Medizinrecht

Erfolgloser Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung für eine Versammlung

Aktenzeichen  M 26 E 20.1506

Datum:
9.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7188
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayIfSMV § 1 Abs. 1 S. 3, § 7 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 8, § 123 Abs. 1 S. 2
ZPO § 920 Abs. 2
IfSG § 28 Abs. 1 S. 2
BayVersG Art. 15

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Ausnahmegenehmigung für eine Versammlung.
Der Antragsteller, deutscher Staatsangehöriger und von Beruf selbstständiger A…, zeigte am … April 2020 bei der Antragsgegnerin eine Versammlung unter freiem Himmel an und beantragte gleichzeitig unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Satz 3 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eine Ausnahmegenehmigung.
Die Versammlung mit dem Thema „Versammlungsfreiheit auch während der Corona-Krise schützen“ soll am … April 2020 in der Zeit von 16:00 bis 19:00 Uhr mit maximal 10 Teilnehmern am östlichen Isarufer zwischen A… Brücke und B… Brücke stattfinden. Als Kundgebungsmittel wurden „gegebenenfalls Handtücher bzw. Sitzmatten, Zollstöcke zur Abstandsmessung“ angezeigt.
Nach Erhalt einer automatisch generierten E-Mail mit dem Hinweis darauf, dass Versammlungen bis einschließlich 19. April 2020 grundsätzlich untersagt seien, ergänzte und erläuterte der Antragsteller seinen Antrag telefonisch und per E-Mail, auch im Rahmen eines Kooperationsgesprächs.
Nach Anhörung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 08.04.2020 den Antrag auf Erlass einer Ausnahmegenehmigung vom Verbot der Durchführung von Versammlungen ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Durchführung der streitgegenständlichen Versammlung aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht vertretbar sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es anlässlich der Versammlung zu einer Ansammlung von Menschen komme, die die Versammlung als Teilnehmer, Zuhörer oder Gegendemonstranten begleiten wollen. Der Antragsteller könne nicht gegebenenfalls eine unbestimmte Vielzahl an Personen ansprechen und des Ortes verweisen. Das Angebot des Antragstellers, die Versammlung aufzulösen, sofern und sobald die Versammlung infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbar sei, helfe nicht, weil sich dann bereits ein Zustand eingestellt habe, den es infektionsschutzrechtlich zu verhindern gelte. Damit würde die streitgegenständliche Versammlung zu einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus beitragen. Insofern schließe der Antragsgegner sich den Gefahrenprognosen des Referats für Gesundheit und Umwelt und des Polizeipräsidiums M. vom 7. April 2020 an.
Das Thema der Versammlung sei von besonders großem öffentlichen Interesse und stark emotional aufgeladen. Der Antragsteller wähle bewusst eine Örtlichkeit, die trotz der Ausgangsbeschränkung stark frequentiert sei, und sei somit auf eine größtmögliche Aufmerksamkeit bedacht. Angesichts dieser Umstände sei auch damit zu rechnen, dass es zu lautstarken und impulsiven Diskussionen komme, was die Übertragungswahrscheinlichkeit des Virus erhöhe. In einem solchen vorhersehbar unübersichtlichen und spontanen Versammlungsgeschehen können die von Robert-Koch-Institut im vollen Schutzund Hygiene-Maßnahmen nicht verlässlich eingehalten werden.
Die Ablehnung einer Ausnahmegenehmigung sei geeignet, erforderlich und angemessen zur epidemiologischen Eindämmung des Coronavirus. Auflagen als milderes Mittel, insbesondere eine örtliche Verlegung, kämen nicht in Betracht, da sie die Versammlung entweder in ihrem Gesamtgepräge änderten oder nicht gleich wirksam seien. Das gelte auch für die Auflage des Tragens von Schutzmasken einer zertifizierten Schutzkategorie. In Abwägung mit dem hohen Gut der Versammlungsfreiheit überwiege im konkreten Fall das überragende Schutzgut der menschlichen Gesundheit und des Lebens.
Gegen diesen Bescheid beantragte der Antragsteller am 8. April 2020,
1. die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig eine Ausnahmegenehmigung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BayIfSMV für die von ihm angezeigte Versammlung unter freiem Himmel am 09.04.2020 zwischen 16:00 und 19:00 Uhr unter der Leitung des Antragstellers mit maximal 10 Teilnehmern am östlichen Isarufer südlich der A… Brücke und nördlich der B… …brücke in M. zum Thema „Versammlungsfreiheit auch während der Corona-Krise schützen“ zu erteilen.
2. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu 1: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BayIfSMV vorläufig unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Zur Begründung führte er aus, § 1 Abs. 1 BayIfSMV, der ein grundsätzliches Versammlungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt enthalte, sei wegen Verstoßes gegen §§ 32,28 Infektionsschutzgesetz sowie Art. 8 GG und Art. 113 BV rechtswidrig.
Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit“ durch die Antragsgegnerin führe zu einem grundsätzlichen Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel, da diese stets die abstrakte Gefahr von Interaktionen mit anderen mit sich brächten. Für die konkret beantragte Versammlung bestehe aber eine solche konkrete Gefahr nicht. Die Antragsgegnerin lege bei ihrer Entscheidung nicht den Maßstab infektionsschutzrechtlicher Vertretbarkeit, sondern den der bestmöglichen Sicherstellung des Infektionsschutzes zugrunde.
Das potentielle Risiko, mit anderen Bürgern in Kontakt treten zu müssen, sei nach der Gesamtsystematik des BayIfSMV noch vertretbar. Der Staat habe die Aufgabe, die Ausübung elementarer Grundrechte wie der Versammlungs- und Meinungsfreiheit weitestgehend zu ermöglichen; die Polizei müsse also während der Versammlung gegen infektionsschutzrechtlich bedenkliche Zustände einschreiten, wenn man ihm eine Auflösung der Versammlung nicht zutraue.
Das Ermessen der Antragsgegnerin sei angesichts der Werteordnung des Grundgesetzes, insbesondere der Bedeutung der in Rede stehenden Versammlungsfreiheit, auf Null reduziert. Jedenfalls habe der Antragsteller Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin habe ihr Ermessen gar nicht ausgeübt und in jedem Fall die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens verkannt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten sowie den vorgelegten Behördenvorgang verwiesen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß §§ 123 Abs. 2, § 80 Abs. 8 VwGO angesichts der geltend gemachten Eilbedürftigkeit durch die Vorsitzende.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
1. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Bei summarischer Prüfung hat er keinen Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 3 der Bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmen Verordnung – BayIfSMV) vom 27. März 2020, 2126-1-5-G (BayMBl 2020, Nr. 158) auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BayIfSMV werden Veranstaltungen und Versammlungen landesweit untersagt. Nach Satz 3 können auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
Diese Regelung ist bis zum 19. April 2020 befristet (§ 7 Abs. 1 BayIfSMV).
1.1 Bei summarischer Prüfung ist § 1 Abs. 1 BayIfSMV mit der Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) sowie mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG, Art. 113 BV) und auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 GG vereinbar.
Die vorübergehende Einschränkung der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit, die § 1 Abs. 1 BayIfSMV beinhaltet, ist zum Zwecke des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung vor der raschen Ausbreitung des Corona-Virus und der Überlastung des Gesundheitssystems als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes derzeit wohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. für Betriebsuntersagungen VG München, Beschlüsse v. 20.03.2020 – M 26 E. 20.1209 und M 26 S 20.1222; B.v. 31.3.2020 – M 26 E 20.1343; BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611). Die dortigen Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit greifen mutatis mutandis auch für die vorübergehende Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch § 1 Abs. 1 Platz. § 28 Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 IfSG sehen ausdrücklich die Einschränkung der Versammlungsfreiheit vor. Auch das Veranstaltungs- und Versammlungsverbot hat, wie die übrigen Verbote der Verordnung, ausschließlich zum Ziel, die Verbreitung des Corona-Virus durch Unterbrechung der Infektionsketten zu verlangsamen. Das Bundesverfassungsgericht hat es gestern unter Verweis auf die staatliche Verpflichtung zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG im Eilverfahren abgelehnt, die bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung außer Vollzug zu setzen (BVerfG, B.v. 7. April 2020 – 1 BvR 755/20). Der Verordnungsgeber hat mit der Befristung bis zum 19. April 2020 in gebotener Weise dokumentiert, dass er die Erforderlichkeit und Wirksamkeit der Regelung – wie es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert – weiterhin fortlaufend überprüfen wird.
1.2 Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 3 BayIfSMV ist nicht erfüllt. Die streitgegenständliche Versammlung ist aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht vertretbar. Das Gericht schließt sich diesbezüglich den Ausführungen der Antragsgegnerin im Ablehnungsbescheid und in der Antragserwiderung an. Die Antragsgegnerin hat das Tatbestandsmerkmal der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit nicht in einer Weise ausgelegt, die entgegen dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift und unter Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen generell unmöglich machen würde. Sie hat überzeugend dargelegt, dass die konkret geplante Versammlung des Antragstellers unter freiem Himmel an der konkreten Örtlichkeit zur konkret geplanten Zeit und in Anbetracht des Versammlungsthemas die Gefahr begründet, dass es durch die Versammlung zu weiteren Menschenansammlungen und dadurch zu infektionsschutzrechtlich unerwünschten Zuständen kommt (so auch VG Neustadt a.d. Weinstraße, B.v. 2. April 2020 – 5 L 333/20.NW). Diese Gefahr besteht entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht abstrakt, sondern konkret. Dem Antragsteller kommt es auch gerade darauf an, dass möglichst viele Passanten von seiner Versammlung Kenntnis nehmen, so dass sein Vortrag, es werde nicht zu unerwünschten Ansammlungen von Personen kommen oder er und die Polizei würden das unterbinden können, nicht überzeugt. Wenn der Antragsteller überhaupt Inhalte zum Veranstaltungsthema gegenüber der anwesenden Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen möchte, dann ist das nur möglich, wenn die Passanten von der Versammlung und ihrem Thema wenigstens Notiz nehmen. Dass die erwünschten Passanten sich in dieser Situation jeweils rechtstreu verhalten und den Versammlungsort nach Kenntnisnahme der Versammlung und ihres Inhalts unter Einhaltung des empfohlenen Mindestabstands zügig passieren, ist bei lebensnaher Betrachtung nicht realistisch. Beizupflichten ist der Antragsgegnerin insbesondere auch hierin, dass die streitgegenständliche Versammlung unter freiem Himmel zumindest faktisch den Charakter einer öffentlichen Versammlung aufweist, so dass der Ausschluss weiterer friedlicher potentieller Teilnehmer – durch den Antragsteller selbst oder die Polizei -zumindest rechtlich problematisch wäre, weil auch diesen das Individualgrundrecht der Versammlungsfreiheit zukommt (vgl. Depenheuer in Maunz-Dürig GG Art. 8 Rn. 56).
1.3 Eine Beschränkung der Versammlung (vgl. Art. 15 BayVersG) anstelle der Versagung der Ausnahmegenehmigung kommt vorliegend nicht in Betracht. Diesbezüglich hat der Antragsteller zwar vorgetragen, er habe sich ausdrücklich mit jeder denkbaren Beschränkung im Interesse des Infektionsschutzes einverstanden erklärt. Nicht verhandelbar sind aber für ihn nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren, die er im gerichtlichen Verfahren nicht geändert hat, Zeit und Ort der Versammlung (vgl. Anlage Ast. 4 zum Antragsschriftsatz des Antragstellers). Ihm kommt es gerade auf das heutige Datum und auf den konkret gewählten Ort an, da „nur an einem frequentierten Ort andere Menschen von der Versammlung hinreichend Kenntnis nehmen können“. Damit scheidet eine örtliche oder zeitliche Verlegung der Versammlung jedenfalls von vornherein aus. Andere Beschränkungen wie beispielsweise die Auflage des Tragens von Schutzmasken (hierzu VG Neustadt a.d. Weinstraße, B.v. 2. April 2020 – 5 L 333/20.NW) oder die Beschränkung auf eine geringere Teilnehmerzahl sind gegenüber der Untersagung nicht gleichermaßen geeignet, die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit herzustellen, da hierdurch die prognostizierten konkreten Gefahren von Menschenansammlungen, die es zu verhindern gilt, nicht zuverlässig vermieden werden können. Auch dies hat die Antragsgegnerin im Bescheid (s. 9) zutreffend ausgeführt. Jedenfalls würde der Vollzug einer die Teilnehmerzahl beschränkenden Auflage bei dem gewählten Versammlungsort zu infektionsschutzrechtlichen Problemen führen (s. o. unter 1.2).
Eine Auflage der Teilnehmerbeschränkung ist bei dem gewählten Versammlungsort nicht geeignet und ausreichend, um den Erfordernissen des Infektionsschutzes zu genügen, weil zu erwarten wäre, dass es im Kontext der Versammlung zu einem größeren Auflauf, Spontanversammlungen und Gegendemonstrationen kommen wird. Eine Zusammenkunft von zehn Menschen auf Handtüchern würde in der gegebenen Situation rasch die Aufmerksamkeit einer Vielzahl von Spaziergängern und Freizeitsportlern auf sich ziehen, für die sich die Zusammenkunft als – derzeit an sich verbotene – Freizeitgestaltung des gemeinsamen Verweilens im öffentlichen Raum darstellen würde. Bei einem Teil würden sofort entsprechende Begehrlichkeiten geweckt und bei einem anderen würde die Aktion auf Empörung stoßen. Auch Teilnehmer an Gegendemonstrationen und Spontanversammlungen aus Anlass der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung können aber grundsätzlich für sich das Grundrecht der Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen, so dass ein Ausschluss spontan hinzukommender Teilnehmer oder eine Auflösung von Gegendemonstrationen rechtlich nicht unproblematisch ist, wenn dem Antragsteller eine Versammlung an der in Rede stehenden Örtlichkeit erlaubt wird. Auflagen zur Beschränkung der Teilnehmerzahl könnten gerade an der zur Versammlungszeit äußerst stark frequentierten Örtlichkeit nicht vollzogen werden, weil es dann zu einer Konfrontation insbesondere mit der Polizei und dem Versammlungsleiter kommen würde, die im Interesse des Infektionsschutzes und des Gebots der Kontaktvermeidung derzeit nicht hingenommen werden kann. Letztlich bestünde die Gefahr, dass sich eine Eigendynamik mit vielfältigen kommunikativen Aktivitäten entfaltet, die nur noch durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs kontrollierbar wäre, was insbesondere auch den Polizeibeamten derzeit im Interesse des Gesundheitsschutzes nicht zuzumuten ist.
2. Der Antragsteller hat deshalb auch keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin über seinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BayIfSMV vorläufig unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet. Im Übrigen sind die gerügten Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid hinreichend dargelegt, dass sie bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung über ein Ermessen verfügt und hat dann bei der Ablehnung der Erlaubnis auf die Umstände des konkreten Einzelfalls verwiesen, die sie am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft hat. Dass sie unter Geltung der BayIfSMV generell keine Möglichkeit der Genehmigung von Versammlungen sieht, trifft jedenfalls angesichts der Begründung auf Seite 8 des Bescheids nicht zu.
Die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung stellt sich in Abwägung mit dem verfolgten Ziel des öffentlichen Gesundheitsschutzes auch nicht als unverhältnismäßiger Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Antragstellers dar. Denn es verbleiben ihm durchaus Möglichkeiten, seine Meinung auch im Rahmen einer Versammlung kundzutun, bei der die Einhaltung der derzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen Anforderungen im Rahmen des Vollzugs ausreichend gewährleistet werden kann. In Betracht kommt beispielsweise eine Versammlung mit geringer Teilnehmerzahl in geschlossenen Räumen unter Auflagen oder an einem nicht stark frequentierten Ort. Von einer derartigen Beauflagung durch das Gericht wurde angesichts der eindeutig geäußerten Wünsche des Antragstellers zu Zeit und Ort abgesehen, zumal die Versammlung ihrem Zweck nach auch noch zu einem späteren Zeitpunkt an einem anderen Ort durchgeführt werden kann und es dem Antragsteller unbenommen bleibt, eine derartige Versammlung bei der Antragsgegnerin anzuzeigen. Der Wunsch des Antragstellers, seine Kundgebung möglichst öffentlichkeitswirksam zu inszenieren, muss derzeit hinter dem Ziel der Kontaktvermeidung zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zurücktreten. Dies erscheint dem Antragsteller insbesondere bei den verbleibenden Möglichkeiten, auf anderen geeigneten Wegen wie beispielsweise über soziale Medien von seiner Versammlung zu berichten, auch zumutbar.


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