Medizinrecht

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Aktenzeichen  M 26b E 21.550

Datum:
10.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2216
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
11. BayIfSMV § 12

 

Leitsatz

Tenor

I. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass § 12 Abs. 1 und Abs. 2 der 11. BayIfSMV dem Betrieb des Hundesalons der Antragstellerin in der A. … Str. … in … A. … unter Beachtung des für den Salon entwickelten Schutz- und Hygienekonzepts nicht entgegenstehen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgelegt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sie ihren Hundesalon unter Geltung der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) unter Beachtung des für den Salon entwickelten Schutz und Hygienekonzeptes weiterbetreiben kann.
Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Hundesalons, in dem sie ausweislich ihrer Homepage folgende Leistungen anbietet: „Einführende Begutachtung und Beratung, Baden und Föhnen, Schneiden und Frisieren, Handtrimmen, Krallen- und Ohrenpflege, Sauberkeit und Hygiene, Pflegeprodukte“.
Die Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 737), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 75), hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
§ 12
Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
(1) 1 Die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr ist untersagt. 2 Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-​Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel. 3 Der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, ist untersagt. 4 Für nach Satz 2 zulässigerweise geöffnete Betriebe und den Großhandel gilt:
1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann.
2. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 10 m2 für die ersten 800 m2 der Verkaufsfläche sowie zusätzlich ein Kunde je 20 m² für den 800 m² übersteigenden Teil der Verkaufsfläche.
3. In den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände, in den Eingangs- und Warteflächen vor den Verkaufsräumen und auf den zugehörigen Parkplätzen gilt für das Personal Maskenpflicht und für die Kunden und ihre Begleitpersonen FFP2-​Maskenpflicht; soweit in Kassen- und Thekenbereichen von Ladengeschäften durch transparente oder sonst geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet ist, entfällt die Maskenpflicht für das Personal.
4. Der Betreiber hat für den Kundenverkehr ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
5 (…)
6 Abweichend von Satz 1 ist die Abholung vorbestellter Waren in Ladengeschäften zulässig; hierfür gilt Satz 4 Nr. 1, 3 und 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass im Schutz- und Hygienekonzept insbesondere Maßnahmen vorzusehen sind, die eine Ansammlung von Kunden etwa durch gestaffelte Zeitfenster vermeiden.
(2) Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, wie zum Beispiel Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-​Studios oder ähnliche Betriebe sind untersagt.
(…)
In den FAQ Corona-Krise und Wirtschaft des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (Stand 26.01.2021, https://www.stmgp.bayern.de/wp-content/uploads/2021/01/2021_01_26-positivliste_final.pdf, abgerufen am 8.2.2021) ist unter Ziffer 1 („Welche Betriebe, Ladengeschäfte, etc. dürfen geöffnet haben, betrieben werden bzw. welche Dienstleistungen dürfen ausgeübt werden?“) aufgeführt: „Tierpflege, wenn unaufschiebbaren Bedarf“. Hingegen sind unter Ziffer 4 („Welche Betriebe, Ladengeschäfte und Freizeiteinrichtungen müssen schließen bzw. welche Dienstleistungen dürfen nicht mehr ausgeübt werden?“) ausdrücklich Hundesalons genannt.
Dementsprechend stellte die Antragstellerin nach eigenen Angaben ihre Erwerbstätigkeit seit … Dezember 2020 im Wesentlichen ein.
Auf Nachfrage teilte das Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) der Antragstellerin mit Schreiben vom … Januar 2021 unter Bezugnahme auf die FAQ mit, Tierpflege sei nur erlaubt, wenn eine Behandlung des Hundes zwingend notwendig und unaufschiebbar sei. Dabei sei darauf zu achten, dass die Heimtiere an der Ladentür übergeben würden, sodass kein direkter Kundenkontakt von Mensch zu Mensch erforderlich sei. So werde dem Tierwohl entsprochen und würden gleichzeitig Kontakte auf ein wesentliches Minimum reduziert.
Auf schriftliche Nachfrage beim zuständigen Landratsamt des Antragsgegners wurde der Antragstellerin am … Februar 2021 mitgeteilt, dass die Öffnung des Hundesalons nach den Vorgaben des StMGP unzulässig sei.
Daraufhin ließ die Antragstellerin am … Februar 2021 durch ihre Bevollmächtigte beim Verwaltungsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass § 12 Abs. 1 und Abs. 2 der 11. BayIfSMV dem Betrieb des Hundesalons der Antragstellerin in der A. … Str. … in … A. … unter Beachtung des für den Salon entwickelten Schutzund Hygienekonzeptes nicht entgegenstehen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die Antragstellerin arbeite mit einem Hygienekonzept, wonach Terminabsprachen ausschließlich per Telefon erfolgten. Es würden nur Einzeltermine vergeben, wobei die Zeiten zwischen Abgabe eines Hundes und Abholen eines anderen Hundes so gestaffelt seien, dass Überschneidungen ausgeschlossen würden. Der Hund werde an der Haustüre angeleint. Der Kunde klingelte an der Außentüre, welche erst geöffnet werde, wenn der Kunde wenigstens 2 m Abstand zur Türe halte. Die Antragstellerin trage eine FFP 2-Maske von der Entgegennahme des Hundes bis zu seiner Abgabe. Der Kunde trage ebenfalls eine FFP 2-Maske während der Abgabe und der Abholung des Hundes. Vor jeder Behandlung werde der Hund von der Antragstellerin mit tensidhaltigen Produkten gebadet, alle Gebrauchsgegenstände sowie Kontaktflächen würde nach jeder Behandlung unverzüglich desinfiziert, Handtücher würden nur einmal verwendet und anschließend bei mindestens 60° gewaschen. Nach Beendigung der Dienstleistung werde der Hundehalter telefonisch benachrichtigt und der Preis übermittelt. Der Hundehalter lege das Geld auf das Fensterbrett und entferne sich. Die Antragstellerin bringe den Hund nach draußen, leine ihn an, nehme das Geld und entferne sich wieder. Erst dann holte der Hundehalter seinen Hund und entferne sich zügig vom Grundstück.
Rechtsgrundlage für das Arbeitsverbot sei § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV, wonach Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar sei, wie zum Beispiel Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios o. ä. Betriebe untersagt seien. Das Beispiel Friseure beziehe sich dabei eindeutig auf Menschenfriseure und nicht auf Hundefriseure wie sich aus dem Zusammenhang mit Kosmetikund Tattoos-Studios entnehmen lasse. In § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV seien positive Beispiele für Branchen genannt, welche ihre Ladengeschäfte öffnen dürften, etwa Kfz-Werkstätten und Fahrradwerkstätten. Der Hundefriseur sei etwa mit einer Fahrradwerkstatt vergleichbar, da der Besitzer den Hund, welcher nach § 90a BGB eine Sache sei, vor dem Salon abgebe und später dort wieder abhole. Der Betrieb der Antragstellerin mit dem geschilderten Hygienekonzept berge weniger Risiko von persönlichen Kontakten als das System „Call & Collect“, das für andere Ladengeschäfte erlaubt sei, wo sich jedoch häufig Schlangen vor den Geschäften bildeten. Sie übe keinerlei Dienstleistungen in körperlicher Nähe zum Kunden aus, weshalb ihre Leistungen nicht unter das Verbot von § 12 Abs. 2 Satz der 11. BayIfSMV fielen. Aus Gründen des Tierschutzes müsse ein Hundehalter dafür sorgen, dass sein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen gepflegt würde. Er dürfe insbesondere bei bestimmten Hunderassen mit einem Friseurbesuch nicht so lange warten, bis die Gesundheit des Hundes in Gefahr sei. Kosmetische Behandlungen an Hunden wie zum Beispiel das Lackieren von Krallen oder das Färben des Fells würden schon aus ethischen Gründen nicht durchgeführt. Es werde verwiesen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster, des Verwaltungsgerichts Magdeburg sowie des Verwaltungsgerichts Augsburg. In diesen Entscheidungen sei jeweils zugunsten des Hundesalons entschieden worden.
Ein Hundesalon sei ein Dienstleister und kein Ladengeschäft. Aber selbst für Ladengeschäfte gebe es zahlreiche Ausnahmen, die nicht unverzichtbar für den täglichen Bedarf seien. Weder Fahrradwerkstätten noch Reinigungen oder der Verkauf von Presseartikel sein unverzichtbar für den täglichen Bedarf. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom … und vom … Februar 2021 Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV seien Ladengeschäfte mit Kundenverkehr untersagt. Ausgenommen hiervon seien die in § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV normierten Fälle. Zur Konkretisierung dieser Ausnahmeregelung habe das StMGP die sogenannte Positiv- und Negativliste (FAQ Corona-Krise und Wirtschaft, Stand 26. Januar 2021) erstellt. Ausweislich dieser Liste sei der Betrieb von Hundesalons untersagt. § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV, wonach Dienstleistungen mit unabdingbare körperlicher Nähe zum Kunden untersagt seien, sei nicht einschlägig. § 12 Abs. 3 der 11. BayIfSMV, wonach die Öffnung von Praxen zulässig sei, soweit in ihnen pflegerische Leistungen erbracht würden, erlaube nur die Durchführung unaufschiebbare tierpflegerische Maßnahmen. Den Ausführungen der Antragstellerin sei nicht hinreichend zu entnehmen, dass es sich bei der von ihr beabsichtigten Tätigkeit ausschließlich um unaufschiebbare tierpflegerische Maßnahmen handeln würde. Der pauschale Hinweis auf die besonderen Anforderungen der Fellpflege bei bestimmten Hunderassen reiche dafür nicht aus. Zudem obliege die tierschutzgerechte Versorgung in den Belangen Fell- und Krallenpflege sowie Ohrenzupfen zuallererst dem Tierhalter. Zum Erreichen des Schutzziels der Verordnung, nämlich der Reduzierung des Infektionsgeschehens durch Minimierung von Kontakten und Mobilität, sei die Schließung nicht lebensnotwendige Betriebe geboten. Hierdurch entstehende Einschränkungen auf Seiten der Kunden, welche in diesem Fall die Fellpflege selbst vorzunehmen hätten, als auch der Antragstellerin, welche ihr Geschäft geschlossen zu halten habe, seien im Hinblick auf das Schutzziel hinzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
1.1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) ist statthaft; insbesondere geht im vorliegenden Fall nicht etwa ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO als lex specialis dem Antrag nach § 123 VwGO vor (BayVGH, B.v. 18.06.2020 – 20 CE 20.1388 -, Rn. 4 juris; Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn.40 f., Beck OK VwGO, § 123 Rn.16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn.22), da die nicht etwa die Ungültigkeit einer Vorschrift der 11. BayIfSMV begehrt wird, sondern die Feststellung, dass der Betrieb der Antragstellerin unter Geltung der Vorschriften der 11. BayIfSMV erlaubt ist. Es geht mithin nicht um die Ungültigkeit einer untergesetzlichen Norm, sondern um die Frage, ob der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt unter die Verbotsvorschrift zu subsumieren ist.
1.2. Ein feststellungsfähiges streitiges Rechtsverhältnis ist unproblematisch gegeben, da das mit der Normanwendung betraute zuständige Landratsamt gegenüber der Antragstellerin den Betrieb des Hundesalons für unzulässig erklärt hat.
1.3. Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorbeugende Feststellung der Zulässigkeit der Öffnung des Hundesalons, da es der Antragstellerin – auch mit Blick auf die Bußgeldbewehrung § 28 Nr. 11 der 11. BayIfSMV – im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) nicht zuzumuten ist, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung ihr Geschäft zu öffnen und erst gegen eine etwaige künftige polizeiliche Maßnahme oder gegen einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 21.04.2020 – 14 K 1360/20 – juris Rn.12; BVerwG, U.v. 13.01.1969 – I C 86.64 -, BVerwGE 31, 177-181, Rn. 19, juris).
2. Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
2.1. Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO vorläufig festgestellt wird, dass § 12 Abs. 1 und 2 der 11. BayIfSMV dem Betrieb des Hundesalons unter Beachtung des für den Salon entwickelten Schutz- und Hygienekonzeptes nicht entgegenstehen.
Die Zulässigkeit der Öffnung des Hundesalons ist an § 12 der 11. BayIfSMV zu messen, der die Zulässigkeit von Handels- und Dienstleistungsbetrieben regelt.
2.1.1. Zunächst ist festzustellen, dass § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV dem Betrieb eines Hundesalons nicht entgegensteht, da das Verbot körpernaher Dienstleistungen nach Wortlaut und Sinn und Zweck nur solche Dienstleistungen betrifft, die einen engen körperlichen Kontakt zum menschlichen Kunden erfordern. Das ist bei den Leistungen, die im Hundesalons erbracht werden, nicht der Fall. Die erforderliche körperliche Nähe zum Hund fällt nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.
2.1.2. Einschlägig ist allerdings § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV. Danach ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr untersagt.
Der Begriff des Ladengeschäfts bedarf der Auslegung, da zwischen den Parteien streitig ist, ob unter den Begriff des Ladengeschäfts auch das Geschäftslokal eines Dienstleistungsbetriebs wie dem Hundesalon zu subsumieren ist.
Ausgehend von der Wortbedeutung ist unter Ladengeschäft zunächst eine Betriebsstätte im stationären Einzelhandel zu verstehen, in der dem Kunden Waren angeboten werden (Gabler, Wirtschaftslexikon, online abgerufen am 9. Februar 2021 unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/laden-41172/version-264542; vgl. auch Duden, online abgerufen am 9. Februar 2021 unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Ladengeschaeft). Auch wenn die Antragstellerin neben pflegerischen Leistungen auch den Verkauf von Pflegeprodukten anbietet, so liegt doch der Schwerpunkt des Leistungsspektrums im Bereich der Dienstleistung, so dass ihr Geschäft nicht ohne weiteres als Einzelhandelsgeschäft zu qualifizieren ist.
Allerdings ist bei der Auslegung des Begriffs des Ladengeschäfts nicht nur der Wortlaut, sondern auch die Regelungssystematik der Vorschrift in den Blick zu nehmen, welche ein weiteres Begriffsverständnis gebietet. Aus § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV ersichtlich unterscheidet die Verordnung nicht trennscharf zwischen Ladengeschäften des Einzelhandels und solchen von Handwerkern oder Dienstleistern; denn unter den von der Vorschrift normierten Ausnahmen finden sich neben verschiedenen näher bezeichnete Einzelhandelsgeschäften ausdrücklich auch Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen sowie Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, welche zweifelsfrei als Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe zu qualifizieren sind. Im Umkehrschluss aus der Ausnahmeregelung für solche Betriebe ist daher davon auszugehen, dass diese nach dem Willen des Verordnungsgebers zunächst einmal vom Verbot nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BayIfSMV erfasst sein sollten. Unter Ladengeschäft ist daher auch das Geschäftslokal eines Handwerks- oder Dienstleistungsbetriebs zu verstehen, in dem Kundenkontakte stattfinden.
Dieses weite Verständnis des Begriffs Ladengeschäft führt auch nicht etwa dazu, dass die Regelung des § 12 Abs. 2 der 11 BayIfSMV leerlaufen würde, etwa weil die Öffnung von Ladengeschäften, in denen Handwerks- und Dienstleistungen angeboten werden, ohnehin nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der BayIfSMV verboten ist. Vielmehr legt § 12 Abs. 2 der 11 BayIfSMV über das Verbot der Öffnung von Ladengeschäften hinaus fest, dass Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, auch dann nicht erbracht werden dürfen, wenn dies außerhalb eines Ladengeschäfts erfolgt. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Verordnung, Infektionen durch enge persönliche Kontakte möglichst zu vermeiden. Nicht verboten sind daher nach der Systematik der Vorschrift Dienstleistungen und Handwerksleistungen, sofern sie nicht in einem Ladengeschäft erbracht werden und soweit sie keine körperliche Nähe zum Kunden erfordern. Diese Auslegung ergibt sich auch aus den Erläuterungen des StMGP in den FAQ Corona Krise und Wirtschaft (Stand 26.1.2021), welche als Auslegungshilfe herangezogen werden können. Dort sind unter Ziffer 1 als erlaubt aufgeführt: „Dienstleister außerhalb eines Ladengeschäfts, also soweit sie online oder telefonisch tätig sind oder den Kunden besuchen, Ausnahme: körpernahe Dienstleistungen“ sowie „Handwerkerleistungen beim Kunden außerhalb eines Ladengeschäfts (Ausnahme: Handwerker, die bei der Dienstleistung notwendigerweise die Kunden berühren müssen wie Friseure)“. Laut Ziffer 3 der FAQ sind entsprechend auch Hausbesuche von Dienstleistern oder Handwerkern, die Teil ihrer normalen Tätigkeit sind, mit Ausnahme der körpernahen Dienstleistungen zulässig.
Diesen weiten Begriff des Ladengeschäfts zugrundegelegt, fällt auch der Hundesalon der Antragstellerin unter das Verbot der Ladenöffnung aus § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV.
2.1.3. Eine Ausnahme nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV ist nicht einschlägig, insbesondere handelt es sich bei der ausgeübten Tätigkeit nicht um eine solche, die für die tägliche Versorgung unverzichtbar wäre. Die von der Antragstellerin angebotenen Leistungen der Hundepflege sind jedenfalls nicht täglich, sondern in größeren Abständen zu erbringen.
2.1.4. Auch auf eine Ausnahme nach § 12 Abs. 3 der 11. BayIfSMV, wonach medizinische, therapeutische und pflegerische Leistungen erbracht werden dürfen, kann sich die Antragstellerin nicht berufen, da sie mit ihrem Antrag gerade bezweckt auch solche Leistungen anbieten zu dürfen, die über das hinausgehen, was im Interesse des Tierwohls als Pflegeleistung unbedingt erforderlich ist.
2.1.5. Allerdings kann sich die Antragstellerin unter Berücksichtigung ihres Hygienekonzepts auf eine Ausnahme entsprechend § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV berufen.
Nach dieser Vorschrift ist abweichend von § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV die Abholung vorbestellter Waren im Ladengeschäft zulässig, wenn die dort genannten Schutzund Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Zwar betrifft die Regelung nach ihrem Wortlaut nur die Abholung vorbestellter Waren und gilt daher nach ihrem Wortlaut nur für den Einzelhandel. Allerdings gebietet die verfassungskonforme Auslegung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eine entsprechende Anwendung dieser Ausnahmevorschrift im vorliegenden Einzelfall auch auf den Hundesalon der Antragstellerin als Dienstleistungsbetrieb, der nach dem vorgelegten Schutz- und Hygienekonzept nach dem Prinzip von Call & Collect betrieben wird.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 – 1 BvR 2880/11 – juris Rn. 38 f., m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 -,juris, Rn. 76).
Eine im Infektionsschutz wurzelnde oder sonst sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Einzelhandelsbetrieben und dem Hundesalon der Antragstellerin im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Angebots nach dem Prinzip von Call & Collect besteht aller Voraussicht nach nicht (vgl. VGH BW, B.v. 22.1.2021 – 1 S 139/21 – juris). Der Verordnungsgeber hat die in § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV geregelte Möglichkeit der Abholung vorbestellter Waren (Click & Collect bzw. Call & Collect) mit der Änderungsverordnung vom 8. Januar 2021 in die Verordnung aufgenommen und ausweislich der Begründung (BayMBl. 2021 Nr. 6) damit den Zweck verfolgt, dem Einzelhandel unter strikter Wahrung von Schutz und Hygienekonzepten sowie umfassender Verwendung von FFP2-Masken die Möglichkeit der Abholung von online oder telefonisch bestellten Waren anzubieten. Dies sei erforderlich, um die Versorgung mit entsprechenden Gütern auch unabhängig vom reinen online-Handel sicherzustellen.
Dabei hat der Verordnungsgeber allerdings die Zulassung dieser Vertriebsform nicht etwa auf die Grundversorgung der Bevölkerung mit besonders wichtigen Gütern beschränkt; vielmehr betrifft diese Vertriebsmöglichkeit jegliches Warenangebot. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen sachlichen Gründen eine Ungleichbehandlung zwischen Einzelhandel und dem Hundesalon der Antragstellerin im Hinblick auf die Vornahme der Dienstleistung nach dem Prinzip des Call & Collect gerechtfertigt sein sollte. Die Antragstellerin gewährleistet eine kontaktlose Abwicklung ohne einen Kundenbesuch im Inneren des Ladengeschäfts unter Einhaltung strikter Hygieneregeln. Nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Schutz- und Hygienekonzept ist ein persönliches Zusammentreffen von Kunde und Antragstellerin ausgeschlossen und es wird nur der Hund – vergleichbar mit einer Ware – übergeben. Dieser wird vom Kunden vor dem Ladengeschäft angeleint und erst dann von der Antragstellerin in den Laden geholt, wenn sich der Kunde mindestens 2 m entfernt hat, wobei Antragstellerin und Kunde FFP 2-Masken tragen. Entsprechend wird bei der Abholung des Tieres verfahren. Die Bezahlung erfolgt ebenfalls kontaktlos. Für die Möglichkeit einer Übertragung des SARS-CoV-2-Virus vom Kunden auf die Antragstellerin bestehen daher kein größeres Risiko als bei der Abholung von Waren im Einzelhandel. Es besteht also aus infektionsschutzrechtlicher Sicht keine andere Situation als im Einzelhandel.
Auch ist eine Übertragung des SARS-CoV-2 Virus durch den Hund ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht zu befürchten. Darauf weist das StMGP in seinen FAQ unter Verweis auf das Friedrich-Löffler-Institut hin. Es gebe bisher in der wissenschaftlichen Literatur keine Belege für eine Übertragung von SARS-CoV-2 vom Haustier auf den Menschen. Nach den bisherigen Erkenntnissen gebe es keine Hinweise darauf, dass Haustiere eine Rolle im Infektionsgeschehen von SARS-CoV-2 spielen und insbesondere keinen Hinweis darauf, dass Haustiere wie Hund und Katze das Virus auf Menschen übertragen können (https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/haeufig-gestellte-fragen/, „Können Haustiere, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, dass Virus auf den Menschen übertragen?“, abgerufen am 8.2.2021).
Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung von § 12 Abs. 1 Satz 6. 11. BayIfSMV ist der Betrieb des Hundesalons der Antragstellerin unter Beachtung des von ihr vorgelegten Schutz- und Hygienekonzepts nach dem Prinzip des Call & Collect erlaubt. Auf die anderslautenden Aussagen in den FAQ Corona und Wirtschaft vom 26. Januar 2021 kommt es nicht an, da diese weder für das Gericht noch für die Normadressaten rechtsverbindlich sind (BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – beck-online Rn. 9). Ein Anordnungsanspruch auf die begehrte Feststellung ist daher glaubhaft gemacht.
2.2. Es ist auch ein Anordnungsgrund im Sinn der Eilbedürftigkeit der Feststellung glaubhaft gemacht. Dieser folgt daraus, dass die Auslegung der einschlägigen Regelungen der 11. BayIfSMV durch den Antragsgegner in die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie in das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG eingreift und Rechtsschutz in der Hauptsache voraussichtlich zu spät kommen würde. Der Antragstellerin entsteht durch die Schließung ihres Geschäftes ein täglich wachsender wirtschaftlicher Schaden.
2.3 Das Gericht kann grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen, es sei denn, dass eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG) schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für die Antragspartei unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein Obsiegen der Antragspartei in der Hauptsache offensichtlich oder doch zumindest überwiegend wahrscheinlich ist. Die mit der einstweiligen Anordnung einhergehende Vorwegnahme der Hauptsache ist im vorliegenden Fall mit Blick auf die dargelegte Grundrechtsbetroffenheit einerseits und auf die jederzeit gegebene Reversibilität der Regelung andererseits gerechtfertigt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 54.2.1 analog des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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