Medizinrecht

Einstweilige Anordnung, Vorläufiger Rechtsschutz, Ausnahmegenehmigung, Verwaltungsgerichte, Antragsgegner, Antragstellers, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertfestsetzung, Streitwertkatalog, Untersagung des Betriebs, Anordnungsgrund, Einstweiliger Rechtsschutz, Prozeßkostenhilfeverfahren, Verordnungsgeber, Hauptsacheverfahren, Bestimmtheitsgrundsatz, Eilbedürftigkeit, Beschwerdeentscheidung, Beschwerdeschrift, Wert des Beschwerdegegenstandes

Aktenzeichen  Au 9 E 21.178

Datum:
5.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2704
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
BayIfSMV § 11 Abs. 1 S. 2 11.
BayIfSMV § 11 Abs. 4 11.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Duldung bzw. die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Vermietung eines von ihm betriebenen Skilifts (Schlepplift).
Der Antragsteller ist Betreiber des Schlepplifts „Skilift …“ in, für den mit Bescheid des Landratsamtes … vom 18. Dezember 2008 eine bestandskräftige eisenbahn- und seilbahnrechtliche Erlaubnis erteilt wurde.
Die Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 737; BayRS 2126-1-15-G) zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung vom 28. Januar 2021 (BayMBl. Nr. 75) verbietet in § 11 Abs. 1 Satz 1 gewerbliche Freizeitaktivitäten unter freiem Himmel bzw. in geschlossenen Räumen. Nach § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV ist der Betrieb von Seilbahnen, der Fluss- und Seenschifffahrt im Ausflugsverkehr sowie von touristischen Bahnverkehren und Flusskreuzfahrten untersagt.
Am 17. Januar 2021 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Erteilung einer Sondergenehmigung für den Betrieb des Skilifts mit dem Ziel, diesen für zwei bzw. drei Stunden an Familien mit max. einer zusätzlichen Person zu verpachten.
Am 21. Januar 2021 begehrte der Antragsteller die Benutzung des Skiliftes für seine Familie/Hausstand bzw. seine zwei Mitinhaber.
Der Antragsgegner hat den Anträgen des Antragstellers jeweils fernmündlich nicht entsprochen.
Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragt,
die Antragsgegnerin (richtigerweise den Antragsgegner) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Betrieb des Skilifts des Antragstellers („…“ in …) einstweilen sanktionsfrei zu dulden.
Hilfsweise, die Antragsgegnerin (richtigerweise den Antragsgegner) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Betrieb des Skilifts des Antragstellers („…“ in …) einstweilen sanktionsfrei mit der Maßgabe zu dulden, dass der Antragsteller sein Sicherheits- und Hygienekonzept, beigefügt als Anlage A1, einhält.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antragsteller den Betrieb seines Skilifts begehre. Der Anspruch folge aus der bestehenden Betriebserlaubnis des Antragstellers für den streitgegenständlichen Lift und aus seinen Grundrechten auf Handlungs- und Berufsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die 11. BayIfSMV, insbesondere dessen § 11 Abs. 4, sei nicht geeignet, diese Rechte einzuschränken. § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV beziehe sich bereits nicht auf den vom Antragsteller geplanten Betrieb seines Lifts und genüge überdies nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV benenne ausdrücklich Tätigkeiten bzw. Unternehmungen im Ausflugsverkehr und im Zusammenhang mit touristischen Aktivitäten. Der Verordnungsgeber habe in § 11 der 11. BayIfSMV insgesamt unternehmerisch geführte Betriebe und Ausflugsziele, welche aufgrund ihrer Eigenschaft, eine Vielzahl von Menschen anlocken, untersagen wollen. Dies treffe eventuell auch auf die vom Verordnungsgeber in Betracht gezogenen Seilbahnen zu, welche ganzjährig Wanderer oder andere Ausflügler üblicherweise in einer Vielzahl und dicht gedrängt in abgeschlossenen Kabinen zu höhergelegenen Aussichtspunkten oder Wanderrouten beförderten, wo sich diese Personen sodann erneut zahlreich versammelten. Daher stehe der Begriff „Betrieb von Seilbahnen“ auch im Absatz 4 des § 11 neben „Ausflugsverkehr“ und „touristischen Bahnverkehren und Flusskreuzfahrten“. Der vom Antragsteller betriebene Lift unterscheide sich hiervon deutlich. § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV stehe dem Betrieb demnach nicht entgegen. Darüber hinaus sei eine Untersagung des Betriebs des Schlepplifts als unverhältnismäßig anzusehen. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie sei es nicht erforderlich, den Betrieb des Lifts gänzlich zu untersagen. Auch ein Anordnungsgrund bestehe. Der Betrieb des Lifts unter Einhaltung des aufgestellten Hygiene- und Sicherheitskonzepts erbringe täglich Einnahmen in Höhe von etwa 1.400,00 EUR. Täglich erreichten den Antragsteller zahlreiche Anfragen in Bezug auf eine Vermietung des Lifts samt Skipiste. Inzwischen hätten den Antragsteller etwa 50 Anträge erreicht, welche der Antragsteller derzeit bislang sämtlich habe ablehnen müssen. Dem Antragsteller sei es auch nicht möglich, die momentan ausfallenden Einnahmen in der wärmeren Jahreszeit „nachzuholen“. Über dies habe der Antragsteller keinen Zugang zur Gewährung von Corona-Hilfen des Bundes. Nach § 27 Abs. 2 der 11. BayIfSMV dürfe der Antragsgegner darüber hinaus Ausnahmegenehmigungen erteilen, sofern dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar sei.
Auf den weiteren Vortrag im Antragsschriftsatz vom 29. Januar 2021 wird ergänzend verwiesen.
Das Landratsamt … ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 1. Februar 2021 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung ist ausgeführt, der Antragsteller besitze keinen Anspruch auf Öffnung des von ihm betriebenen Skilifts. § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV untersage den Betrieb von Seilbahnen. Dies gelte unabhängig von der Nutzungsart oder dem Nutzungszweck. Eine Einschränkung dahingehend, dass vom Verordnungsgeber nur der Betrieb von Seilbahnen im Ausflugsverkehr untersagt sei, sei unzutreffend. Der eindeutige Wortlaut des § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV spreche gegen eine solche Auslegung. Der Begriff Ausflugsverkehr beziehe sich ausschließlich auf die Fluss- und Seenschifffahrt und gerade nicht auch auf Seilbahnen. Eine Ausnahme von der Vorschrift des § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV sei nicht möglich. Nach § 26 der 11. BayIfSMV seien Abweichungen von den Bestimmungen der BayIfSMV nur möglich, wenn die 7-Tage-Inzidenz unter 50 Neuinfektionen liege und zusätzlich eine sinkende Tendenz zu verzeichnen sei. Dies sei für den Landkreis … derzeit nicht der Fall. Nach § 27 Abs. 2 der 11. BayIfSMV könne die zuständige Kreisverwaltungsbehörde auf Antrag Ausnahmen erteilen, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar sei. Aufgrund der nach wie vor gegebenen aktuellen infektiologischen Lage im süddeutschen Raum erscheine der Betrieb eines Skilifts nicht vertretbar. Der Skilift des Antragstellers befindet sich im nördlichen Landkreis … in unmittelbarer Nähe zu den Landkreisen … und … Der Landkreis … weise aktuell eine 7-Tage-Inzidenz von 84,4, der Landkreis … sogar von 108,7 aus. Im Übrigen sei zu befürchten, dass die Öffnung des Skilifts eine Sogwirkung habe und infektiologisch bedenkliche Reisebewegungen auslöse. Hinzu komme, dass sowohl im Freistaat Bayern, als auch im angrenzenden Baden-Württemberg bereits Virusmutationen von SARS-CoV-2 auftreten würden. Trotz des beim Antragsteller vorhandenem Hygienekonzepts sei daher nicht auszuschließen, dass es zu Übertragungsfällen in bestimmten Situationen kommen könne. Eine Ausnahmegenehmigung sei daher nicht zu erteilen.
Auf den weiteren Vortrag im Antragserwiderungsschriftsatz vom 1. Februar 2021 wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2021, auf den Bezug genommen wird, hat der Antragsteller sein Vorbringen ergänzt und vertieft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag zutreffend auf Erteilung einer Duldung bzw. Ausnahmegenehmigung für den vom Antragsteller betriebenen Skilift (Schlepplift) gerichtet ist bzw. ob der Antragsteller bei gebotener Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) im Hauptantrag zunächst die Feststellung begehrt, dass § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV dem Betrieb des Skilifts nicht entgegensteht und lediglich hilfsweise für den Fall, dass § 11 der 11. BayIfSMV den Betrieb untersagt, die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung begehrt. Auch ein derartiger auf bloße Feststellung gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre ausnahmsweise statthaft, da sich die Frage der Zulässigkeit des Betriebs des Skilifts (Schlepplifts) unmittelbar nach § 11 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 4 der 11. BayIfSMV beurteilt, ohne dass hierzu eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Es liegt damit jedenfalls ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, sodass vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO eröffnet ist.
Der Antragsteller ist auch in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass zugunsten des Antragstellers wegen der Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG ein Anspruch auf ausnahmsweisen Betrieb des Skilifts besteht.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder eine drohende Gefahr zu verhindern oder wenn dies aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, d.h. ein Anspruch auf die begehrte Maßnahme, die nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind. Dies ist der Fall, wenn sich das Vorliegen eines Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruch als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Da die vom Antragsteller im Hauptantrag begehrte Duldung bzw. Ausnahmegenehmigung für den von ihm betriebenen Skilift (Schlepplift) in Anbetracht der derzeitigen Geltung des § 11 der 11. BayIfSMV bis 14. Februar 2021 (§ 29 der 11. BayIfSMV) zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde, das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aber nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses dient, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris; vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris). Der Ausgang eines eventuellen Hauptsacheverfahrens muss demnach offensichtlich erfolgreich erscheinen.
Gemessen an diesen Maßstäben ist der Antrag abzulehnen. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben.
a) Im Hinblick auf den im Antragsschriftsatz geltend gemachten, nicht unerheblichen Umsatzverlust wurde ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht.
b) Bei summarischer Prüfung besitzt der Antragsteller derzeit keinen Anspruch auf Inbetriebnahme seines Skilifts (Schlepplift). Dies gilt nach den derzeitigen im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu beanstandenden Regelungen der 11. BayIfSMV (hier § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4) unabhängig von Zahl und Art der den Skilift benutzenden Personen. Damit bliebe aber auch ein eventuelles Hauptsacheverfahren des Antragstellers voraussichtlich ohne Erfolg.
aa) Dem streitgegenständlichen Betrieb des Skilifts (Schlepplifts) steht bereits die ausdrückliche Bestimmung in § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV entgegen. Danach ist der Betrieb von Seilbahnen, der Fluss- und Seenschifffahrt im Ausflugsverkehr sowie von touristischen Bahnverkehren und Flusskreuzfahrten untersagt.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers unterfällt der von ihm betriebene Schlepplift unzweifelhaft dem in § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV verwendeten Begriff einer Seilbahn. Eine Seilbahn ist ein zu den Bahnen gehörendes Verkehrsmittel für den Personen- oder Gütertransport. Seilbahnen werden dabei nach den folgenden Kriterien unterschieden: Fahrzeuge oder Personen, die auf Sportgeräten von einem umlaufenden Drahtseil gezogen werden, Kabinen, Sessel oder Transportbehälter, die an einem umlaufenden Förderseil hängend bewegt werden oder Fahrzeuge oder Lastengehänge, die ähnlich einer Seilrutsche auf einem fixierten Tragseil mit Hilfe von Hohlkehlrollen fahren (https://de.wikipedia.org/wiki/seilbahn). Damit unterfällt auch der vom Antragsteller betriebene Schlepplift bereits dem herkömmlichen Begriff einer Seilbahn. Der Skilift ist auch nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der nichtbundeseigenen Eisenbahnen und der Seilbahnen in Bayern (Bayerisches Eisenbahn- und Seilbahngesetz (BayESG) als Seilbahn einzustufen. So sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 BayESG Seilbahnen im Sinn dieses Gesetzes an ihrem Bestimmungsort errichtete, aus der Infrastruktur und Teilsystemen bestehende Gesamtsysteme, die zum Zweck der Beförderung von Personen oder Gütern entworfen, gebaut, zusammengesetzt und in Betrieb genommen werden und bei denen die Beförderung durch entlang der Trasse verlaufende Seile erfolgt. Dementsprechend wurde für den streitgegenständlichen Skilift (Schlepplift) vom Antragsgegner am 18. Dezember 2008 zutreffend eine seilbahnrechtliche Erlaubnis erteilt. Damit unterfällt der streitgegenständliche Skilift aber der grundsätzlichen Untersagung in § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV.
Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers beschränkt sich die in § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV ausgesprochene Untersagung auch nicht lediglich auf den Betrieb von Seilbahnen im Ausflugsverkehr bzw. zu touristischen Zwecken. Eine derartige Regelung ist dem ausdrücklichen Wortlaut des § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV bereits nicht zu entnehmen. Die Beschränkung auf den „Ausflugsverkehr“ beziehungsweise „touristische Zwecke“ gilt lediglich für die in § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV genannte Fluss- und Seenschifffahrt bzw. den touristischen Bahnverkehr. Hingegen ist der Betrieb von Seilbahnen nach der Konzeption des Verordnungsgebers generell der uneingeschränkten Untersagung unterworfen. Ausnahmen hierfür sind lediglich in § 26 bzw. 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV vorgesehen, die vorliegend jedoch nicht einschlägig sind.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus begehrt, den Skilift an Dritte Personen gewerblich zu vermieten, steht diesem Begehren überdies die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV entgegen, wonach gewerbliche Freizeitaktivitäten weder unter freiem Himmel noch in geschlossenen Räumen angeboten werden dürfen.
bb) Die in § 11 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 4 der 11. BayIfSMV getroffene Untersagungsregelung begegnet bei summarischer Prüfung entgegen dem Vorbringen des Antragstellers keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine ausreichende Rechtsgrundlage als auch in Bezug auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsgrundsatzes.
(1) Die Rechtsverordnung findet bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung in den §§ 32 Satz 1 und 2, 28 Abs. 1 und 2, 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine ausreichende Rechtsgrundlage. Bundesrechtlich sind die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch § 28a IfSG näher bestimmt und konkretisiert worden. § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG sieht dabei die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind, ausdrücklich vor. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG können darüber hinaus Sportveranstaltungen und die Sportausübung beschränkt oder untersagt werden.
(2) Die Regelungen in § 11 Abs. 1 und Abs. 4 der 11. BayIfSMV begegnen auch unter Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsgesichtspunkten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die vorübergehende Untersagung des Betriebs von Seilbahnen sowie sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen stellt nach Auffassung der Kammer ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der damit verbundenen neuartigen Lungenkrankheit COVID-19 dar. Ziel der ergriffenen Maßnahmen ist es u.a., den Anstieg des Infektionsgeschehens auf eine wieder nachverfolgbare Größe zu senken, um so eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Die Untersagung des Betriebs von Seilbahnen – und damit auch Skiliften – ist zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet, denn sie trägt relevant zu einer Kontaktreduzierung im Freizeitbereich bei. Ziel der Untersagung der in § 11 der 11. BayIfSMV genannten Einrichtungen und Betriebe ist die Unterbindung nicht zwingend erforderlicher persönlicher Kontakte. Entscheidend ist, dass auch nur partiell geöffnete Sportanlagen und damit auch Skilifte unabhängig von der Frage des mit ihrem Betrieb einhergehenden Infektionsrisikos jedenfalls einen zusätzlichen Anlass für potenzielle Besucher bieten können, sich zur Sportausübung in die Öffentlichkeit zu begeben, wobei sie nicht nur in der Anlage selbst, sondern auch auf dem Weg dorthin und nach dessen Verlassen in Kontakt zu anderen – möglicherweise infizierten – Personen, kommen können.
Annähernd vergleichbar effektive Handlungsalternativen drängen sich jedenfalls nicht in der Weise auf, dass allein diese als milderes Mittel in Frage kommen. Soweit der Antragsteller auf eine Beschränkung der Personen durch die stundenweise Vermietung des Lifts an wechselnde Personen verweist, so berücksichtigt dies nicht, dass allein hygienische oder organisatorische Maßnahmen wie etwa eine Beschränkung der Nutzer oder deren Benutzungszeiten nicht gleich effizient sind. Konzept der Bayerischen Infektionsschutzverordnung ist es, die Kontakte der Bevölkerung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. In einer durch eine Reihe von Unsicherheiten und durch sich fortlaufende verändernde Erkenntnislagen geprägten Situation ist dem Verordnungsgeber ein Einschätzungsspielraum auch im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen. Nach diesem Maßstab ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass unter dem Gesichtspunkt der angestrebten Ansteckungsprävention bei Skiliften als Sportanlagen andere Maßnahmen, wie beispielsweise die Steuerung der Zahl der sich gleichzeitig dort aufhaltenden Personen, derzeit nicht als in gleicher Weise zielführend erachtet werden.
Die angegriffenen Regelungen stehen vielmehr in Einklang mit dem Gesamtkonzept des Verordnungsgebers, freizeitbezogene Aktivitäten weitgehend zu untersagen, um damit nicht zwingend erforderliche physische Kontakte zu verhindern und das Infektionsgeschehen abzuschwächen. Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen, besteht das erhöhte Risiko einer Ansteckung. In der derzeitigen pandemischen Situation eines weiterhin erheblichen und insbesondere unter Berücksichtigung von Virusvarianten diffusen Infektionsgeschehens begegnet die Entscheidung des Verordnungsgebers, den Betrieb von Freizeiteinrichtungen vorübergehend zu untersagen keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere im Hinblick auf die mit der Nutzung der Freizeiteinrichtungen und damit auch dem Skilift verbundene Mobilität der jeweiligen Nutzer, kommt es auf die Frage, ob bei der tatsächlichen Ausgestaltung der Nutzung des Skilifts eine spezifische Infektionsgefahr besteht, nicht mehr maßgeblich an (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2020 – 20 NE 20.2526 – juris Rn. 17).
Soweit es außerhalb von stationär betriebenen Sportanlagen wie dem streitgegenständlichen Skilift zu eventuellen Menschenansammlungen und damit einhergehenden Verstößen gegen das Abstandsgebot aus § 1 der 11. BayIfSMV kommt, kann dieser Umstand ebenfalls keine Öffnung des Skilifts rechtfertigen. Solchen Verstößen ist vielmehr sicherheitsrechtlich im Einzelfall zu begegnen.
(3) Auch nach dem täglichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 1. Februar 2021 ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin insgesamt als sehr hoch ein. Daher sei eine konsequentere Umsetzung der Fallfindung und Kontaktpersonennachverfolgung als auch der Schutz der Risikogruppen notwendig. Nur wenn die Zahl der neu Infizierten deutlich sinke, könnten auch die Risikogruppen zuverlässig geschützt werden.
Dies zugrunde gelegt ergibt auch die gebotene Folgenabwägung zwischen den betroffenen Schutzgütern des Antragstellers – insbesondere sein Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG – mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit der Allgemeinheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dass die vom Antragsteller dargelegten wirtschaftlichen Folgen derzeit hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen (vgl. BVerfG, B.v. 11.11.2020 – BvR 2530/20 – juris Rn. 12 ff.; BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 – Vf.90-VII-20 – BeckRS 2020, 31088 – Rn. 41; BayVGH, B.v. 25.11.2020 – 20 NE 20.2588 – juris Rn. 16). Bei der vom RKI aufgezeigten Situation eines diffusen Infektionsgeschehens auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich aufgetretenen Virusmutationen fallen die Folgen der Gewährung einer Ausnahmegenehmigung für den Antragsteller durch eine Öffnung des von ihm betriebenen Skilifts schwerer ins Gewicht als die wirtschaftlichen Folgen einer vorläufig fortdauernden Untersagung.
(4) Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang, dass es bei einer Öffnung des streitgegenständlichen Skilifts zu zusätzlichen Mobilitätsbewegungen käme und die Öffnung des Skilifts bei derzeit geschlossenen Freizeitanlagen einen Sogwirkungseffekt auslösen würde. Dies gilt insbesondere aufgrund der geografischen Lage des Skilifts im nördlichen Landkreis, die Freizeitsuchende aus den benachbarten Landkreisen … bzw. … anziehen würde. Dieses wird durch die eigenen Angaben des Antragsstellers unterstrichen, wonach er über 50 Anfragen für den Skilift ablehnen musste. Dass es nicht beim regionalen Einzugsbereich bleibt, belegt die Anfrage des Skiclubs, einem Ort südlich von … in ca. 130 km Entfernung. An dieser Stelle ist der Blick vom streitgegenständlichen Skilift zu lösen und die Auswirkungen einer Öffnung auf sämtliche Freizeiteinrichtungen zu berücksichtigen. Einer Öffnung des Skilifts käme ein Präzedenzcharakter zu, der dem vom Verordnungsgeber beabsichtigten Gesamtkonzept zur Verhinderung freizeitbezogener Aktivitäten zuwiderlaufen würde.
cc) Dem Antragsteller steht darüber hinaus auch kein Anspruch auf eine entsprechende Ausnahme von § 11 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 4 der 11. BayIfSMV zur Seite.
(1) Eine Regelung zugunsten des Antragstellers gemäß § 26 der 11. BayIfSMV kommt bereits tatbestandlich nicht in Betracht. Danach kann die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erleichternde Abweichungen von den Bestimmungen der 11. BayIfSMV durch Allgemeinverfügung zulassen, sofern im Landkreis bzw. einer kreisfreien Stadt der nach § 28a Abs. 3 Satz 12 IfSG bestimmte Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen nicht überschritten wird und die Entwicklung des Inzidenzwertes eine sinkende Tendenz hat. Der 7-Tage-Inzidenzwert im Landkreis … beträgt zum Stichtag 4. Februar 2021 56,41 (Quelle: https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/ karte_coronavirus-). Damit kommt eine Regelung entsprechend § 26 der 11. BayIfSMV zugunsten des Antragsteller bereits tatbestandlich nicht in Betracht.
(2) Darüber hinaus besitzt der Antragsteller aber auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV. Nach dieser Vorschrift können Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Da im hier streitgegenständlichen Fall der Betrieb des Skilifts (Schlepplift) nach der gesetzgeberischen Konzeption der 11. BayIfSMV grundsätzlich und ohne Ausnahmemöglichkeit untersagt ist, sind aus infektionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten keine Gründe ersichtlich, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Sinne einer erforderlichen Ermessensreduktion auf Null für das Gericht im Einzelfall nahelegen könnten. Überdies ist zu berücksichtigen, dass eine Zulassung des Skilifts des Antragstellers die grundsätzliche Untersagung in § 11 Abs. 4 der 11. BayIfSMV tangiert. Für diese Fallgestaltung ist § 27 Abs. 2 Satz 2 der 11. BayIfSMV zu beachten, wonach Ausnahmegenehmigungen, die einen generellen Personenkreis oder – wie hier – eine allgemeine Fallkonstellation betreffen – unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erteilt werden dürfen. Da dieses Einvernehmen nicht erteilt wurde, ist die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zugunsten des Antragstellers im Wege vorläufigen Rechtsschutzes derzeit ausgeschlossen.
dd) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eventuell abweichende Regelungen in anderen Bundesländern für den Antragsgegner nicht bindend sind. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 32 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG), wonach die jeweiligen Landesregierungen ermächtigt werden, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten durch Rechtsverordnungen zu erlassen. Bezüglich der Ausgestaltung der gebotenen Schutzmaßnahmen kommt dem Antragsgegner ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der vorliegend jedenfalls nicht in gesetzwidriger Weise überschritten wurde.
3. Da nach den vorstehenden Ausführungen der Antragsteller auch unter Berücksichtigung eines etwaigen Hygienekonzepts bzw. einer Beschränkung auf einen entsprechend reduzierten Benutzerkreis keinen Rechtsanspruch auf Öffnung des Skilifts besitzt, hat der gestellte Antrag weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. Der Antrag war vielmehr mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl., Sonderbeilage Januar 2014). Nach dessen Nr. 1.5 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des in der Hauptsache gebotenen Streitwerts. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.


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