer Versammlung. Hierzu gehören etwa der Wortlaut des Aufrufs zu der Versammlung, das Verhalten der Veranstalter anlässlich eines Kooperationsgesprächs und ordnungs- bzw. strafrechtliche Ermittlungen gegen die Veranstalter im Zusammenhang mit früheren Versammlungen. Ob Ermittlungen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind, ist irrelevant, da hierdurch der Verdacht nicht beseitigt wird.    (redaktioneller Leitsatz)
Im Licht der Vorkommnisse der Vergangenheit können eigentlich nur als Ordnungswidrigkeit einzustufende Verhaltensweisen von Versammlungsteilnehmern (zB das Werfen von Flyern) aus Sicht der Polizei den Auftakt für weiteres, nicht versammlungskonformes und strafrechtlich relevantes Verhalten der Teilnehmer darstellen, was eine Gefahrenprognose gemäß Art. 9 Abs. 1 BayVersG rechtfertigt. Das Mitführen von Hunden auf einer Versammlung begründet dagegen schon als solches eine (erhebliche) Gefahr für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Versammlungsteilnehmer und Dritter; Hunde können auch als Waffe bzw. gefährliches Werkzeug eingesetzt werden. (redaktioneller Leitsatz)
Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Bild- und Tonbandaufnahmen oder -aufzeichnungen kommt es darauf an, ob sie anlassbezogen waren und nicht über das erforderliche Maß hinsichtlich Umfang und Zeitdauer hinaus erfolgen. Der durch keine Tatsachen belegte subjektive Eindruck von Versammlungsteilnehmern, permanent gefilmt zu werden und sich hierdurch gestört zu fühlen, resultiert aus der gesetzlichen Regelung, dass Bild- und Tonbandaufnahmen oder -aufzeichnungen nur offen vorgenommen werden dürfen. Das Verbot verdeckten Vorgehens dient aber gerade der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die anlässlich der Versammlung „Unsere Solidarität gegen eure Repression“ am 25. April 2015 in Würzburg gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen durch Polizeibeamte der Wasserschutzpolizeigruppe der Polizeiinspektion Würzburg Stadt waren rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechend).
1.
Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig.
Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellungsklage kann nicht begehrt werden, sofern der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) stellen keine Verwaltungsakte sondern Realakte dar. Diese können faktische Grundrechtseingriffe in das Recht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) wegen der möglichen Einschüchterungswirkung darstellen. Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) kann beeinträchtigt sein (Wächtler/Heinold/Merk, Bayerisches Versammlungsgesetz, 1. A., Art. 9 Rn. 10;). Hierdurch entsteht zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, nämlich die konkret streitige Frage, ob die Polizei berechtigt war, entsprechende Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen zu fertigen (OVG RP, U. v. 5.2.2015 – 7A10683/14; VGH Mannheim, U. v. 26.1.1998 – 1S3280/96 – NVwZ 98,761, Rn. 22, 28; VG Lüneburg, U. v. 30.3.2004, NVwZ-RR 2005, 248;). Dem steht nicht entgegen, dass es sich um polizeiliche Maßnahmen in der Vergangenheit handelt, da auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein können. Eine vorrangige sonstige Klage (§ 43 Abs. 2 VwGO) kommt vorliegend nicht in Betracht.
Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Fragen des Gerichts ausgeführt, dass er sich seit vielen Jahren gegen staatliche Repressionen in verschiedensten Bereichen wende, bereits ca. 15 Demonstrationen als Versammlungsleiter bzw. stellvertretender Versammlungsleiter durchgeführt habe und auch beabsichtige, in Zukunft Versammlungen durchzuführen. Seit der streitgegenständlichen Veranstaltung habe noch eine weitere Versammlung unter seiner Leitung stattgefunden. Er wolle deshalb geklärt haben, ob die Ton- und Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen rechtmäßig gewesen seien. Dass der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach als Versammlungsleiter aufgetreten ist, wurde auch von der Beklagtenseite bestätigt. Wegen des möglichen Grundrechtseingriffs und einer möglichen Wiederholungsgefahr ist deshalb vorliegend ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung anzuerkennen (Wächtler/Heinold//Merk, a. a. O., Art. 9 Rn. 53; BayVGH, U. v. 15.7.2008 – 10 BV 07.2143 – DÖV 08, 1006).
Auch die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) ist gegeben, da im Falle rechtswidriger Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen Eingriffe in die Grundrechte des Klägers (Art. 8, Art. 2 Abs. 1 GG) denkbar und möglich wären.
2.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die von den Polizeibeamten der Wasserschutzpolizeigruppe der Polizeiinspektion Würzburg Stadt (künftig: Polizei) anlässlich der Versammlung „Unsere Solidarität gegen eure Repression“ am 25. April 2015 in Würzburg angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen waren rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO entsprechend). Die Voraussetzungen für die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes – BayVersG – (v. 22.7.2008, GVBl, 421, zuletzt geä. durch VO v. 22.7.2014, GVBl, 286) anlässlich bestimmter Vorkommnisse im Verlauf der Versammlung lagen vor. Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen im Sinne des Art. 9 Abs. 2 BayVersG wurden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gefertigt. Nach zutreffender Gefahrenprognose der Polizei bestanden tatsächliche Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, dass von bestimmten Teilnehmern der Versammlung anlässlich bestimmter Vorkommnisse in deren Verlauf erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgingen. Die gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen waren deshalb rechtmäßig. Eine im Lichte des Art. 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit) relevante Störung der Versammlung konnte (deshalb) nicht festgestellt werden. Die fehlende (Verlaufs-)Dokumentation der Bild- und Tonaufzeichnungen gemäß Art. 9 Abs. 5 BayVersG führte nicht per se zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen. Die rechtmäßig gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen wurden innerhalb der Frist des Art. 9 Abs. 3 BayVersG ausgewertet und gelöscht. Eine weitere Verwendung konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen. Im Einzelnen:
2.1
Rechtsgrundlage der von der Polizei mit der Videokamera anlässlich der Versammlung am 25. April 2015 aufgenommenen Bild- und Tonaufzeichnungen war Art. 9 Abs. 1 BayVersG.
Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayVersG darf die Polizei bei oder im Zusammenhang mit Versammlungen Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Teilnehmern nur offen und nur dann anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 BayVersG). Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayVersG darf die Polizei Übersichtsaufnahmen von Versammlungen unter freiem Himmel und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nur offen und nur dann anfertigen, wenn dies wegen der Größe und Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich ist. Übersichtsaufnahmen dürfen aufgezeichnet werden, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von Versammlungen, von Teilen hiervon oder ihrem Umfeld erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG). Die Identifizierung einer auf den Übersichtsaufnahmen oder -aufzeichnungen abgebildeten Person ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Abs. 1 vorliegen. Die Polizei ist beweispflichtig für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen.
Die bundesrechtliche Regelung in § 12a des (Bundes-)Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) ist vorliegend nicht anwendbar. Seit dem Jahr 2006 (Föderalismusreform) liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht bei den Ländern (Art. 70 Abs. 1 GG). Der Freistaat Bayern hat durch Erlass des Bayerischen Versammlungsgesetzes hiervon Gebrauch gemacht, so dass dieses hier anwendbar ist.
Dass die Polizei anlässlich der Versammlung auf anderer Rechtsgrundlage gehandelt hätte, ist nicht erkennbar. Zwar bleiben nach Art. 9 Abs. 6 BayVersG die Befugnisse zur Erhebung personenbezogener Daten nach Maßgabe der Strafprozessordnung (StPO) und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) unberührt. Auch eine repressive, strafverfolgende Tätigkeit, deren Befugnisse in der Strafprozessordnung (z. B. Bildaufnahmen nach § 100h StPO) bzw. im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten geregelt sind, wäre deshalb bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Auch präventive Maßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Sicherheits- und Polizeirechts, geregelt im Polizeiaufgabengesetz (z. B. Datenerhebung in Form von Bildaufnahmen nach Art 32 PAG) bzw. dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG), wären denkbar. Die Regelungen im Bayerischen Versammlungsgesetz stellen jedoch spezielles Sicherheitsrecht dar. Soweit der sachliche, zeitliche und personelle Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes eröffnet ist, wird das allgemeine Polizei- und Sicherheitsrecht vom spezielleren Versammlungsrecht verdrängt (sog. „Polizeifestigkeit“ des Versammlungsrechts; VGH BW, U. v. 26.1.98 – 1S3280/96 Rn. 39; Wächtler/Heinold/Merk, a. A. O., Art. 9 Rn. 149). Auf Befugnisse nach den o. g. Gesetzen kann deshalb nur zurückgegriffen werden bei Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnungen außerhalb einer Versammlung (s. Art. 32 Abs. 5 PAG, der explizit auf Art. 9 BayVersG verweist), somit nach Beendigung oder Auflösung der Versammlung bzw. gegen einzelne Personen, nachdem diese von der Versammlung ausgeschlossen wurden (Art. 15 Abs. 5 BayVersG) und bei polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld einer Demonstration (BVerwG, B. v. 16.11.2010 – 6 B 58/10- juris; VG Lüneburg, U. v. 30.3.2004, NVwZ-RR 05,248; VG Frankfurt, U. v. 24.9.2014 – 5 K 659/14.F). Im vorliegenden Fall erfolgten die Bild- und Tonaufzeichnungen jedoch bei bzw. im Zusammenhang mit der Versammlung am 25. April 2015, so dass Art. 9 BayVersG (ausschließlich) anwendbar ist.
Es bestehen keine grundsätzlichen Einwände verfassungsrechtlicher Art gegen die Regelung des Bayerischen Versammlungsgesetzes. Nach Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) wird das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, gewährleistet. Dieses Recht kann für Versammlungen unter freiem Himmel nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden (Art. 8 Abs. 2 GG). Als ein solches, das Grundrecht einschränkendes Gesetz, ist auch das Bayerische Versammlungsgesetz zu sehen, das jedoch seinerseits „im Lichte des Art. 8 Abs. 1 GG“ anzuwenden ist (sog. „Wechselwirkungslehre“ des Bundesverfassungsgerichts). Das Bayerische Versammlungsgesetz entspricht (mittlerweile) den Vorgaben, die anlässlich seiner Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (B. v. 17.2.2009 – 1 BvR 2492/08 – juris) aufgestellt wurden und wurde durch Gesetzesänderungen im Jahr 2010 (Gesetz v. 22.4.2010, GVBl. S. 190) hieran angepasst.
2.2
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fertigte die Polizei während der Versammlung Bild- und Tonaufzeichnungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 BayVersG von bestimmten Versammlungsteilnehmern anlässlich bestimmter Vorkommnisse im Verlauf der Versammlung an. Kurzzeitige Bildaufzeichnungen wurden anlässlich der Zwischenkundgebung am Oberen Markt von Teilnehmern gefertigt, die Flyer in die Luft warfen und von Teilnehmern, die Hunde mitführten; des Weiteren wurden Tonaufzeichnungen von Teilnehmern mit Redebeiträgen anlässlich der Auftakt-, Zwischen- und Schlusskundgebung gefertigt. Keine Überzeugung konnte das Gericht davon gewinnen, dass auch Bildaufzeichnungen anlässlich des Hochhaltens eines Transparents gefertigt wurden. Auch Übersichtsaufnahmen oder -aufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 2 BayVersG wurden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht angefertigt.
2.2.1
Artikel 9 Abs. 1 BayVersG unterscheidet zwischen Bild- und Tonaufnahmen, somit die Erhebung personenbezogener Daten in Form von Bildern und/oder Tönen ohne gleichzeitige Speicherung (z. B. bei bloßer Echtzeitübertragung von Bildern und/oder Tönen in eine Einsatzzentrale zur Koordinierung eines Polizeieinsatzes) sowie Bild- und Tonaufzeichnungen, d. h. die Speicherung von Bild- und Tonaufnahmen. Die Zulässigkeit von Übersichtsaufnahmen, somit Bilder von einer Gruppe von Personen, die nicht mit dem Ziel der Individualisierung einzelner angefertigt werden und nur in Echtzeit übertragen und nicht gespeichert werden (Kamera-Monitor-Prinzip) regelt Art. 9 Abs. 2 BayVersG. Bei kleineren Versammlungsgruppen wird in der Regel davon auszugehen sein, dass Übersichtsaufnahmen im Sinne des Art. 9 Abs. 2 BayVersG wegen der „Größe“ im Einzelfall nicht mehr erforderlich sind (Wächtler/Heinold/Merk, a. a. O., Art 9 Rn. 28; VG Münster, U. v. 20.8.2008 – 1 K 1403/08 – juris; offen gelassen bei einer Versammlung von ca. 70 Personen). Die Aufzeichnung dieser Übersichtsaufnahmen und die (technisch mögliche) Identifizierung dort abgebildeter Personen ist dann nur unter den in Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG genannten Voraussetzungen zulässig.
2.2.2
Der Zeuge PHMZ … H., der zusammen mit seiner Kollegin PHM’in … W. die Versammlung begleitete und die Videokamera bediente, gab in der mündlichen Verhandlung an, seiner Schätzung nach seien deutlich mehr als 100 Personen bei der Versammlung gewesen. Die Versammlung sei mit ihrem Fortlauf angewachsen. Die Vorgabe für die Versammlung sei gewesen, in allgemeiner Art eine Dokumentation in Wort und Bild mit gegebenenfalls gerichtsverwertbaren Beweisen anzufertigen. Es habe während des Einsatzes keine Absprachen mit dem Polizeiführer (Herrn W.) gegeben, zu bestimmten Ereignissen aktiv zu werden. Das Betätigen der Videokamera sei seine eigene Entscheidung gewesen und dies habe sich auf die jeweilige Situation bezogen. Es habe bei dieser Versammlung grundsätzlich die Vorgabe gegeben, Redebeiträge aufzunehmen in Form von Tonaufnahmen. Die Tonaufnahmen seien mit der Videokamera gemacht worden. Es habe die technische Möglichkeit bestanden, das Bild abzuschalten und nur Tonaufzeichnungen zu fertigen. Zu diesem Zwecke stehe die Kamera auf dem Einbein-Stativ in Kopfhöhe. Es habe vereinzelt Bildaufnahmen mit der Videokamera gegeben, abhängig vom Verhalten der Teilnehmer, etwa beim Verdecken der Köpfe durch ein Transparent, oder als zu Beginn der Zwischenkundgebung am Oberen Markt diverse Flyer durch die Luft geflogen seien. Es sei dann ein Hinweis des Polizeiführers an den Versammlungsleiter erfolgt, dass diese Flyer wieder aufzuheben seien. Als am Oberen Markt Flyer in die Luft geworfen worden seien, habe er auf der Seite des am Oberen Markt befindlichen Bekleidungshauses … gestanden. Er habe von da aus eine Übersichtsaufnahme durchgeführt. Dies bedeute, dass er nicht die ganze Versammlung gefilmt habe, sondern die Teilnehmer, die die Flyer geworfen hätten. Zu diesem Zeitpunkt habe es noch keine Aufzeichnung der Tonbeiträge gegeben. Er sei dann auf die andere Seite zum Falkenhaus gewechselt. Dort seien dann auch die Redebeiträge aufgezeichnet worden. Es sei dort zu bedrängendem Verhalten durch die Teilnehmer gekommen. Die Teilnehmer seien nahe an ihn und seine Kollegen herangekommen und hätten Transparente hochgehalten. Er habe sich nicht provozieren lassen und habe die Kamera weiter auf dem Einbein-Stativ gehalten. Als die Situation zu bedrängend geworden sei, habe er zusammen mit der Kollegin den Standort gewechselt. Es seien ihnen dann immer die Teilnehmer mit dem Transparent hinterher gegangen. Er habe die Kamera nicht über das Transparent gehalten. Dies mache er nie. Im Bereich und zum Zeitpunkt der Zwischenkundgebung am Oberen Markt seien Hunde zu sehen gewesen. Er habe zunächst die Hunde bzw. die Teilnehmer mit den Hunden gefilmt und dann Kontakt mit der Einsatzleitung aufgenommen. Man sei übereingekommen, dass es schwierig sei, die Hunde den Versammlungsteilnehmern zuzuordnen. Möglicherweise gehörten diese auch zu Zuschauern. Es sei nur für Bruchteile von Minuten gefilmt worden. Es seien mehr als zwei Hunde gewesen, in jedem Fall keine Blindenhunde. Im weiteren Verlauf der Versammlung nach der Zwischenkundgebung seien von ihm keine Videoaufnahmen gemacht worden. Sie seien neben der Versammlung hergelaufen, die störungsfrei gewesen sei. Im Bereich der …-straße habe er dann Position auf der Mauer am Polizeigelände bezogen. Er sei dort aus der Versammlung heraus angesprochen worden. Es habe eine Beschwerde beim Einsatzleiter gegeben. Herr W. habe ihm dann gesagt, dass er die Position auf der Mauer verlassen solle. Er habe dann auf dem Gehweg mit dem Rücken zum Polizeigelände gestanden und habe Tonaufzeichnungen von der Abschlusskundgebung gefertigt. Er sei auf Anweisung des Einsatzleiters von der Mauer heruntergegangen. Erst danach seien Tonaufzeichnungen gestartet worden. Eine Verlaufsprotokollierung während der Versammlung sei nicht angefertigt worden.
2.2.3
Das Gericht wertet die Angaben des Zeugen H. als glaubwürdig. Der Zeuge schilderte offen und freimütig seine dienstlichen Vorgaben anlässlich der Versammlung, nämlich in allgemeiner Art eine Dokumentation in Wort und Bild mit gegebenenfalls gerichtsverwertbaren Beweisen anzufertigen, insbesondere die Vorgabe, Redebeiträge aufzunehmen in Form von Tonaufnahmen. Der Zeuge H. schilderte auch offen und freimütig die Anlässe und die näheren Umstände der gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen. Seine Angaben erschienen schlüssig und plausibel und entsprachen widerspruchsfrei dem Vorbringen des zuvor in seiner Abwesenheit informatorisch gehörten Einsatzleiters EPHK W. Dieser hatte angegeben, dass die Vorgabe an die beiden begleitenden Polizeibeamten bestanden habe, erhebliche Störungen und relevantes polizeiliches Einschreiten mit der Kamera aufzunehmen. Es habe hierbei nicht die Vorgabe gegeben, die gesamte Veranstaltung zu filmen. Er sei auch nicht permanent über Funk mit den beiden Polizeibeamten in Verbindung gestanden. Als am Oberen Markt Flyer in die Luft geworfen worden seien, habe er nur wenige Meter daneben gestanden. Er habe dann die Betroffenen angesprochen, dass dies nicht gehe, und diese hätten dann die Flyer auch wieder aufgesammelt. Er habe bei der Versammlung selbst nicht gefilmt und habe bei dem konkreten Anlass auch keine Hinweise an die Kollegen gegeben, dies zu filmen. Er sei später durch die Polizeibeamten informiert worden, dass dieser Vorgang gefilmt worden sei; ebenso, dass Aufnahmen von Teilnehmern mit Hunden gemacht worden seien. Es habe auch keine Anweisung von ihm gegeben, dass ein Polizeibeamter sich auf die Mauer vor dem Polizeigebäude anlässlich der Schlusskundgebung stellen solle. Nachdem ihn die Zeugin … W. angesprochen habe, sei er zu dem Beamten gegangen und habe gefragt, ob gefilmt werde und man habe ihm mitgeteilt, dass keine Aufnahmen gefertigt würden. Es habe lediglich eine Anweisung an die begleitenden Polizeibeamten gegeben, die Redebeiträge aufzunehmen.
Auch die Angaben der vom Kläger benannten Zeugen widersprechen diesen Angaben nicht. Der Zeuge … P., der anlässlich der Versammlung als Ordner tätig war, konnte sich lediglich erinnern, dass anlässlich der Abschlusskundgebung von ein oder zwei Polizisten eine Kamera hochgehalten wurde, konnte jedoch nicht genau sagen, ob gefilmt worden ist. Die Zeugin W. gab zunächst an, dass „an jeder Biegung eine Kamera auf die Gruppe gerichtet“ gewesen sei, konnte jedoch nicht sagen, ob dabei gefilmt wurde. Die Zeugin gab an, sie habe jedenfalls vor der Zwischenkundgebung am Falkenhaus „das Gefühl“ gehabt, von einer Kamera aufgenommen zu werden. Anlässlich des Zwischenstopps am Falkenhaus sei die Kamera auf die Teilnehmer gerichtet gewesen. Sie sei davon ausgegangen, dass in diesem Moment gefilmt wurde. Auch anlässlich der Schlusskundgebung, bei der die Zeugin den Polizeibeamten H. in der …-straße auf dem Mäuerchen vor dem Polizeigebäude mit der Kamera stehen sah, konnte sie nicht definitiv sagen, ob dabei gefilmt wurde. Die Zeugin gab an, sie sei zunächst zu Herrn H. gegangen und habe gefragt, warum ständig gefilmt werde. Dann sei sie zum Einsatzleiter, Herrn W., gegangen, der auf der gegenüberliegenden Seite der Straße gestanden habe. Dieser habe ihr gegenüber geäußert, es werde nicht ständig gefilmt. Herr W. sei dann zu den beiden anderen Polizisten gegangen, die Kamera sei dann runter genommen worden, ob gefilmt worden sei oder nicht, könne sie nicht sagen. Sie gehe jedoch davon aus, dass dann nicht mehr gefilmt wurde. Auch der Zeuge … K., der als Ordner an der Versammlung teilnahm, schloss lediglich aus dem Umstand, dass die Kamera von dem Polizeibeamten sichtbar gehalten wurde, dass Aufzeichnungen gefertigt wurden. Die vom Kläger benannten Zeugen leiteten somit aus dem Umstand, dass die Videokamera von dem Polizeibeamten H. offen – wie von Art. 9 Abs. 1 BayVersG vorgesehen – und auf die Versammlung gerichtet gehalten wurde, die Vermutung ab, es würden in diesem Moment Bildaufzeichnungen gefertigt und somit „permanent gefilmt“, ohne dies jedoch mit hinreichender Sicherheit bezeugen zu können. Zur Überzeugung des Gerichts war dies jedoch nicht der Fall, sondern die Bild- und Tonaufzeichnungen waren auf die o. g. Vorkommnisse beschränkt. Dass die Beteiligten im allseitigen Einvernehmen auf die weitere Zeugeneinvernahme der Zeugin PHM‘in … W. verzichteten, wertet das Gericht als Hinweis darauf, dass die Angaben des Zeugen H. von den Beteiligten ebenfalls als in sich stimmig, plausibel und glaubwürdig bewertet wurden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht deshalb davon aus, dass Bildaufzeichnungen i. S. d. Art. 9 Abs. 1 BayVersG (mit denknotwendiger vorheriger technischer Aufnahme von Bild und Ton) nur am Oberen Markt anlässlich der Zwischenkundgebung gefertigt wurden, als Flyer von Versammlungsteilnehmern in die Luft geworfen wurden und als Hunde im Zusammenhang mit der Versammlung festgestellt wurden. Tonaufzeichnungen wurden von allen Redebeiträgen anlässlich der Auftakt-, Zwischen- und Abschlusskundgebung gefertigt. Keine Überzeugung konnte das Gericht davon gewinnen, dass auch anlässlich des Hochhaltens eines Transparents bei der Zwischenkundgebung von der Polizei Bildaufzeichnungen gefertigt wurden. Zwar gab der Zeuge H. dies zunächst so an, der weitere Verlauf seiner Befragung ergab jedoch, dass er zu diesem Zeitpunkt lediglich Tonaufzeichnungen anfertigte. Auch konnte das Gericht keine Überzeugung davon gewinnen, dass von der Polizei anlässlich der Versammlung Übersichtsaufnahmen oder -aufzeichnungen im Sinne des Art. 9 Abs. 2 BayVersG angefertigt wurden. Zwar vermittelte der Klageerwiderungsschriftsatz des Beklagten zunächst einen anderen Eindruck und der Zeuge H., der anlässlich der Versammlung die Kamera bediente, gab in der mündlichen Verhandlung zunächst an, dass es vereinzelt Bildaufnahmen mit der Videokamera in Form von „Übersichtsaufnahmen“ bei den Vorkommnissen am Oberen Markt gegeben habe, abhängig vom Verhalten der Teilnehmer. Auf Nachfrage des Gerichts erläuterte der Zeuge jedoch dann, dass er anlässlich dieser Vorkommnisse nicht die ganze Versammlung gefilmt habe, sondern die Teilnehmer, die die Flyer geworfen hätten bzw. die Teilnehmer, die Hunde mitführten. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass entgegen der Bezeichnung keine Übersichtsaufnahmen bzw. -aufzeichnungen i. S. d. Art. 9 Abs. 2 BayVersG („zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes“) gefertigt wurden, sondern es sich jeweils um Bildaufzeichnungen von bestimmten Versammlungsteilnehmern anlässlich der jeweiligen Ereignisse nach Art. 9 Abs. 1 BayVersG gehandelt hat.
2.3
Die jeweils angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen von Teilnehmern anlässlich der genannten Ereignisse gemäß Art. 9 Abs. 1 BayVersG waren rechtmäßig, da tatsächliche Anhaltspunkte bestanden, die – vor dem Hintergrund einer zutreffenden Gefahrenprognose der Polizei – die Annahme rechtfertigten, dass von diesen Teilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgingen. Die Maßnahmen waren auch nicht unverhältnismäßig und auch die sonstigen Voraussetzungen für die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen gemäß Art. 9 Abs. 1 BayVersG lagen vor. Im Einzelnen:
2.3.1
Die Anfertigung der Bild- und Tonaufzeichnungen erfolgte bei bzw. im Zusammenhang mit der Versammlung, sie erfolgte offen und nicht verdeckt, somit für Betroffene erkennbar („Prinzip des offenen Visiers“). Adressaten der Maßnahme waren die Versammlungsteilnehmer, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Soweit der Zeuge H. im Zusammenhang mit der kurzfristigen Bildaufnahme von Versammlungsteilnehmern, die Hunde mitführten, ausführte, dass es bei der Zwischenkundgebung am Oberen Markt schwierig gewesen sei, die Hunde zuzuordnen und diese möglicherweise auch Zuschauern gehörten, weshalb nach kurzer Zeit die Bildaufnahmen abgebrochen wurden, waren – bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen – hier möglicherweise dritte Personen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 BayVersG unvermeidbar betroffen.
2.3.2
Unter öffentlicher Sicherheit wird der Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der Einrichtungen des Staates verstanden, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfGE 69, 315, 352; zitiert bei Wächtler/Heinold/Merk, a. a. O., Art. 15 Rn. 8). Unter öffentlicher Ordnung versteht man die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird, wobei die h. M. davon ausgeht, dass das Vorliegen einer erheblichen Gefahr, also einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut, beim Schutzgut der öffentlichen Ordnung nicht denkbar ist (verfassungskonforme Auslegung des Art. 9 BayVersG; Wächtler/Heinold/Merk, a. a. O., Art. 15 Rn. 13). Erforderlich ist somit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Diese besteht dann, wenn im konkret zu beurteilenden Einzelfall eine Sachlage gegeben ist, die bei ungehindertem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird. Eine erhebliche Gefahr ist eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut (Wächtler/Heinold//Merk, a. a. O., Art. 9 Rn. 20). Die Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten begründet im Hinblick auf das Gewicht des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Regel nicht die erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit (Wächtler/Heinold/Merk, a. a. O., Art. 4 Rn. 33, Art. 9 Rn. 23; VG Münster, U. v. 21.8.2009 – 1 K 1403/08 – juris). Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, sind beweiskräftige objektive Faktoren, aus denen unmittelbar auf das Vorliegen eines Sachverhalts geschlossen werden kann. Als Tatsachen gelten etwa Beobachtungen der Polizei, Hinweise aus der Bevölkerung oder das Ergebnis der Auswertung von Ermittlungsvorgängen. Gemäß Art. 9 Abs. 5 Satz 1 BayVersG sind die Tatsachen zu dokumentieren (Wächtler/Heinold/Merk, a. a. O., Art. 9 Rn. 30). Ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefahr vorliegen, unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung.
2.3.3
Im vorliegenden Fall bestanden solche tatsächliche Anhaltspunkte und die Gefahrenprognose der Polizei vor der Versammlung (aus der maßgeblichen „ex-ante-Sicht“) rechtfertigte nicht nur deren Anwesenheit bei der Versammlung selbst (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayVersG) sondern auch die streitgegenständlichen Bild- und Tonaufzeichnungen.
Ohne Zweifel wurde von der Polizei im Vorfeld der Versammlung eine Gefahrenprognose durchgeführt. Entgegen der Ansicht des Klägers waren bei der Versammlung nicht nur drei Polizeibeamte (Einsatzleiter EPHK W. sowie die Polizeibeamten PHMZ H. und PHM‘in W.) im Einsatz, sondern auch eine Einsatzeinheit der unterfränkischen Polizei (30 Personen) war disloziert bereitgestellt worden, was auf die seitens der Polizei erwartete Dimension von Problemen im Zusammenhang mit der Versammlung hinweist.
Die Ereignisse, die Anlass zu Bild- und Tonaufzeichnungen gaben, sind im Lichte der zutreffenden Gefahrenprognose zu bewerten. Zwar kann das Werfen von Flyern und das Mitführen von Hunden bei der Versammlung bei alleiniger und isolierter Betrachtung (zunächst) nur den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz bzw. wegen Verstoßes gegen Auflagen aus dem Bescheid der Stadt Würzburg vom 22.4.2015, Nr. 3.2.4, gemäß Art. 21 Nr. 6 BayVersG) erfüllen, und die Voraussetzung einer erheblichen Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut im Sinne des Art. 9 Abs. 1 BayVersG könnte bei Berücksichtigung des Gewichts des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit deshalb nur schwerlich gesehen werden. Eine differenzierte Betrachtung ist beim Mitführen von Hunden jedoch deshalb angebracht, da diese auch eine Gefahr für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Versammlungsteilnehmer und Dritter darstellen können, etwa wenn Hunde in Panik geraten. Auch können Hunde als Waffen bzw. gefährliches Werkzeuge von Versammlungsteilnehmern eingesetzt werden. Ein Teilnehmer, der einem Polizeibeamten mit einem Hund gegenübertritt, ist in der Übermacht. Zu Recht wurde deshalb von der Stadt Würzburg im Auflagenbescheid vom 22. April 2015 (Nr. 3.2.4) das Mitführen von Tieren, insbesondere Hunden, während der Versammlung untersagt, ausgenommen das Mitführen von Blindenführhunden. Dass Blindenhunde mitgeführt wurden, hat der Zeuge H. ausgeschlossen. Bezüglich des Mitführens von Hunden steht deshalb nicht nur ein Verstoß gegen den Auflagenbescheid der Stadt Würzburg vom 22. April 2015 im Raum und damit die Begehung einer Ordnungswidrigkeit, sondern auch eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Versammlungsteilnehmer oder Dritter. Inwieweit solche Gefahren auch durch das Herumliegen von Flyern mit der Gefahr des Ausrutschens gesehen werden können, kann dahingestellt bleiben, da vorliegend eine isolierte Betrachtung der zu den Bild- und Tonaufzeichnungen führenden Ereignisse nicht angebracht ist, sondern die Vorgänge im Zusammenhang mit den Erkenntnissen der Polizei und deren Gefahrenprognose im Vorfeld der Versammlung gesehen werden müssen.
2.3.4
Die seitens der Polizei mitgeteilten Vorkommnisse und Erkenntnisse im Vorfeld der Versammlung rechtfertigten in den genannten jeweiligen Situationen die gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen. Tatsächliche Anhaltspunkte für erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ergaben sich hierbei für die Polizei aus Erkenntnissen im Zusammenhang mit den Aufrufen zur Versammlung im Internet, insbesondere deren Wortlaut, den Erkenntnissen der Polizei anlässlich früherer Versammlungen („Nachttanz-Demo“ am 18.10.2014; Aktion an der Uni Würzburg am 11.11.2014; Kundgebung am Hofbräu-Gelände am 5.7.2013), insbesondere auch bezüglich des stellvertretenden Versammlungsleiters H. und dem Kläger selbst sowie dem Verlauf des Kooperationsgesprächs bei der Stadt Würzburg. Vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Anhaltspunkte stellten sich das Werfen von Flyern und das Mitführen von Hunden durch Teilnehmer der Versammlung nicht nur als bloße Ordnungswidrigkeiten dar, sondern aus Sicht der Polizei konnten diese Vorkommnisse auch jeweils der Auftakt für weiteres, nicht versammlungskonformes und strafrechtlich relevantes Verhalten der Teilnehmer sein; insbesondere waren Redebeiträge mit strafrechtlich relevanten Inhalten (Ehrverletzungen in Form von Beleidigungen, §§ 185 ff. StGB) zu erwarten.
Nach den unwidersprochenen Erkenntnissen der Polizei erfolgte der Aufruf zur streitgegenständlichen Versammlung im Internet durch die „Antifa-Bewegung“ auf der Internetpräsenz „links-unten.indymedia. org“ (Forum und Sprachrohr der Antifa Würzburg), unter der auch die Aufrufe zur „Nachttanz-Demo“ am 18. Oktober 2014 und zur Aktion bei der Universität Würzburg am 11. November 2014 erfolgt waren und durch den Sozialistisch Demokratischen Studierendenverband (SDS). In beiden Aufrufen wurde auf diese Vorkommnisse Bezug genommen. Nachvollziehbar ging die Polizei deshalb davon aus, dass die Teilnehmer der Versammlung dem „linken Spektrum“ zuzuordnen sein würden. Nach polizeilichen Erkenntnissen hatten sich bei der „Nachttanz-Demo“ am 18. Oktober 2014 mehrere Versammlungsteilnehmer widerrechtlich Zutritt in den Rohbau des Polizeidienstgebäudes Augustinerstraße/Ecke Wirsbergstraße verschafft und auf dem dortigen Dach auch Feuerwerkskörper gezündet. Ein entsprechendes Foto des Dienstgebäudes mit Feuerwerk war im Rahmen der Internetaufrufe zu der streitgegenständlichen Versammlung zu sehen. Insbesondere war der stellvertretende Versammlungsleiter … H. am 18. Oktober 2014 beim Verlassen des Rohbaus des Dienstgebäudes angetroffen worden und gegen ihn eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet worden. Die Strafverhandlung deswegen sollte am (Montag) 27. April 2015 sein und war einer der Gründe für die Versammlung am 25. April 2015. Nach den Erkenntnissen der Polizei hatte Herr H. vermummt an dieser Aktion teilgenommen und war bei dem Versuch, aus dem Gebäude zu flüchten, festgenommen worden. Bei ihm waren u. a. eine abgebrannte Signalfackel und eine Fahne mit der Aufschrift „Autonome Zentren statt Bullenwachen“ aufgefunden worden. Herr H., der von der Polizei eindeutig der Antifa-Szene zugeordnet wurde, war somit bereits im Zusammenhang mit versammlungsrechtlichen Verstößen in Erscheinung getreten. Des Weiteren wurde in den Internetaufrufen auf das Vorkommnis am 11. November 2014 an einem Bundeswehrstand an der Universität Würzburg Bezug genommen. An diesem Tag wurde ein Informationsstand der Bundeswehr aufgesucht und einer Studentin sowie einem Beschäftigten der Bundeswehr eine Mülltüte über den Kopf gezogen. Aufgrund dieses Vorfalls waren strafrechtliche Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Hausfriedensbruch eingeleitet worden. Auch der Kläger selbst ist nach Erkenntnissen der Polizei der linken Szene zuzuordnen und war bereits bei Versammlungen polizeilich in Erscheinung getreten. Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger Versammlungsleiter einer Kundgebung der Piratenpartei am 5. Juli 2013 am Hofbräu-Gelände Würzburg mit dem Thema: „Friedrich begrüßen und gegen Überwachung demonstrieren“ gewesen, die in der Gaststätte der Brauerei unter Beteiligung des damaligen Bundesministers Friedrich stattgefunden hatte. In deren Verlauf hatten sich mehrere Personen plötzlich maskiert und Plakate hochgehalten. Gegen den Kläger wurden strafrechtliche Ermittlungen u. a. wegen des Verdachts der Beleidigung geführt, weil er ein Schild mit der Aufschrift „Verfassungsfeind-Terrorist-Doppelagent“ und dem Bild des Ministers hochgehalten hatte. Die Personen waren von hinzugezogenen Polizeikräften aus dem Saal gebracht und die Identitäten festgestellt worden. Die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch und eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurden allerdings gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit im Sinne des Versammlungsgesetzes von der Staatsanwaltschaft Würzburg zurückgegeben. Herr H. war ebenfalls einer der an der Vermummung und Störaktion beteiligten Personen gewesen. Diese Erkenntnisse aus früheren Versammlungen und auch der Wortlaut des Aufrufs zur Antirepressionsdemo („USK-Rassist/innen den Weg freigeprügelt“, „die Polizei Nazischläger nicht verfolgt“, „sich die Staatsanwaltschaft Würzburg in übersteigertem Verfolgungsdrang gegen aktive Antifaschist/innen verliere“, „den WÜGIDA-Teilnehmern erfolgreich in den Weg gestellt“) waren Anhaltspunkte dafür, dass strafbare Handlungen in Form von Beleidigungen, Nötigungen (§§185, 240 StGB) insbesondere bei den Redebeiträgen und Gewalttätigkeiten zu erwarten waren. Maßgebliche tatsächliche Anhaltspunkte für die Gefahrenprognose ergaben sich auch aus dem Verlauf und den Erkenntnissen des Kooperationsgespräches bei der Stadt Würzburg am 21. April 2015. Nach den Auszügen aus den Kurzvermerken der Polizei vom 21./22. April 2015 und dem von der Stadt Würzburg dem Gericht übersandten Protokoll des Kooperationsgespräches (mit Anwesenheitsliste) war der stellvertretende Versammlungsleiter H. anwesend, nicht jedoch der Kläger selbst, der die Versammlung leiten sollte. Der stellvertretende Versammlungsleiter H. (zunächst von sieben Personen begleitet) und seine Unterstützer lehnten die Teilnahme eines Polizeibeamten der Kriminalpolizei/Staatsschutz (EKHK H. am Kooperationsgespräch ab. Dieser verließ daraufhin, um ein geordnetes Gespräch zu ermöglichen, freiwillig den Raum. Außerdem verließ kurze Zeit später einer der Unterstützer das Kooperationsgespräch, da er nicht bereit war, seinen Namen zu nennen. EPHK W., der ebenfalls am Kooperationsgespräch teilnahm, vermerkte hierzu, dass aufgrund der äußerst ablehnenden Haltung der sieben Vertreter/Unterstützer der Versammlungsleitung zunächst ein geordnetes Kooperationsgespräch nicht möglich war. Die Teilnahme von EKHK H. wurde strikt abgelehnt. Eine stichhaltige Begründung gab es nicht. EKHK H. und sein Tätigkeitsbereich waren offenbar diesem Personenkreis bekannt. Erst als dieser freiwillig den Besprechungsraum verließ, kam langsam ein Gespräch zustande. Die Stimmung blieb allerdings immer angespannt. Selbst nachdem EKHK H. den Raum verlassen hatte, weigerte sich einer der Unterstützer der Versammlungsleitung, auf Nachfrage des Leiters des Amtes für Bürgerrechte der Stadt Würzburg, Herrn Dr. Z., seinen Namen zu nennen und zog es vor ebenfalls den Raum zu verlassen. Herr H. beharrte darauf, dass die Schlusskundgebung in der von der Öffentlichkeit wenig geeigneten Wirsbergstraße und somit direkt neben dem Rohbau des neuen Dienstgebäudes der Polizei stattfinden sollte. Eine nachvollziehbare Begründung wollte Herr H. zunächst nicht nennen, schließlich erklärte er den gewählten Kundgebungsort mit der „Symbolträchtigkeit“ des Polizeigebäudes. Für den Einsatzleiter EPHK W. gingen vom Verlauf des Kooperationsgespräches „keine deutlichen Signale zur Entwarnung“ aus, dass mit nicht versammlungskonformen Aktionen (z. B. im Zusammenhang mit dem im Bau befindlichen Dienstgebäude der Polizei in der Augustinerstraße) nicht zu rechnen wäre.
2.3.5
Die genannten Gegebenheiten wurden vom Kläger nicht in Abrede gestellt sondern lediglich die hieraus gezogenen Bewertungen und Schlussfolgerungen der Polizei hinsichtlich des Verlaufs der streitgegenständlichen Versammlung bestritten. Bei objektiver Betrachtung und Gesamtbewertung aller Umstände, teilt das Gericht jedoch die Gefahrenprognose der Polizei, wonach aus der maßgeblichen „ex-ante-Sicht“ die konkrete Gefahr bestand, dass es bei der Versammlung am 25. April 2015 zu erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch strafrechtlich relevantes Verhalten von Versammlungsteilnehmern, nämlich in Form von Delikten wie Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Beleidigungen und Nötigungen u.ä., hätte kommen können. Insbesondere die Teilnahme des bereits anlässlich von Versammlungen negativ in Erscheinung getretenen stellvertretenden Versammlungsleiters H. und dessen Verhalten beim Kooperationsgespräch bei der Stadt Würzburg waren geeignet, diese Prognose zu erhärten. Auch die Umstände, dass der stellvertretende Versammlungsleiter auf einer Abschlusskundgebung in der Nähe des im Umbau befindlichen Polizeigebäudes Augustinerstraße/Ecke Wirsbergstraße bestand, in dem dieser bereits anlässlich der „Nachttanz-Demo“ am 18. Oktober 2014 mit strafrechtlich relevanten Delikten in Erscheinung getreten war und die Versammlung u. a. auch der Meinungskundgabe hinsichtlich der für Montag, den 27. April 2015, stattfindenden Strafverhandlung dienen sollte, waren geeignet, die konkreten Befürchtungen zu bestärken. Hinweise auf Redebeiträge beleidigenden Inhalts ergaben sich auch daraus, dass bei Herrn H. im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen eine Fahne mit der Aufschrift „Autonome Zentren statt Bullenwachen“ aufgefunden worden war und auch der Kläger selbst als Versammlungsleiter bei der Kundgebung der Piratenpartei am 5. Juli 2013 am Hofbräu-Gelände in Würzburg mit einem Schild beleidigenden Inhalts hinsichtlich des damaligen Ministers Friedrich („Verfassungsfeind-Terrorist-Doppelagent“) nunmehr die Versammlung leiten sollte. Auch die militante Sprache in den Internetaufrufen zu der geplanten Versammlung und die Bezugnahme auf das Vorkommnis am 11. November 2014 an einem Bundeswehrstand der Uni Würzburg, welches strafrechtliche Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Hausfriedensbruch nach sich zog, ließen keinen friedlichen und versammlungskonformen Verlauf der Versammlung und bei den Redebeiträgen beleidigende und damit ehrverletzende Inhalte für dritte Personen erwarten.
2.3.6
Die Einwände des Klägers greifen nicht durch. Die von der Polizei dargestellten tatsächlichen Anhaltspunkte, die ihrer Gefahrenprognose zugrunde lagen, wurden vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Die Einwände, es hätten noch keine rechtskräftigen Urteile vorgelegen bzw. strafrechtliche Ermittlungen seien nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, sind nicht durchschlagend, da es für die Gefahrenprognose maßgeblich auf Anhaltspunkte im Vorfeld der Versammlung ankommt und auch die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO den strafrechtlichen Verdacht nicht völlig beseitigt, was die Abgabe zur Verfolgung als Ordnungswidrigkeiten zeigt. Auch dem Einwand des Klägers, dem Aufruf zur Versammlung seien keine strafrechtlich relevanten Wortlaute zu entnehmen und im Vorfeld habe es keinerlei Hinweise und Anzeichen dafür gegeben, dass Reden mit strafbaren Inhalten zu erwarten gewesen wären, kann das Gericht nicht beipflichten. Die oben dargestellten Inhalte widerlegen dies. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass er möglicherweise keinen Einfluss darauf hat, wer konkret zu der Versammlung aufruft bzw. sich diesem Aufruf anschließt, es hätte jedoch dann dem Kläger oblegen, sich von Hinweisen auf einen möglicherweise nicht versammlungskonformen Verlauf der Versammlung eindeutig zu distanzieren. Dass dies geschehen wäre, hat der Kläger weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
2.3.7
Bei Zugrundelegung der zutreffenden Gefahrenprognose stellten sich die Ereignisse während der Versammlung, anlässlich deren Bildaufzeichnungen gefertigt wurden, nämlich als Versammlungsteilnehmer am Oberen Markt Flyer in die Luft warfen und Teilnehmer Hunde mit sich führten, nicht mehr nur als eine bloße Ordnungswidrigkeiten dar, sondern aus Sicht der Polizei konnte dieser Vorfall auch der Auftakt für nicht versammlungskonformes und strafrechtlich relevantes Verhalten sein. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Polizei mit Beginn dieser Aktionen auch begann, Bildaufzeichnungen von den jeweiligen Teilnehmern zu fertigen. Auch die Tonaufzeichnungen der Redebeiträge, die vor dem Hintergrund der Gefahrenprognose beleidigende Inhalte erwarten ließen, waren zur Abwehr von Gefahren für erhebliche Rechtsgüter (Ehrverletzungen) nach Art. 9 Abs. 1 BayVersG gerechtfertigt. Dass letztlich die Versammlung friedlich verlaufen ist, auch kein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt wurde und die Polizei im Nachhinein auch von einer Verfolgung wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Versammlungsgesetz absah, weil aus ihrer Sicht keine relevanten Auflagenverstöße vorgelegen hatten, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der Bild- und Tonaufzeichnungen nicht relevant, da es für deren Rechtfertigung auf die Gefahrenprognose im Vorfeld ankommt.
2.4
Die Bild- und Tonaufzeichnungen waren auch im Übrigen verhältnismäßig. Wie bereits oben dargestellt, erfolgte kein „permanentes“ Filmen sondern die Bild- und Tonaufzeichnungen waren anlassbezogen und erfolgten nicht über das erforderliche Maß hinsichtlich Umfang und Zeitdauer hinaus. Nach unwidersprochenem Vortrag wurden die Bildaufzeichnungen der die Flyer werfenden Teilnehmer nach kurzer Zeit abgebrochen, nachdem diese auf ihr Fehlverhalten angesprochen worden waren und die Flyer wieder einsammelten. Auch die Bildaufzeichnungen von Teilnehmern, die Hunde mitführten, wurden nach kurzer Zeit („Bruchteilen von Minuten“) abgebrochen, nachdem sich anlässlich der Zwischenkundgebung nicht eindeutig klären ließ, ob die Hunde möglicherweise Zuschauern zuzuordnen waren. Dass die vom Kläger benannten Zeugen (insbesondere die Zeugin W. und der Zeuge K.) den Eindruck bzw. das Gefühl „permanenten“ Filmens hatten und sich hierdurch gestört fühlten, ist Folge der gesetzlichen Regelung, wonach Bild- und Tonaufzeichnungen nur offen und nicht verdeckt vorgenommen werden dürfen. Dass sich Teilnehmer möglicherweise durch die bloße Anwesenheit einer Videokamera eingeschüchtert fühlen können, ist angesichts der gesetzlichen Regelung hinzunehmen (Art. 8 Abs. 2 GG).
Auch der Umstand, dass drei Polizeibeamte die Versammlung begleiteten und der Polizeibeamte H. dabei eine Videokamera mitführte, ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Anwesenheit von Polizeikräften bei Versammlungen regelt Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayVersG. Danach haben Polizeibeamte das Recht auf Zugang und auf einen angemessenen Platz bei Versammlungen unter freiem Himmel, wenn dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Der Schutz höherer Rechtsgüter aufgrund einer Gefahrenprognose kann eine solche Rechtfertigung sein, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gewicht des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu beachten ist. Die Anwesenheit der Polizei an sich und die Anzahl der Polizeibeamten muss deshalb in Relation zur Anzahl der Versammlungsteilnehmer stehen, um eine einschüchternde, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit möglicherweise beeinträchtigende Wirkung zu vermeiden (Wächtler/Heinold/Merk, a. a. O., Art. 4 Rn. 33).
Im vorliegenden Fall kann der Einsatz von drei Polizeibeamten bei der Versammlung, bei zunächst erwarteten ca. 40 Teilnehmern (nach Schätzungen der befragten Zeugen war – zumindest zeitweise – von bis zu 150 Teilnehmern auszugehen) angesichts der Gefahrenprognose als angemessen angesehen werden. Die disloziert bereitgestellte Einsatzeinheit der unterfränkischen Polizei war insofern nicht als bei der Versammlung anwesend zu betrachten und war offenbar weder vom Kläger noch von den Versammlungsteilnehmern bemerkt worden. Eine Einschüchterungswirkung oder Störung der Versammlung konnte deshalb hiervon nicht ausgehen.
Dass Teilnehmer die Versammlung wegen der Anwesenheit der Polizei mit einer Videokamera bzw. deren Einsatz mit Bild- und Tonaufnahmen anlässlich bestimmter Situationen verlassen hätten und die Versammlung hierdurch beeinträchtigt gewesen wäre, konnte das Gericht nicht feststellen. Die in der mündlichen Verhandlung befragten Zeugen gaben übereinstimmend an, dass die Versammlung zunächst an Teilnehmerumfang zunahm. Der Zeuge … P. gab an, dass nach seiner Einschätzung ca. 50-100 Personen an der Versammlung teilnahmen. Zunächst seien es etwas weniger Personen gewesen, beim Laufen seien es dann mehr Personen geworden, ebenso bei den Kundgebungen. Vor dem Falkenhaus seien es mehr Personen gewesen, beim Polizeipräsidium dann wieder weniger Personen. Als Grund dafür, dass Personen die Versammlung wieder verließen, gab der Zeuge an, er könne hierüber nur spekulieren, genau wisse er es jedoch nicht. Soweit der Zeuge auf Fragen des Beklagtenvertreters angab, dass es am Ende der Versammlung unzufriedene Stimmen und Tumulte gegeben habe, weil Personen von der Polizei „zur Seite geschoben“ worden seien, waren offensichtlich nicht die gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen hierfür Anlass, sondern der Umstand, dass die Polizei am Ende der Veranstaltung verkehrsregelnd tätig wurde. Der Kläger selbst gab in der mündlichen Verhandlung an, es habe aus seiner Sicht bei der Abschlussveranstaltung eine gefährliche Situation gegeben, weil Verkehr um sie herumgeflossen sei. Der Zeuge K., äußerte zwar, dass er den Eindruck gewonnen hatte, dass sich Teilnehmer durch die Kamera gestört gefühlt hätten und schloss dies aus dem Umstand, dass einige Male von Versammlungsteilnehmern geäußert worden sei, die Kamera abzuschalten. Bezüglich des Umfangs der Versammlung schätzte der Zeuge die Teilnehmerzahl jedoch zwischen 100 – 150 Teilnehmer und gab an, es seien „mal mehr, mal weniger“ gewesen und bei der Kundgebung am Oberen Markt sei schwer abzuschätzen gewesen, wer Teilnehmer und wer Zuschauer gewesen sei. Auch der Zeuge H. schätzte, dass mehr als 100 Personen bei der Versammlung gewesen seien und gab an, dass die Versammlung mit ihrem Fortlauf angewachsen sei. Eine relevante Beeinträchtigung der Versammlung dergestalt, dass sich Teilnehmer wegen der angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen veranlasst gesehen hatten, die Versammlung zu verlassen, konnte das Gericht deshalb nicht feststellen.
2.5
Der Umstand, dass Gründe für die Anfertigung der Bild- und Tonaufzeichnungen nicht gemäß Art. 9 Abs. 5 BayVersG fortlaufend dokumentiert wurden, machte die Maßnahmen nicht per se rechtswidrig. Die Dokumentationspflicht nach Art. 9 Abs. 5 BayVersG dient dazu, die Nachprüfbarkeit der Gefahrenprognose im Nachhinein zu ermöglichen. Erforderlich ist eine detaillierte Einsatzdokumentation. Die Dokumentationspflicht besteht während des Einsatzes, d. h., es ist ein „Verlaufsprotokoll“ mit genauer Zeitangabe zu erstellen (Wächtler/Heinold/Merk, a. a. O., Art. 9 Rn. 48, 53). Auch wenn dieser Verpflichtung seitens der Polizei hier nicht nachgekommen wurde, führt dies jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme, da es sich bei Art. 9 Abs. 5 BayVersG lediglich um eine Formvorschrift für die Dokumentation von Aufzeichnungsgründen im Interesse einer ggf. nachfolgenden gerichtlichen Überprüfung der Datenspeicherung handelt (Welsch/Bayer, 2012, Bayerisches Versammlungsgesetz, Rn. 405; die Vorschrift des § 12a VersG enthält keine entsprechende Regelung) mit der Folge, dass im Falle der Unaufklärbarkeit bestimmter Umstände, dies zulasten der Polizei gewertet werden kann.
3.
Die gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen wurden auch rechtzeitig ausgewertet und gelöscht. Anhaltspunkte dafür, dass die Aufzeichnungen einer weiteren Verwendung zugeführt worden wären, bestehen nicht.
Nach Art. 9 Abs. 3 BayVersG sind die nach Abs. 1 angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen nach Beendigung der Versammlung unverzüglich auszuwerten und spätestens innerhalb von zwei Monaten zu löschen, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung ( Art 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayVersG) oder im Einzelfall zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, weil die betroffene Person verdächtig ist, Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung vorbereitet oder begangen zu habe, und deshalb zu besorgen ist, dass von dieser Person erhebliche Gefahren für künftige Versammlungen ausgehen (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayVersG). Soweit die Identifizierung von Personen auf Bild- und Tonaufzeichnungen für Zwecke nach Satz 1 Nr. 2 nicht erforderlich ist, ist sie technisch unumkehrbar auszuschließen (Art. 9 Abs. 3 Satz 2 BayVersG). Bild- und Tonaufzeichnungen, die aus den ins Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Gründen nicht gelöscht wurden, sind spätestens nach Ablauf von 6 Monaten seit ihrer Entstehung zu löschen, es sei denn, sie werden inzwischen zur Verfolgung von Straftaten nach Satz 1 Nr. 1 benötigt (Art. 9 Abs. 3 Satz 3 BayVersG). Nach Art. 9 Abs. 5 Satz 1 BayVersG sind die Gründe für die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen nach Abs. 1 und für ihre Verwendung nach Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 zu dokumentieren.
Nach den Angaben des Zeugen H. wurden die Bild- und Tonaufzeichnungen von ihm in Absprache mit dem Polizeiführer am darauffolgenden Montag (27.4.2015) gelöscht und dies von ihm im Einsatzprotokoll vermerkt. Das Gericht hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln und auch seitens der Beteiligten wurden hierfür keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Die Bild- und Tonaufzeichnungen der Polizei im Zusammenhang mit der Versammlung am 25. April 2015 waren deshalb insgesamt nicht zu beanstanden und die Klage konnte keinen Erfolg haben.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt
(§ 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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