Medizinrecht

Erteilung eines Hausverbots – Verstoß gegen Hygieneregeln

Aktenzeichen  M 7 S 20.4171

Datum:
9.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27794
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 166
BayGO Art. 21
ZPO § 114

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen ein befristetes Hausverbot für alle städtischen Bildungs-Lokale der Antragsgegnerin.
Mit Bescheid vom 21. August 2020 sprach die Landeshauptstadt M. – Referat für Bildung und Sport – gegenüber dem Antragsteller ein bis zum 30. April 2021 befristetes Hausverbot für alle städtischen – in Anlage 1 des Bescheids näher bezeichneten – sog. BildungsLokale aus (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 2). Für den Bescheid wurden keine Kosten erhoben (Nr. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe am 20. August 2020 gegen 11.30 Uhr das BildungsLokal … … … in der …straße … in M. aufgesucht. Bei Betreten sei er bereits der Aufforderung der lokalen Bildungsmanagerin, sich vor dem Betreten der Einrichtung die Hände mit dem bereit gestellten Desinfektionsmittel zu reinigen, nicht nachgekommen. Als er dennoch vor einem Computerplatz genommen habe, habe er zudem nach kürzester Zeit den Mund-Nasen-Schutz abgenommen. Nach erneuter Aufforderung, sich an die vorgeschriebenen Hygieneregeln zu halten und insbesondere den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz aufzubehalten, habe der Antragsteller sich plötzlich sehr schnell von seinem Sitzplatz erhoben, sei auf die Bildungsmanagerin zugegangen und habe diese aggressiv bedroht. Das Vorzeigen eines Schwerbehindertenausweises sowie einer Pressemitteilung des Bayerischen Gesundheitsministeriums durch den Antragsteller unter mehrfachem Hinweis darauf, dass er vom Tragen des Mund-Nasen-Schutzes befreit wäre, habe die Bildungsmanagerin, die über einen Kollegen darüber informiert gewesen sei, dass eine Schwerbehinderung des Antragstellers nicht wegen einer Atemwegserkrankung vorliege, als Argument nicht gelten lassen. Vielmehr habe sie den Antragsteller abermals aufgefordert, das BildungsLokal zu verlassen. Weil sie sich bedroht gefühlt habe, habe sich die Bildungsmanagerin zu ihrem Schutz in die angrenzende Stadtbibliothek begeben, welche mit dem BildungsLokal durch eine Glastür direkt verbunden sei. Dorthin sei der Antragsteller ihr gefolgt. Auch dort sei der Antragsteller weder der Aufforderungen der Bibliothekarin, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, noch dem Hausverweis durch die Bibliotheksleitung gefolgt. Auch dort habe der Antragsteller sich der Bildungsmanagerin abermals unangemessen genähert und sie verbal bedroht. Erst nach Aufforderung durch die von den städtischen Mitarbeitern herbeigerufenen Polizeibeamten habe der Antragsteller das BildungsLokal bzw. die Stadtbibliothek schließlich verlassen. Sowohl die Leitung der Stadtbibliothek als auch die lokale Bildungsmanagerin hätten gegenüber dem Antragsteller mündlich ein Hausverbot erteilt. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Hausverbots seien gegeben, weil durch den Antragsteller die ungestörte Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben in dem BildungsLokal gefährdet sei. Dieser habe mehrmals Aufforderungen der lokalen Bildungsmanagerin missachtet und gegen die geltenden und durch Aushang bekannt gemachten Hygieneregeln verstoßen. Der Erlass des Hausverbots entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere sei die Maßnahme erforderlich, da kein milderes, gleich wirksames Mittel ersichtlich sei, um einen ungestörten Betrieb der BildungsLokale zu gewährleisten. Durch das ausgesprochene Hausverbot könne verhindert werden, dass der Antragsteller erneut ein BildungsLokal betrete. Sein Verhalten in der Vergangenheit habe gezeigt, dass eine Gefahr bestehe, dass er erneut versuchen könnte, ein BildungsLokal zu betreten, ohne dabei den Aufforderungen des Personals und den durch Aushang bekannt gemachten Hygieneregeln Folge zu leisten. Der Antragsteller habe gegenüber dem Referat für Bildung und Sport nicht glaubhaft gemacht, warum es ihm nicht möglich sei, die in den BildungsLokalen geltenden Hygieneregeln einzuhalten. Das pauschale Abstellen auf eine Schwerbehinderung setze die für alle Besuchenden geltenden Hygieneregeln nicht außer Kraft. Das Hausverbot sei auch angemessen. Den zu schützenden Rechtsgütern, die Gesundheit der Beschäftigten und Besuchenden der BildungsLokale und dem Vollzug eines ungestörten Dienstbetriebs, komme eine äußerst hohe Bedeutung zu. Das Interesse des Antragstellers am Betreten der Einrichtung müsse hinter dem öffentlichen Interesse an einem störungsfreien Betrieb und der Schutzbedürftigkeit der dort befindlichen Personen zurücktreten. Der Antragsteller habe am 20. August 2020 Gelegenheit gehabt sich mündlich vor dem Erlass des Hausverbots zu äußern. Zudem habe er sich per E-Mail vom 20. August 2020 gegenüber der Antragstellerin zu dem Vorgang geäußert und mitgeteilt, er müsse und werde keine Maske tragen. Die sofortige Vollziehung des Hausverbots sei daher gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO – anzuordnen. Es sei der Landeshauptstadt M. nicht zumutbar, bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abzuwarten. Als Gefahrenabwehrmaßnahme müsse das Hausverbot sofort seine Wirkung entfalten, um den Antragsteller davon abzuhalten, BildungsLokale zu betreten. Dem öffentlichen Interesse könne nur durch die sofortige Vollziehung des Hausverbots Geltung verschafft werden.
Gegen den Bescheid vom 21. August 2020 erhob der Antragsteller am 7. September 2020 Klage und beantragte dessen Aufhebung sowie die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Zudem beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Zur Begründung nahm der Antragsteller Bezug auf seine der Klage beigefügte E-Mail vom 7. September 2020, mit der er alle Vorwürfe von sich wies. Weder habe er die Mitarbeiterin im BildungsLokal bedroht noch habe er gegen die Hygieneregeln verstoßen. Er sei durch ärztliches Attest von der Maskenpflicht befreit. Die Bildungsmanagerin hätte seine Schwerbehinderung in Frage gestellt und das Attest zur Vorlage bei den Behörden nicht akzeptiert. Dazu hätte sie vermeintliche Zeugen von der Stadtbibliothek zugezogen. Für eine Schwerbehinderung müsse nicht eine Atemwegserkrankung vorliegen. Nach der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung seien Personen, die glaubhaft machen könnten, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar sei, von der Trageverpflichtung befreit. Zudem hat der Antragsteller seiner Klage ein nicht datiertes, formularmäßiges ärztliches Attest „zur Vorlage bei den Behörden und diverser [sic!] Kontrollinstanzen“ beigefügt. Dieses attestiert dem Antragsteller „die Befreiung aus medizinischer Sicht über das Tragen einer Schutzmaske, die gesundheitliche Auswirkungen auf Ihre Gesundheit haben kann. Schon ein leichte Form der Hyperkapnie als auch eine zusätzliche Keimbesiedlung durch Atemschutzmasken wird sich negativ auf Ihre Gesundheit auswirken.“ Die Begriffe Hyperkapnie und Keimbesiedlung werden jeweils in Fußnoten allgemein erläutert. Anschrift, Name und Geburtsdatum des Antragstellers sind handschriftlich in den ansonsten maschinenschriftlichen abgefassten Text eingetragen. Das Attest ist mit Arztstempel und Unterschrift versehen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 21. August 2020 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Hierzu wurde mit Schriftsatz vom 17. September 2020 im Wesentlichen vorgetragen, der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO sei jedenfalls unbegründet. Das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs werde ergeben, dass diese gering einzuschätzen seien. Der Bescheid vom 21. August 2020 sei rechtmäßig, insbesondere sei das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich begründet. Insoweit werde auf Nummer II.2 des Bescheids verwiesen. Der Bescheid sei materiell rechtmäßig. Bei den BildungsLokalen handele es sich um öffentliche Einrichtungen der Antragsgegnerin. Die BildungLokale seien Orte für Information, Beratung und fachlichen Austausch rund um das Thema Bildung. Ihre Angebote richteten sich an alle Bürger und Bürgerinnen sowie die Bildungsakteure in dem jeweiligen Stadtteil. Das von der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Hausverbot habe seine Ermächtigungsgrundlage in der Ausübung des gewohnheitsrechtlichen Hausrechts durch die Antragsgegnerin. Das Hausrecht umfasse die Befugnis, Ordnungsmaßnahmen zu treffen, um die Verwirklichung des Widmungszwecks zu gewährleisten, Störungen des Dienstbetriebes abzuwenden und dabei insbesondere auch über den Aufenthalt von Personen in den Räumen des öffentlichen Gebäudes zu bestimmen. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Hausverbots seien gegeben, weil durch den Antragsteller die ungestörte Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben in dem BildungsLokal gefährdet sei. Dieser habe die Aufforderung der lokalen Bildungsmanagerin missachtet und gegen die geltenden Hygieneregeln verstoßen. Selbst im Rahmen der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – 6. BayIfSMV, auf die der Antragsteller in seinen Einlassungen abstelle, müssten Personen, die geltend machen wollten, dass sie aufgrund einer Behinderung keine Mund-Nasen-Bedeckungen tragen könnten, einen kausalen Zusammenhang mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung glaubhaft machen. Auch das mit der Antragsbegründung eingereichte undatierte Dokument einer Praxis weise lediglich allgemein auf angeblich bestehende gesundheitliche Risiken bei dem Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen hin und stelle keinen Bezug zu etwaigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers her. Überdies sei es dem Antragsteller selbst dann, wenn er aus medizinischen Gründen tatsächlich keine Mund-Nasen-Bedeckungen tragen könnte, zumutbar bei der Nutzung öffentlicher Einrichtungen durch anderweitige Maßnahmen, wie zum Beispiel das konsequente Abstand halten oder das Tragen eines Gesichtsvisiers, im Rahmen einer Pandemielage zu einer Verringerung eines möglichen Infektionsübertragungsrisikos beizutragen. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller sich erst durch polizeiliches Eingreifen und einen erfolgten Platzverweis, dazu habe bewegen lassen, das BildungsLokal zu verlassen, sei im Rahmen der Gesamtabwägung zu beachten. Andere Besuchende, die ebenfalls das BildungsLokal hätten nutzen wollen, habe man wegen des Konflikts bitten müssen, das Gebäude unverrichteter Dinge zu verlassen. Durch das Verhalten des Antragstellers sei der Dienstbetrieb nachhaltig gestört worden. Zudem sei auch die Verhängung eines Hausverbots für alle städtischen BildungsLokale verhältnismäßig. Dies liege insbesondere darin begründet, dass der Antragsteller sich nachhaltig weigere, in Zukunft eine Maske zu tragen. Da die Hygienevorschriften einheitlich für alle städtischen BildungsLokale gelten würden, deren jeweilige Adressen im Internet abrufbar seien, beabsichtige die Antragsgegnerin mit dem Hausverbot für alle BildungsLokale, ein Ausweichen des Antragstellers auf andere Einrichtungen zu unterbinden. Schließlich sei das Hausverbot auch befristet und entspreche auch vor diesem Hintergrund dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 2020 nahm der Antragsteller nochmals dahingehend Stellung, dass er sowohl von den Bediensteten der Stadtbibliothek als auch von der Bildungsmanagerin diskriminiert und beleidigt worden sei. Er habe niemandem gedroht und niemanden bedroht. Die Stellungnahmen der Bediensteten der Stadtbibliothek seien „nichtige und Falschaussagen“. Gegenstand des Streits sei gewesen, dass sie alle seine Befreiung von der Trageverpflichtung nicht akzeptiert hätten. Er könne jedoch keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen aus medizinischen und gesundheitlichen Gründen. Hierfür verwies er nochmals auf das bereits bei Klageerhebung vorgelegte ärztliche Attest. Das Hausverbot sei zu Unrecht ausgesprochen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die Gerichtsakte im Klageverfahren (M 7 K 20.4170) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte befristete Hausverbot ist zulässig, aber unbegründet.
Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Anordnung unter Nr. 1 des Bescheids vom 21. August 2020 unter Verweis auf die Erforderlichkeit der Gewährleistung des bestimmungsgemäßen Dienstbetriebs des BildungsLokals den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet (vgl. zu den – nicht zu hoch anzusetzenden – Anforderungen im Einzelnen Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55).
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen (vgl. Gersdorf in Posser/Wolf, BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2019, § 80 Rn. 187). Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der angefochtene Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass derzeit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren angenommen werden kann. Durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des mit dem streitgegenständlichen Bescheid verhängten Hausverbots sind nicht ersichtlich. Die Klage wird daher aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
Als Ausfluss der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsgarantie sind die Gemeinden grundsätzlich dazu befugt, den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen im Wege von Benutzungsbedingungen auszugestalten und den Benutzungsanspruch beispielsweise durch zeitliche Befristungen, Kapazitätsbegrenzungen oder inhaltliche Vorgaben zu beschränken. (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 4 CS 17.2083 – juris Rn. 16). Vorliegend bestehen zwar seitens des Gerichts Zweifel dahingehend, ob es sich bei den von der Antragsgegnerin betriebenen BildungsLokalen tatsächlich, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen, um öffentliche Einrichtungen i.S.d. Art. 21 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern – GO – handelt. Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, da das von der Antragstellerin ausgesprochene Hausverbot jedenfalls im gewohnheitsrechtlich anerkannten Hausrecht einer Verwaltungsbehörde im öffentlich-rechtlichen Bereich eine ausreichende Rechtsgrundlage findet. Dieses beinhaltet das Recht, in einem räumlich abgegrenzten Herrschaftsbereich über Zutritt und Verweilen von Personen zu bestimmen, um die widmungsgemäße Tätigkeit der Verwaltungsbehörde gegen Störungen durch Unberechtigte zu schützen. Eine besondere gesetzliche Grundlage ist für den Erlass des Hausverbotes nicht erforderlich. Die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts ergibt sich letztlich bereits daraus, dass eine Behörde, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, auch bestimmen können muss, ob sie eine Person vom Betreten ihrer Räume ausschließt, weil diese ihre ordnungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder stört (vgl. BayVGH, U.v. 23.2.1981, BayVBl 1981 S. 657; VG Ansbach, U.v. 27.9.2007 – AN 16 K 07.01823 – juris Rn. 25).
Grundsätzlich haben Bürger sich beim Aufsuchen einer behördlichen Einrichtung – wie hier die von der Antragsgegnerin betriebenen BildungsLokale – so zu verhalten, dass der Betrieb im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Widmungszwecks nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere haben Besuchende den in Vollzug des Hausrechts getroffenen Anordnungen des Personals Folge zu leisten. Die Antragsgegnerin ist daher grundsätzlich auf der Grundlage des ihr zustehenden Hausrechts berechtigt, ein Hausverbot gegenüber Personen auszusprechen, bei deren Erscheinen und mutmaßlichem Verhalten eine widmungs- bzw. bestimmungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder beeinträchtigt wäre.
Aufgrund seiner präventiven Zielrichtung setzt die Erteilung eines Hausverbots grundsätzlich voraus, dass dieses zur Abwehr künftiger Störungen oder zum Schutz der Besuchenden oder Bediensteten der behördlichen Einrichtung erforderlich ist. Dementsprechend muss das Hausverbot auf einer Tatsachengrundlage beruhen, die die Prognose trägt, dass künftig mit Störungen gerechnet werden muss, zu deren Verhinderung das Hausverbot notwendig ist. Der Ausspruch eines Hausverbots stellt dabei auch bei einer schwerwiegenden Störung des Betriebs der öffentlichen Einrichtung keine zwingende Reaktion dar. Der Erlass eines Hausverbots steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Hausrechtsinhabers. Dieser hat sein Ermessen entsprechend dem präventiven Zweck des Hausverbots auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens, insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, wobei auch zu berücksichtigen ist, inwieweit die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe durch die Verhängung eines Hausverbots gefördert oder auch beeinträchtigt wird, Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG. Erforderlich ist daher eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verhängung eines Hausverbots und den hiervon berührten privaten Belangen des Betroffenen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei auf der einen Seite der Art und Schwere der zu erwartenden Störung sowie deren Folgen für die ordnungsgemäße Wahrnehmung der widmungsgemäßen Tätigkeit zu. Auf der anderen Seite sind das private Interesse an der Nutzung der behördlichen Einrichtung und insbesondere die von einem Betretensverbot betroffenen Grundrechte mit entsprechendem Gewicht einzustellen.
Das Verhalten des Antragstellers erfüllt diese Voraussetzungen. Durch dieses ist eine relevante Störung für den ordnungsgemäßen Betrieb des BildungsLokals eingetreten und es ist aufgrund seines Verhaltens auch zu befürchten, dass sich solche Vorkommnisse wiederholen.
Von schweren Verstößen gegen die maßgeblichen Verhaltensregeln sowie die aufgrund der COVID-19-Pandemie geltenden Hygieneregeln ist dabei auszugehen.
So hat der Antragsteller nach der Aussage der lokalen Bildungsmanagerin Aufforderungen, sich an die geltenden Hygieneregeln zu halten und insbesondere eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen keine Folge geleistet. Er hat gegenüber der Bildungsmanagerin dabei auch keine gesundheitlichen Gründe glaubhaft gemacht, die ihm das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar machen würden. Durch den pauschalen Verweis auf eine vorhandene Schwerbehinderung durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises ohne einen (auch nur behaupteten) kausalen Bezug zwischen Schwerbehinderung und Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung kann eine solche Glaubhaftmachung nicht erreicht werden. Um dem Hausrechtsinhaber eine sachgerechte Entscheidung über die Befreiung von der sog. Maskenpflicht aus medizinischen Gründen zu ermöglichen, bedarf es für diesen Nachweis grundsätzlich der Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attests, das gewissen Mindestanforderungen genügen muss (vgl. OVG NRW, B.v. 24.9.2020 – 13 B 1368/20 – juris Rn. 11). Es ist zwischen den Parteien streitig, ob der Antragsteller am 20. August 2020 das bei Klageerhebung beigefügte ärztliche Attest vorgelegt hat oder nicht. Dies kann vorliegend dahinstehen, da dieses Attest zur Glaubhaftmachung, dass dem Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unmöglich oder unzumutbar wäre, gänzlich ungeeignet ist. Aus einem ärztlichen Attest muss sich zu diesem Zweck regelmäßig jedenfalls nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung alsbald zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist (vgl. OVG NRW, B.v. 24.9.2020 – 13 B 1368/20 – juris Rn. 11, 13 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Attest nicht. Mit diesem wird dem Antragsteller im Wege eines formularmäßigen Vordrucks lediglich unter pauschalem Verweis auf mögliche Auswirkungen eines erhöhten Rückatmens von Kohlenstoffdioxid sowie einer Keimbesiedelung der Schutzmaske bescheinigt, dass das Tragen einer Schutzmaske „gesundheitliche Auswirkungen auf Ihre Gesundheit“ haben könne. Eine auch nur ansatzweise individualisierte Begründung etwa anhand des gesundheitlichen Allgemeinzustands oder etwaiger Vorerkrankungen des Antragstellers ist ebenso wenig enthalten wie eine konkrete Diagnose. Das Attest entbehrt jeglichen medizinischen Bezugs zur Person des Antragstellers. Schließlich fehlt es auch an einer Datierung des Attests, sodass ein zeitlicher Bezug der Attestierung gänzlich fehlt. Ein derartiges Attest ist nicht hinreichend aussagekräftig und zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe, die eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigen könnten, nicht ausreichend (so auch VG Würzburg, B.v. 16.9.2020 – W 8 E 20.1301 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Zusätzlich hat sich der Antragsteller nach Angaben der Bildungsmanagerin dieser unter Unterschreitung des infektionsschutzrechtlich gebotenen Mindestabstands genähert und ist ihr gegenüber in einer Weise verbal auffällig geworden, dass sie sich in der empfundenen Bedrohungslage dazu gezwungen sah, sich Hilfe bei den Bediensteten der räumlich angrenzenden Stadtbibliothek zu holen. Mehrfachen Hinweisen der lokalen Bildungsmanagerin zum Einhalten der Hygienevorschriften sowie auch zum Verlassen des BildungsLokals leistete er nach deren Aussage beharrlich keine Folge. Vielmehr wurde der Ausspruch eines Platzverweises durch die Polizei erforderlich, um das regelwidrige Verhalten des Antragstellers in den Räumlichkeiten des BildungsLokals zu beenden. Nach Aussagen der städtischen Bediensteten hat der Vorfall für die Bildungsmanagerin, die nach dem Vorfall ihre Arbeit im BildungsLokal vorzeitig beendete, eine länger anhaltende psychologische Beeinträchtigung zur Folge. Das Verhalten des Antragstellers war daher unmittelbar geeignet, zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs im BildungsLokal sowie zur Verursachung von Gesundheitsgefahren für andere Besuchende sowie das städtische Personal zu führen.
Auch soweit der Antragsteller vorträgt, er habe die Bildungsmanagerin nicht bedroht, und die Stellungnahmen der Bediensteten der Stadtbibliothek zu „Falschaussagen“ erklärt, stellen bereits das – vorliegend unbestrittene – beharrliche Weigerungsverhalten des Antragstellers, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, obwohl ein Befreiungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde, sowie die Tatsache, dass er erst durch das Erscheinen der Polizei und einen anschließenden Platzverweis zum Verlassen des BildungsLokals bewegt werden konnte, nicht zuletzt angesichts einer akuten Pandemielage, ausreichend schwere Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs dar. Insgesamt kann daher trotz teilweise streitigen Sachvortrags der Parteien von erheblichen Verstößen seitens des Antragstellers ausgegangen werden.
Weiterhin ist die Prognose gerechtfertigt, dass auch künftig mit Störungen durch den Antragsteller gerechnet werden muss, zu deren Verhinderung das Hausverbot notwendig ist. Dies folgt daraus, dass der Antragsteller durch sein bisheriges regelwidriges und uneinsichtiges Verhalten gezeigt hat, dass er weder jetzt noch in Zukunft bereit ist, den Anweisungen des anwesenden Personals Folge zu leisten. Insbesondere die beharrliche und noch anhaltende Weigerung des Antragsstellers eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen („Ich muss und werde keine Maske tragen, habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?“, E-Mail vom 20. August 2020, Bl. 18 der Behördenakte rückseitig) rechtfertigt angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens im Rahmen der COVID-19-Pandemie eine solche Prognose. Das vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Attest ist – aus den bereits dargelegten Gründen – nicht dazu geeignet, dem Gericht gegenüber glaubhaft zu machen, dass dem Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unmöglich oder unzumutbar wäre. In einer Gesamtschau des Verhaltens des Antragstellers ergibt sich daher, dass dieser nicht bereit ist, sich bei Aufsuchen eines BildungsLokals an die geltenden Hygieneregeln zu halten und den Anweisungen des örtlichen Personals Folge zu leisten. Dieses Ergebnis kann für sämtliche BildungsLokale gleichermaßen Geltung beanspruchen. Demzufolge ist, nicht zuletzt aufgrund der Beharrlichkeit des vom Antragsteller gezeigten Weigerungsverhaltens, die Annahme gerechtfertigt, dass sich dieses Verhalten auch künftig nicht bessern wird. Das künftig zu erwartende Verhalten des Antragstellers ist daher als eine erhebliche Gefahr für einen störungsfreien Dienstbetrieb in allen BildungsLokalen anzusehen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass dem Antragsteller für die Zukunft ein angemessenes Verhalten bei der Benutzung eines BildungsLokals prognostiziert werden könnte.
Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Entscheidung auch das ihr insoweit obliegende Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (vgl. zum gerichtlichen Prüfungsumfang § 114 Satz 1 VwGO).
Den Gründen des Bescheids lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin erkannt hat, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Bei der Entscheidung wurde auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Das ausgesprochene Hausverbot ist geeignet, den angestrebten Zweck, den reibungslosen Betrieb der BildungsLokale und die Sicherheit der anderen Besuchenden sowie der städtischen Bediensteten zu erreichen. Der Erlass des Hausverbots war auch erforderlich, da der Antragsteller sich wiederholt und beharrlich den Aufforderungen der lokalen Bildungsmanagerin widersetzt hat und letztendlich der Erlass eines Platzverweises durch die Polizei erforderlich war, um eine Verhaltensänderung bei dem Antragsteller zu bewirken. Aus diesem Grund ist auch davon auszugehen, dass eine vorherige förmliche Abmahnung – als milderes Mittel – nicht ausgereicht hätte, dies zu erreichen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht das ausgesprochene Hausverbot insbesondere auch deshalb, weil es auf einen Zeitraum von einem knappen Dreivierteljahr beschränkt ist und der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin -auch nachträglich – keine besonderen Gründe geltend gemacht hat, weshalb in seinem Fall das Hausverbot zu unangemessenen Folgen führen würde.
Auch bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids. Da ein Hausverbot eine grundrechtseinschränkende Maßnahme darstellt, die präventiven Charakter hat, indem sie darauf abzielt, zukünftige Störungen des Betriebsablaufs in einer behördlichen Einrichtung zu vermeiden, bedarf es entsprechend Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG zunächst der vorherigen (mündlichen oder schriftlichen) Anhörung des Betroffenen (vgl. VG München, B.v. 6.7.2015 – M 10 S 15.1683 – juris Rn. 19 ff.). Der Antragsteller hatte zunächst bei Erlass des mündlichen Hausverbots durch die lokale Bildungsmanagerin am 20. August 2020 unmittelbar Gelegenheit zur Stellungnahme. Zudem äußerte er sich noch mit E-Mail vom selben Tag gegenüber dem BildungsLokal zu dem Vorfall. Demzufolge kann von einer ordnungsgemäßen Anhörung ausgegangen werden.
Die Klage wird sich aus den dargelegten Gründen aller Voraussicht nach als unbegründet erweisen.
Weiterhin ist auch ein besonderes Vollzugsinteresse anzuerkennen, dass die Anordnung des Sofortvollzugs im Einzelfall gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Satz 4 VwGO trägt. Gründe, die im Wege einer ergänzenden Interessenabwägung ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Vorliegend rechtfertigen es überwiegende öffentliche Belange, den Rechtsschutzanspruch des Antragstellers einstweilen zurücktreten zu lassen. In Anbetracht des durch den Antragsteller erheblich gefährdeten ungestörten und für die Besuchenden und Bediensteten sicheren Betrieb der BildungsLokale ist es als erforderlich anzusehen, diesen kurzfristig zu gewährleisten. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf die angesichts der akuten Pandemielage äußerst dringende Gewährleistung eines angemessenen Infektionsschutzes. Das Interesse des Antragstellers, das über die Möglichkeit der – im Übrigen nicht weiter spezifizierten – Nutzung des Angebots der BildungsLokale als solche nicht hinausgeht, wiegt demgegenüber deutlich weniger schwer. Der Antragsteller hat insbesondere nicht geltend gemacht, dass die Nutzung eines Bildungsangebots in den Räumlichkeiten des BildungsLokals für ihn aus dringenden beruflichen oder sonstigen gravierenden Gründen erforderlich wäre.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Nr. 1.5).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war nach den vorstehenden Ausführungen mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO) ebenfalls abzulehnen.


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