Medizinrecht

Corona-Pandemie (“5. Welle”): Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten sowie 3G- und 2G-Zugangsbeschränkungen für geschlossene Räume

Aktenzeichen  3 EN 115/22

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2022:0330.3EN115.22.00
Normen:
§ 28 Abs 1 IfSG
§ 28a Abs 10 IfSG
§ 32 IfSG
§ 2 Abs 2 CoronaVInfSchV TH
§ 15 CoronaVInfSchV TH
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Spruchkörper:
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Leitsatz

Die auf § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 10 Satz 3 IfSG i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 und 5 IfSG a. F. beruhenden Grundrechtseinschränkungen sind vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen kritischen Infrastruktur als Gemeinwohlbelang von überragender Bedeutung voraussichtlich gerechtfertigt.(Rn.35)
(Rn.38)
(Rn.44)
(Rn.47)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung einzelner Bestimmungen der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung.
Der Antragsteller ist Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens im Bereich der Kunststofftechnik. Nach eigenen Angaben ist er nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft, aber seit etwas mehr als drei Monaten von einer Infektion mit dem Virus genesen.
Am 18. März 2022 erließ der Antragsgegner in Ablösung vorhergehender infektionsschutzrechtlicher Verordnungen die Thüringer-SARS-CoV-2-Infektions schutz-Maßnahmenverordnung (GVBl. S. 135).
Am 21. Februar 2022 hat der Antragsteller beim Thüringer Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag betreffend verschiedene Regelungen der ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO vom 7. Februar 2022 gestellt (Az.: 3 N 114/22). Gleichzeitig hat er um den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – diese Regelungen betreffend nachgesucht.
Nach mehrfacher Änderung seiner Anträge wendet sich der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. März 2022 zuletzt gegen folgende Bestimmungen der ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO vom 18. März 2022:
 „§ 2 Anwendungsvorrang, Begriffsbestimmungen und Ausnahmen
 (…)   
 (2) Im Sinne dieser Verordnung
  (…) 
 9. ist eine geimpfte Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises ist,
 10. ist ein Impfnachweis ein Nachweis nach § 22a Abs. 1 IfSG,
 11. ist eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,
 12. ist ein Genesenennachweis ein Nachweis, der den inhaltlichen Vorgaben des § 22a Abs. 2 IfSG entspricht,
 (…)   
 § 15 Arbeitgeber, Beschäftigte und sonstige tätige oder beauftragte Personen
 Arbeitsstätten,
 1. in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können und
 2. für die eine Zugangsbeschränkung nach § 18 Abs. 1 und 2 besteht,
 dürfen Arbeitgeber, Beschäftigte und sonstige tätige oder beauftragte Personen, die weder geimpfte Personen noch genesene Personen sind, nur betreten, wenn sie mindestens einmal pro Kalenderwoche, in der sie zur Beschäftigung eingeteilt sind oder tätig werden, den Nachweis eines negativen Testergebnisses auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nach § 4 Abs. 1 oder 3 erbringen oder vorlegen. § 14 Abs. 5 gilt entsprechend.
 § 16 Hygienekonzepte, verantwortliche Person
 (…)   
 (3) Durch die verantwortliche Person sind die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und die arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten und umzusetzen sowie die Anwendung der Hygienekonzepte nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 sicherzustellen. Durch die verantwortliche Person ist zu gewährleisten:
 1. der Ausschluss von Personen mit erkennbaren Symptomen einer COVID-19-Erkrankung,
 2. die Ausstattung der Örtlichkeit der Zusammenkunft oder des Standorts mit ausreichenden Möglichkeiten zur guten Belüftung,
 3. die Bereitstellung von Desinfektionsmittel,
 4. eine aktive und geeignete Information der anwesenden Personen über allgemeine Schutzmaßnahmen;
 Satz 2 Nr. 1 gilt nicht für betreute oder behandelte Personen in Einrichtungen und Angeboten nach § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 sowie für Bewohner von Einrichtungen nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und sonstigen Massenunterkünften. Die verantwortliche Person muss in Bereichen mit Publikumsverkehr zusätzlich
 1. in Zugangs-, Abgangs- und Wartebereichen, insbesondere an Kassen und Warenausgaben, gut sichtbare Abstandsmarkierungen anbringen,
 2. Ansammlungen, insbesondere Gruppenbildungen und Warteschlangen, verhindern, bei denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann,
 3. die Beachtung der Infektionsschutzregeln ständig überprüfen und bei Zuwiderhandlungen unverzüglich Hausverbote aussprechen.
 (4) Hygienekonzepte nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 müssen mindestens enthalten:
 1. die Kontaktdaten der verantwortlichen Person nach Absatz 2,
 2. Angaben zur genutzten Raumgröße in Gebäuden,
 3. Angaben zur begehbaren Grundstücksfläche außerhalb geschlossener Räume,
 4. Angaben zur raumlufttechnischen Ausstattung,
 5. Maßnahmen zur regelmäßigen Be- und Entlüftung,
 6. Maßnahmen zur weitgehenden Gewährleistung des Mindestabstands,
 7. Maßnahmen zur angemessenen Beschränkung des Publikumsverkehrs.
 (5) Weitere Festlegungen zur Ausgestaltung der Hygienekonzepte, für geeignete Fallgruppen auch in Form von Musterhygienekonzepten, bleiben der obersten Gesundheitsbehörde oder den weiteren obersten Landesbehörden jeweils im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im Einvernehmen mit der obersten Gesundheitsbehörde vorbehalten. Die oberste Gesundheitsbehörde veröffentlicht auf ihrer Internetseite[1] entsprechende Hinweise.
 (…)   
 § 18 Weitere Zugangsbeschränkungen
 (1) Die 3G-Zugangsbeschränkung gilt in geschlossenen Räumen oder Fahrzeugen
 1. bei der Durchführung von öffentlichen, frei oder gegen Entgelt zugänglichen Veranstaltungen,
 2. von Gaststätten im Sinne des Thüringer Gaststättengesetzes, einschließlich Bars, Kneipen und Cafés, mit Ausnahme der Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen und Getränke,
 3. von Schwimm-, Freizeit- und Erlebnisbäder, Thermen und Saunen,
 4. bei Angeboten des Freizeitsports,
 5. von Fitnessstudios, Tanzschulen und jeweils ähnlichen Einrichtungen,
 (…)   
 (2) Die Anwendung der 2G-Zugangsbeschränkungen gilt in geschlossenen Räumen oder Fahrzeugen
 1. von Diskotheken, Tanzklubs, sonstigen Tanzlustbarkeiten und vergleichbaren Angeboten,
 (…)“ 
Zur Begründung beruft sich der Antragsteller darauf, dass die streitgegenständlichen Bestimmungen nicht auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruhten. So liege im Hinblick auf die für die streitgegenständlichen Bestimmungen herangezogene Rechtsgrundlage des § 28 des Infektionsschutzgesetzes – IfSG – ein evidenter Verstoß gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes – GG – vor, weil diese lediglich das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, nicht jedoch das durch die Impfungen bzw. den unzulässigen Impfzwang ebenfalls beeinträchtigte Grundrecht auf Leben förmlich zitiere. Zudem sei die Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung rechtswidrig. Mit Blick auf Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG könne die Landesregierung als Kollegialorgan nach einer Weiterübertragung der Zuständigkeit auf eine andere öffentliche Stelle nicht mehr selbst als Verordnungsgeber tätig werden. Darüber hinaus sei die Verordnung aber auch materiell rechtswidrig. Die streitgegenständlichen Regelungen seien unverhältnismäßige Eingriffe in seine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG und benachteiligten ihn durch wissenschaftlich nicht haltbare Annahmen, wie z. B. den auf drei Monate beschränkten Genesenenstatus, unzulässig gegenüber geimpften Personen und gegenüber Personen, die weder genesen noch geimpft seien.
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
„§ 15, § 16 Abs. 3 bis 5, § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 und Abs. 2 Nr. 1 der Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 18.03.2022, jeweils i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 9 bis 12, verletzen nach vorläufiger Prüfung die Grundrechte des Antragstellers u. a. aus Art. 2 Abs. 1 GG, aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus Art. 12 Abs. 1 GG und werden vorläufig außer Vollzug gesetzt.“
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat dem zuletzt gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, soweit er bislang nicht streitgegenständliche Bestimmungen der ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO betrifft, widersprochen. Im Übrigen ist er dem Vortrag entgegengetreten.
Der Senat hat das Verfahren betreffend den Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung verschiedener Regelungen der ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO und der ThürSARS-CoV-2-KiJuS-VO, jeweils vom 28. Februar 2022, mit Beschluss vom 30. März 2022 abgetrennt.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Er ist nur teilweise zulässig.
a. Er ist zulässig, soweit er sich gegen die infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO und die Zugangsbeschränkungen in § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 sowie Abs. 2 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO wendet.
In diesem Umfang ist der Antrag gemäß § 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 4 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – ThürAGVwGO – statthaft und der Antragsteller im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 VwGO antragsbefugt. Es ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der in Thüringen wohnhafte und nach eigenen Angaben nicht im Sinne von § 2 Nr. 2 oder Nr. 4 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV -, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 478), geimpfte oder genesene Antragsteller durch die mit den angegriffenen Regelungen angeordneten 3G- und 2G-Zugangsbeschränkungen in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG betroffen ist. Darüber hinaus erscheint es zumindest als möglich, dass der Antragsteller als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens durch die infektionsschutzrechtlichen Verpflichtungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen ist.
b. Im Übrigen ist der Antrag unzulässig.
Im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Nr. 9 bis 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO fehlt dem Antragsteller die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.
Anders als die in § 16 und § 18 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO geregelten infektionsschutzrechtlichen Verpflichtungen und Zugangsbeschränkungen normieren die Vorschriften des § 2 Abs. 2 Nr. 9 bis 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO lediglich Legaldefinitionen der Begriffe „geimpfte Person“, „Impfnachweis“, „genesene Person“ und „Genesenennachweis“, die als solche keine Rechte und Pflichten begründen (vgl. zu entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 12. Oktober 2021 – 1 S 3038/21 – juris Rn. 59 und vom 7. September 2021 – 1 S 2698/21 – juris Rn. 16). Rechtliche Wirkung kommt ihnen erst im Zusammenspiel mit den in der ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO geregelten Ge- und Verboten, wie den ebenfalls angegriffenen infektionsschutzrechtlichen Verpflichtungen und Zugangsbeschränkungen zu (zu den Begriffsbestimmungen in § 2 Nr. 4 und Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2021 vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 14. März 2022 – 14 ME 175/22 – juris Rn. 18; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. März 2022 – 9 S 5/22 – juris Rn. 12).
Soweit der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 23. März 2022 schließlich erstmalig eine vorläufige Außervollzugsetzung der in § 15 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO geregelten wöchentlichen Testpflicht für bestimmte nicht immunisierte Arbeitgeber und Beschäftigte beantragt hat, handelt es sich um eine Erweiterung des ursprünglichen Antragsgegenstandes, die sich an den Anforderungen des § 91 VwGO messen lassen muss (zur Geltung des § 91 VwGO im Normenkontrollverfahren vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 8 CN 1.08 – juris Rn. 15 ff.).
Danach ist eine Antragsänderung – die wie vorliegend ohne Einwilligung der übrigen Beteiligten erfolgt – nur zulässig, wenn sie sachdienlich ist. Hiervon ist auszugehen, wenn die Antragsänderung der endgültigen Beilegung des Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2020 – 6 A 5.19 – juris Rn. 50 m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall.
Mit der in § 15 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO geregelten wöchentlichen Testpflicht für bestimmte nicht immunisierte Arbeitgeber und Beschäftigte hat der Antragsteller einen völlig neuen Streitstoff in das Verfahren eingeführt, für den das Ergebnis des bisherigen Prozesses nicht verwertet werden kann.
2. Im zulässigen Umfang ist der Antrag jedoch unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Ob dies der Fall ist, beurteilt sich in Anlehnung an die Regelung in § 32 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes – BVerfGG – (vgl. auch § 26 des Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetzes – ThürVerfGHG -). An die vorläufige Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm, an deren Vollzug ein erhebliches Allgemeininteresse besteht, ist deshalb ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Insoweit sind die Folgen, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, ein Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die aufträten, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nur dann als Bestandteil der Folgenabwägung in die Bewertung einzubeziehen, wenn sich schon bei summarischer Prüfung im Anordnungsverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Normenkontrollantrag unzulässig, offensichtlich unbegründet oder offensichtlich begründet ist (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Beschluss vom 23. August 2011 – 3 EN 77/11 – LKV 2011, 472 m. w. N.).
Die begehrte einstweilige Anordnung betreffend die infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO und die Zugangsbeschränkungen in § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 sowie Abs. 2 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO ist bei allenfalls offenen Erfolgsaussichten der Normenkontrolle in der Hauptsache nicht auf Grund der nach den genannten Maßgaben erforderlichen Folgenabwägung geboten.
a. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Normenkontrolle sind allenfalls offen.
aa. Dies gilt zunächst für die angegriffenen Bestimmungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO vom 18. März 2022.
(1) Rechtsgrundlage für die streitigen Verordnungsbestimmungen ist § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 10 Satz 3 IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften (BGBl. I S. 466) und Art. 4 des Gesetzes zur Verlängerung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes und weiterer Regelungen (BGBl. I S. 473), jeweils vom 18. März 2022, i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 IfSG in der Fassung vom 10. Dezember 2021 (im Folgenden: IfSG a. F.).
Danach sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28, 28a und 29 bis 31 IfSG maßgebend sind, durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen – insbesondere die in § 28a und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten – Schutzmaßnahmen soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
§ 28a Abs. 10 Satz 3 IfSG regelt darüber hinaus speziell zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019, dass eine vor dem 19. März 2022 auf Grundlage von Absatz 7 Satz 1 Nr. 5 IfSG in der jeweils am 18. März 2022 geltenden Fassung in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 32 IfSG normierte Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr bis zum Ablauf des 2. April 2022 aufrechterhalten werden darf, soweit die in der jeweiligen Rechtsverordnung genannten Maßnahmen auch nach Absatz 7 Satz 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein könnten.
Durchgreifende evidente Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage im Allgemeinen drängen sich nicht auf (vgl. hierzu grundsätzlich zu Vorfassungen des Gesetzes: Thüringer Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Dezember 2021 – 117/20 – juris Rn. 211 ff.; Beschluss des Senats vom 25. November 2020 – 3 EN 746/20 – juris Rn. 40).
Soweit der Antragsteller im Hinblick auf § 28 IfSG eine Verletzung des Zitiergebots aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG geltend macht, weil § 28 Abs. 1 IfSG lediglich das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, nicht jedoch das ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geregelte und durch Impfungen bzw. den unzulässigen Impfzwang ebenfalls beeinträchtigte Grundrecht auf Leben förmlich zitiere, trägt dies bereits deshalb nicht, weil § 28 IfSG das Grundrecht auf Leben nicht einschränkt. Die Vorschrift enthält lediglich allgemeine Voraussetzungen für Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, die wie im Falle von Testungen beim Betreten einer Einrichtung allenfalls das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen (vgl. hierzu Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Auflage 2021, § 28 IfSG, Rn. 1 ff., 56 ff.; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Auflage 2021, § 28 IfSG, Rn. 1 ff.). Darüber hinausgehende Eingriffe regelt § 28 IfSG nicht.
(2) Die Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 18. März 2022 dürfte darüber hinaus auch formell rechtmäßig sein.
Wie der Senat bereits mehrfach (vgl. u. a. der Beschluss vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 – juris Rn. 24 f.) und im Dezember 2021 auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof (Beschluss vom 14. Dezember 2021 – 117/20 – juris Rn. 238) entschieden haben, sind das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie und das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport für den Erlass der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung zuständig.
Im Übrigen hat der Verordnungsgeber die Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 18. März 2022 ordnungsgemäß verkündet, begründet und entsprechend den Anforderungen des § 28a Abs. 5 IfSG befristet.
(3) Nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung liegen zudem die zum Erlass der streitgegenständlichen Bestimmungen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 10 Satz 3 IfSG i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 IfSG a. F. vor.
Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO sind die streitgegenständlichen Bestimmungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO am 18. März 2022 um 23.59 Uhr in Kraft getreten.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Corona-Pandemie und damit die Gefahr der Verbreitung von COVID-19 trotz des Auslaufens der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite weiterhin bestehen. Ausweislich des Robert Koch-Instituts (im Folgenden: RKI) ist die Gesundheitsgefährdung durch COVID-19 für die Gruppe der ungeimpften Personen als sehr hoch, für die Gruppen der genesenen und zweimal geimpften Personen als hoch und für die Gruppe der geimpften Personen mit einer Auffrischungsimpfung als moderat einzuschätzen (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19 vom 28. Februar 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Erstmals seit Beginn der Pandemie wurden 1,5 Millionen COVID-19 Fälle an das RKI gemeldet. In fast allen Altersgruppen steigen die 7-Tage-Inzidenzen weiter an. Auch die Hospitalisierungen und die Belastung der ITS-Bettenkapazität haben weiter zugenommen. Die mit der Omikron-Variante des Virus assoziierten Todesfälle sind zwar im Verhältnis zu den Neuinfektionen bislang auf einem niedrigen Niveau, absolut gesehen jedoch weiterhin hoch (vgl. RKI, Wöchentlicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 24. März 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-03-24.pdf?__blob=publicationFile).
Soweit der Antragsteller diese Einschätzung des Infektionsgeschehens durch das RKI mit einer Vielzahl von wissenschaftlichen und journalistischen Beiträgen und Anlagen grundlegend in Frage stellt, führt dies nicht zwingend zu dem Schluss, dass die Bewertung des RKI fehlerhaft wäre. Dem steht – wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat (vgl. u. a. Beschluss vom 26. August 2020 – 3 EN 531/20 – juris Rn. 438) – die zentrale Stellung dieses Instituts entgegen, die ihm der Gesetzgeber nach § 4 IfSG bei der Einschätzung des Infektionsgeschehens hinsichtlich übertragbarer Krankheiten zuerkannt hat (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 – 1 B 100/21 – juris Rn. 18 f.; Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2020 – 20 NE 20.1189 – juris Rn. 19 und vom 19. Juni 2020 – 20 NE 20.1337 – juris Rn. 20). Das Robert Koch-Institut erfasst kontinuierlich die aktuelle Lage, bewertet alle Informationen und schätzt das Risiko für die Bevölkerung in Deutschland ein. Dabei werden in einem transparenten Verfahren die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse umfassend berücksichtigt und entsprechende Daten umfänglich ausgewertet und zu Grunde gelegt (vgl. zu Einzelheiten: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung_Grundlage.htm). Dass das Robert Koch-Institut dieser Aufgabe nicht gerecht wird, erschließt sich dem Senat auch im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers nicht.
Hierbei wird nicht verkannt, dass die Bewertungen angesichts der Ungewissheiten und dynamischen Entwicklungen in der wissenschaftlichen Forschung zum neuartigen Coronavirus kritisch zu hinterfragen sind und fortdauernder Überprüfung bedürfen. Dies ist ein essentieller Teil eines lebendigen wissenschaftlichen Diskurses und bedingt auch, dass abweichende Meinungen gebildet und formuliert werden. Allein dieser Umstand führt jedoch nicht zwangsläufig auf die Fehlerhaftigkeit der hier zu Grunde liegenden Einschätzung des Robert Koch-Instituts.
Nach der dem Senat allein möglichen summarischen Prüfung hat das Robert Koch-Institut in seiner Einschätzung die in der einschlägigen Wissenschaft allgemein anerkannten Maßstäbe und Methoden für die fachliche Beurteilung des Infektionsgeschehens berücksichtigt (vgl. auch Thüringer Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 438).
(4) Die angegriffenen Regelungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO erweisen sich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Bestimmtheits- und Publizitätsgebot als voraussichtlich materiell rechtswidrig. Insbesondere greift die vom Antragsteller – ähnlich wie in der zur Verfassungsgemäßheit des § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV – in der Fassung vom 14. Januar 2022 geführten Diskussion – erhobene Rüge, dass Satz 1 des § 16 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO eine pauschale Verweisung auf die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts enthalte, die völlig unbestimmt sei, sich jederzeit ändern könne und die Empfehlungen im Übrigen nicht amtlich veröffentlicht würden, nicht offensichtlich durch.
Nach dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot muss der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber Vorschriften so bestimmt fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Dies setzt voraus, dass hinreichend klare Maßstäbe bereitgestellt werden. Die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Normadressaten darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung oder Privater gestellt sein. Dabei sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm rechtfertigen soll (siehe BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 309/15 – juris Rn. 77 f. m. w. N.).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Verordnungsgeber in § 16 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO das Bestimmtheitsgebot voraussichtlich nicht verletzt. Satz 1 der Vorschrift bestimmt zwar, dass die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts einzuhalten und umzusetzen sind. In den nachfolgenden Sätzen dieser Vorschrift folgt jedoch in Gestalt einer abschließenden Aufzählung der zu gewährleistenden Maßnahmen eine vom Verordnungsgeber selbst vorgenommene Konkretisierung der einzuhaltenden und umzusetzenden Empfehlungen und Vorgaben. Anders als im Falle des – überdies wesentlich eingriffsintensiveren (siehe hierzu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. März 2022 – 20 CE 22.536 – juris Rn. 18) – § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ist es dem Normadressaten insofern jederzeit möglich, bereits aus der Verordnung selbst die Rechtslage – bzw. hier seine infektionsschutzrechtlichen Pflichten – zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten. Vor diesem Hintergrund kann es auch dahinstehen, ob die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Empfehlungen des Robert Koch-Instituts im Sinne des Publizitätsgebots jederzeit mit Gewissheit nachvollziehbar sind.
(5) Der Senat vermag im Eilverfahren auch nicht zwingend die Unverhältnismäßigkeit der infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO zu erkennen.
(a) Die Feststellung einer übertragbaren Krankheit bedingt, dass die zuständige Stelle – sei es die zuständige Behörde im Wege des Erlasses von Verwaltungsakten oder die Landesregierung bzw. die von ihr ermächtigte Stelle im Wege des Erlasses einer Rechtsverordnung – zum Handeln verpflichtet ist. Die Stelle hat lediglich ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der anzuwendenden Schutzmaßnahmen.
Die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, lässt sich nicht im Vorfeld bestimmen. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet und in § 28a IfSG bestimmte in Betracht kommende Schutzmaßnahmen benannt.
Die Entscheidung, welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige“ Schutzmaßnahmen handeln muss, d. h. um Maßnahmen, „soweit“ sie zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit „erforderlich“ sind. Weiterhin betont das Gesetz den zeitlichen Aspekt: Maßnahmen dürfen nur getroffen werden, „solange“ sie erforderlich sind. Insgesamt sind der Maßnahmenauswahl damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24 unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien: BT-Drs. 8/2468, S. 27).
Hierbei ist zu beachten, dass dem Verordnungsgeber des Landes – ähnlich wie dem Bundesgesetzgeber – bei Erlass des Infektionsschutzgesetzes – ausgehend von der Bestimmung des legitimen Zwecks der Maßnahme hinsichtlich der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme – Entscheidungsspielräume zukommen (vgl. hierzu entsprechend BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – juris Rn. 167 ff.).
(b) Es besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass der Verordnungsgeber mit den infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen des § 16 Abs. 3 bis 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO die legitimen Ziele des Gesundheitsschutzes sowie der Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems und der weiteren kritischen Infrastrukturen verfolgt.
(aa) Nach einer zuletzt rückläufigen COVID-19-Inzidenz ist die aktuelle Situation in Thüringen wieder von einem sehr starken Infektionsgeschehen gekennzeichnet. Die 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) lag am 28. März 2022 mit 2070,9 deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 1.700,6 (s. RKI, COVID-19-Trends im Überblick, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/COVID-19-Trends/COVID-19-Trends.html?__blob=publicationFile#/home).
Ein ähnliches Bild zeigt sich im Hinblick auf die Zahl der schwer an COVID-19 Erkrankten, die im Krankenhaus aufgenommen und intensivmedizinisch behandelt werden müssen sowie im Hinblick auf damit im Zusammenhang stehende Todesfälle. Auch hier sind die Zahlen wieder stark gestiegen. Am 28. März 2022 betrug die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten Fälle (Zahl der stationären COVID-19-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) 13,3, die ITS-Belegungsquote (Anteil der durch COVID-19-Patienten belegten Betten an der Gesamtzahl der betreibbaren Betten) 11,61 % (s. RKI, COVID-19-Trends im Überblick, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/COVID-19-Trends/COVID-19-Trends.html?__blob=publicationFile#/home) und die Zahl der Todesfälle 320 je 100.000 Einwohner (RKI, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 28. März 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2022/2022-03-25-de.pdf?__blob=publicationFile). Mit allen drei Werten liegt Thüringen damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt (s. RKI, ebenda).
Demgegenüber liegt die Impfquote in Thüringen weiterhin deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Am 28. März 2022 meldete das Robert Koch-Institut 1.488.335 (70,2 %) Erstimpfungen, 1.488.714 (70,2 %) Grundimmunisierungen und 1.092.264 (51,5 %) Auffrischungsimpfungen (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html).
(bb) Ausgehend von diesem Infektionsgeschehen ist die Entscheidung des Verordnungsgebers, in § 16 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO die Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten zu regeln, nicht zu beanstanden.
(c) Die streitgegenständliche Schutzmaßnahme ist bei summarischer Bewertung zur Erreichung der vom Verordnungsgeber verfolgten Ziele geeignet.
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 185 f. m. w. N.) hat zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben anknüpfend an seine ständige Rechtsprechung zuletzt ausgeführt, dass für die Eignung bereits die Möglichkeit genügt, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Dieser Spielraum reicht nicht stets gleich weit. Insoweit hängt sein Umfang vielmehr einzelfallbezogen etwa von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab. Für Letzteres kann auch das Eingriffsgewicht in Bezug auf die Eigenart des vom Eingriff betroffenen Rechts eine Rolle spielen. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Erfolgt aber der Eingriff zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt. Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Erweist sich eine Prognose nachträglich als unrichtig, stellt dies jedenfalls die ursprüngliche Eignung des Gesetzes nicht in Frage. Die Eignung setzt also nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt. Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen.
Ausgehend hiervon ist die Entscheidung des Verordnungsgebers, bei den in § 16 Abs. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO benannten öffentlich zugänglichen Veranstaltungen, Geschäften, Betrieben und Einrichtungen mit Besuchs- oder Kundenverkehr aufzuerlegen, dass die in den Absätzen 3 und 4 der Vorschrift konkretisierten Infektionsschutzregeln beachtet und umgesetzt werden, nicht zu beanstanden.
Auch wenn nicht eindeutig bestimmt werden kann, welchen konkreten Beitrag zum Infektionsgeschehen das Zusammenkommen von Personen in den benannten Einrichtungen leistet, so ist doch unbestreitbar, dass die in § 16 Abs. 3 und 4 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO aufgezählten Maßnahmen des Ausschlusses von Personen mit erkennbaren Symptomen einer COVID-19-Erkrankung, die Ausstattung der Örtlichkeit mit ausreichender Möglichkeit einer guten Belüftung, die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln, die Information der anwesenden Personen über allgemeine Schutzmaßnahmen und die Sicherstellung von Mindestabständen das Risiko einer vorwiegend über einen direkten Kontakt zwischen Menschen durch Tröpfchen und Aerosole erfolgenden Ansteckung und Übertragung des Coronavirus verringern können. Wie die Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln wirken mithin auch die Regelungen des § 16 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO Infektionen entgegen. Die Reduktion der Anzahl von Infektionen geht wiederum mit einem Absinken der Zahl an COVID-19-Erkrankten und damit auch mit einer Verringerung der Belastung des Gesundheitssystems und der weiteren kritischen Infrastrukturen einher. Dies gilt umso mehr, als sich die im Vormarsch befindliche Virusvariante Omikron, Sublinie BA.2, deutlich schneller und effektiver ausbreitet als die vorausgegangenen Virusvarianten (vgl. RKI, Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC) vom 17. März 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html).
(d) Dem Senat drängt sich ferner nicht die mangelnde Erforderlichkeit der angegriffenen Schutzmaßnahme auf.
Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – juris Rn. 203 f. m. w. N.) ist das Merkmal der Erforderlichkeit so zu verstehen, dass Grundrechtseingriffe nicht weitergehen dürfen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Der Spielraum kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers ist bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung nicht feststellbar, dass der Verordnungsgeber den ihm insoweit zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten hat.
Allein die Anordnung der Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln durch die Beschäftigten und Kunden bzw. Besucher der in § 16 Abs. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO benannten Einrichtungen bleibt erkennbar hinter dem Schutzniveau der Verpflichtung des für die Einrichtung Verantwortlichen zum Sicherstellen der Infektionsschutzmaßnahmen des § 16 Abs. 3 und 4 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO zurück.
(e) Bei summarischer Prüfung ist auch nicht zwingend anzunehmen, dass die Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen unangemessen ist.
Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (vgl. hierzu wie zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – juris Rn. 216 f. m. w. N.). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die bei gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Gesetzgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht.
Der Vortrag des Antragstellers zeigt jedenfalls nicht auf, dass die von ihm angegriffene Verpflichtung des für eine Einrichtung nach § 16 Abs. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO Verantwortlichen zum Erstellen und Anwenden von Hygienekonzepten offensichtlich außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs steht.
Die Maßnahme führt zwar zu einer Beeinträchtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit des für eine Einrichtung nach § 16 Abs. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO Verantwortlichen und des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit der von den Maßnahmen betroffenen Beschäftigten und potentiellen Kunden bzw. Besuchern der Einrichtung. Diese Eingriffe erscheinen jedoch – insbesondere angesichts der sehr geringen Eingriffsintensität – vor dem Hintergrund des dargestellten Infektionsgeschehens zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit kritischer Infrastrukturen als Gemeinwohlbelang von überragender Bedeutung als angemessen.
bb. Auch in Bezug auf die für bestimmte Einrichtungen in geschlossenen Räumen geltenden 3G- und 2G-Zugangsbeschränkungen in § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 und Abs. 2 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO bleibt der Erfolg der Normenkontrolle allenfalls offen.
(1) Rechtsgrundlage für diese Verordnungsbestimmungen ist § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 10 Satz 3 IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften (BGBl. I S. 466) und Art. 4 des Gesetzes zur Verlängerung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes und weiterer Regelungen (BGBl. I S. 473), jeweils vom 18. März 2022, i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG a. F. Danach kann speziell zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 eine vor dem 19. März 2022 auf Grundlage von § 28a Absatz 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG in der jeweils am 18. März 2022 geltenden Fassung in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 32 IfSG normierte Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in den oder bei den in § 28a Abs. 1 Nr. 4 bis 8 und 10 bis 16 IfSG genannten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen bis zum Ablauf des 2. April 2022 aufrechterhalten werden, soweit die in der jeweiligen Rechtsverordnung genannten Maßnahmen auch nach Absatz 7 Satz 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein könnten.
(2) Wie bereits unter Punkt aa. ausgeführt ergeben sich keine durchgreifenden Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Thüringer-SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 18. März 2022.
(3) Im vorliegenden Eilverfahren ist auch nicht zwingend die materielle Rechtswidrigkeit der Zugangsbeschränkungen in § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 und Abs. 2 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO zu erkennen.
(a) Unter Berücksichtigung des derzeitigen Infektionsgeschehens erweisen sich die Zugangsbeschränkungen voraussichtlich als verhältnismäßig.
(aa) Auch mit ihnen verfolgt der Verordnungsgeber die verfassungsrechtlich legitimen Ziele des Gesundheitsschutzes sowie der Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems und der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit weiterer kritischer Infrastrukturen.
(bb) Die streitgegenständlichen 3G- und 2G-Zugangsbeschränkungen sind zur Erreichung dieser vom Verordnungsgeber verfolgten Ziele auch geeignet.
(aaa) Der Verordnungsgeber ist zunächst in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die 3G-Zugangsbeschränkung des § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO zu einer Verringerung sowohl des Infektionsrisikos als auch der Belastung der kritischen Infrastrukturen führt.
Seine Annahme, dass gerade in den in § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4, 5 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO benannten geschlossenen Räumen wie Gaststätten, Schwimmbädern und Fitnessstudios das Risiko einer Ansteckung oder Übertragung des Coronavirus besonders hoch ist, ist nicht ohne weiteres anzufechten. In diesen Einrichtungen kommen regelmäßig auf engstem Raum wechselnde Personen zusammen, die sich ggf. verbal oder körperlich betätigen. Dadurch kommt es zu einem verstärkten Ausstoß virushaltiger Tröpfchen und Aerosole, was wiederum in den geschlossenen Räumen sowohl für die Gäste bzw. Besucher selbst als auch für deren weiteres berufliches und privates Umfeld ein erhöhtes Infektionsrisiko nach sich zieht.
Eine – unter anderem von einem negativen Testergebnis abhängige – 3G-Zugangsbeschränkung trägt zur Eindämmung dieses Risikos bei, indem sie – unabhängig von der Frage der Zuverlässigkeit der einzelnen Tests – zumindest hilft, nicht erkannte infizierte und damit in der Regel auch infektiöse Personen aufzudecken, diesen den Zutritt zu der jeweiligen Veranstaltung oder Einrichtung zu verwehren und damit die übrigen Gäste bzw. Besucher vor einer Ansteckung durch die infizierte Person zu schützen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2022 – 13 B 28/22.NE – juris Rn. 67 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31. Januar 2022 – 3 MB 1/22 – juris Rn. 22).
Dass diese Zugangsmöglichkeit immunisierte Personen ungeachtet der bei dieser Personengruppe gleichwohl möglichen Ansteckung und Übertragung des Virus (s. RKI, Wöchentlicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 24. März 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-03-24.pdf?__blob=publicationFile) von der Testnachweispflicht ausnimmt, stellt die Geeignetheit der Maßnahme nicht in Frage.
(bbb) Ferner durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die in § 18 Abs. 2 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO genannten Diskotheken, Tanzklubs, sonstigen Tanzlustbarkeiten und vergleichbaren Angebote ein besonders hohes Infektionsrisiko aufweisen, und deshalb den Zugang in Gestalt einer 2G-Zugangsregel auf immunisierte Personen beschränken (vgl. hierzu die Beschlüsse des Senats vom 22. Dezember 2021 – 3 EN 752/21 – juris Rn. 53 ff., vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 – juris Rn. 52 ff., vom 13. Januar 2022 – 3 EN 764/21 – juris, Rn. 91, 66 ff. und zuletzt vom 11. Februar 2022 – 3 EN 2/22 – juris Rn. 60).
Die Entscheidung des Verordnungsgebers für die streitgegenständliche 2G-Zugangsbeschränkung dürfte auch im Hinblick auf die mittlerweile in Deutschland vorherrschende Virusvariante Omikron nicht zu beanstanden sein. Nach Darstellung des RKI bieten die in Deutschland zur Anwendung kommenden Impfstoffe zwar voraussichtlich einen geringeren Schutz vor der Virusvariante Omikron. Die Inzidenzen nach Impfstatus und die unter Berücksichtigung der Impfdurchbrüche berechneten Impfeffektivitäten belegen jedoch eine gute Wirksamkeit der COVID-19-Impfung im Hinblick auf die Verhinderung von schweren COVID-19-Verläufen. In der geimpften Bevölkerung lag insbesondere die Inzidenz der hospitalisierten Fälle deutlich unter der Inzidenz der ungeimpften Bevölkerung. Dabei lassen sich für die Bevölkerung mit Auffrischimpfung noch niedrigere Inzidenzen als für die grundimmunisierte Bevölkerung beobachten. Für geimpfte Personen aller Altersgruppen zeigt sich zudem ein deutlich geringeres Risiko für eine schwere Verlaufsform der COVID-19-Erkrankung (vgl. RKI, Wöchentlicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 24. März 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-03-24.pdf?__blob=publicationFile). In der Folge fällt auch die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen bezogen auf diese Gruppe deutlich geringer aus als in Bezug auf die Gruppe der nicht immunisierten Personen.
Auch unter Berücksichtigung des umfassenden Vorbringens des Antragstellers bestehen im vorliegenden Eilverfahren keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung des RKI evident unvertretbar ist.
(cc) Dem Senat drängt sich auch nicht die mangelnde Erforderlichkeit der angegriffenen 3G- und 2G-Zugangsbeschränkungen auf.
Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht festzustellen, dass der Verordnungsgeber den ihm insoweit zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten hat (vgl. Beschluss des Senats vom 11. Februar 2022 – 3 EN 2/22 – juris Rn. 68 ff.).
Daran ist auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung sowie des Vorbringens des Antragstellers festzuhalten.
Auch eine 3G-Zugangsbeschränkung stellt im Vergleich zu der streitgegenständlichen 2G-Zugangsbeschränkung in § 18 Abs. 2 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO keine gleich wirksame Schutzmaßnahme dar, da mit ihr Ansteckungen nicht immunisierter Personen nicht ausgeschlossen werden können.
(dd) Bei summarischer Prüfung ist auch nicht zwingend anzunehmen, dass die 3G- und 2G-Zugangsbeschränkungen unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen unangemessen sind.
Die Maßnahme führt zwar zu einer Beeinträchtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit der Betreiber der benannten Einrichtungen (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit von potentiellen – im Falle des § 18 Abs. 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO nur nicht immunisierten – Besuchern (Art. 2 Abs. 1 GG). Auch diese Eingriffe erscheinen jedoch vor dem Hintergrund des dargestellten Infektionsgeschehens zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen kritischen Infrastruktur als Gemeinwohlbelang von überragender Bedeutung als angemessen.
Soweit es Betreiber der in § 18 Abs. 1 und 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO genannten Veranstaltungen und Einrichtungen betrifft, gilt dies bereits deshalb, weil angesichts der hohen Anzahl von geimpften Personen und der insbesondere aktuell hohen Anzahl von genesenen Personen nur ein kleiner Teil der Bevölkerung von einem Besuch der Einrichtungen ausgeschlossen ist.
Bezüglich der nicht immunisierten Besucher der Einrichtungen ist zudem zu berücksichtigen, dass sie sich jederzeit testen lassen können, was ihnen nach der auf wissenschaftlicher Expertise beruhenden Einschätzung des Verordnungsgebers auch zumutbar ist.
Die Unangemessenheit folgt schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass mit der 2G-Zugangsbeschränkung auf ungeimpfte Personen ein erheblicher Druck ausgeübt wird, sich impfen zu lassen. Dass ein solcher Impfdruck im Interesse eines besseren bevölkerungsweiten Infektions- und damit Gesundheitsschutzes erzeugt wird, entspricht der gesetzgeberischen Intention. Der dagegen vom Antragsteller aufgestellten Behauptung einer nicht hinnehmbaren Gefährlichkeit einer solchen Impfung vermag der Senat angesichts der dem entgegenstehenden Einschätzung der dazu mit besonderer Expertise ausgewiesenen nationalen und internationalen amtlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen – neben dem Robert Koch-Institut vor allem dem Paul-Ehrlich-Institut, der Ständigen Impfkommission, der Europäischen Union und der Weltgesundheitsorganisation – im vorliegenden Eilverfahren nicht zu folgen.
(b) Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich nicht vor.
(aa) Hierbei ist schon zweifelhaft, ob und inwieweit der zu den benannten Bereichen erhobene Vorwurf gleichheitswidriger Behandlung überhaupt im Eilverfahren auf eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Bestimmungen führen muss (Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. April 2020 – 20 NE 20.793 – juris Rn. 26 ff.). Wird ein solcher Rechtsverstoß unterstellt, ist dem Verordnungsgeber – soweit nicht andere rechtserhebliche Gesichtspunkte Anderes gebieten (vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1996 – 3 C 29/96 – juris Rn. 36) – dann nämlich erneut ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den betreffenden Gleichheitsverstoß zu beseitigen. Dies würde vorliegend insbesondere nicht ausschließen, im Interesse des Infektionsschutzes und der Vermeidung weiterer Infektionen strengere Zugangsbeschränkungen auch für geimpfte und genesene Personen vorzusehen.
(bb) Abgesehen davon kann der Senat aber auch keine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Ungleichbehandlung erkennen.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat zu den Anforderungen des insoweit im Bundes- und Landesrecht inhaltlich nicht wesentlich divergierenden allgemeinen Gleichheitssatzes im Hinblick auf infektionsschutzrechtliche Regelungen ausgeführt (Thüringer VerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 511 ff.):
„Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Hierbei verbleibt ihm grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum, dessen Grenzen erst überschritten sind, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung nicht mehr auf sachlichen Erwägungen beruht und willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1985 – 2 BvL 17/83 – BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Es ist insoweit nicht Sache eines Verfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern lediglich, ob die äußersten Grenzen gewahrt sind (zur entsprechenden Beschränkung seines Prüfungsumfangs siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1981 – 2 BvR 1067/80, BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27). Dieser aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf für den parlamentarischen Gesetzgeber resultierende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, allerdings ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger, da ein solcher von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen besteht (vgl. insoweit zu den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 GG: BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1963 – 1 BvR 265/62 -, BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22), sondern muss vielmehr den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 1 S 3405/20, juris Rn. 18). In den Grenzen des ihm zustehenden Ermessens muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und sich von sachfremden Erwägungen freihalten (vgl. BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22; BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39).
Dies hat zur Folge, dass sich die Regelungen an den Zwecken dieser bundesgesetzlichen Verordnungsermächtigung auszurichten haben, wenn durch diese Ungleichbehandlungen erfolgen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 – juris, Rn. 19). Ungleichbehandlungen dürfen somit grundsätzlich allein aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen, da nur zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung erteilt ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 1 S 3405/20, juris Rn. 19). Über diese infektionsschutzrechtlichen Gründe hinaus kommen allenfalls noch andere überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls in Betracht, um Ungleichbehandlungen rechtfertigen zu können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 -, juris Rn. 20).“
(cc) Ausgehend von diesen Maßstäben dürfte die vom Antragsteller benannte Ungleichbehandlung von immunisierten Personen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 9 bis 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO und Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sachlich gerechtfertigt sein.
Wie oben und auch zutreffend vom Antragsgegner in seiner Antragserwiderung dargestellt, fällt die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems oder eine Beeinträchtigung der sonstigen kritischen Infrastrukturen bezogen auf die Gruppe der immunisierten Personen auch unter der mittlerweile vorherrschenden Virusvariante Omikron deutlich geringer aus.
Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang deutliche Kritik am Umfang des rechtlichen Begriffs einer genesenen Person bzw. eines Genesenennachweises in § 2 Abs. 2 Nr. 11 und 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO i. V. m. § 22a Abs. 2 IfSG äußert, und damit indirekt die Verfassungsgemäßheit des § 22a Abs. 2 IfSG in Frage stellt, ist darauf im vorliegenden Eilverfahren nicht einzugehen.
b. Verbleibt es mithin bei allenfalls offenen Erfolgsaussichten, gebietet auch eine Folgenabwägung nicht, die einstweilige Anordnung zu erlassen. Dies legt weder der Vortrag des Antragstellers nahe, noch ist dies ansonsten erkennbar. Bei der Folgenabwägung sind angesichts der Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung die Auswirkungen auf alle von der angegriffenen Regelung Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen für den Antragsteller.
Würde der Aussetzungsantrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt, erwiese sich im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens die Verordnung aber als rechtswidrig, wären die von den streitgegenständlichen Bestimmungen betroffenen Personengruppen zwar erheblich in der Ausübung ihrer Grundrechte betroffen. Dies wirkt umso schwerer, als die betroffenen Personengruppen in der der aktuellen Pandemie bereits seit mehreren Monaten von den streitgegenständlichen Schutzmaßnahmen betroffen sind. Wie bereits zur Angemessenheit der streitgegenständlichen Maßnahmen ausgeführt, wären diese Beeinträchtigungen aber von geringer Intensität und blieben angesichts möglicher und zumutbarer Impfungen zudem im Bereich der Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen.
Würde hingegen dem Aussetzungsantrag stattgegeben, erwiesen sich die streitgegenständlichen Bestimmungen im Hauptsacheverfahren aber als rechtmäßig, würden mit den Maßnahmen wesentliche Bausteine der den aktuellen Rahmenbedingungen bereits deutlich angepassten Pandemiebekämpfung wegfallen (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschluss vom 1. Mai 2020 – 1 BvQ 42/20 – juris Rn. 10).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Eine Halbierung des Auffangstreitwertes ist wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache nicht angezeigt.
Hinweis:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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