Medizinrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen psychische Beeinträchtigung (Korsakow Syndrom) – einstweiliger Rechtsschutz

Aktenzeichen  Au 7 S 19.1962

Datum:
25.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25961
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1 S. 1
FeV Anl. 4 Nr. 7.1

 

Leitsatz

Die Feststellung eines Korsakow-Syndroms als zerebrale Schädigung im Sinne eines alkoholbedingten amnestischen Syndroms reicht allein schon aus, um davon auszugehen, dass psychiatrische Beeinträchtigungen vorliegen, die das ausreichend sichere Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen (vgl. VGH München BeckRS 2017, 102521 Rn. 11). (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1961 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A18, A1, B, BE, C1, C1E, L, M, S und T.
1. Aufgrund der Mitteilung des für den Antragsteller vom Amtsgericht * bestellten Betreuers Herrn * vom 15. Juli 2019 wurde dem Landratsamt * (im Folgenden: Landratsamt) bekannt, dass der Antragsteller 1,5 Jahre geschlossen untergebracht gewesen sei, da er an einem akuten Korsakow-Syndrom leide, aber vor geraumer Zeit wieder in sein privates Wohnhaus zurückgekehrt sei. Obwohl mit der Ehefrau des Antragstellers besprochen worden sei, dass der Antragsteller nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen dürfe, halte er sich nicht daran. Es werde daher um eine zeitnahe Überprüfung gebeten.
Das nervenärztliche Gutachten vom 16. Januar 2018, das für das Amtsgericht * im Hinblick auf die Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung erstellt worden war, sowie der Beschluss des Amtsgerichts * vom 2. März 2018 über die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung wurden vorgelegt.
Das Gutachten beantwortete die gestellten Beweisfragen wie folgt: „Herr * leidet an einer hirnorganischen Beeinträchtigung (ICD 10:F06.9), möglicherweise in Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall und einem Sturz, darüber hinaus Z.n. Alkoholmissbrauch (ICD10:F10.2), offensichtlich ein früherer Opiatabusus bei chronischem Schmerzsyndrom (ICD10:F11.1) und jetzt ohne Zweifel ein Korsakow Syndrom als Folge der Abhängigkeit (ICD10:F10.6). Die psychische Beeinträchtigung des Betroffenen ist eine erhebliche krankhafte Störung der Geistestätigkeit, von nicht nur vorübergehender Dauer. Eine weitere Betreuung im bisherigen Umfang ist notwendig. Eine weitere Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung ist bei dem Krankheitsbild des Betroffenen erforderlich, er ist gefährdet, sich zu schädigen, durch Weglaufen, Verlaufen bei Desorientiertheit, bei Merkfähigkeits- und Erinnerungsstörungen.“
In der Zusammenfassung heißt es: „Aus nervenärztlicher Sicht ist weiterhin eine geschlossene Unterbringung für Herrn * erforderlich, um ihn bei seinem Krankheitsbild eines organischen Psychosyndroms, eines Korsakow Syndroms bei chronischer Alkoholabhängigkeit und Opiatabusus davor zu bewahren, sich gesundheitlich zu schaden und Gefahren von ihm abzuwenden. Eine Perspektive muss ihm allerdings geboten werden, gestufte Ausgangsregelung sollten erprobt werden, ob er in Verantwortung genommen werden kann. In 2 Jahren sollte überprüft werden, ob eine geschlossene Unterbringung noch notwendig ist oder eine Unterbringung in einer offenen Einrichtung möglich ist.“
Der Antragsteller ist laut Auszug aus dem Melderegister in der Zeit vom 18. September 2017 bis zum 1. März 2019 unter der Adresse „*, *“ (*, * GmbH), seit 1. März 2019 unter seiner privaten Adresse „*, *“ gemeldet.
Mit Schreiben vom 19. September 2019 wurde der Betreuer zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis mit Äußerungsfrist bis 7. Oktober 2019 angehört.
Dem zwischenzeitlich Bevollmächtigten wurde mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 die am 7. Oktober 2019 beantragte Akteneinsicht gewährt.
Ebenfalls mit Bescheid vom 10. Oktober 2019, der dem Bevollmächtigten des Antragstellers laut Empfangsbekenntnis am 14. Oktober 2019 zugestellt wurde, entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, A18, A1, B, BE, C1, C1E, L, M, S und T (Nr. 1 des Bescheides). Er wurde verpflichtet, seinen am 18. Februar 2011 vom Landratsamt * ausgestellten Führerschein mit der Führerschein-Nr. * innerhalb einer Woche nach Zustellung des Entzugsbescheides beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4).
Hinsichtlich der Begründung des Bescheids wird auf diesen Bezug genommen (Bl. 35 ff. der Behördenakte).
Der Antragsteller hat den Führerschein laut Aktenvermerk vom 17. Oktober 2019 beim Landratsamt abgegeben.
2. Am 14. November 2019 ließ der Antragsteller, vertreten durch seinen Betreuer, durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben mit den Anträgen:
1. den Bescheid des Beklagten vom 10.10.2019, zugegangen am 14.10.2019, mit dem Aktenzeichen * kostenpflichtig aufzuheben,
2. dem Beklagten aufzugeben, die vom Kläger am 17.10.2019 abgegebene Fahrerlaubnis unverzüglich wieder an den Kläger zurückzugeben oder ihm für den Fall der Unbrauchbarmachung eine neue Ausfertigung kostenfrei auszustellen und
3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Die Klage wird bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 19.1961 geführt.
Zugleich ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen und beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Schon aus dem zugrundeliegenden nervenärztlichen Gutachten des Dr. * vom 16. Januar 2018 folge, dass zum Zeitpunkt der Erstellung kein aktueller Alkohol- oder Opiatmissbrauch gegeben gewesen seien. Vielmehr habe der Antragsteller während und auch nach der Entlassung aus der geschlossenen Unterbringung im Februar 2019 keinen Alkohol mehr konsumiert, sodass insofern Alkoholabstinenz von deutlich über einem Jahr i.S.d. Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV nachgewiesen sei. Opiate seien zuletzt im Juni 2016 ärztlich verordnet worden, wobei angesichts der ärztlichen Verordnung der Schmerztherapie schon fraglich sei, wie dabei von einem Opiatmissbrauch ausgegangen werden könne. Jedenfalls sei eine derzeitige Opiatabhängigkeit nicht gegeben. Das nervenärztliche Gutachten habe zwar eine organische Beeinträchtigung und ein Korsakow-Syndrom im Januar 2018 festgestellt, jedoch sei völlig offen, ob sich diese Erkrankungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auswirken würden. Aufgrund des Gutachtenszwecks habe sich der Sachverständige mit der Klärung der Fahreignung naturgemäß nicht auseinandergesetzt, sodass die gutachterlichen Feststellungen zur Begründung des Fahrerlaubnisentzugs vollkommen ungeeignet seien. Ebenso sei unklar, ob die in 2018 festgestellten Krankheitsbilder des Antragstellers aktuell noch relevant seien. Der Entzug der Fahrerlaubnis stelle sich als besonders belastend dar, nachdem die Teilhabemöglichkeiten am sozialen Leben mangels entsprechender Mobilität maßgeblich eingeschränkt würden und insofern weitere psychische Belastungen zu erwarten seien. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtswidrig dar und die aufschiebende Wirkung der Klage sei anzuordnen. Das Landratsamt habe ferner das zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis bereits nachhaltig veraltete Gutachten auch noch falsch wiedergegeben und in seine Interessenabwägung eingestellt.
3. Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 9. Dezember 2019,
den Antrag abzulehnen.
Der Entzug der Fahrerlaubnis sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1, Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 7 FeV rechtmäßig. Aufgrund des aktenkundigen nervenärztlichen Gutachtens des Dr. * vom 16. Januar 2018 stünde die Nichteignung nach § 11 Abs. 7 FeV fest. Laut Gutachten solle erst nach zwei Jahren überprüft werden, ob eine geschlossene Unterbringung noch notwendig sei. Eine solche Unterbringung stelle aber einen deutlich weitergehenden Eingriff als die Entziehung der Fahrerlaubnis dar, sodass vom Vorliegen der festgestellten Krankheiten auszugehen sei. Nach Nr. 3.12.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sei u.a. jemand, der unter einem amnestischen Syndrom (Korsakow Syndrom) akut leide, nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden. Es seien auch im Rahmen der Klagebegründung keine aktuellen medizinischen Nachweise eingereicht worden, die belegen könnten, dass die getroffenen Feststellungen nicht mehr dem aktuellen Gesundheitszustand entsprächen.
4. Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2019 replizierte die Antragstellerseite, dass die Annahme des Antragsgegners, dass die Diagnosen des nervenärztlichen Gutachtens nach wie vor den aktuellen Gesundheitszustand des Antragstellers beschreiben würden, evident unzutreffend sei, da er bereits seit Februar 2019 aus der geschlossenen Unterbringung entlassen worden sei, was eine Verbesserung des Gesundheitszustands deutlich aufzeige.
5. Das Gericht hat die Betreuungsakte des Antragstellers beim Amtsgericht * angefordert und daraufhin einen Aktenauszug (aus Datenschutzgründen abzüglich der für den vorliegenden Eilfall nicht notwendigen Dokumente) erhalten.
6. Mit Schreiben vom 22. April 2020 forderte das Gericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung den Entlassbericht aus dem Heim von 2019 bzw. hilfsweise die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht beim Antragsteller an.
Auf die daraufhin eingeholten Dokumente wird Bezug genommen.
7. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie den beigezogenen Aktenauszug des Amtsgerichts * Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist überwiegend zulässig, führt indes in der Sache nicht zum Erfolg.
1. Der Antrag gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den (gesamten) Bescheid des Antragsgegners vom 10. Oktober 2019 ist nach §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach dem Begehren des Antragstellers auszulegen. Zugrunde zu legen ist, dass Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Diese entfällt nur, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) oder dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO). Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen.
a) Nach diesen Grundsätzen ist hier davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nummern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids wiederhergestellt (nicht: „angeordnet“) werden soll. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die sofortige Vollziehung in Nummer 4 des Bescheides nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO diesbezüglich angeordnet. Nur aufgrund der behördlichen Anordnung sind Nummern 1 und 2 des Bescheids sofort vollziehbar, insbesondere ist die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins nach § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980) nicht im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO durch Bundesgesetz vorgeschrieben, da die Fahrerlaubnisverordnung kein formelles Gesetz im Sinne dieser Vorschrift ist (BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 23 unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. BayVGH, B.v. 9.6.2005 – 11 CS 05.478 – juris Rn. 50; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 65). Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) entstammt zwar einem formellen Gesetz, entsteht ausweislich des Wortlauts aber erst „nach der Entziehung“, womit in systematischer Abgrenzung zum „unverzüglich“ i.S.d. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV auf den Zeitpunkt der Bestandskraft abgestellt wird.
Hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Nummer 3 (Art. 21a des Bayerischen Verwaltungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG) wäre ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statthaft. Der uneingeschränkt formulierte Antrag soll sich jedoch nach Auslegung gleichwohl nicht gegen die Androhung des Zwangsgeldes richten. Da der Kläger den Führerschein gemäß Aktenvermerk bereits am 17. Oktober 2019 bei der Fahrerlaubnisbehörde abgeliefert hat, würde es sich hierbei um einen unzulässigen Antrag handeln. Das angedrohte Zwangsgeld kann aufgrund der Ablieferung nicht mehr fällig werden. Die Zwangsgeldandrohung hat sich damit erledigt. Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit bestünde damit nicht (vgl. VG München, B.v. 4.12.2015 – M 1 S 15.4366 – Rn. 18, juris). Durch die Ablieferung des Führerscheins nicht erledigt hat sich hingegen die Verpflichtung zur Abgabe desselben in Nr. 2 des Bescheids, denn diese stellt den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde dar (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris).
b) Der Antrag ist jedoch unzulässig, soweit ausdrücklich beantragt wird, die Fahrerlaubnisbehörde zur unverzüglichen Herausgabe des Führerscheins (nicht: „Fahrerlaubnis“) zu verpflichten. In ständiger Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass ein Rechtsschutzbedürfnis insoweit nicht besteht. Da auch vorliegend nichts dafür spricht, dass die Behörde ihren Pflichten, die sich auf die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid hin ergeben, nicht nachkommen würde, und es vielmehr eines vollstreckbaren Titels bedürfe, um den Anspruch zwangsweise durchsetzen zu können, besteht keine Veranlassung für die beantragte Anordnung (BayVGH, B.v. 17.10.2013 – 11 CS 13.1469 – juris).
2. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig ist, führt er aber in der Sache nicht zum Erfolg.
a) Die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a.a.O. § 80 Rn. 36). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht des Antragsgegners vor. Er hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris Rn. 10; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
b) Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen, hat das Gericht – wie bereits oben ausgeführt – eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, hier also der Klage vom 14. November 2019. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass die Klage mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Erscheint der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, hat eine reine Interessenabwägung stattzufinden (vgl. zum Ganzen: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, Rn. 152 ff. zu § 80).
Nach diesen Grundsätzen kommt die Kammer im Rahmen ihrer eigenen originären Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis, dass weder in der Hauptsache Erfolgsaussichten bestehen noch die Interessenabwägung im engeren Sinn im Übrigen ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt.
Die Interessenabwägung führt hier zum Überwiegen des öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des streitgegenständlichen Bescheids. Unter Zugrundelegung der derzeitigen Sach- und Rechtslage wird die Klage gegen die Nummern 1 und 2 des Bescheides vom 10. Oktober 2019 nach summarischer Prüfung nicht erfolgreich sein, weil der Bescheid rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat zu Recht eine Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterlassen, da die Nichteignung des Antragstellers feststeht, § 11 Abs. 7 FeV.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten, abschließenden Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Da ein Widerspruchsverfahren hier nicht durchgeführt wurde, ist dies der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Entziehungsbescheids vom 10. Oktober 2019, d.h. der Tag der Bekanntgabe am 14. Oktober 2019.
aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, d.h. die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StVG). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung hinweisen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FeV). Von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Tatbestandsvoraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist demnach, dass sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist (Anm.: Hervorhebung durch die Verfasserin). Hierfür ist folglich die Fahrerlaubnisbehörde im Zweifel nachweispflichtig.
Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Die in § 11 Abs. 7 FeV vorausgesetzte Gewissheit des zur Entscheidung berufenen Amtsträgers, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist, kann nach der Rechtsprechung auf jedem rechtskonformen Weg gewonnen werden (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2006 – 11 CS 05.2439 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 8.8.2005 – 11 CS 05.631 – juris Rn. 17; VG des Saarlandes vom 26.11.2010 – 10 K 1862/09 – juris Rn. 25, 27).
bb) Der Antragsteller war auf der Grundlage des fachärztlichen (nervenärztlichen) Gutachtens vom 16. Januar 2018 zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Entziehungsbescheids am 14. Oktober 2019 jedenfalls aufgrund des laut Gutachter ohne Zweifel bestehenden Korsakow-Syndroms als Folge der Abhängigkeit (ICD10:F10.6) nicht fahrgeeignet, sodass die übrigen im Gutachten getroffenen Diagnosen – einer „hirnorganischen Beeinträchtigung (ICD 10:F06.9), möglicherweise in Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall und einem Sturz, darüber hinaus Z.n. Alkoholmissbrauch (ICD10:F10.2), offensichtlich ein früherer Opiatabusus bei chronischem Schmerzsyndrom (ICD10:F11.1) – letztlich dahinstehen können. Ergeben sich Zweifel an der Fahreignung im Hinblick auf ein solches Korsakow-Syndrom, so sind diese zwar grundsätzlich nach § 46 Abs. 3 i.V.m. §§ 11 ff. FeV, insbesondere durch Anforderung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FeV, aufzuklären. Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt jedoch die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.
So liegt die Sache hier. Die Fahrerlaubnisbehörde hat auf die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Überprüfung der Fahreignung im Hinblick auf das Korsakow-Syndrom des Antragstellers zu Recht verzichtet, weil sie nach den ihr vorliegenden Unterlagen rechtmäßig davon ausgehen konnte, dass der Antragsteller schon aufgrund dieser Diagnose nicht fahrgeeignet ist.
(1) Das Krankheitsbild organischer Psychosen ist in Nr. 7.1 der Anlage 4 zur FeV geregelt. Nr. 7.1.1 („akut“) der Anlage 4 zur FeV verneint für organische Psychosen im Falle eines akuten Zustands die Fahreignung für beide Gruppen ausnahmslos, Nr. 7.1.2 („nach Abklingen“) bejaht die Fahreignung für beide Gruppen nach Abklingen des akuten Zustandes jeweils abhängig von der Art und Prognose des Grundleidens, wenn bei positiver Beurteilung des Grundleidens keine Restsymptome bestehen und kein Fall der Nr. 7.2 („chronische hirnorganische Psychosyndrome“) vorliegt.
Nr. 3.12.1 („organisch-psychische Störungen“) der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand: 31.12.2019, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit Heft M 115, anwendbar gemäß Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV) erfasst das Korsakow-Syndrom als amnestisches Syndrom als eine organische Psychose, die bei einem akuten Leiden zu der zwingenden Beurteilung führt, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden. Begründet wird dies damit, dass es sich bei organischen Psychosen oft um schwere und in ihrem Verlauf kaum absehbare Krankheitszustände des Gehirns handelt, die im Allgemeinen mit Bewusstseinsstörungen einhergehen oder doch dem Bilde schwerer allgemeiner krankhafter psychischer Veränderungen entsprechen. Sie schließen ebenso wie ihre Prodromalerscheinungen das sichere Führen von Kraftfahrzeugen aus. In Abhängigkeit vom Grundleiden kann die Gefahr einer Wiedererkrankung bestehen. Nach einmaliger Schädigung kommt es für die Beurteilung darauf an, ob die Schädigung Resterscheinungen, d. h. Beeinträchtigungen der hirnorganischen Leistungsfähigkeit, hinterließ.
Die Feststellungen hinsichtlich eines Korsakow-Syndroms reichen allein für sich schon dafür aus, um nach dem Kriterium A 5.3 N Nr. 6 der Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 158) davon auszugehen, dass beim Antragsteller psychiatrische Beeinträchtigungen vorliegen, die das ausreichend sichere Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen (BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 11 CS 17.23 – juris Rn. 11). Das Kriterium A 5.3 N setzt für eine positive Prognose voraus, dass keine psychiatrischen Beeinträchtigungen vorliegen, die das ausreichend sichere Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen. Als Unterfall in seiner Nr. 6 wird weiter vorausgesetzt, dass keine zerebrale Schädigung im Sinne eines alkoholbedingten amnestischen Syndroms (Korsakow-Syndrom) vorliegt.
Gerade ein solches Korsakow-Syndrom als Folge der Abhängigkeit (ICD10:F10.6) hat der Gutachter in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 16. Januar 2018 aber „ohne Zweifel“ diagnostiziert.
(2) Die entsprechende Diagnose aus dem Gutachten durfte das Landratsamt auch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 14. Oktober 2019 noch heranziehen. Die Erkenntnisse aus dem Gutachten vom 16. Januar 2018 waren insbesondere noch verwertbar.
Unter der Überschrift „Medizinische Beurteilung“ stellte der Gutachter fest: „Eine weitere Unterbringung für 2 Jahre mit den genannten Erprobungsmöglichkeiten ist aus nervenärztlicher Sicht notwendig, um dann erneut zu entscheiden, ob ihm die Unterbringung in einem Heim oder einer anderen offenen Einrichtung zugemutet werden kann.“
In seiner Zusammenfassung am Ende des Gutachtens stellte der Gutachter fest: „Aus nervenärztlicher Sicht ist weiterhin eine geschlossene Unterbringung für Herrn * erforderlich, um ihn bei seinem Krankheitsbild eines organischen Psychosyndroms, eines Korsakow Syndroms bei chronischer Alkoholabhängigkeit und Opiatabusus davor zu bewahren, sich gesundheitlich zu schaden und Gefahren von ihm abzuwenden. Eine Perspektive muss ihm allerdings geboten werden, gestufte Ausgangsregelung sollten erprobt werden, ob er in Verantwortung genommen werden kann. In 2 Jahren sollte überprüft werden, ob eine geschlossene Unterbringung noch notwendig ist oder eine Unterbringung in einer offenen Einrichtung möglich ist.“
Damit sollte nach Einschätzung des Gerichts nicht ausgedrückt werden, dass die Diagnose an sich nur für eine Dauer von zwei Jahren bestehen könne. Dafür gibt es zum einen in dem Gutachten keine Anhaltspunkte. Der Vorschlag einer erneuten Überprüfung nach Ablauf von zwei Jahren bezog sich zum anderen nach seinem Wortlaut und insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Gutachten für die Zwecke einer Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung durch das Amtsgericht * (Betreuungsgericht) erstattet worden war, direkt nur auf die Voraussetzungen für eine geschlossene d.h. freiheitsentziehende Unterbringung. Im Übrigen war die vorgeschlagene 2-Jahres-Frist zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses auch noch nicht abgelaufen.
(3) Zwar ist dem Bevollmächtigten des Antragstellers darin zuzustimmen, dass die Feststellung des Landratsamtes, dass das Korsakow-Syndrom unheilbar sei und progressiv verlaufe, jedenfalls in dieser Pauschalität nicht zutrifft. Dies hat zum einen der Gutachter Dr. * gegenüber dem Gericht auf telefonische Nachfrage hin bestätigt. Zum anderen ist schon nach dem Wortlaut der Nr. 7.1.2 der Anlage 4 zur FeV („organische Psychosen nach Abklingen“) sowie der Nr. 3.12.1 („organisch-psychische Störungen“) der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung davon auszugehen, dass ein Abklingen eines akuten Zustandes bei organischen Psychosen, worunter auch das Korsakow-Syndrom als amnestisches Syndrom fällt, grundsätzlich möglich ist.
Dem Bevollmächtigten des Antragstellers mag auch insofern Recht zu geben sein, dass sich beim Antragsteller aufgrund seiner Entlassung aus der geschlossenen Unterbringung im Februar 2019 eine irgendwie geartete Verbesserung seines Zustands eingestellt haben müsse, da er ansonsten entsprechend dem Gutachten gerade nicht entlassen worden wäre. Der Antragsteller hat diesbezüglich jedoch nicht hinreichend vorgetragen bzw. geeignete Nachweise hierüber vorgelegt. Für eine gerade für die Zwecke der Prüfung der Fahreignung relevante, eingetretene Besserung des Gesundheitszustands des Antragstellers seit dem 16. Januar 2018 sind weder in den vorgelegten noch in den vom Gericht entsprechend dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Überprüfung dieser Frage beigezogenen Auszügen aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts * noch in den – nach Einholung der Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht – zusätzlich angeforderten Unterlagen nach umfassender Prüfung Anhaltspunkte ersichtlich.
Bereits das psychiatrische Gutachten des Dr. * vom *krankenhaus (*KH) * vom 28. September 2016 diagnostizierte eine psychische Erkrankung in Form des Korsakow-Syndroms, zu diesem Zeitpunkt bei bestehender Alkoholabhängigkeit sowie Opiatabusus bei chronischem Schmerzsyndrom. Während des stationären Aufenthalts im *KH habe sich das Bild eines Korsakow-Syndroms mit Konfabulationen, zeitlichen, örtlichen und situativen Orientierungsstörungen sowie Gedächtnisstörungen ergeben. Dieselben Orientierungs- und Gedächtnisstörungen ziehen sich auch durch die ausführlichen Aktenvermerke der Einrichtung, wo der Antragsteller bis Februar 2019 geschlossen untergebracht war. Sämtliche dem Gericht vorliegenden Dokumente nach der Erstellung des Gutachtens vom 16. Januar 2018, insbesondere der ärztliche Abschlussbericht vom 6. Dezember 2019, das sozialmedizinische Gutachten vom 29. Januar 2020 sowie insbesondere auch der Entlassbericht vom 15. April 2020 als aktuellstes Dokument, führen allesamt das Korsakow-Syndrom als bestehende Diagnose auf, ohne irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu geben, dass sich dieses erheblich gebessert hätte bzw. der akute Zustand abgeklungen wäre. Laut Vermerk des Richters Reck am Amtsgericht * (Betreuungsgericht) vom 22. November 2019 über ein Gespräch mit der zuständigen Stationsärztin anlässlich der stationären Behandlung des Antragstellers in der *klinik * werde sich das Korsakow-Syndrom nach Einschätzung des Psychiaters vor Ort nicht bessern (Bl. 354, Aktenauszug des Betreuungsgerichts).
Die Diagnose aus dem Gutachten vom 16. Januar 2018 ist nach alledem nicht veraltet oder zwischenzeitlich überholt. Mithin ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch aktuell noch vom Vorliegen des Korsakow-Syndroms beim Antragsteller auszugehen.
(4) Aus den vorstehenden Gründen erübrigt sich eine rechtliche Prüfung im Hinblick auf die übrigen Diagnosen im Gutachten vom 16. Januar 2018, insbesondere auch die Alkoholabhängigkeit i.S.d. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, dass die aus der Suchterkrankung resultierende zusätzliche psychische Krankheit selbst bei gesicherter Abstinenz auch ohne Alkoholkonsum fortbestehen kann und für einen gegenteiligen Verlauf wie ausgeführt keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen.
cc) Nach allem erweist sich die Entscheidung des Antragsgegners vom 10. Oktober 2019, gemäß § 11 Abs. 7 FeV von der feststehenden Ungeeignetheit des Antragstellers auszugehen, jedenfalls im Ergebnis als richtig und rechtmäßig. Die Fahrerlaubnis war dem Antragsteller deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zwingend zu entziehen.
dd) Damit stellt sich auch die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins als rechtmäßig dar (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV).
c) Auch eine vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung im Übrigen fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung ein ganz erheblicher und letztlich nicht wiedergutzumachender Verlust für seine persönliche Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz – GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem persönlichen Interesse des Antragstellers stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz fehlender Fahreignung weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wiedergutzumachende Schaden für die zuvor genannten, hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben. Die mit der sofort vollziehbaren Entziehung seiner Fahrerlaubnis für den Antragsteller verbundenen Nachteile müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit und das entsprechende Interesse der Verkehrssicherheit daher hingenommen werden (vgl. SächsOVG, B.v. 19.5.2016 – 3 B 37/16 – juris Rn. 7; VGH BW, B.v. 4.11.2013 – 10 S 1933/13 – NJW 2014, 487 ff.). Solche negativen Auswirkungen auf den Betroffenen treten gerade typischerweise auf. Maßgeblich ist, dass das vom Antragsteller ausgehende Gefährdungspotential erheblich über dem des Durchschnitts anderer Fahrzeugführer liegt.
Auch im Hinblick auf die von der Behörde angeordnete sofortige Vollziehung der Ablieferung des Führerscheins (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV) kommt bei dieser Sachlage eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht in Betracht.
Nach allem war der Antrag abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Da der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären – nach Auslegung als Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, zu verstehen – im Hinblick auf die in § 162 VwGO geregelte Erstattungsfähigkeit der Kosten denknotwendig eine für den Antragsteller positive Kostenentscheidung voraussetzt, kann ihm unter Verweis auf die vorstehenden Ausführungen von vornherein kein Erfolg beschieden sein. Zudem hat auch kein Vorverfahren stattgefunden.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 46.1, 46.3, 46.5 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anhang zu § 164). Danach sind die Führerscheinklassen A, B und C1 jeweils mit einem Streitwert von 5.000,- EUR und die Führerscheinklasse T mit 2.500,- EUR zu werten. Die übrigen beantragten Klassen sind in diesen enthalten (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 FeV). Da die Führerscheinklasse E in dem ab 19. Januar 2013 geltenden § 6 Abs. 1 FeV nicht mehr – isoliert – aufgeführt ist und der Streitwertkatalog 2013 für die „Klasse E“ keinen eigenen Streitwert mehr vorsieht (die Klassen B und BE sowie C1 und C1E werden jeweils mit dem gleichen Streitwert angesetzt), wirkt die um die frühere Klasse E erweiterte Fahrerlaubnis bei den Klassen B und C1 nicht mehr streitwerterhöhend. Der sich danach ergebende Betrag von 17.500,- EUR ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs).


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