Medizinrecht

Erfolglose Klage auf Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Sierra Leone

Aktenzeichen  M 30 K 17.43949

Datum:
14.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 43018
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2c S. 2

 

Leitsatz

1 Auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG zu übertragen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2018, 1335). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (Anschluss an BVerwG NVwZ 2008, 330). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das ärztliche Attest einer posttraumatischen Belastungsstörung muss auch die Darlegung beinhalten, worin der behandelnde Arzt das traumatisierende Ereignis sieht (Anschluss an BayVGH BeckRS 2016, 54961). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 12. November 2018 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn in der fristund formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Soweit die Klage zurückgenommen wurde (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus), ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Dieser hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Sierra Leone (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach seinen Angaben hat der Kläger Sierra Leone bereits im Jahr 1998 aufgrund des Bürgerkrieges verlassen. Der Bürgerkrieg in Sierra Leone ist jedoch bereits seit 2002 beendet. Eine dem Kläger in Sierra Leone individuell von einem Akteur drohende Gefährdung hat der Kläger weder vorgetragen, noch ist eine solche sonst erkennbar. Insbesondere sind dem Vorbringen des Klägers hinsichtlich der Ereignisse in Guinea keine für ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Sierra Leone relevanten Angaben zu entnehmen.
Die Voraussetzungen für die Feststellung eines gesundheitsbedingten Abschiebungsverbotes sind ebenfalls nicht gegeben.
Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Entsprechend der Gesetzesbegründung zu der mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. 2016 I, 390 ff.) eingeführten Präzisierung in den Sätzen 2 bis 4 wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen. Eine solche schwerwiegende Erkrankung könne nach der Gesetzesbegründung zum Beispiel in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung. Auch Erkrankungen des Ausländers, die schon während des Aufenthalts des Ausländers außerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestanden und somit bereits bei Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorgelegen hätten, stünden der Abschiebung grundsätzlich nicht entgegen.
Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert. Es kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung miteinzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Von einer konkreten Gefahr ist in Krankheitsfällen dann auszugehen, wenn die erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris; BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 -NVwZ 2007, 712).
Auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG zu übertragen (BayVGH, B.v. 24.1.2018 -10 ZB 18.30105 – BeckRS 2018, 1335; BayVGH, B.v. 4.10.2018 – 15 ZB 18.32354 -BeckRS 2018, 24985). Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlichmedizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG).
Bezüglich des Vorbringens einer Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung gehört bereits nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome zur Substantiierung des Sachvortrags (§ 86 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 VwGO) regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – NVwZ 2008, 330; BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – BeckRS 2016, 47723; BVerwG B.v. 26.7.2012 -10 B 21/12 – BeckRS 2012, 55084).
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines gesundheitsbedingten Abschiebungsverbots beim Kläger nicht vor.
Der Kläger hat die gesetzliche Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass seiner Abschiebung nach Sierra Leone gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, nicht erfolgreich widerlegt. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen genügen hinsichtlich der darin diagnostizierten Krankheiten bereits nicht den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung.
Im Attest vom 4. Juni 2017 wird unter „Befund und Beurteilung“ im Wesentlichen lediglich auf eine beim Kläger ausweislich des Attests vorliegende dissoziative Störung eingegangen, hinsichtlich welcher unter „Diagnose“ die auch unter „Symptomatik“ und „Befund und Beurteilung“ näher beschriebenen Ohnmachts- und autoaggressiven Anfälle genannt werden. Eine weitere Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen diagnostizierten Erkrankungen erfolgt nicht. Hinsichtlich keiner der Erkrankungen ergibt sich aus dem Attest hinreichend nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die behandelnde Ärztin ihre Diagnose gestellt hat, nachdem dem Attest im Wesentlichen lediglich eine Zusammenfassung der klägerischen Angaben zu seiner Biographie und der bei ihm auftretenden Ohnmachtsanfälle entnommen werden kann. Hinsichtlich der diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung sowie der ebenfalls diagnostizierten depressiven Episode lassen sich dem Attest zudem auch keine Aussagen zum Schweregrad der Erkrankung und den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, entnehmen. Ferner fehlt es an der Darlegung, worin die behandelnde Ärztin das traumatisierende Ereignis sieht, welches Voraussetzung für die posttraumatische Belastungsreaktion ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2016 – 9 ZB 16.30468 – BeckRS 2016, 54961) und auf welches nach dem Attest wohl auch die dissoziative Störung zurückzuführen sein soll, da die Ärztin in diesem Zusammenhang von einer Traumafolgestörung spricht und davon, dass die Anfälle aus sich regelmäßig intrusiv aufdrängenden Tagträumen der erlittenen traumatischen Erlebnisse entstünden. Insbesondere ist ein solches traumatisierendes Ereignis für das Gericht weder anhand der Angaben des Klägers vor dem Bundesamt oder in der mündlichen Verhandlung noch anhand der im Attest vage und oberflächlich widergegebenen biographischen Angaben des Klägers erkennbar. Unabhängig von der im Attest nicht näher behandelten Frage, ob eines der vom Kläger nicht ansatzweise näher geschilderten Ereignisse aus seiner Vergangenheit (Tod des Vaters im Bürgerkrieg im Jahr 1998, Ausreise aus Sierra Leone aufgrund des Krieges, Hundebiss, Festnahme und Inhaftierung in Guinea und Gefängnisaufenthalt in Libyen) überhaupt geeignet wäre, ein Ereignis von traumatisierendem Ausmaß darzustellen, geht das Attest auch nicht darauf ein, dass sämtliche vom Kläger angegebenen Erlebnisse bereits längere Zeit zurückliegen, der Kläger sich aber – ausweislich des Attests – erst im Oktober 2016 in Behandlung begeben hat (vgl. dazu BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – BeckRS 2016, 47723). Wie häufig sich der Kläger seit Behandlungsbeginn in Behandlung befunden hat, kann dem Attest ebenfalls nicht entnommen werden. Nähere Ausführungen erfolgen überhaupt nur zu den Symptomen einer beim Kläger nach dem Attest vorliegenden dissoziativen Störung. Dabei widersprechen die ausweislich des Attests vom Kläger getätigten Angaben zu einer in der Bundesrepublik Deutschland aufgetretenen deutlich erhöhten Häufigkeit der Anfälle seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, nach welchen der Kläger seit seiner Kindheit dieselben Beschwerden habe und es schon immer so gewesen sei, dass er ungefähr sieben- bis achtmal, manchmal auch nur zweimal im Monat bewusstlos werde. Auch im Vergleich zu der fünf Monate später erstellten psychiatrischen gutachterlichen Stellungnahme derselben Ärztin sind die Angaben zur Häufigkeit der Anfälle widersprüchlich. Während die Anfälle nach dem Attest vom 4. Juni 2017 anfangs bis zu viermal jährlich aufgetreten sein sollen, wird in der Stellungnahme vom 9. November 2017 unter „Biographische Angaben“ sowie unter „Beurteilung“ ausgeführt, dass die Anfälle seit 2004, mithin seit Beginn ihres Auftretens, ein- bis viermal pro Woche stattgefunden hätten. Die Stellungnahme vom 9. November 2017 verhält sich nicht zu diesen unterschiedlichen Angaben, sondern stellt sich vielmehr auch als in sich widersprüchlich dar, da unter „Symptomatik“, wie im Attest vom 4. Juni 2017, von einer Häufigkeit der seit 2004 auftretenden Anfälle von „anfangs bis zu viermal jährlich“ ausgegangen wird. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Darstellungen erscheinen bereits die Angaben zu den Anfällen bzw. zur Häufigkeit der Anfälle nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan, sodass das Attest zusätzlich zu den bereits angeführten Defiziten auch auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage beruht.
Ferner geht das Attest vom 4. Juni 2017 trotz der dem Kläger attestierten Reiseunfähigkeit und der nach dem Attest erforderlichen regelmäßigen psychiatrischen Behandlung nicht darauf ein, dass es dem Kläger trotz der nach seinen Angaben seit seiner Kindheit aufgetretenen und – jedenfalls im Wesentlichen – gleichbleibenden Beschwerden gelungen ist, sich jahrelang in Guinea, u.a. als Straßenhändler, sowie auch im Rahmen längerer Aufenthalte in Benin und Libyen seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Unabhängig davon, dass das Attest vom 4. Juni 2017 hinsichtlich der dort diagnostizierten Erkrankungen nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG genügt, kann dem Attest damit selbst dann, wenn man von den dort gestellten Diagnosen ausgehen würde, nicht im Ansatz entnommen werden, dass beim Kläger eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen sollte, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlimmern würde. Vielmehr hat der Kläger mit der nach seinen Angaben seit seiner Kindheit im Wesentlichen gleichbleibenden Erkrankung viele Jahre in afrikanischen Staaten gelebt und für sich gesorgt. Soweit im Attest – wie auch in der psychiatrischen gutachterlichen Stellungnahme vom 9. November 2017 – zudem von einer Reiseunfähigkeit die Rede ist, würde es sich um eine Gefahr handeln, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben würde und nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden könnte.
Auch die psychiatrische gutachterliche Stellungnahme vom 9. November 2017 genügt nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG. Inhaltlich entspricht sie weitgehend dem Attest vom 4. Juni 2017, wobei jedoch unter „Beurteilung“ ergänzende Ausführungen erfolgen und im Gegensatz zum Attest vom 4. Juni 2017 auch die diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung Erwähnung findet. Unter anderem wird ausgeführt, dass intrusive realitätsnahe Tagträume mit dem Inhalt der traumatischen Erfahrungen des Klägers Kopfschmerzen erzeugten, welche sich derart steigern würden, dass es sozusagen unaushaltbar für das bewusste Erleben des Patienten werde. Derartige Flashbacks seien ein Kriterium für eine posttraumatische Belastungsstörung. Daher bediene sich die Psyche eines Abwehrmechanismus der Dissoziation. Laut H. Freyberger und R. Stieglitz ließen sich dissoziative Vorgänge als eine Komponente traumaassoziierter Spaltungsvorgänge im Kontext posttraumatischer Belastungsstörungen oder zumindest psychischer Traumafolgen auffassen. Da der Kläger die dissoziativen Anfälle seit zwölf Jahren kontinuierlich habe und die traumatischen Belastungen in dieser Zeit immer mehr zugenommen hätten, komme es vermutlich auch zu einem Sinken der symptomauslösenden Reizschwelle.
Trotz der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und des Umstandes, dass die dissoziative Störung ausweislich des Attests vom 4. Juni 2017 und der Stellungnahme vom 9. November 2017 wohl ebenfalls als Traumafolge angesehen wird, wird weiterhin nicht dargelegt, worin die behandelnde Ärztin konkret das traumatisierende Ereignis sieht. Vielmehr werden wiederum lediglich vage biographische Angaben des Klägers (erlebte Kriegsereignisse als Zweijähriger, Fehlen eines familiär versorgenden Umfelds seit dem 10. Lebensjahr, Misshandlungen bei ungerechtfertigten Inhaftierungen, Zerstörung der Existenz, ständige Flucht in verschiedene Länder, Tod ihm nahestehender Freunde) wiederholt, ohne dass die Stellungnahme nachvollziehbar erläutern würde, ob (einzelne) dieser nicht näher beschriebenen und teilweise sehr lange zurückliegenden Ereignisse tatsächlich geeignet wären, ein Ereignis von traumatisierendem Ausmaß darzustellen. Darauf, dass sämtliche vom Kläger angegebenen Erlebnisse bereits längere Zeit zurückliegen, der Kläger sich aber – ausweislich des Attests vom 4. Juni 2017 – erst im Oktober 2016 in Behandlung begeben hat, geht auch Stellungnahme vom 9. November 2017 nicht ein. Insbesondere erfolgen keine erläuternden Ausführungen zu der Schlussfolgerung, dass die dissoziativen Anfälle nach der Stellungnahme vom 9. November 2017 wohl, wie bereits von der Mutter des Klägers angenommen, in Zusammenhang mit erlebten Kriegsereignissen als Zweijähriger stünden. Angesichts des Umstandes, dass die Symptome damit erst in einem zeitlichen Abstand von mehreren Jahren aufgetreten wären und sich die (ersten) traumatisierenden Ereignisse in einem Alter von zwei Jahren abgespielt haben sollen, wären derartige nähere Erläuterungen von einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung allerdings zu erwarten gewesen. Wie häufig sich der Kläger in Behandlung befunden hat, lässt sich der Stellungnahme ebenfalls nicht entnehmen. Daneben bestehen die bereits in Zusammenhang mit den Ausführungen zum Attest von 4. Juni 2017 aufgeführten Widersprüche in den Angaben zur Anfallshäufigkeit, aufgrund welcher zusätzlich zu den aufgezeigten Defiziten der Stellungnahme vom 9. November 2017 auch davon auszugehen ist, dass diese auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage beruht.
Wie bereits hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung und der dissoziativen Störung fehlt es zudem auch hinsichtlich der in der Stellungnahme vom 9. November 2017 ebenfalls diagnostizierten leichten depressiven Symptomatik mit starken Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie der weiterhin diagnostizierten Spannungskopfschmerzen an einer nachvollziehbaren Begründung für die jeweilige Diagnose. Zudem fehlen hinsichtlich dieser Diagnosen auch Angaben zu den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, jedenfalls soweit es um das Vorliegen einer i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen geht, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Die Stellungnahme vom 9. November 2017 genügt mithin hinsichtlich keiner der darin diagnostizierten Erkrankungen den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung.
Überdies ist selbst dann, wenn man von den in der psychiatrischen gutachterlichen Stellungnahme vom 9. November 2017 gestellten Diagnosen ausgehen würde, nicht im Ansatz erkennbar, dass deshalb beim Kläger eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen sollte, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlimmern würde. Der Stellungnahme können keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass beim Kläger aufgrund der leichten depressiven Symptomatik, welche ausweislich der Stellungnahme mit starken Schlafstörungen und starken Konzentrationsstörungen verbunden sein soll, eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung vorliegen sollte. Aber auch hinsichtlich der ebenfalls diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung und dissoziativen Störung ist aus der Stellungnahme nicht ersichtlich, dass diese Erkrankungen beim Kläger in einer solchen Ausprägung vorliegen sollten, die zur Annahme einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG führen würden. Im Gegenteil hat der Kläger mit der nach seinen Angaben seit seiner Kindheit im Wesentlichen gleichbleibenden Symptomatik viele Jahre in afrikanischen Staaten gelebt und für sich gesorgt. Hierauf geht die Stellungnahme nicht näher ein. Dass die Erkrankung sich erst in der Bundesrepublik Deutschland derart verschlimmert haben sollte, dass nunmehr von einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung auszugehen wäre, kann der Stellungnahme nicht ansatzweise entnommen werden. Vielmehr wird lediglich ausgeführt, dass die Anfälle infolge der äußeren Unsicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit an Anzahl zunehmen würden und der Kläger daher relativ häufig in völlig hilflosen Situationen ausgeliefert wäre. Selbst bei Zutreffen dieser nicht näher begründeten Annahme ist allein aufgrund des Umstandes, dass der Kläger im Falle eines Anfalles für dessen Dauer hilflos wäre, keine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung des Klägers erkennbar. Darüber hinaus ist, wie bereits dargestellt, auch davon auszugehen, dass die Stellungnahme bezüglich der Anfälle bzw. der Anfallshäufigkeit von einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage ausgeht.
Die übrigen vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen genügen erkennbar nicht annähernd den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG.
Das Attest vom 3. Juli 2018 beschränkt sich auf die Nennung der Diagnosen (Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen], gemischt mit Ohnmachts- und autoaggressiven Anfällen, sonstige depressive Episode mit starken Spannungskopfschmerzen, posttraumatische Belastungsstörung, Spannungskopfschmerzen), die Angabe, dass der Kläger sich nach wie vor in regelmäßiger Behandlung befinde, wobei sich der Befund nicht geändert habe, und die Angabe, dass der Kläger einen Ausbildungsplatz zum … gefunden habe. Weitere Angaben lassen sich dem Attest nicht entnehmen.
Der Entlassungsbrief vom 10. August 2018 erfüllt ebenfalls nicht die an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung i.S.d. § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG zu stellenden Anforderungen. Insbesondere enthält er keine Angaben zum Schweregrad der diagnostizierten Anpassungsstörung und zu den Folgen die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Unabhängig davon wäre selbst dann kein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben, wenn man von der im Entlassungsbrief gestellten Diagnose, einer Anpassungsstörung, ausgehen würde. Denn unter Berücksichtigung des Maßstabes des § 60 Abs. 7 AufenthG ist weder anhand des Entlassungsbriefes noch im Übrigen erkennbar, dass diesbezüglich beim Kläger eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen sollte, welche sich alsbald nach der Abschiebung verschlechtern würde. Zudem habe der Kläger ausweislich des Entlassungsbriefes berichtet, dass er sehr verärgert über das deutsche Aslyrecht sei. Er klage schon seit Längerem gegen ein Arbeitsverbot und habe unter diesen Umständen nicht mehr leben wollen, weshalb er auf einen Baum geklettert und von diesem heruntergesprungen sei. Eine etwaige Suizidgefahr aufgrund dieser vom Kläger angegebenen Umstände wäre aber gerade nicht in den Verhältnissen in Sierra Leone begründet bzw. an die dortigen Gegebenheiten anknüpfend, sondern wäre vielmehr inlandsbezogen und daher auch aus diesem Grund nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu begründen, welches gegenüber dem Bundesamt geltend gemacht werden kann. Zudem sei der Kläger ausweislich des Entlassungsbriefes bei seiner Entlassung glaubhaft von akuter Suizidalität distanziert gewesen.
Auch das Attest vom 13. August 2018 genügt hinsichtlich der dort diagnostizierten Erkrankungen nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG. Es enthält insbesondere weder Angaben zum Schweregrad der diagnostizierten Krankheiten noch zu den Folgen die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Anlässlich des Umstandes, dass im Entlassungsbrief des …-Klinikums, in welchem der Kläger immerhin vom 28. Juli 2018 bis zum 10. August 2018 stationär aufgenommen war, als Diagnose lediglich eine Anpassungsstörung (ICD 10: F43.2) aufgeführt ist, wären zudem Ausführungen dazu zu erwarten gewesen, warum dem Kläger im Attest vom 13. August 2018 weitere und andere Diagnosen, insbesondere auch eine über die bisherigen Diagnosen derselben Ärztin hinausgehende schwere depressive Episode, gestellt werden. Das Fehlen derartiger Erläuterungen stellt die abweichenden Diagnosen im Attest vom 13. August 2018 zusätzlich in Frage. Überdies ist wiederum, auch wenn man von den Diagnosen ausgehen würde, weder aus dem Attest noch im Übrigen erkennbar, dass beim Kläger eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen sollte, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
Ein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot ergibt sich auch nicht aufgrund einer etwaigen Erkrankung des Klägers an Hepatitis B. Zwar sei eine Hepatitis B beim Kläger nach dem Attest vom 4. Juni 2017 und der psychiatrischen gutachterlichen Stellungnahme vom 9. November 2017 vorbekannt. Allerdings hat der Kläger eine entsprechende Erkrankung weder vorgetragen noch diesbezüglich entsprechende medizinische Unterlagen vorgelegt. In den vorgelegten medizinischen Unterlagen wird eine Hepatitis B gerade nicht als Diagnose aufgeführt.
Selbst im Falle einer beim Kläger bestehenden Hepatitis-Erkrankung ist zudem weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass eine Rückkehr des Klägers nach Sierra Leone im Hinblick auf eine solche Erkrankung eine alsbaldige, wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung des Klägers bedeuten würde.
Überdies können nach Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Accra vom 23. Februar 2015 an das Bundesamt bei einer Hepatitis B-Erkrankung Leberwerte in Sierra Leone kontrolliert werden, wobei die Kosten wahrscheinlich nicht sehr hoch seien. Nach einer weiteren Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Accra vom 26. September 2017 an das Bundesamt ist die Behandlung von Hepatitis B in Sierra Leone möglich. Die Medikamente müssen teilweise importiert werden. Medikamente zur Behandlung von Hepatitis seien in Sierra Leone vorhanden und nach dortigen Maßstäben eher preisgünstig. Der Erwerb solcher Medikamente stelle insofern keine außergewöhnliche Belastung dar. Es ist daher nicht ersichtlich, dass es dem Kläger als jungem und erwerbsfähigem Mann nicht möglich sein sollte, in Sierra Leone erforderliche Kontrolluntersuchungen oder gegebenenfalls auch eine erforderliche Behandlung einer etwa bei ihm vorliegenden Hepatitis-Erkrankung zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund sah sich das Gericht auch nicht veranlasst, in eine weitere Aufklärung hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers einzutreten. Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die auch ohne ausreichende ärztliche Bescheinigung Anlass zu weiteren Ermittlungen geben könnten, bestehen – selbst im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sämtlicher vom Kläger vorgelegter medizinischer Unterlagen und sonstiger Umstände – nicht. Insbesondere lebte der Kläger mit den nach seinen Angaben seit seiner Kindheit im Wesentlichen gleichbleibenden Beschwerden bereits viele Jahre in afrikanischen Staaten. Weitere Beschwerden neben den mit Kopfschmerzen beginnenden Ohnmachtsanfällen habe der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht. Selbst bei unterstelltem Vorliegen der vom Kläger beschriebenen Symptomatik ist mithin nicht im Ansatz erkennbar, dass deshalb beim Kläger eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen sollte, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger im Hinblick auf die allgemeine Situation in Sierra Leone oder aufgrund besonderer individueller Umstände eine Gefährdung im Sinne der § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG drohen sollte. Dabei verkennt das Gericht die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage in Sierra Leone nicht.
Sierra Leone gehört zu den ärmsten Staaten der Erde. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung (vgl. BFA Republik Österreich: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Sierra Leone, 3.5.2017). Die Nachwirkungen des Bürgerkrieges, die weit verbreitete Korruption und die unzureichend ausgebaute Infrastruktur beeinflussen die wirtschaftliche Lage in Sierra Leone (vgl. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): LIPortal – Länder-Informations-Portal – Sierra Leone – Stand Januar 2018). Die Arbeitslosigkeit im Land ist sehr hoch (Bertelsmann Stiftung, Bertelsmann Stiftung’s Transformation Index (BTI) 2016 – Sierra Leone Country Report,
Gütersloh, Bertelsmann Stiftung, 2016; BFA Republik Österreich: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Sierra Leone, 3.5.2017). Es wird geschätzt, dass ungefähr zwei Drittel der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Informationszentrum Asyl und Migration, Glossar Islamische Länder – Band 17 Sierra Leone, Mai 2010). Die Mehrheit der Bevölkerung versucht zudem mit Gelegenheitsjobs oder Handel ein Auskommen zu erwirtschaften. Dabei wird die Subsistenzwirtschaft in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): LIPortal – Länder-Informations-Portal – Sierra Leone – Stand Januar 2018; BFA Republik Österreich: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Sierra Leone, 3.5.2017). Die medizinische Versorgung ist in Sierra Leone nach wie vor schwierig und es herrscht ein ausgeprägter Mangel an Fachärzten (vgl. BFA Republik Österreich: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Sierra Leone, 3.5.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Informationszentrum Asyl und Migration, Glossar Islamische Länder – Band 17 Sierra Leone, Mai 2010). Im Übrigen wird auf die ausführliche und zutreffende Darstellung der Lebensbedingungen in Sierra Leone im angegriffenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Zwar ist damit festzustellen, dass die Lebensbedingungen, insbesondere die wirtschaftliche Situation, in Sierra Leone schwierig sind. Dafür, dass der Kläger im Hinblick auf die Lebensbedingungen in Sierra Leone bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, wie es für die ausnahmsweise Annahme von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich wäre, ist allerdings nichts ersichtlich. Im Falle des Klägers ist unter dem allgemeinen Gesichtspunkt schwieriger humanitärer Bedingungen im Herkunftsland auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben. Ein außergewöhnlicher Fall, in dem humanitäre Gründe gegen eine Abschiebung entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind, liegt nicht vor. Vielmehr ist – den zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes folgend (§ 77 Abs. 2 AsylG) – davon auszugehen, dass der Kläger als junger und erwerbsfähiger Mann bei einer Rückkehr nach Sierra Leone in der Lage sein wird, sich mittels eigener Arbeitskraft zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Mit Fula spricht der Kläger eine der in Sierra Leone neben der Amtssprache Englisch gesprochenen Sprachen. Ausweislich der Bundesamtsakte spricht der Kläger zudem auch Englisch (Bl. 8 und Bl. 31 ff. der Bundesamtsakte), auch wenn er dies nicht ebenso gut wie die Sprache Fula beherrschen mag. Zwar ist der Kläger nach seinen Angaben nicht in Sierra Leone aufgewachsen und kennt dort auch niemanden. Ihm ist es jedoch nicht nur in Guinea gelungen, sich als Straßenhändler seine Existenzgrundlage zu sichern. Vielmehr hat er sich nach seiner Ausreise aus Guinea auch für längere Zeit in Libyen und Benin aufgehalten und sich auch dort seinen Lebensunterhalt sichern können. Die nach seinen Angaben seit seiner Kindheit bestehenden gesundheitlichen Beschwerden, bestehend in mit Kopfschmerzen beginnenden Ohnmachtsanfällen, haben ihn daran nicht gehindert. Insbesondere kann den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, die sich bereits nicht damit auseinandersetzen, dass der Kläger mit der von ihm angegebenen Erkrankung viele Jahre in verschiedenen afrikanischen Staaten lebte, nicht entnommen werden, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Sierra Leone wegen gesundheitlicher Einschränkungen seine Existenz nicht sicherstellen könnte. Es ist daher nicht ersichtlich, warum es dem Kläger, der zudem auch über eine immerhin sechsjährige Schulbildung verfügt, nicht auch in Sierra Leone gelingen sollte, sich, z.B. durch Gelegenheitsarbeiten oder durch Straßenverkäufe, wie bereits in Guinea, zumindest sein Existenzminimum zu sichern. Die vom Kläger ferner als seiner Rückkehr nach Sierra Leone entgegenstehend angeführte Ebola-Epidemie ist – wie bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt wird – mittlerweile von der Weltgesundheitsorganisation für beendet erklärt worden.
Die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Im Übrigen wird auf die Gründe des angefochtenen Bescheids, denen das Gericht folgt, Bezug genommen und von der weiteren Darstellung abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO bzw. – soweit die Klage zurückgenommen wurde – auf § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.


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