Medizinrecht

Gefahrenabwehr, Bescheid, Vollziehung, Anordnung, Nachweis, Zwangsgeldandrohung, Rasse, Hund, Kampfhund, Widerspruch, Frist, Vollziehbarkeit, Feststellung, Vermutung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, aufschiebende Wirkung, aufschiebenden Wirkung

Aktenzeichen  B 1 S 20.489

Datum:
2.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45070
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.04.2020 wird hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids wiederhergestellt und hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 des Bescheids angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung der Antragsgegnerin, eine Begutachtung ihres Hundes zur Feststellung von dessen Rasse und Zuordnung zu einer Kampfhund-Kategorie bei einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen durchführen zu lassen.
1. Die Antragstellerin ist Halterin und Eigentümerin des Hundes „Jack“.
Am 25.08.2019 verletzte der Hund „Jack“ der Antragstellerin einen anderen Hund tödlich. Daraufhin verfügte die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit mit Bescheid vom 27.08.2019 eine Leinen- und Maulkorbpflicht für den Hund der Antragstellerin. Gegen diesen Bescheid vom 27.08.2019 legte die Antragstellerin keinen Rechtsbehelf ein.
Das Polizeipräsidium Oberfranken äußerte in einer Mitteilung vom 19.09.2019 an die Antragsgegnerin Zweifel an den von der Antragstellerin gemachten Angaben zur Rasse ihres Hundes (Schäferhund-Dogge Mischling). Aufgrund des Beißvorfalls vom 25.08.2019 und den Fotos des Hundes der Antragstellerin bestehe die Vermutung, dass es sich um einen Rottweiler-Mischling handle, der unter die Kampfhund-Kategorie II falle.
Mit Schreiben vom 13.11.2019 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die Rasse ihres Hundes durch die Hinzuziehung eines anerkannten Sachverständigen für das Hundewesen oder eines Tierarztes feststellen zu lassen (z.B. durch einen DNA-Test), um Rechtssicherheit über die Rassezugehörigkeit zu erlangen.
Am 20.12.2019 legte die Antragstellerin das Testergebnis eines DNA-Tests (Wisdom Panel) vom 17.12.2019 vor. Demnach sei die Rasse ihres Hundes 50 % Deutscher Schäferhund, 25 % Rottweiler und 25 % Deutsche Dogge.
Mit Schreiben vom 03.02.2020 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die Rasse ihres Hundes durch die Hinzuziehung eines anerkannten Sachverständigen für das Hundewesen feststellen zu lassen und der Antragsgegnerin einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Der vorgelegte Nachweis der Rasse des Hundes der Antragstellerin in Form einer Genanalyse vom 17.12.2019 sei zur Rassenzuordnung nicht ausreichend.
Mit Schreiben vom 23.03.2020 führte die Antragstellerin aus, dass nach dem DNA-Test kein Elternteil und nur ein Großelternteil von „Jack“ ein reinrassiger Kampfhund gewesen sein könne; der Stammbaum, der mit dem DNA-Test der Antragstellerin übersandt worden sei, sei als Anlage beigefügt. Bei „Jack“ greife daher die widerlegbare Vermutung der Kampfhundeeigenschaft nach § 1 Abs. 2 KampfhundeV nicht, da hierfür nach der Rechtsprechung des BayVGH mindestens ein Elternteil ein reinrassiger Kampfhund sein müsste.
Zum Nachweis eines „Kategorie-II-Hundes“ seien nach der Rechtsprechung des BayVGH zudem sowohl ein Sachverständigengutachten als auch ein DNA-Test mit übereinstimmenden Ergebnissen erforderlich. Somit könne ein Sachverständigengutachten alleine nicht zu einer Einordnung als „Kategorie-II-Hund“ führen.
Bei Mischlingshunden wie „Jack“ könne kein Abstimmungsnachweis eines Hundeverbandes vorgelegt werden, weil solche von den Verbänden nur für reinrassige Hunde ausgegeben würden.
Mit Bescheid vom 27.04.2020 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin als Halterin des Hundes „Jack“, bis spätestens 12.06.2020 unter Vorlage dieses Bescheids eine Begutachtung ihres Hundes zur Feststellung von dessen Rasse und Zuordnung zu einer Kampfhund-Kategorie bei einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen durchführen zu lassen und der Antragsgegnerin den aufgrund dieser Begutachtung ausgestellten schriftlichen Nachweis über die Rasse und die Kampfhund-Kategorie ihres Hundes „Jack“ vorzulegen (Ziffer 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 dieses Bescheids werde angeordnet (Ziffer 2 des Bescheids). Sollte die Antragstellerin der in der Nr. 1 genannten Verpflichtung nicht bis spätestens 12.06.2020 nachkommen, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 3 des Bescheids). Für diesen Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 30,00 EUR festgesetzt. Die Auslagen betrügen 3,45 EUR (Ziffer 4 des Bescheids).
Zur Begründung der Ziffer 1 des Bescheids führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass sie nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG Einzelfallanordnungen treffen könne, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheine, bedrohten oder verletzten. Aufgrund der Mitteilung des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 19.09.2019 bestünde der Verdacht, dass der Hund „Jack“ ein Kampfhund im Sinne des Art. 37 LStVG sei. Zur Entscheidung, ob seitens der Antragsgegnerin im Rahmen der Gefahrenabwehr weitere sicherheitsrechtliche Anordnungen nach Art. 37 LStVG i.V.m. § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit erforderlich seien, müsse der Antragsgegnerin ein Nachweis mit der Angabe der Rasse sowie der Zuordnung zur Kampfhund-Kategorie vorgelegt werden. Dieser Nachweis müsse von einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen, welcher die Begutachtung „Jacks“ durchgeführt habe, ausgestellt sein. Der von der Antragstellerin vorgelegte Nachweis der Rasse ihres Hundes in Form einer Gen-Analyse vom 17.12.2019, wonach es sich bei „Jack“ um einen Mischlingshund mit einem Anteil von 50 % Deutscher Schäferhund, 25 % Rottweiler und 25 % Deutsche Dogge handele, sei zur Rassenzuordnung nicht ausreichend.
Der Erlass des Bescheids entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Wegen des Vorliegens einer Gefahr sei das Einschreiten der Antragsgegnerin geboten. Bezüglich des Auswahlermessens sei die Anordnung verhältnismäßig. Die Anordnung verfolge ein legitimes Ziel und sei sowohl zweckdienlich als auch geeignet. Sie sei auch erforderlich, da kein milderes Mittel ersichtlich sei, das die Rechte der Antragstellerin weniger einschränke und ebenfalls zu dem verfolgten Ziel der Erreichung von Rechtssicherheit über die Rasse und die Zuordnung zu einer Kampfhund-Kategorie und dem damit verbundenen Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen führe. Die Feststellung der Rasse durch einen DNA-Test, was als milderes Mittel in Betracht komme, sei zur Rassenzuordnung nicht ausreichend und somit nicht zielführend. Schließlich sei die Maßnahme auch angemessen, da die in Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG genannten Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der allgemeinen Handlungsfreiheit der Antragstellerin überwiegen würden. Diese Einschränkung der Antragstellerin sei im Interesse einer Gefahrenabwehr erforderlich. Die vorgegebene Frist bis 12.06.2020 von ca. sechs Wochen sei zumutbar. Nach Rücksprache mit einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen würden derzeit wieder Termine für solche Begutachtungen vergeben und auch die Begutachtungen durchgeführt.
Zur Begründung der Ziffer 2 des Bescheids führte die Antragsgegnerin aus, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beruhe. Das erforderliche öffentliche Interesse liege vor. Durch die Anordnung werde sichergestellt, dass die Antragsgegnerin Rechtssicherheit bezüglich der Rasse und der Kampfhund-Kategorie von „Jack“ erlange. Sollte es sich bei „Jack“ um einen Kampfhund handeln, sei gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG auf Grund rassespezifischer Merkmale, Zucht oder Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen. Es müssten dann im Rahmen des sicherheitsrechtlichen Aufgabenbereichs weitere Anordnungen seitens der Antragsgegnerin zum Schutz der Allgemeinheit erfolgen. Dieses öffentliche Interesse überwiege das Interesse der Hundehalterin an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs. Die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung lägen somit vor.
2. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28.05.2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob die Antragstellerin Klage (Az.: B 1 K 20.481) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.04.2020 und stellte mit weiterem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28.05.2020 den Antrag,
die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 27.04.2020 der Antragsgegnerin wiederherzustellen.
Zur Begründung bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass sich bereits aus dem seitens der Antragsgegnerin angeforderten DNA-Gutachten zweifelsfrei ergebe, dass es sich bei „Jack“ nicht um einen Kampfhund handele. Die Antragsgegnerin habe im Vorfeld bereits eindeutig erklärt, dass ihr hierfür ein entsprechendes DNA-Gutachten ausreiche. Erst im Nachhinein sei ein weiteres Sachverständigengutachten gefordert worden, obwohl das DNA-Gutachten eindeutig sei. Gründe, weshalb die Antragsgegnerin plötzlich an der Richtigkeit des von ihr zunächst ausschließlich geforderten DNA-Gutachtens zweifele, seien von dieser nicht vorgetragen worden. Hierfür lägen auch keinerlei Anhaltspunkte vor, insbesondere weil aus dem Gutachten klar hervorgehe, dass es sich bei keinem der beiden Eltemtiere um einen reinrassigen Hund der Kampfhund-Kategorie I handele.
Im Übrigen stehe die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auch im Widerspruch mit den Regelungen innerhalb des streitgegenständlichen Bescheides, worin der Antragstellerin eine Frist zur Vorlage eines Sachverständigengutachtens bis zum 12.06.2020 gesetzt werde.
Irrig gehe die Antragsgegnerin zudem davon aus, dass es sich bei „Jack“ um einen „Kategorie-II“-Hund aufgrund seiner Rasse handele und der prozentuale Rasseanteil irrelevant sei. Seitens des BayVGH sei mit Beschluss vom 02.04.2019 (Az.: 10 Cs 19.277) eindeutig klargestellt worden, dass bei Kreuzungen die Kampfhundeeigenschaft nur bis zur sogenannten F1-Generation angenommen werde, d.h. ein Elternteil ein reinrassiger Kampfhund sei. Bei den Eltern von „Jack“ handele es sich um einen reinrassigen Schäferhundrüden und eine Doggenmischlingshündin, wie der Antragstellerin bei Übernahme von „Jack“ mitgeteilt worden sei. Dies decke sich mit dem Ergebnis des eingeholten DNA-Gutachtens. Damit seien die Elterntiere bekannt und eine Einordnung in eine der Kampfhunde-Kategorien scheide aus.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 03.06.2020,
den Antrag abzuweisen.
Die Antragsgegnerin führt aus, dass im Rahmen der Gefahrenabwehr weitere sicherheitsrechtliche Anordnungen nach Art. 37 LStVG i.V.m. § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit getroffen werden müssten, wenn „Jack“ einer Kampfhund-Kategorie zugeordnet werden sollte. Um feststellen zu können, welcher Rasse und ggf. welcher Kampfhund-Kategorie „Jack“ zuzuordnen sei, reiche das vorgelegte Ergebnis der Gen-Analyse nicht aus. Es müsse eine Begutachtung des Hundes durch einen öffentlich bestellten Hundesachverständigen durchgeführt werden. Dies gehe aus der ständigen Rechtsprechung (vgl. Nr. 37.3.1 VollzBekLStVG, BayVGH, B.v. 02.04.2019 – 10 CS 19.277, Rn. 15.) hervor. Insofern genüge das DNA-Gutachten mit dem Ergebnis, dass in „Jack“ ein Anteil von 25 % Rottweiler enthalten sei, zur eindeutigen Rasse- bzw. Kampfhund-Zuordnung nicht.
Durch die Antragsgegnerin sei zu keinem Zeitpunkt ausschließlich die Vorlage eines DNA-Gutachtens zur Rassefeststellung gefordert worden. Vielmehr sei die Antragstellerin stets zur Hinzuziehung eines anerkannten Sachverständigen für das Hundewesen aufgefordert worden.
Die Antragstellerin habe der Antragsgegnerin ein DNA-Gutachten von Wisdom Panel vorgelegt. Eine Hinzuziehung eines Sachverständigen habe nicht stattgefunden.
Seitens der Antragstellerin seien keine Nachweise der Rasse der Elterntiere Ihres Hundes – mit Ausnahme der Anlage zum DNA-Gutachten – vorgelegt worden. Es lägen der Antragsgegnerin auch keine Lichtbilder der Elterntiere oder Ähnliches vor.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (Az.: B 1 K 20.481) wiederherstellen bzw. anordnen, da die Klage bezüglich der Ziffern 1 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 2 des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids kraft Gesetz nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dabei trifft das Gericht eine eigene Abwägungsentscheidung, bei der das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage abzuwägen ist. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
a) Die summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt hier, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.04.2020 voraussichtlich Erfolg haben wird. Die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids, dass die Antragstellerin eine Begutachtung ihres Hundes „Jack“ zur Feststellung von dessen Rasse und Zuordnung zu einer Kampfhunde-Kategorie vorzunehmen habe, wird sich voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, was dann ebenfalls die Rechtswidrigkeit der im Bescheid getroffenen Nebenentscheidungen über die Zwangsgeldandrohung (Ziffer 3) und die Kosten (Ziffer 4) zur Folge haben würde.
Die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids muss als sicherheitsrechtliche Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) entsprechen, sich also als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen, um den mit dieser Anordnung beabsichtigten Zweck zu erreichen. Vorliegend ist aber nicht erkennbar, dass die Anordnung für den verfolgten Zweck – die Klärung der Frage, ob weitere sicherheitsrechtliche Anordnungen nach Art. 37 LStVG i.V.m. § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (KampfhundeV) veranlasst sind – erforderlich wäre.
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, wird bei Mischlingshunden als Kreuzungen unterschiedlicher Hunderassen die Kampfhundeeigenschaft nur bis zur sogenannten F1-Generation angenommen, es muss also (mindestens) ein Elternteil des Mischlingshundes ein reinrassiger Kampfhund im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV sein (vgl. BayVGH, B.v. 02.04.2019 – 10 CS 19.277 – juris, Rn. 15 m.w.N.). Weiter ist eine zuverlässige Einordnung eines Mischlingshundes ohne Abstammungsnachweis als Kreuzung im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV letztlich nur möglich, wenn ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten und ein hinreichend valider DNA-Test zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 17). Es ist nichts dafür ersichtlich, diese Maßstäbe nicht auch auf Kampfhunde im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KampfhundeV – also die sogenannten Kampfhunde der Kategorie II – anzuwenden.
Demnach erscheint es hier nicht mehr möglich, dass der Hund „Jack“ der Antragstellerin als Kampfhund der Kategorie II eingestuft werden könnte. Denn der von der Antragstellerin vorgelegte DNA-Test von Wisdom Panel vom 17.12.2019, bezüglich dessen Validität Zweifel bisher weder vorgetragen noch erkennbar sind, schließt aus, dass es sich bei (auch nur) einem Elternteil von „Jack“ um einen reinrassigen Kampfhund im Sinne der KampfhundeV handeln könnte. Liegt aber schon ein negativer DNA-Test vor, könnte – nach den aufgezeigten Voraussetzungen – selbst ein positives Gutachten eines Hundesachverständigen, wie in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids gefordert, nicht mehr zu einer Einstufung von „Jack“ als Kampfhund im Sinne der KampfhundeV führen. Die Anordnung einer Begutachtung durch einen Hundesachverständigen ist vorliegend also nicht mehr erforderlich, weil durch den DNA-Test bereits ausreichend geklärt ist, dass es sich bei „Jack“ nicht um einen Kampfhund im Sinne der KampfhundeV handelt.
Auch der Verweis der Antragsgegnerin auf Nr. 37.3.1. der Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium des Inneren zum LStVG führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wird dort ausgeführt, dass eine Gen-Analyse zur Rassenzuordnung kaum hilfreich sei, weil sie angesichts der Bandbreite der körperlichen wie genetischen Merkmale einer Rasse kaum zu einem eindeutigen Ergebnis führen dürfte. Diese in einer Verwaltungsvorschrift geäußerte Auffassung ist aber für das Gericht nicht bindend. Zudem ist zu beachten, dass diese Vollzugsbekanntmachung zum LStVG zuletzt zum 01.06.2015 aktualisiert wurde und somit die zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 02.04.2019 noch nicht berücksichtigt.
b) Aber auch wenn man hier von offenen Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache ausgehen wollte, etwa wegen der Frage der Anwendbarkeit der Rechtsprechung über die Kampfhunde der Kategorie I auch auf Kampfhunde der Kategorie II, ist vorliegend kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung gegeben. Nach dem Vorfall vom 25.08.2019 sind keine weiteren Vorkommnisse vorgetragen oder sonst erkennbar, bei denen der Hund „Jack“ der Antragstellerin außergewöhnlich gefährlich oder aggressiv in Erscheinung getreten wäre. Die mit Bescheid vom 27.08.2019 von der Antragsgegnerin angeordnete Leinen- und Maulkorbpflicht hat die Antragstellerin – soweit ersichtlich – akzeptiert. Zuwiderhandlungen der Antragstellerin sind nicht bekannt. Damit ist davon auszugehen, dass die angeordnete Leinen- und Maulkorbpflicht vorerst ausreichend ist, um weitere von „Jack“ ausgehende Gefahren zu unterbinden bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache erfolgt ist.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegende Beteiligte hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 35.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).


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