Medizinrecht

Höhe des Arzthonorar für eine Orbitotomie (Öffnung der Augenhöhle) analog GOÄ

Aktenzeichen  37 C 1874/15

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 812 Abs. 1 S. 1
GOÄ GOÄ § 4a Abs. 2a, § 6 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Obwohl die Orbitotomie (Öffnung der Augenhöhle) im Leistungsverzeichnis der GOÄ nicht erfasst ist, stellt sie im Einzelfall einen medizinisch notwendigen Teilschritt dar, für den das Arzthonorar nach § 6 Abs. 2 GOÄ entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses zu berechnen ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als Berechnungsmaßstab eignet sich die Differenz der GOÄ-Ziffern 1283 und 1282 als Leistungen mit gleichem Inhalt, nur einmal mit und einmal ohne Orbitotomie. Der Differenzwert für die Orbitotomie beläuft sich auf 402 Punkte, so dass als sinnvolle Analogziffer die mit 400 Punkten bewertete Ziffer (A) 2427 GOÄ hergezogen werden kann (AG Nürnberg Urteil vom 23.07.2013, 22 C 8253/11). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.370,10 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Kläger nicht bewiesen hat, dass die Rechnung des Beklagten vom 10.07.2013 nicht den Anforderungen der GOÄ entspricht und dass die vom Beklagten erbrachten Leistungen ohne rechtlichen Grund im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB erbracht wurden.
Die Beurteilung der Rechnung erfolgte anhand des vom Sachverständigen ausgewerteten Operationsberichts des Beklagten vom 18.6.2013, wobei Vorbefunde oder Fotodokumente dem Sachverständigen nicht zur Verfügung standen. Indikation für den operativen Eingriff waren nach Operationsbericht multiple altersbedingte Veränderungen am klägerischen Oberlid, die wie nachfolgend dargestellt operativ beseitigt wurden:
1. Beidseitige aponeurosebedingte Ptosis des Oberlides, worunter ein krankhaftes Herabgehen des gesamten Oberlids mit einer entsprechend verkleinerten Lidspalte zu verstehen ist.
Operativer Eingriff:
Darstellung der gesamten Tarsusvorderfläche auf gesamter Lidbreite; Darstellung der Levatoraponeurosenvorderfläche auf gesamter Lidbreite bis zum Septum orbitale; Eröffnung des Septum orbitale auf gesamter Breite, danach Inzision zuerst des nasalen, dann des temporalen Seitenhorns; Verlagerung des Levator-Müller-Komplexes in die Tarsalplatte mittels dreier U-förmig gestochener Prolene 7,0 Einzelknopfnähte. Hierzu waren mehrere Versuche nötig, da die Frontalisaktivität mit zunehmender Hebung nachließ. Der Überstand aus Levatoraponeurose sowie Orbicularisresten wurde entfernt.
2. Oberlid-Dermatochalasis, worunter ein Überschuss von Haut und Unterhautgewebe zu verstehen ist, wie er im Rahmen von Alterungsveränderungen oder Traumata auftreten kann;
Operativer Eingriff:
Einzeichnen der Schnittführung im Bereich der Lidfurchen beidseits danach Oberlidblepharoplastk, worunter eine dosierte, den zugrundeliegenden Veränderungen und den Vorstellungen des Patienten entsprechende Resektion von Haut und subkutanen Gewebe im Oberlid zu verstehen ist.
3. Prolaps von orbitalem Fettgewebe der nasalen und der zentralen Fettgewebsloge, wobei es sich um ein mehr oder weniger starkes Hervortreten von tief in der Augenhöhle gelegenem Orbita-Fettgewebe nach vorne unter die Haut handelt, welches dann, überwiegend im nachzahlen Oberlid, zu einer Schwellung führt, der vor gerufen durch eine Schwäche des Septum orbitale ( bindegewebige Membranen, die geforderte Begrenzung der Augenhöhle bildet).
Operativer Eingriff:
Die Resektion des intraorbitalen Fettgewebsüberstands beider Logen erfolgte für jeweils beide Fettgewebskompartimente getrennt, wobei aus den Resten ein neues Gleitlager für den Musculus levator palpebrae gebildet wurde.
4. Verstrichene Lidfurchen bei Lidfurchendehiszenz, worunter das Fehlen oder die Insuffizienz der physiologisch bei nicht-asiatischen Oberlidern vorhandenen 6 – 10 mm oberhalb der Lidkante liegenden Furchenbildung im Oberlid zu verstehen ist.
Operativer Eingriff:
Eine Lidfurchenrekonstruktion wird erforderlich, wenn keine regelrechte und ausreichend feste Verbindung zwischen der Aponeurose und den tiefen Anteilen der Lidhaut mehr besteht und somit keine gut definierte, in der korrekten Höhe liegende Lidfurche besteht.
Auch wenn es durch eine Insuffizienz dieser Haltestrukturen zu einem Abgleiten der auf der Tarsusvorderfläche liegenden Lidhaut kommt, wird eine entsprechende Wiederbefestigung mittels einer Lidfurchenrekonstruktion notwendig. Diese wurde vorliegend mittels U-förmig gestochener Prolene 7,0 Einzelknopfnähte ausgeführt. Es wurde darauf geachtet, dass die Ausläufer der Levatoraponeurose Kontakt zu den tieferen Schichten der Cutis bekommen.
Die strittigen Punkte der Rechnung des Beklagten vom 10.7.2013 wurden vom Sachverständigen ausgehend von der beschriebenen Operationsdokumentation wie folgt beurteilt:
1. A 2427 transkutane anteriore Orbitotomie beidseits
Gemäß der vom Sachverständigen zitierten Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft vom März 2009 ist eine Orbitotomie ihrem Inhalt nach erfüllt, wenn das als Orbita definierte Kompartiment eröffnet wird und intraorbital gelegene Weichteilstrukturen wie das orbitale Fettgewebe exponiert werden. Eine Eröffnung der Orbita durch eine Orbitotomie erfolgt demnach immer dann, wenn das Septum Orbitale eröffnet wird. Dies geschieht z.B. im Rahmen ausgedehnter Blepharoplastiken oder im Rahmen der transkutanen Ptosischirurgie (Gutachten vom 2.5.2016, S. 6; Blatt 63 der Akten).
Im OP-Bericht des Beklagten sei der Schritt der Orbitotomie dokumentiert und stelle einen eigenständigen Teil bei diesem komplexen Eingriff dar, da die unter Ziff. 1306 GOÄ erfasste Operation der Lidsenkung (Ptosis) mit direkter Lidheberverkürzung nicht zwangsläufig mit einer Orbitotomie verbunden sei. Nach Darstellung des Sachverständigen sei die Durchführung einer Orbitotomie durch Eröffnung des orbitalen Septums mit der streitgegenständlichen Operation nicht zwangsläufig verbunden, weil eine Ptosis-Korrektur auch ohne Eröffnung des Septums orbitale durchgeführt werden könne. Der Sachverständige hat unter Auswertung der augenmedizinischen Fachliteratur (vergleiche dazu aus S. 6 des Ergänzungsgutachtens, Blatt unter 2. Akten) dargestellt, dass eine Operation ohne Eröffnung des Septum orbitale durch reine Faltung der Levatorsehne ohne vorherige Präparation sich schneller operieren lasse, jedoch schwieriger zu revidieren sei und daher nach herrschender medizinischer Fachansicht vermieden werden sollte. Diese im Prinzip vereinfachte Operationsmethode, die vor allem wegen ihrer kürzeren Operationszeit propagiert werde, habe sich wegen verschiedener Nachteile (schlechtere Lidkontur, höhere Rezidivrate, schwierigere Revidierbarkeit) nicht generell durchgesetzt. Der Sachverständige schließt mit dem Satz:
„Der Verzicht auf die Durchführung einer Orbitotomie im Rahmen der operativen Korrektur der bestehenden Ptosis wäre demnach mit erheblichen Risiken und Nachteilen für den Patienten verbunden gewesen“ (S. 6 des Ergänzungsgutachtens, Blatt 102 der Akten).
Das erkennende Gericht geht deshalb von einer medizinischen Notwendigkeit der durchgeführten operativen Maßnahme aus. Unstreitig ist die Orbitotomie in der geltenden Fassung der GOÄ im Leistungsverzeichnis mit keiner Kennziffer erfasst, wie dies bei modernen Operationsmethoden wegen der Trägheit des gesetzlichen Anpassungsprozesses häufig der Fall ist. Sie stellt einen medizinisch notwenigen Teilschritt im Einzelfall dar, auch wenn damit kein operatives Endziel verfolgt wird (vgl. AG Nürnberg, Urteil vom 23.07.2013 -22 C 8253/11 – vorgelegt unter Anlage B9). Deshalb hat vorliegend eine analoge Abrechnung nach § 6 Abs. 2 GOÄ, also entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses zu erfolgen. Als Berechnungsmaßstab eignet sich die Differenz der GOÄ-Ziffern 1283 und 1282, denn beide Leistungen haben den gleichen Inhalt, nur einmal mit und einmal ohne Orbitotomie. Der Differenzwert beläuft sich auf 402 Punkte, woraus eine indirekte Bewertung der Orbitotomie als Leistung durch den Verordnungsgeber entnommen werden kann, nämlich 402 Punkte, so dass als sinnvolle Analogziffer die mit 400 Punkten bewertete Ziffer (A) 2427 GOÄ hergezogen werden kann (vgl. AG Nürnberg, Urteil vom 23.07.2013 -22 C 8253/11 – vorgelegt unter Anlage B9).
Die Eröffnung der knöchernen Augenhöhle zur Rechtfertigung einer Analogberechnung stehen die medizinischen Erkenntnisse der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft vom März 2009 und April 2011 (vgl. Anlagen B5 und B6), ausgehend vom Verständnis der Orbita als ein von knöchernen und bindegewebsartigen Strukturen begrenzten anatomischen Raum, ablehnend gegenüber.
Der Sachverständige erachtet die Abrechnung in Analogie zur Ziffer 2427 GOÄ für gerechtfertigt. Dem kann das erkennende Gericht nur zustimmen.
2. Ziff. 1284 GOÄ Resektion des intraorbitalen Fettgewebsüberstands mit Ablösung des Musculus orbicularis oculi der nasalen sowie medialen Loge beidseits
Durch den Operationsbericht sei für den Sachverständigen nachvollziehbar und plausibel, dass sowohl am rechten als auch am linken Oberlid beide durch Septen voneinander getrennten Kompartimente des orbitalen Fettgewebes dargestellt und partiell reseziert worden seien. Durchgeführt worden sei eine Resektion aus zwei unterschiedlichen Teilen innerhalb der Orbita des jeweiligen Auges mit der Folge, dass auch der Eingriff eine Exzision von Fettgewebe entsprechend zweimal gesondert abgerechnet werden könne. Dieses Vorgehen sei medizinisch begründet, da ein operativer Eingriff innerhalb der Orbita mit einem völlig anderen und weitaus höheren Risikoprofil behaftet sei, als ein Eingriff in Strukturen, die vor dem orbitalem Septum, also präseptal, lägen.
Damit sei auch das Anforderungsprofil an den operierenden Augenarzt höher und eine umfassende chirurgische Ausbildung und Erfahrung des Operateurs sei erforderlich, um Eingriffe hinter dem orbitalen Septum auszuführen, da das Risiko schwerer Komplikationen, insbesondere bei intraorbitalen Blutungen, erhöht sei.
Die Einwendungen der Klagepartei, wonach sich schon aus der Formulierung der Ziffer 1284 GOÄ klar ergebe, dass diese Ziffer nur einmal pro Auge in Ansatz gebracht werden dürfe, wird nicht allein schon durch das genaue Lesen des Verordnungswortlauts wiederlegt, wonach zwar von Fremdkörpern (Plural), aber auch von Geschwulst (Singular) die Rede ist:
„1284 Entfernung von Fremdkörpern oder einer Geschwulst aus der Augenhöhle ohne Resektion der Orbitalwand mit Muskelablösung“
Der (fachkundig beratene) Verordnungsgeber hat sich mit Sicherheit etwas dabei gedacht, als er zwar von Fremdkörpern einerseits, aber von einer Geschwulst andrerseits und eben nicht von (mehreren) Geschwülsten gesprochen hat – und falls seine fachkundige Beratung eine den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Hintschich vergleichbare Qualität gehabt haben sollte, so ist dieser Unterschied nicht als Zufall, sondern als sehr bewußte Unterscheidung diagnostizierbar.
Im Ergänzungsgutachten vom 23.02.2017 stellt der Sachverständige die ausgesprochen komplex aufgebaute, extrem eng zusammenliegende und verwundbare Anatomie der Orbita ausgehend von der richtungsweisenden Dissertation von Prof. Koorneef (Spatial aspects of orbital musculo-fribrous tissue in man, Amsterdam, 1977) dar und endet mit einem Auszug aus dem Standardwerk über augenärztliche Operationen des „in Deutschland als Vorreiter der modernen plastisch-rekonstruktiven Chirurgie in der Augenheilkunde geltenden renommierten Ophtalmochirurgen Prof. H. Neubauer aus Köln“ (vgl. Ergänzungsgutachten Seite 8, Blatt 104 der Akten) in H. Neubauer: Chirurgie der Lider in: Augenärztliche Operationen, G. Mackensen und H. Neubauer (Hrsg) Springer 1988, S. 114 sinngemäß zusammengefasst, dass von der den Augapfel umhüllenden Tenon-Kapsel radiäre Septen zur Periorbita ziehen, deren großteilige Zerstörung die Stabilisierung des Augapfels in einigermaßen normaler Position unmöglich machen kann. Es folgt eine Beschreibung der das Orbitafett enthaltenden beiden Kompartimente im Oberlid, verbunden mit der Beschreibung der in den drei – ebenfalls Orbitafett enthaltenden – Abteilungen des Unterlids zum Septum hin mit feinsten Gefäßästen belegten zarten Kapseln, deren Verletzung bei nicht sorgfältiger Blutstillung schwerste Komplikationen bis hin zur Erblindung nach sich ziehen kann.
Es ist folglich mit Händen zu greifen, welch hohe medizinischen, aber auch technischen Kenntnisse und Erfahrung ein Operateur besitzen muss, um eine Operation im beschriebenen Bereich erfolgreich durchführen zu können – und welch ein großes Risiko für die Gesundheit des Patienten damit verbunden sein kann.
Diese Schwierigkeit und das damit verbundene Haftungsrisiko müssen sich im Honoraranspruch des Arztes niederschlagen. Gerade die oben dargestellte Verletzungsgefahr der gefäßüberzogenen Kapseln bei der Entfernung von Orbitafettgewebe aus den (unterschiedlich großen) Abteilungen (Logen) lassen auch bei einem medizinischen Laien wie dem erkennenden Richter die Angemessenheit des mehrfachen Honoraransatzes der Ziffer 1284 GOÄ bei Operationen in den verschiedenen Abteilungen (Logen) angemessen, eine Pauschalabgeltung pro Auge hingegen unangemessen erscheinen.
Mit dem Sachverständigen stimmt das erkennende Gericht darin überein, dass die Ziff. 1284 GOÄ zweimal pro Auge, somit insgesamt viermal zu Recht in Ansatz gebracht wurde.
3. Ziff. 1311 (Augenlidplastik mittels Hautlappenverschiebung aus der Umgebung)
Aus Sicht des Sachverständigen sei die Ziff. 1311 korrekt beidseits in Rechnung gestellt worden.
Unter Ziff. 1304 (plastische Korrektur des Ektropiums oder Entropiums, der Trichiasis oder Distichiasis) sei ebenfalls korrekt und generell üblich die Korrektur der Lidfurchendehiszenz in Ansatz gebracht worden. Bei der Korrektur einer Lidfurchendehiszenz handle es sich um einen Eingriff, der völlig unabhängig sowohl von der Korrektur einer Ptosis als auch einer Blepharoplastik durchgeführt werde.
Der Kürzungsbetrag von 829,90 € erschließe sich nicht, denn bei Infragestellung der Durchführung einer Blepharoplastik müsste die Ziff. 1311 mit 2 mal 452,90 € entfallen, was einem Betrag von 905,80 € entspräche. Da die Blepharoplastik jedoch ausgeführt worden sei, bestehe dazu keine Veranlassung.
Werde die Durchführung der Korrektur an jeder Lidfurche in Frage gestellt, so wären aus der Rechnung 2 mal 377,00 € (Ziff. 1304), somit ein Betrag von 754,00 € abzusetzen. Die Korrektur der Lidfurchendehiszenz sei jedoch ausgeführt und auch als eigenständiger Eingriff abrechnungsfähig gewesen.
Es könne deshalb nur so verstanden werden, dass auf dem einen Auge die Erbringung der Blepharoplastik mit Ziff. 1311 (452,90 €), am andern Auge die Durchführung der Lidfurchen Dehiszenz Korrektur mit Ziff. 1304 (377 €), insgesamt somit 829,90 €, honoriert werden dürfe. Eine derartige Rechnung sei für den Sachverständigen nicht nachvollziehbar und entspreche auch nicht den vom Operateur erbrachten Leistungen.
Insbesondere sieht das erkennende Gericht wegen der dargestellten Mehrzahl der indizierten Diagnosen im Ansatz der Ziffern 1304 GOÄ und 1311 GOÄ keinen Verstoß gegen das Zielleistungsprinzip des § 4a Abs. 2a GOÄ. Sie sind deshalb nicht Bestandteil der Ziffer 1306 GOÄ, sondern stehen selbständig neben dieser, denn das Gericht stimmt in seiner Einschätzung mit dem Sachverständigen und dem Beklagten dahingehend überein, dass jede der beim Kläger festgestellten krankhaften Veränderungen seine eigenständige, d. h. von der aponeurosebedingten Ptosis unabhängige medizinische Indikation aufgewiesen hat, die durch spezifische operative Maßnahmen beseitigt wurden, nämlich die Dermatochalisis des Oberlids durch die Leistung nach Ziffer 1311 GOÄ, die Lidfurchdehiszenz durch die Leistung nach Ziffer 1304 und die aponeurosebedingten Ptosis durch die Lidoperation nach Ziffer 1306 GOÄ (vgl. dazu die ausführliche Darstellung im Ergänzungsgutachten vom 23.02.2017 Seiten 10 mit 13, Blatt 106 mit 109 der Akten).
4. Soweit der Kläger behauptet, Teile der ausgeführten Leistungen seien medizinisch nicht erforderlich gewesen, hat er als beweisbelastete Partei den Nachweis des fehlenden Rechtsgrundes nicht erbracht – umso mehr, als der Kläger die streitgegenständliche Rechnung zunächst in vollem Umfang vorbehaltlos bezahlt hat, ehe ihn die unvollständige Erstattung seitens der privaten Krankenversicherung offenbar „eines Besseren belehrt hat“. Die Behauptung, es liege keine medizinische Notwendigkeit vor, reicht angesichts dieser Umstände nicht aus.
Zusammenfassend kommt das Gericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zu der Einschätzung, dass die Positionen der Ziffern A 2427 (zweifach), 1284 (vierfach), 1311 (zweifach) und 1304 (zweifach) richtigerweise in Ansatz gebracht worden seien. Wegen der Komplexität und des Schwierigkeitsgrades des Eingriffs und der für derartige Eingriffe erforderliche hohe Kompetenz des Operateurs sei ein Steigerungsfaktor von 3,5 angebracht gewesen.
Im Ergebnis ist somit zur Überzeugung des erkennenden Gerichts die streitgegenständliche Rechnung nach Grund und Höhe gerechtfertigt, war zur Klageabweisung im Haupt- und allen Nebenansprüchen führen musste.
Kosten: § 91 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO


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