Medizinrecht

Erfolglose Klage gegen die Rückforderung von Fördermitteln wegen vorzeitigen Maßnahmebeginns

Aktenzeichen  W 8 K 17.574

Datum:
16.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16029
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23, Art. 44

 

Leitsatz

1 Für die Bestimmung des Zeitpunktes der Niederlassung ist auf die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit und nicht auf die Eröffnung von Praxisräumen für jedermann abzustellen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Vertragsarzt beginnt seine vertragsärztliche Tätigkeit am Ort der Niederlassung bzw. lässt sich dann an dem zugelassenen Ort nieder, wenn er den ersten Patienten im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit behandelt. Dies ist der Fall, wenn die Behandlung später mit der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Verschulden ist nicht Voraussetzung für den Ausschluss des Vertrauensschutzes nach Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der Rücknahmebescheid vom 18. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da der Kläger durch die Behandlung von Patienten und deren Abrechnung mit der KVB im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit vor dem genehmigten 9. Mai 2016 in förderschädlicher Weise die Maßnahme vorzeitig begonnen hat.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Zuwendungsbescheids vom 13. Juli 2016 in Nr. 1 des Bescheids vom 18. Mai 2017 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, da der Zuwendungsbescheid vom 13. Juli 2017 zum Zeitpunkt seines Erlasses aufgrund des vorzeitigen Maßnahmebeginns rechtswidrig war.
Gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 zurückgenommen werden. Insbesondere darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG bestimmt, dass das Vertrauen in der Regel schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht hat. Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
Die Rücknahmevorschrift des Art. 48 BayVwVfG ist die korrekte einschlägige Rechtsgrundlage, da der aufzuhebende Zuwendungsbescheid vom 13. Juli 2016 wegen Verstoßes gegen Art. 23 und 44 BayHO i.V.m. den einschlägigen Richtlinien rechtswidrig war. Denn der Kläger hatte und hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Zuwendung aus der Richtlinie zur Förderung der Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten sowie von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im ländlichen Raum vom 2. Oktober 2013 zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 9. November 2015 in Höhe von 20.000,00 EUR.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien.
Vorliegend sind insbesondere einschlägig: die Richtlinie zur Förderung der Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten sowie von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im ländlichen Raum vom 2. Oktober 2013 zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 9. November 2015 (RL), insbesondere Nr. 4 Spiegelstrich 5 RL und Nr. 2, die Verwaltungsvorschrift zu Art. 44 BayHO, insbesondere 1.3 (VV), Nr. 3.2 des Zuwendungsbescheids vom 13. Juli 2016.
Der aufgehobene Zuwendungsbescheid vom 18. Mai 2017 war rechtwidrig. Die Rechtswidrigkeit folgt aus dem förderschädlichen vorzeitigen Maßnahmebeginn des Klägers. Nach Nr. 4 Spiegelstrich 5 der Richtlinie zur Förderung der Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten sowie von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im ländlichen Raum vom 2. Oktober 2013, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 9. November 2015, (RL) setzt die Förderung voraus, dass mit der Niederlassung bzw. Filialbildung vor der Bewilligung nicht begonnen oder ausnahmsweise die schriftliche Zustimmung zur vorzeitigen Niederlassung bzw. Filialbildung erteilt worden ist. Das LGL hatte schriftlich der vorzeitigen Niederlassung ab dem 9. Mai 2016 zugestimmt. Dennoch hat der Kläger sogar noch vor diesem Datum mit der Niederlassung begonnen gehabt, indem er bereits im April 2016 mehrere Patienten im Rahmen seiner vertragsärztlichen Zulassung behandelt und diese Behandlungen auch über die KVB abgerechnet hat.
Nach Nr. 4 Spiegelstrich 5 RL ist für den Beginn der Maßnahme die Niederlassung entscheidend. Die RL selbst, das Merkblatt zur RL, die Arztregisterauszüge vom 26. Februar 2016 und 18. August 2016 und der Zulassungsbeschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Unterfranken vom 23. September 2015 enthalten keine konkreten Regelungen und Anhaltspunkte, anhand welcher Kriterien der Zeitpunkt der Niederlassung zu bestimmen ist. Insbesondere enthält der Zulassungsbeschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Unterfranken vom 23. September 2015 nur ein Datum (1. Juli 2016) bis zu dem der Kläger seine Tätigkeit als Internist aufzunehmen hat im Rahmen seiner Zulassung als Kassenarzt, aber kein bestimmtes Datum an dem der Kläger die Niederlassung tatsächlich begonnen bzw. vorgenommen hat.
Auch dem Antragsformular ist keine Konkretisierung des Begriffs der Niederlassung zu entnehmen. In der Erklärung A zu den gemachten Angaben wird der Maßnahmebeginn mit Praxisgründung/ Praxisübernahme/ Praxisbeitritt (Bl. 7 der Behördenakte) umschrieben. Welche Voraussetzungen eine Praxisgründung erfüllen muss oder ab welchem Zeitpunkt die Praxisgründung selbst beginnt, ist wiederum nicht geregelt. Ebenso verhält es sich bei dem Begriff der Praxiseröffnung. Aus dem allgemein gehaltenen Wortlaut „Praxisgründung“/ „Praxiseröffnung“ kann weder entnommen werden, dass es für die Bestimmung des Zeitpunkts der Niederlassung auf den Zeitpunkt der publikumswirksamen Eröffnung der Praxis ankommt, auf den Zeitpunkt der Zulassung als Kassenarzt oder auf die erste Abrechnung einer Behandlung über die KVB.
Jedoch ist für die Bestimmung des Zeitpunktes der Niederlassung auf die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit abzustellen. Denn aus Nr. 2 Spiegelstrich 1 RL geht hervor, dass Gegenstand der Förderung unter anderem die Niederlassung von ambulant vertragsärztlich tätigen Hausärzten ist. Auch die weiteren in Nr. 2 RL aufgeführten förderfähigen Fachärzte müssen jeweils vertragsärztlich tätig sein. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass der Zeitpunkt der Niederlassung nicht isoliert bestimmt werden darf, sondern dass an den Zeitpunkt der Niederlassung gerade als Vertragsarzt anzuknüpfen ist. Entscheidend ist daher die tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Bereits durch die Behandlungen der Patienten und die Abrechnung der Behandlungen über die KVB, hat der Kläger seine vertragsärztliche Tätigkeit aufgenommen.
Die vertragsärztliche Tätigkeit ist davon geprägt, dass mit der Zulassung der Vertragsarzt das Recht erhält, aber auch die Pflicht, im Rahmen des Sachleistungssystems die Behandlung von Versicherten zu Lasten der jeweiligen Krankenkasse durchzuführen und diese über seine zuständige KV abzurechnen. Die KVB wickelt dann für ihre Mitglieder die Abrechnung der erbrachten Leistungen mit den Krankenkassen ab und zahlt dann die Honorare an die Vertragsärzte aus. (https://www.kvb.de/praxis/zulassung/ zulassungsverfahren/folgen/,https://www.kvb.de/ueber-uns/aufgaben/interessenvertretung/?no Mobile=404 Stand: 10. April 2018). Die Abrechnung der erbrachten Leistungen ist aber nur infolge der Zulassung als Vertragsarzt möglich. Nach § 95 Abs. 1 Satz 7 SBG V, § 24 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erfolgt diese Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz). Dabei ist der Vertragsarztsitz unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung (Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK – SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, Rn. 220). Da die vertragsärztliche Tätigkeit daher untrennbar mit der Zulassung als Vertragsarzt für einen bestimmten Ort der Niederlassung verknüpft ist, beginnt ein Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit am Ort der Niederlassung bzw. lässt sich dann an dem zugelassenen Ort nieder, wenn er den ersten Patienten im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit behandelt. Ob er einen Patienten im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit behandelt hat, ergibt sich – aufgrund des bereits dargestellten Rechts eines Vertragsarztes die erbrachten Leistungen über die KVB abzurechnen – daraus, ob diese Behandlung dann auch mit der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet wurde.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung durch seinen Klägerbevollmächtigten insoweit einräumen lassen, dass die seitens des Beklagten mehrmals erfolglos angeforderte formlose Bestätigung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns über den Zeitpunkt der Niederlassung nicht erteilt wurde, da die Behandlungen vor dem 9. Mai 2016 über die KVB abgerechnet worden seien.
Dass für den Beklagten in ständiger Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien zur Bestimmung des Maßnahmebeginns letztlich regelmäßig die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit maßgeblich ist und nicht die Eröffnung der Praxisräume und der Behandlungsmöglichkeiten für jedermann, kann auch der Nr. 3.4 des Zuwendungsbescheids vom 13. Juli 2017 (Bl. 107 der Behördenakte) entnommen werden, da dort der Nachweis der Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit durch Vorlage geeigneter Unterlagen z.B. Arztregisterauszug oder formlose Bestätigung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern gefordert wird. Der Beklagte stellt folglich entscheidend, da insbesondere ein Nachweis durch eine formlose Bestätigung der Kassenärztlichen Vereinigung möglich für den Zeitpunkt des Maßnahmebeginns ist und diese nur erteilt wird, wenn noch keine Abrechnungen vorgenommen wurden, auf die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit ab und nicht, wann die Praxis offiziell für den Publikumsverkehr eröffnet wurde, oder auf das Datum des Beginns von Arbeitsverträgen, denn andernfalls hätte der Beklagte dann von vorneherein solche Unterlagen angefordert. Auch hätte die KVB bei einer Handhabung, wie der Kläger sie vorgetragen hat, keinen Grund gehabt, die formlose Bestätigung nicht zu erteilen.
Insbesondere ist auch dem klägerischen Einwand, bei den Behandlungen habe es sich, um bloße Gefälligkeiten für Kollegen, Mitarbeitern und Freunde gehandelt, entgegenzuhalten, dass er diese erbrachten Leistungen tatsächlich über die KVB abgerechnet hat, folglich sein Honorar erhielt und diese Abrechnung ohne die Zulassung für seinen bestimmten Vertragsarztsitz nicht hätte vornehmen können, auch nicht für Freunde, Mitarbeiter und Kollegen.
Eine weitere Verletzung der klägerischen Pflichten durch die verspätete Mitteilung des Übergangs von der Einzelpraxis zu einer Berufsausübungsgemeinschaft zum 1. Juli 2016 für sich alleine hätte wohl nicht zur Rücknahme des ganzen Rücknahmebescheids geführt. Dies kann jedoch dahin stehen, da die vollständige Rücknahme, insbesondere in der Begründung des Rücknahmebescheids, letztlich nur auf den vorzeitigen Maßnahmebeginn gestützt wird, der den Zuwendungsbescheid vom 13. Juli 2016 vollständig rechtswidrig macht.
Der rechtswidrige Zuwendungsbescheid vom 16. Juli 2016 konnte auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG) von der Regierung von Unterfranken zurück-genommen werden.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Der Kläger hat am 22. Februar 2016 zu den gemachten Angaben im Antragsformular (Bl. 19 der Behördenakte) ausdrücklich – in der Erklärung A – erklärt, dass mit der Niederlassung noch nicht begonnen wurde und auch nicht vor der durch die Bewilligungsbehörde erteilten Erlaubnis zum „Vorzeitigen Maßnahmebeginn“ begonnen wird. Wie sich bereits aus den vorangehenden Ausführungen ergibt, hatte der Kläger aber vor dem 9. Mai 2016, für den die Erlaubnis des vorzeitigen Maßnahmebeginns erteilt worden war, mit der Niederlassung begonnen. Ein Verschulden des Klägers hingegen ist nicht Voraussetzung für den Ausschluss des Vertrauensschutzes nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 119).
Das Vertrauen des Klägers ist auch sonst nicht schutzwürdig, selbst wenn er die Fördermittel bei seinen Vermögensdispositionen miteinbezogen hat (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Denn dem Hinweis der Klägerseite, dass der Kläger davon ausgegangen sei, dass maßgebliches Datum der Tag der Praxiseröffnung sei und nicht der Tag der ersten vertragsärztlichen Abrechnung und dies auch so im Antrag gestanden habe, ist entgegenzuhalten, dass der Kläger sich vorwerfen lassen muss, dass ihm als Arzt, der eine eigene Praxis eröffnen wollte und eröffnet hat, bewusst gewesen sein musste, dass er zur Abrechnung der Behandlungen im April 2016 erst aufgrund seiner Zulassung als Vertragsarzt berechtigt war. Zumindest hätten ihm dann Zweifel kommen müssen, ob dies nicht bereits erste Handlungen, die einen Maßnahmebeginn darstellen, hätten sein können. Sollte er sich bezüglich der konkreten Handlung, die den Beginn der Maßnahme einleitet, unsicher gewesen sein, insbesondere, ob die Behandlung und deren Abrechnung von Freunden, Mitarbeitern und Kollegen erfasst werden, hätte er sich bei der Behörde erkundigen können. Denn es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass einem Arzt, der dabei ist, eine Praxis als Vertragsarzt aufzubauen, und eine entsprechende Zulassung erhalten hat, keinerlei Zweifel kommen, ob er mit dieser Behandlung und Abrechnung im Rahmen seiner Zulassung als Vertragsarzt nicht bereits schon seine vertragsärztliche Tätigkeit begonnen hat.
Zwar mag es zutreffen, dass auf Seite 4 des Antragsformulars (Bl. 10 der Behördenakte) das „Datum der Praxiseröffnung“ einzutragen war, jedoch ergibt sich alleine aus dem Begriff der Praxiseröffnung, auch noch keine konkreten Anhaltspunkte nach welchen konkreten Kriterien die Praxiseröffnung selbst zu bestimmen ist (s.o.). Darüber hinaus hat der Kläger auch auf Seite 6 des Antragsformulars (Bl. 8 der Behördenakte) erklärt, dass eine beglaubigte Kopie der zulassungsrechtlichen Entscheidung über die „vertragsärztliche Tätigkeit ab dem 9. Mai 2016“ dem Antrag beiliegt. Auch hieraus hätte der Kläger die Verbindung des Maßnahmebeginns der Niederlassung mit der Aufnahme der „vertragsärztlichen“ Tätigkeit erkennen können oder zumindest, wie bereits ausgeführt, sich nochmals beim LGL erkundigen können. Ebenfalls hat der Kläger erklärt auf Seite 6 des Antragsformulars, dass er die aktuelle RL zur Kenntnis genommen habe. Auch hieraus ergibt sich, wie bereits ausgeführt, die untrennbare Verbindung zur vertragsärztlichen Tätigkeit.
Das LGL hat schließlich auch ermessensfehlerfrei von seiner Rücknahmemöglichkeit Gebrauch gemacht. Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Das LGL konnte die Ermessenserwägung auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO). Dies hat es in seiner Stellungnahme im Schreiben vom 7. November 2017 getan. Die angeführten Ermessenserwägungen des LGL – die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß Art. 7 BayHO würden in diesem Regelfall das Interesse des Begünstigten, die Leistung behalten zu dürfen, überwiegen – sind nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung deckt sich mit der Verwaltungspraxis des Beklagten. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Zudem ist nach Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurück-zunehmen. Demnach entfällt nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es erfolgt zudem eine Ermessensreduzierung. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. Kopp, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 48 Rn. 127b und 127c). Für einen solchen atypischen Ausnahmefall ist nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Beklagte plausibel darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit der Haushaltsführung für die Rücknahme spricht.
Da auch sonst keine Mängel des streitgegenständlichen Bescheides ersichtlich sind, war die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Demnach war die Klage mit der der Kostenentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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