Medizinrecht

Fahrerlaubnisentzug wegen Nichtvorlage eines Eignungsgutachtens

Aktenzeichen  AN 10 S 16.1024

Datum:
5.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 u. Abs. 8, § 46 Abs. 1
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Arztberichte vermögen die Notwendigkeit eines Gutachtens zur Fahreignung regelmäßig nicht zu entkräften, erst recht nicht, wenn sie aus schlafmedizinischer Sicht erstellt wurden und sich zum einen auf die Diagnose bestimmter Krankheiten beschränken, jedoch keinerlei Ausführungen zu den Konsequenzen der diagnostizierten Krankheiten für die Fahreignung enthalten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am …1957 geborenen Antragstellerin wurden in den Jahren 1979 und 1982 Fahrerlaubnisse u.a. der Klassen A, C1, B und T erteilt.
Im Rahmen der Fahrschulüberwachung wurde der Beklagten im November 2015, offensichtlich vom ehemaligen Arbeitgeber, mitgeteilt, dass die Antragstellerin dort nicht mehr als Fahrlehrerin eingesetzt werde. Sie sei seit Juni 2014 an Narkolepsie erkrankt, und es sei der Fahrschule im August 2015 von der Krankenkasse mitgeteilt worden, dass die Antragstellerin ab 1. Januar 2015 Berufsunfähigkeitsrente erhalte. Dies nahm die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin zum Anlass, der Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Januar 2016 die Vorlage eines Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung bis 21. März 2016 aufzugeben. Diese Anordnung wurde im Wesentlichen dahingehend begründet, dass die Behörde Kenntnis davon erhalten habe, dass die Antragstellerin an Narkolepsie erkrankt sei. Narkolepsie sei nach der Anlage 4, Ziffer 11 zur Fahrerlaubnisverordnung eine Krankheit, die fahreignungsrelevant sei. Es sei deshalb durch das Gutachten zu klären, ob diese Krankheit vorliege und ob eventuell durch Auflagen oder Beschränkungen das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges gewährleistet werden könne. Die Antragstellerin wurde in diesem Schreiben auch darauf hingewiesen, dass sie die der Begutachtungsstelle zu übersendenden Aktenunterlagen einsehen könne und dass im Falle einer Nichtvorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die fehlende Fahreignung geschlossen werden könne und dann die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Hierzu gab die Antragstellerin zunächst am 25. Januar 2016 eine Einverständniserklärung unter Benennung einer Begutachtungsstelle für Fahreignung ab. Die Akten wurden daraufhin der benannten Begutachtungsstelle von der Antragsgegnerin übersandt.
Mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 19. Februar 2016 bzw. 16. März 2016 ließ die Antragstellerin die Zurückweisung der mitgeteilten Eignungszweifel erklären. Ferner legte sie zwei Arztberichte des Klinikums …, Schlafmedizinisches Zentrum, vom 2. März 2016 und 8. März 2016 vor. Aus diesen ergebe sich, dass keinerlei Eignungszweifel (mehr) bestünden; somit sei das angeforderte ärztliche Gutachten nicht notwendig. Auf die Einzelheiten der fachärztlichen Berichte (Bl. 30 ff. und Bl. 32 ff. der Behördenakte) wird Bezug genommen.
Die Fahrerlaubnisbehörde nahm die Vorlage dieser ärztlichen Berichte zum Anlass, mit Schreiben vom 17. März 2016 an die Bevollmächtigten und Schreiben vom „21. Januar 2016“ in Ergänzung zur Anordnung vom 21. Januar 2016 eine erweiterte Anordnung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zu bestimmen. In dieser Anordnung wurde u.a. ausgeführt, dass laut dem vorgelegten Arztbericht des Klinikums … vom 8. März 2016 folgende Diagnosen gestellt worden seien:
– Schwere depressive Episode
– Chronische psychogene Insomie
– Obstruktive Schlafapnoe
Im Rahmen der psychiatrischen Behandlung sei hiernach zunächst die Verordnung von Venlafaxin und Citalpram erfolgt. Derzeit erfolge die antidepressive medikamentöse Therapie mit Agomelatin. Zudem werde Modafinil zur Besserung der Tagesschläfrigkeit verordnet.
Ferner sei ein weiterer Arztbericht vom 2. März 2016 des Klinikums … vorgelegt worden, aus diesem seien die folgenden Diagnosen zu ersehen:
– Kombinierte schlafbezogene Atmungsstörung
– Obstruktive Schlafapnoe
– Chronische Insomie mit Durchschlafstörungen
– Leichte Hypoventilation bei Opesitas
– Arterielle Hypertonie
– Rezidivierende depressive Episode
Zudem sei negativ eine erneute Einschränkung der Daueraufmerksamkeitsleistung aufgefallen.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 habe die Antragstellerin dem Ordnungsamt mitgeteilt, dass sie seit dem 1. Januar 2015 eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe und im Rahmen einer Vorsprache habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass eine schwere Depression bei ihr vorliege und eine Schlafapnoe.
Aus den vorgenannten Umständen ergäben sich Zweifel an der Fahreignung, welche durch das geforderte Gutachten eines Facharztes eine Begutachtungsstelle für Fahreignung geklärt werden sollten. Hierbei sei zu klären, inwieweit die Fahreignung der Antragstellerin durch arterielle Hypertonie, Depressionen, Dauerbehandlung mit Arzneimitteln und Schlafapnoe, chronische psychogene Insomie, beeinträchtigt sei bzw. unter welchen Auflagen und Umständen sie wieder hergestellt werden könne. Der Antragstellerin wurde eine Vorlagefrist bis 21. April 2016 gesetzt und sie wiederum auf die Akteneinsichtsmöglichkeit bzw. die Folgen einer Nichtvorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV hingewiesen.
Gegen diese Anordnung erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin Einwendungen im Wesentlichen dahingehend, dass auf Grund der vorgelegten Arztberichte keine schwere depressive Episode vorliege, sondern nur leichtgradig depressive Beschwerden und dass deshalb auch keine Einnahme von Medikamenten erfolge. Auch der Narkolepsieverdacht sei widerlegt. Eine erhöhte Tagesschläfrigkeit sei nicht diagnostiziert worden. Die Schlafapnoe werde durch eine CPAP-Therapie erfolgreich behandelt. Auf Grund dessen seien keine Gründe erkennbar, welche gegen die Fahreignung der Antragstellerin sprächen. Zusätzliche Untersuchungen seien deshalb nicht angezeigt.
Auf die Anhörung der Antragsgegnerin vom 26. April 2016 zur nunmehr beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis, da das Gutachten nicht beigebracht worden sei, ließ die Antragstellerin vortragen, sie habe sich einer Begutachtung gestellt und die Arztberichte hierüber vom 8. März 2016 und 2. März 2016 vorgelegt.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2016 wurde der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis entzogen und sie aufgefordert, ihren Führerschein spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung bei der Behörde abzugeben. Hinsichtlich der Abgabepflicht wurde die Einziehung des Führerscheins als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs angedroht.
Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen dahingehend begründet, dass die Antragstellerin ein rechtmäßig angefordertes Fahreignungsgutachten nicht vorgelegt habe und weswegen nach § 11 Abs. 8 FeV auf ihre fehlende Fahreignung geschlossen werden könne und deshalb die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen sei. Die Pflicht zur unverzüglichen Ablieferung des Führerscheins beruhe auf § 47 Abs. 1 FeV. Der Sofortvollzug sei auszusprechen gewesen, da ein dringendes Interesse an der sofortigen Unterbindung der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr bestehe, sofern erhebliche, nicht ausgeräumte Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges vorlägen. Die mit der Entscheidung verbundenen Nachteile in Bezug auf private Lebensführung und Berufstätigkeit müssten im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit und das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden.
Gegen diesen, am 12. Mai 2016 zugestellten, Bescheid ließ die Antragstellerin am 13. Juni 2016 Anfechtungsklage erheben und im Eilverfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11. Mai 2016 wiederherzustellen/anzuordnen.
Klage und Eilantrag wurden u.a. dahingehend begründet, dass die Gutachtensanordnung rechtswidrig gewesen sei, deshalb habe ihr die Antragstellerin auch nicht nachkommen müssen. Durch die vorgelegten und aktuellen Arztberichte sei auf sämtliche Punkte eingegangen worden, welche die Antragsgegnerin als klärungsbedürftig angegeben habe. Die vorgelegten Arztberichte des Klinikums … seien zu dem Ergebnis gekommen, dass aus medizinischer Sicht keine Gründe erkennbar seien, welche gegen eine Eignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen sprächen.
Der Entzug der Fahrerlaubnis gefährde die Sicherung des Lebensunterhalts der Antragstellerin. Ihre Arbeitsstelle könne sie ohne Pkw nicht in zumutbarer Zeit erreichen. Zudem absolviere sie verschiedene Fortbildungen, welche für ihren weiteren beruflichen Werdegang notwendig seien. Der Fortbildungsort … sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln für die Antragstellerin nicht erreichbar.
Letztlich sei die Anordnung des Sofortvollzugs unzureichend, nämlich formelhaft erfolgt, ohne Auseinandersetzung mit den dargelegten Besonderheiten des Einzelfalls.
Die Antragsgegnerin beantragte Antragsablehnung und führte u.a. aus, dass entgegen dem Antrags- und Klagevorbringen das geforderte Gutachten nicht beigebracht worden sei. Dieses sei durch eine Begutachtungsstelle für Fahreignung zu erstellen gewesen. Das ärztliche Gutachten sei nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV zu Recht gefordert worden. Aus den in den Arztbriefen vom 2. März und 8. März 2016 gestellten Diagnosen ergebe sich, dass bei der Antragstellerin Erkrankungen bzw. Mängel im Sinne von Nr. 4, 7, 9 und 11 der Anlage 4 zur FeV vorlägen. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Antragstellerin auf Grund der erfolgten ärztlichen Behandlung dennoch zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, sei ihnen nicht zu entnehmen. Die Frage nach dem Fortbestehen der Krankheiten und den Auswirkungen auf die Fahreignung sei daher durch ein Gutachten zu klären gewesen. Dass die Arztbriefe die Notwendigkeit des Gutachtens nicht hätten entfallen lassen, zeige sich bereits daran, dass sie nach dem Selbstverständnis nur der Vorbereitung eines Gutachtens dienen sollten, wie der im Arztbrief vom 8. März 2016 enthaltene Zusatz „zur Vorlage beim Gutachter“ zeige. Hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen werde auf die Entscheidung des VG München vom 13. Januar 2016 – 26 S. 15.5410 – hingewiesen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verfahrensakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dagegen ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei der Entscheidung sind die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung können auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs berücksichtigt werden. Bleibt dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.
Im vorliegenden Fall ergibt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung, dass der Antragstellerin die Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Recht entzogen worden ist. Die Fahrerlaubnisbehörde hat von der Antragstellerin zu Recht ein ärztliches Gutachten zur Klärung von zulässigerweise bestehenden Fahreignungszweifeln gefordert. Nachdem die Antragstellerin dieses zu Recht angeforderte Gutachten nicht fristgemäß und auch ohne ausreichende Entschuldigung nicht vorgelegt hat, durfte die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf ihre Nichteignung schließen.
Es ist nichts durchgreifend vorgetragen oder ersichtlich dafür, dass die Anordnung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens an formellen oder materiellen Mängeln leiden könnte, welche den in § 11 Abs. 8 FeV vorgesehenen Schluss von der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entgegenstehen könnten (zum Erfordernis der rechtmäßigen Anordnung der Gutachtensbeibringung im Rahmen von § 11 Abs. 8 FeV, vgl. BayVGH, Urteil vom 7.5.2001 – Az.: 11 B 99.2527 ; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 11 FeV, RdNr. 24 m.w.N. zur Rechtsprechung).
Zum einen genügt die Anordnung der Beibringung des Gutachtens den sich aus § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 FeV ergehenden formellen Anforderungen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5.7.2001 – Az.: 3 C 13/01), diesbezügliche Mängel sind weder – durchgreifend – vorgetragen noch ersichtlich.
Zum anderen liegen auch die materiellen Voraussetzungen zur Anforderung des fachärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 FeV vor, denn die Behörde konnte berechtigterweise Bedenken gegen die Eignung der Antragstellerin als Fahrerlaubnisinhaberin im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV hegen.
Die Antragsgegnerin hat in dem hier letztlich maßgeblichen Anordnungsschreiben vom „21. Januar 2016“, versandt mit Schreiben vom 17. März 2016 an die Antragstellerbevollmächtigten, hinreichend die Tatsachen dargelegt, welche die – berechtigten – Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin hervorriefen.
Keineswegs ist es so, dass die vorgelegten Arztberichte abschließende Feststellungen über die Fahreignung der Antragstellerin treffen würden (und deshalb das konkret angeforderte Gutachten auch nur in der Sache ersetzen könnten).
Andererseits sind in diesen Arztberichten Diagnosen von Krankheiten enthalten, welche geeignet sind, allein oder im Zusammenwirken die Fahreignung der Antragstellerin in Frage zu stellen.
Ein diagnostizierter Bluthochdruck ist grundsätzlich fahreignungsrelevant (vgl. Nr. 4.2 der Anlage 4 zur FeV) und bot daher Anlass zur Prüfung, ob er auch im konkreten Fall fahreignungsrelevant ist.
Entgegen dem Antragsvorbringen liegt auch durchaus eine fahreignungsrechtlich beachtliche Depressionsdiagnose (vgl. Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV) vor, denn es wird einerseits eine rezidivierende (also wiederholte) depressive Episode diagnostiziert (Arztbrief vom 2.3.2016, Seite 1), zudem eine aktuelle medikamentöse Therapie (Arztbericht vom 8.3.2016, Seite 1). Zur Fahreignungsrelevanz der Depression äußern sich die vorgelegten Arztberichte nicht, sodass durchaus Bedarf bestand, die bestehende Diagnose durch einen hierfür besonders sachkundigen Arzt einer Begutachtungsstelle für Fahreignung auf ihre Auswirkungen hinsichtlich der Fahreignung einzuschätzen.
Auch ergibt sich aus den Arztberichten zur aktuell andauernden eine auch schon zuvor bestehende Medikamenteneinnahme zur Depressionsbehandlung bzw. eine aktuelle Einnahme zur Behandlung der Symptome der Tagesmüdigkeit (Arztbericht 8.3.2016, Seite 1).
Auch letztlich die diagnostizierte (Arztbericht 2.3.2016, Seite 2) eingeschränkte Daueraufmerksamkeitsleistung als eine Erscheinungsform von Tagesschläfrigkeit (im Sinne von Nr. 11.2 der Anlage 4 zur FeV) begründet Eignungszweifel. Mögen auch die dort enthaltenen Diagnosen zur Schläfrigkeit/Wachheit unauffällig sein, ist hiermit jedoch nicht das gesamte Spektrum der Tagesschläfrigkeit abgedeckt, welches den Aspekt Schläfrigkeit/Wachheit und den Aspekt Aufmerksamkeit umfasst (vgl. Nr. 3.11 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand Mai 2014).
Überwölbend kommt hinzu der Aspekt, dass die vorgelegten Arztberichte aus schlafmedizinischer Sicht erstellt wurden und sich zum einen auf die Diagnose bestimmter Krankheiten beschränken, jedoch keinerlei Ausführungen zu den Konsequenzen der diagnostizierten Krankheiten für die Fahreignung enthalten. Schon gar nicht sind Aussagen enthalten, ob aus dem Zusammenwirken der diagnostizierten Krankheiten Auswirkungen auf die Fahreignung zu erwarten sind bzw. auszuschließen sind. Auch aus diesem Grunde rechtfertigt sich die zusammenfassende Begutachtung und Bewertung aus verkehrsmedizinischer Sicht durch einen Arzt (oder auch mehrere Ärzte verschiedener Fachrichtungen) einer Begutachtungsstelle für Fahreignung.
Es ist auch nichts ersichtlich, das die durch § 11 Abs. 8 FeV (i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV) vorgezeichnete Entziehung der Fahrerlaubnis im vorliegenden Fall in Frage stellen könnte: Die Antragstellerin war über die Folgen der Nichtbeibringung des Gutachtens informiert und hatte auch genügend Zeit, ein solches beizubringen. Es sind auch keine hinreichenden Gründe dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin das Gutachten tatsächlich aus ihr nicht zurechenbaren Gründen (noch) nicht vorgelegt hat.
Entgegen dem Antragsvorbringen waren die von der Antragstellerin vorgelegten Arztberichte kein „Ersatz“ für das von der Fahreignungsbehörde angeforderte Gutachten. Dass die Aussagen dieser Arztberichte dem angeforderten Untersuchungsumfang bereits in sachlicher Hinsicht nicht entsprachen, wurde bereits oben dargelegt. Auch in formeller Hinsicht erfüllt die „Ersatzbegutachtung“ nicht die rechtlich zulässige Anforderung der Behörde, das Gutachten durch einen Arzt einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FeV) erstellen zu lassen. Zudem stammt sie vom behandelnden Facharzt (§ 11 Abs. 2 Satz 5 FeV).
Konnte die Fahreignungsbehörde jedoch zulässigerweise gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die fehlende Fahreignung schließen, so war sie nach der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG im Sinne einer gebundenen Entscheidung gehalten, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Auf die in der Antragsbegründung dargestellten persönlichen und beruflichen Umstände konnte und kann es deshalb nicht ankommen.
War der Antragstellerin die Fahrerlaubnis zu entziehen, so ergibt sich ihre Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat auch das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug formell ausreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Sie ist erkennbar davon ausgegangen, dass die weitere Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr zu einer unmittelbaren Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen könnte. Zwar setzt die Anordnung des Sofortvollzuges eines Verwaltungsaktes regelmäßig besondere Gründe voraus, die über die Gesichtspunkte hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst rechtfertigen. Im Bereich des Sicherheitsrechts kann dies aber nicht uneingeschränkt gelten, wozu auch die Fälle gehören, in denen die Fahreignung in Frage steht, so dass die weitere Führung eines Kraftfahrzeuges durch einen Fahrer unverzüglich verhindert werden muss, wenn auch nur ernsthafte Zweifel an dessen Fahreignung bestehen. Hieraus erschließt sich auch, dass es – auch in diesem Zusammen-hang – nicht darauf ankommen kann, für welche Zwecke die Fahrerlaubnis benötigt wird.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, war somit nach alledem abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.1, 46.3, 46.5 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand: 15. November 2013).


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