Medizinrecht

einstweilige Anordnung, Anordnungsanspruch, Obdachlosigkeit, Annahme fehlender „Unterbringungsunfähigkeit“, Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  W 5 E 22.54

Datum:
19.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2928
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller im Rahmen der Obdachlosenfürsorge vorläufig unterzubringen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn im Rahmen der Obdachlosenfürsorge vorläufig unterzubringen.
1. Der Antragsteller stellte nach seiner Haftentlassung bei der Antragsgegnerin am 13. Januar 2022 einen Antrag auf vorläufige Einweisung in eine städtische Notunterkunft, da er obdachlos sei.
Mit Bescheid der Stadt Würzburg vom 13. Januar 2022 wurde der Antrag des Antragstellers auf Einweisung in städtischen Verfügungswohnraum abgelehnt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in dem speziellen Einzelfall des Antragstellers eine Unterbringung in Verfügungswohnraum nicht für eine angemessene Maßnahme zur Beseitigung der Obdachlosigkeit gehalten werde. Vielmehr sei eine Unterbringung in einer speziellen Einrichtung für psychisch erkrankte Personen notwendig. Der Antragsteller werde nicht für unterbringungsfähig gehalten, was aus dem in der Vergangenheit gezeigten Verhalten des Antragstellers geschlossen werde. Eine Aufnahme in der Gemeinschaftsunterkunft der … straße sei dem Umfeld nicht zuzumuten. Bereits bei seiner (besuchsweisen) Anwesenheit vor Ort am 13. und 14. Dezember 2021, um nur einige der jüngsten Vorfälle zu erwähnen, sei es zu Ruhestörungen, einem Hausfriedensbruch und zu mehreren sexuell belästigenden Äußerungen gegenüber Bewohnerinnen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und sozial inadäquatem Verhalten gekommen. Die Rechtsgüter, die im Umfeld des Antragstellers schützenswert seien, wie Würde, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer, stünden nach einer Abwägung höher als die Freiheit des Antragstellers, sich nicht an die Regeln einer für den Antragsteller geeigneten Einrichtung halten zu müssen. Eine unbegleitete sicherheitsrechtliche Unterbringung an einem anderen Ort oder in einer anderen Form würde lediglich den Personenkreis der Betroffenen ändern. Gleichzeitig werde auch beim Antragsteller eine gewisse Betreuungs- und Schutzbedürftigkeit gesehen, die mit den Kapazitäten der Antragsgegnerin weder bei einer zentralen noch bei einer dezentralen Unterbringung sichergestellt werden könnten. Das Grundproblem, dass bei dem Antragsteller eine behandlungsbedürftige psychische Krankheit vorliege, werde durch ein reines Dach über dem Kopf nicht gelöst.
2. Am 14. Januar 2022 erhob der Antragsteller Klage (W 5 K 22.53) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2022 mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn unterzubringen. Am gleichen Tag stellte er im hiesigen Verfahren sinngemäß den Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in einer Obdachlosenunterkunft unterzubringen.
Ferner stellte er einen Antrag
auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Zur Begründung seines Antrags nach § 123 VwGO wie auch seiner Klage brachte er vor: Er lebe in ungesicherten Verhältnissen auf der Straße. Er habe keine finanziellen Mittel außer Arbeitslosengeld II; ein Bescheid liege noch nicht vor. Zudem habe er auch bereits vor seiner Inhaftierung in der Stadt Würzburg gewohnt.
3. Die Antragsgegnerin stellte den Antrag,
den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abzulehnen.
Zur Begründung wurde vorgetragen: Generell setze eine Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft die Unterbringungsfähigkeit und Unterbringungswilligkeit der obdachlosen Person voraus. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe am 6. August 2015 festgestellt, dass von einer Obdachlosigkeit im rechtlichen Sinn nicht mehr auszugehen sei, wenn sich die wohnungslose Person durch eigenes Verhalten der Nutzungsmöglichkeit der Obdachlosenunterkunft entziehe, indem beharrlich gegen die innere Ordnung der zugewiesenen Unterkunft verstoßen werde und – im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung der Obdachlosenunterkunft – eine Verweisung aus dieser Einrichtung erfolgen müsse. Die Toleranzgrenze sei überschritten, wenn ein Bewohner einer Obdachlosenunterkunft fortgesetzt in massiver Art und Weise die Ruhe und Ordnung dieser Einrichtung störe, hierbei insbesondere auch Sachbeschädigungen verübe sowie deutliche Anzeichen für ein fremdgefährdendes Verhalten bei gleichzeitiger Schuldunfähigkeit bestünden. Der Antragsteller sei vor seiner Entlassung aus der JVA W* … bereits langjährig auffällig als Bewohner der Obdachlosenunterkunft bekannt. Er werde von der Antragsgegnerin für psychisch auffällig, sogar krank, selbstsowie fremdgefährdend gehalten. Es sei bereits mehrfach versucht worden, eine Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz zu erreichen, bislang ohne nennenswerten Erfolg. Es müsse hier eine Unterbringung nach dem Unterbringungsrecht für psychisch kranke Personen sowie weitere professionelle Hilfe erfolgen. Dies liege aber nicht in der Zuständigkeit der Obdachlosenbehörde. Es sei hier auch kein kleinlicher Maßstab angelegt worden. Beigefügt sei eine Liste mit zahlreichen Vorkommnissen, die das halbe Jahr 2021 vor Inhaftierung des Antragstellers beträfen. Seit seiner Haftentlassung am 10. Dezember 2021 habe der vor Ort installierte Sicherheitsdienst weitere Vorkommnisse dokumentiert. Jüngst habe der Antragsteller bei einem Vor-Ort-Termin in der … straße am 4. Januar 2022 einen erneuten Vorfall provoziert, als er neben Beleidigungen auch mit dem Inhalt einer Bierflasche um sich geworfen habe und dabei sowohl die Ausstattung als auch Mitarbeiter der Stadt Würzburg damit benetzt habe. Nach allem sei der Antrag auf Aufnahme in Verfügungswohnraum zu Recht abgelehnt worden, weil der Antragsteller für nicht unterbringungsfähig gehalten werde.
4. Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag, der sachgerecht dahingehend auszulegen ist (§ 122 i.V.m. § 88 VwGO), die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Rahmen der Obdachlosenfürsorge vorläufig unterzubringen, hat nach § 123 VwGO Erfolg; denn er ist zulässig und begründet.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Vom Antragsteller sind dabei sowohl ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit einer einstweiligen Anordnung, als auch ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz begehrt, glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Nach der gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund gegen die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht. Nach Art. 6 und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sind die Gemeinden als untere Sicherheitsbehörden verpflichtet, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen. Dazu gehört die Unterbringung unfreiwillig Obdachloser. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch gegen die Antragsgegnerin auf Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft. Im Einzelnen:
1. Die Antragsgegnerin ist als untere Sicherheitsbehörde zur Abwendung der Obdachlosigkeit sachlich und örtlich zuständig.
Örtlich zuständig ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG die Gemeinde, in der der Betroffene obdachlos wird bzw. in der die Obdachlosigkeit einzutreten droht. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 7.1.2002 – 4 ZE 01.3176 – juris Rn. 6; B.v. 5.12.2016 – 4 CE 16.2297 – juris Rn. 7) ergibt sich die örtliche Zuständigkeit für die Obdachlosenunterbringung aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG. Hiernach ist diejenige Behörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Im Fall eingetretener oder drohender Obdachlosigkeit bilden die bestehenden Gefahren für Leib und Leben im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG den Anlass für das sicherheitsrechtliche Eingreifen. Damit bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit der Sicherheitsbehörde gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG nicht nach dem Ort, an dem der Betroffene – zu einem zurückliegenden Zeitpunkt – erstmals obdachlos geworden ist, sondern nach dem Ort, an dem er sich gerade aufhält und an dem die mit der Obdachlosigkeit verbundene Gefahr für Leben und Gesundheit daher aktuell auftritt (BayVGH, B.v. 14.8.2019 – 4 CE 19.1546 – juris Rn. 11, unter Bezugnahme auf Ehmann, Obdachlosigkeit, 2. Aufl. 2006, S. 32; Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Mai 2018, Art. 7 Rn. 179). Da die den „Anlass für die Amtshandlung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG bildende Gefahr sich stets auf einen (mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohenden) künftigen Schaden bezieht, kann es im Rahmen dieser Zuständigkeitsvorschrift nicht darauf ankommen, ob auch früher schon eine andere Sicherheitsbehörde aus dem gleichen Anlass hätte tätig werden können oder müssen (BayVGH, B.v. 14.8.2019 – 4 CE 19.1546 – juris Rn. 11). Entsprechend ist die Gemeinde zuständig, in deren Bezirk die Obdachlosigkeit eingetreten ist oder einzutreten droht. Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin – was von dieser auch gar nicht bestritten wird – obdachlos geworden.
2. Die Antragsgegnerin ist zur vorläufigen Unterbringung des Antragstellers verpflichtet, da es sich – entgegen ihrer Meinung – trotz des vom Antragsteller in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens um einen Fall der „Obdachlosigkeit im rechtlichen Sinn“ handelt, der ein sicherheitsrechtliches Einschreiten erforderlich macht.
Nach Art. 6 und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sind – wie bereits erwähnt – die Gemeinden als untere Sicherheitsbehörden verpflichtet, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen. Dazu gehört die Unterbringung unfreiwillig Obdachloser.
Ein Anspruch des Obdachlosen auf sicherheitsrechtliches Einschreiten be-steht nur, soweit und solange er die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger in zumutbarer Weise und Zeit beheben kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2006 – 4 CE 06.2465 – BayVBl. 2007, 439; VGH Kassel, B.v. 24.9.1991 – 11 TG 1481.91 – juris). Denn die Gefahrenabwehrpflicht der Sicherheitsbehörde gilt nur bezüglich der Abwehr einer „unfreiwilligen“ Obdachlosigkeit, die nur dann vorliegt, wenn eine Person nicht über eine Unterkunft verfügt, die einen Minimalschutz vor der Witterung und zur Sicherung der notwendigsten Lebensbedürfnisse bietet (vgl. VGH Mannheim, B.v. 5.3.1996 – 1 S 470/96 – NVwZ-RR 1996, 439 = juris), die aber – wegen der Subsidiarität des Obdachlosenrechts – nicht vorliegt, wenn der Betroffene selbst – wirtschaftlich, finanziell und nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen des Wohnungsmarktes – dazu in der Lage ist, die drohende Obdachlosigkeit abzuwenden. Unfreiwillig obdachlos ist nämlich nur jemand, der keine Wohnung hat und nicht in der Lage ist, die Wohnungslosigkeit aus eigener finanzieller Kraft oder zumindest mit Hilfe von Sozialleistungen in zumutbarer Weise und Zeit zu beseitigen (vgl. VG Augsburg, B.v. 12.9.2014 – Au 7 S 14.1263 – juris Rn. 24). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich der Betreffende unter Ausschöpfung aller ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Eigenmaßnahmen, auch finanzieller Art, selber eine nur vorübergehende und den Mindestanforderungen genügende Bleibe verschaffen kann (vgl. BayVGH, B.v. 10.3.2005 – 4 CS 05.219 und B.v. 13.2.2014 – 4 CS 14.125; beide juris)
Die Kammer geht nach dem Vortrag des Antragstellers davon aus, dass diesem derzeit keine Möglichkeiten offenstehen, seine Obdachlosigkeit aus eigener Kraft zu beseitigen. Der Antragsteller hat im Rahmen seines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe Angaben zu seiner finanziellen Lage gemacht und insoweit erklärt, dass er monatlich 449,00 EUR Arbeitslosengeld II erhalte, wobei ein Bescheid noch nicht vorliege. Weitere Einnahmen habe er nicht und auch keinerlei finanzielle Hilfen, auf die er zurückgreifen könne. Aus diesen Angaben ergibt sich, dass der Antragsteller gegenwärtig keine ausreichenden finanziellen Mittel hat, um auf eigene Kosten eine Unterkunft zu beschaffen.
Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin, die insoweit auf die frühere Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 6.8.2015 – 4 C 15.1578 – juris) verweist, ändert die aus einem sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ nichts an der „Obdachlosigkeit im rechtlichen Sinn“. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und anderer Obergerichte ändert auch die aus einem unangepassten, sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ in einer Gemeinschaftseinrichtung an der grundsätzlichen Verpflichtung der Sicherheitsbehörde zur Gefahrenabwehr nichts (BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 4 CS 17.1450 – juris Rn. 13 f.; VGH Mannheim, B.v. 27.11.2019 – 1 S 2192/19 – juris Rn. 15 f.; OVG Münster, B.v. 10.7.2019 – 9 B 882/19 – juris Rn. 3; Henke in PdK Bay K-10a, Obdachlosigkeit, Stand Sept. 2021, Nr. 4.2; zu der Problematik der „nicht unterbringungsfähigen Obdachlosen“ vgl. ausführlich und m.w.N. zur Rspr. sowie weiterführenden Hinweisen, Ehmann, Obdachlosigkeit in Kommunen, 3. Aufl. 2019, S. 42 ff.). Bei festgestellter Selbst- oder Fremdgefährdung kommt allerdings in Ausnahmefällen eine Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz in Betracht (BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 4 CS 17.1450 – juris Rn. 13 f.; a.A. OVG Münster, B.v. 10.7.2019 – 9 B 882/19 – juris Rn. 3). Eine derartige Unterbringung ist aber – wie die Antragsgegnerin vorträgt – in der Vergangenheit mehrfach gescheitert. Die Kategorie des „unzumutbaren Zeitgenossen“, der zwar aus Rechtsgründen nicht zwangsweise in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer vergleichbaren Einrichtung untergebracht werden kann, gleichwohl aber wegen seines Verhaltens nicht als obdachlos gilt, obwohl er überhaupt kein Obdach hat, gibt es nicht (Ehmann, Obdachlosigkeit in Kommunen, 3. Aufl. 2019, S. 42).
Allerdings verfügt die Gemeinde bei der Auswahl unter den geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten über ein sehr weites Ermessen, das nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände eingeschränkt ist. So kommen dabei auch Unterkünfte einfachster Art in Frage, soweit eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 – 4 CE 12.1509 – juris Rn. 5; B.v. 9.1.2017, 4 C 16.2565 – BeckRS 2017, 100336 Rn. 13). Den Ansprüchen an eine Obdachlosenunterkunft genügen nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. U.v. 5.10.2020 – W 5 K 19.1650; B.v. 27.4.2001 – W 5 E 01.408 und B.v. 28.3.1996 – W 5 S 96.373 – alle juris) deshalb auch sog. Wohncontainer, wenn diese angemessenen Schutz vor der Witterung bieten (insbesondere also beheizbar sind) und die notwendigsten Bedürfnisse befriedigen, insbesondere die unerlässlichen Einrichtungen für die Körperhygiene vorhalten. Insbesondere hat die Gemeinde sehr wohl das Recht, in einem solchen Fall eine der Situation angemessene Unterkunft zuzuweisen. So kann die Gemeinde als Sicherheitsbehörde bei erheblichen Unzuträglichkeiten für die umliegende Bevölkerung andere Orte der Unterbringung in Betracht ziehen (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 4 C 16.2565 – BeckRS 2017, 100336 Rn. 13).
3. Angesichts der Eilbedürftigkeit ist der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ohne die Anordnung drohen dem Antragsteller vor allem bei den derzeitigen kalten Temperaturen und einer Verschlechterung der Witterungssituation in den kommenden Wintertagen bzw. -nächten gesundheitliche Schäden. Die Anordnung ist daher nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
4. Nach alledem war dem Antrag, die Antragsgegnerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Antragsteller im Rahmen der Obdachlosenfürsorge vorläufig unterzubringen, stattzugeben.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 2 und 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 35.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.
6. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war aufgrund der Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage stattzugeben. Nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe nur dann, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers wurde zwischenzeitlich vorgelegt. Danach ergibt sich jedenfalls unter Berücksichtigung der Freibeträge kein einzusetzendes Einkommen.


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