Medizinrecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Kraftfahreignung

Aktenzeichen  AN 10 E 20.00157

Datum:
31.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1764
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
VwGO § 44a
FeV § 11 Abs. 3 Nr. 7, § 46 Abs. 3

 

Leitsatz

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, dass nach der Anordnung einer Gutachtensaufforderung die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet werden könnte, keinen Entzugsbescheid zu erlassen, ist unzulässig. Damit würde  der Grundsatz der Unanfechtbarkeit vorbereitender Verfahrenshandlungen aufgrund der dann gebotenen Inzidenzprüfung der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung im Ergebnis umgangen (st. Rspr. der Kammer, vgl. B.v. 24.1.2006 -10 E 06.00140, BeckRS 2006, 29363). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Nachdem der Antragsteller zunächst am 30. Oktober 2015 eine Fahrerlaubnis erteilt bekommen hatte, wurde diese ihm mit Bescheid vom 28. November 2016 entzogen. Am 6. Dezember 2016 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Antragsgegnerin ab. Am 15. März 2017 beantragte er die Neuerteilung. Am 31. Oktober 2018 wurde ihm ein entsprechender Führerschein ausgehändigt.
Zwischenzeitlich wurde der Antragsteller aufgrund einer Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom 29. Mai 2018 zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen verurteilt. Des Weiteren wurde der Kläger aufgrund einer vorsätzlichen Körperverletzung vom 29. März 2019 zu einer weiteren Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen verurteilt.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 wurde der Antragsteller aufgefordert, bis spätestens 28. Januar 2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, das die Frage beantworten solle, ob trotz der aktenkundigen erheblichen Straftat in Zusammenhang mit der Kraftfahreignung, die Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial aufweise, zu erwarten sei, dass der Antragsteller künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Januar 2020 stellte der Antragsteller Antrag auf einstweilige Anordnung. Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Frist zur Vorlage des Gutachtens ablaufe. Deshalb sei eine einstweilige Anordnung geboten. Es könne dem Antragsteller nicht zugemutet werden, sich auf nachträglichen Rechtsschutz verweisen zu lassen, letztendlich auch um der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG gerecht zu werden. Die Fahrerlaubnis habe für den Antragsteller existenzsichernde Bedeutung.
Der Antragsteller beantragte,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Erlass eines Entzugsbescheides zu unterlassen.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die elektronische Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist bereits unzulässig.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlichen erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Hierbei ist der streitige Anspruch sowie der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Vorliegend ist der Antrag bereits unzulässig, weil die Voraussetzungen für die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes nicht vorliegen.
Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichtsbarkeit (vgl. grundsätzlich: BVerwG, U.v. 28.11.1969, Az. VII C 18.69, juris) handelt es sich bei der Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens im Fahrerlaubnisrecht nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine vorbereitende Verfahrenshandlung im Sinne von § 44a VwGO. Dies hat zur Folge, dass eine Gutachtensanforderung nicht selbständig anfechtbar ist und regelmäßig erst im Rahmen eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens nach dem Erlass der Entzugsverfügung überprüft werden kann. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Gutachtensanforderung auf § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV gestützt. Nach den oben geschilderten Grundsätzen ist eine solche Gutachtensanforderung unanfechtbar, lediglich die Kostenentscheidung ist als Regelung im Sinne von Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG anfechtbar.
Mit diesen Grundsätzen unvereinbar wäre der Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, dass nach dem Erlass einer Gutachtensaufforderung die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet werden könnte, keinen Entzugsbescheid zu erlassen. Damit würde nämlich der Grundsatz der Unanfechtbarkeit vorbereitender Verfahrenshandlungen aufgrund der dann gebotenen Inzidenzprüfung der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung im Ergebnis umgangen (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. B.v. 24.1.2006, Az. 10 E 06.00140, juris).
Hiervon wäre im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn es dem Rechtssuchenden aufgrund besonderer Umstände nicht zuzumuten wäre, sich auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen den verfahrensabschließenden Verwaltungsakt verweisen lassen zu müssen. Eine solche Unangemessenheit ist aber nur dann anzunehmen, wenn der nachträgliche Rechtsschutz für den Rechtssuchenden zu solchen unzumutbaren Nachteilen führen würde, die in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigen sind (BVerfG, B.v. 24.10.1990, Az. 1 BvR 1028/90, juris). Unabhängig von der Frage, ob ein derartiges qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um die Frage der Fahreignung motorisierter Verkehrsteilnehmer und deren potentielle Gefahr für den Straßenverkehr geht, überhaupt denkbar ist, liegen die insoweit erforderlichen Voraussetzungen hier jedenfalls nicht vor. Der Antragsteller hat nämlich die Möglichkeit, die Anordnung zur Gutachtensbeibringung vom 24. Oktober 2019 im Rahmen eines Verfahrens gegen eine möglicherweise erfolgende Entziehungsverfügung gerichtlich überprüfen zu lassen. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis, die gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Verweigerung zur Gutachtensbeibringung gestützt ist, kann nämlich nur dann Bestand haben, wenn die Gutachtensanforderung rechtmäßig war.
Zwar sieht auch das Gericht, dass der Besitz einer Fahrerlaubnis in der heutigen Zeit häufig existenzielle Bedeutung hat, doch ist der Antragsteller aufgrund der oben geschilderten Problematik auf den Rechtsweg gegen eine mögliche Entzugsverfügung zu verweisen, die dann, wenn der Sofortvollzug verhängt werden sollte, im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO überprüft werden könnte. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck sowohl der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 44a Satz 1 VwGO, als auch der materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 11 ff. FeV. Sinn und Zweck ist es nämlich, eine Sachentscheidung durch die Fahrerlaubnisbehörde nicht unnötig zu verzögern und die Rechtsdurchsetzung nicht unnötig zu verkomplizieren. Das Gericht soll danach erst nachträglichen Rechtsschutz gewähren, nicht aber einen verfahrensbegleitenden Rechtsschutz, da die Zuständigkeit der Behörde nicht beeinträchtigt werden darf (vgl. hierzu auch: VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 17.6.2015, Az. 3 L 488/15.NW, juris).
Der Antragsteller ist daher auf nachträglichen Rechtsschutz zu verweisen. Im Übrigen ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht sicher, ob tatsächlich eine Entzugsverfügung nach § 11 Abs. 8 FeV erfolgen wird und selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde die Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 3 VwGO zu begründen haben, warum sie ggf. mit Sofortvollzug versehen wird.
Der Antrag ist daher als unzulässig abzulehnen.
Im Übrigen und ohne dass es hierauf noch ankäme, hat das Gericht im Rahmen der hier gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung nach § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV. Es handelt sich vorliegend sehr eindeutig um eine Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, nämlich neben dem Fahren ohne Fahrerlaubnis um eine vorsätzliche Körperverletzung bei Teilnahme am Straßenverkehr. Letztere Tat lässt auch ein hohes Aggressionspotenzial beim Antragsteller erkennen, wenn dieser nämlich, wie polizeilich und auch im Strafbefehl festgestellt, einen anderen Verkehrsteilnehmer, der einen Fehler gemacht hatte, sich aber dafür entschuldigt hat, ohrfeigt. Eine solche Tat lässt zumindest Zweifel an der weiteren Fahreignung des Antragstellers aufkommen, sodass unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung möglich erscheint.
Damit wäre auch ein Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Danach wäre der Antrag auch als unbegründet abzulehnen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Ziffern 46.3, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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