Medizinrecht

Identitätsfeststellung an Kontrollstellen

Aktenzeichen  10 ZB 20.821

Datum:
2.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16884
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAG aF Art. 13 Abs. 1 Nr. 4
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 8, Art. 19 Abs. 1 S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Bei einer Kontrollstelle handelt es sich um eine festgelegte Örtlichkeit, an der polizeiliche Kontrollmaßnahmen gegenüber einer Vielzahl von Personen durchgeführt werden. Die Eigenschaft als Kontrollstelle setzt lediglich ihre rechtmäßige Anordnung und die Anwesenheit von Polizeibeamten voraus. Einer besonderen Ausstattung bedarf es nicht.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Identitätsfeststellungen an einer Kontrollstelle sind rechtmäßig, wenn nach den Erfahrungen mit vergleichbaren Veranstaltungen in der Vergangenheit die konkrete Gefahr besteht, dass Versammlungsteilnehmer Waffen oder gefährliche Gegenstände mitführen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 18.5869 2020-03-10 GeB VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung seine in erster Instanz erfolglose Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Feststellung seiner Identität am 12. November 2016 weiter. Der Kläger befand sich in einem Reisebus, der zu einer Versammlung in W. unterwegs war, und von der Polizei angewiesen wurde, an der Autobahnrastanlage M. anzuhalten. Dort wurden die Insassen einer polizeilichen Kontrolle unterzogen.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, weil sich aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 84 Abs. 3 VwGO) im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ergeben.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die Durchführung der Identitätsfeststellung Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG (i. d. F. der Bekanntmachung vom 14.11.1990, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.11.2015 (GVBl. S. 410, a.F.) gewesen sei, weil die Errichtung der Kontrollstelle durch die im Vorfeld angestellte polizeiliche Gefahrenprognose gerechtfertigt gewesen sei. Es hätten konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen, dass Straftaten im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. durch die Versammlungsteilnehmer drohten. Die Gefahrenprognose habe maßgeblich darauf gefußt, dass die Partei „…” seit 2012 jährlich eine Versammlung wie die vorliegende in W. durchgeführt habe, in deren Rahmen im Zuge von Kontrollen immer wieder Waffen und gefährliche Gegenstände aufgefunden worden seien. Deshalb habe die Polizei davon ausgehen dürfen, dass die Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung vergleichbare Gegenstände mit sich führten und gegen Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayVersG verstoßen werden. Die Errichtung der Kontrollstelle habe keine unzulässige Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit dargestellt. Die Identitätsfeststellung sei verhältnismäßig gewesen. Sie habe nicht unverhältnismäßig in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.
Dem gegenüber bringt der Kläger vor, die Identitätsfeststellung habe sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt. Er habe davon ausgehen müssen, dass seine Teilnahme an einer politisch unliebsamen Versammlung behördlich bekannt und gespeichert werde und an das Amt für Verfassungsschutz weitergegeben werde. Die Befürchtung, dass die erhobenen Daten gegen ihn verwendet werden könnten, führe dazu, dass er sein Grundrecht künftig vielleicht nicht mehr wahrnehmen werde. Die Daten aus einer Identitätsfeststellung hätten tatsächlich schon zu beruflichen Nachteilen für einen vom Kläger benannten Zeugen geführt. Die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. hätten nicht vorgelegen. Die Polizei habe keine Kontrollstelle errichtet, sie habe lediglich eine Kontrollmaßnahme durchgeführt. Es habe keine konkrete Gefahr vorgelegen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Ähnlichkeit der streitgegenständlichen Versammlung mit früheren Versammlungen in W. stellten Verdachtsmomente und Vermutungen dar. Auch die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2a) aa) PAG a.F. hätten nicht vorgelegen. Die Feststellung seiner Identität sei unverhältnismäßig gewesen, weil sie nicht geeignet gewesen sei, zu verhindern, dass die Versammlungsteilnehmer Waffen nach W. hätten mitnehmen können. Sie sei auch nicht angemessen gewesen, weil die Teilnehmer erst vor Ort nach Waffen hätten durchsucht werden können. Zudem läge ein Ermessensdefizit vor. Die rechtswidrige Identitätsfeststellung habe den Kläger in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, weil die Voraussetzungen des Art. 13 PAG a.F. bei grundrechtskonformer Auslegung nicht vorgelegen hätten. Zudem verstoße Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG.
Dieses Vorbringen rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids vom 10. März 2020.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG (vgl. dazu Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 5. Aufl. 2020, PAG, Art. 13 Rn. 13a ff.) vorlagen, weil die Polizei die Errichtung einer Kontrollstelle im Sinne dieser Vorschrift rechtmäßig angeordnet hat und eine solche tatsächlich eingerichtet worden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers setzt die Errichtung einer Kontrollstelle nicht voraus, dass Gegenstände (eine Sperre) aufgebaut werden und der Verkehr stockt oder sich staut. Bei einer Kontrollstelle handelt es sich um eine festgelegte Örtlichkeit, an der vorübergehend polizeiliche Kontrollmaßnahmen unterschiedlicher Art gegenüber einer Vielzahl von Personen und/bzw. Fahrzeugen geplant sind bzw. durchgeführt werden (Borsdorff in Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Auflage 2018). Die Eigenschaft als Kontrollstelle setzt lediglich ihre rechtmäßige Anordnung und die Anwesenheit von Polizeibeamten voraus. Einer besonderen sachlichen Ausstattung bedarf es nicht (NdsOVG, U.v. 14.1.2020 – 11 LB 464/18 – juris Rn. 41 unter Verweis auf Waechter in BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, Stand 1.5.2019, § 14 Nds. SOG Rn. 11). Der Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Polizeiführer aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse angeordnet hat, auf verschiedenen Straßen, die Richtung Bahnhof W./H. führten, Kontrollstellen einzurichten, um vor Erreichen des Versammlungsortes die potentiellen Versammlungsteilnehmer zu kontrollieren. Die Anweisung umfasste auch die Errichtung der Kontrollstelle an der Rastanlage M., weil bekannt war, dass zwei Reisebusse mit Versammlungsteilnehmern aus dem Raum Niederbayern über die A .. zum Bahnhof W. anreisen würden. Die Busfahrt war von einem amtsbekannten Rechtsaktivisten organisiert worden (Bl. 24/25 der VG-Akte). Es handelte sich folglich auch nicht um eine Kontrollmaßnahme gegen eine einzelne Person oder ein Fahrzeug, kontrolliert wurde eine Vielzahl von Versammlungsteilnehmern, die auf dem Weg nach W. waren und sich zu einer gemeinsamen Anreise in Bussen entschlossen hatten. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. lässt die Errichtung einer Kontrollstelle u.a. zu, um die näher bezeichneten Straftaten nach dem Versammlungsgesetz zu verhindern. Eine polizeiliche Kontrolle verliert ihre Eigenschaft als Kontrollstelle also nicht dadurch, dass die Polizei nur diejenigen Fahrzeuge kontrolliert, mit denen Versammlungsteilnehmer anreisen, und die aufgrund polizeilicher Erkenntnisse als solche erkennbar sind. Auch die gezielte „Umleitung“ der Busse auf eine Rastanlage an der Autobahn, wo sich die Kontrollstelle befand, ändert daran nichts.
Es lag auch die konkrete Gefahr der Begehung der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. genannten Straftaten bei der Versammlung in W. vor. Angesichts fehlender hinreichend klarer und begrenzender Maßgaben der Vorschrift für die Einrichtung der Kontrollstellen setzt dieser Befugnistatbestand zur Gefahrenabwehr nach Auffassung des BVerfG bei verfassungskonformer Auslegung eine im Einzelfall bestehende (d.h. konkrete) Gefahr voraus, dass Straftaten, wie sie mit der Kontrollstelle verhindert werden sollen, tatsächlich bevorstehen (BVerfG BeckRS 2018, 37186 Rn. 128 ff., 133; Senftl in BeckOK Polizeirecht Bayern, Stand 1.2.2020, PAG, Art. 13 Rn. 13). Der diesbezüglichen Gefahrenprognose durfte die Polizei Erkenntnisse aus früheren Versammlungen in W. zugrunde legen, weil die Versammlung am 12. November 2016 hinsichtlich Motto, Datum und Zusammensetzung des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten mit vorangegangenen Versammlungen in Wunsiedel besaß (hierzu vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17). Das Thema der Versammlungen in W., die jeweils im November der Jahre 2011 bis 2014 stattfanden, war nahezu wortgleich mit dem der Versammlung am 12. November 2016 und hatte stets das sog. „Heldengedenken“ zum Inhalt. Die Polizei hat in ihrer Gefahreneinschätzung dargelegt, dass der Anmelder der Versammlung am 12. November 2016 – wie auch der Versammlungen in den Vorjahren – der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen ist. Die Mobilisierung für die Versammlung erfolgte – wie bereits im Jahr 2015 – über die Partei „…”, die größtenteils personenidentisch mit den Mitgliedern des „…“ ist, von dem in den Jahren davor die Mobilisierung für die W.-Versammlungen ausging. In den Jahren 2010 bis 2015 wurden bei Kontrollen der Versammlungsteilnehmer stets Verstöße gegen das Verbot, Waffen zu Versammlungen hinzuschaffen oder Schutzwaffen bei Versammlungen mit sich zu führen, festgestellt. Es kommt entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, wie sich die festgestellten Vergehen zahlenmäßig auf die Jahre 2010 bis 2015 verteilt haben, sondern dass regelmäßig bei Versammlungen mit demselben Motto und Teilnehmerkreis in W. Verstöße gegen Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 sowie Abs. 2 Nr. 5 bis 7 BayVersG vorkamen, so dass auch für das Jahr 2016 mit derartigen Verstößen zurechnen war. Hinzu kommt, dass bei den Versammlungen in W. stets die Teilnahme von Personen festgestellt werden konnte, die bereits wegen verschiedener Waffendelikte verurteilt waren (Bl. 36 der VG-Akte). Diese Erkenntnisse der Polizei, auf die das Verwaltungsgericht seine Feststellung, es habe die konkrete Gefahr von Straftaten im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. bei der Versammlung am 12. November 2016 bestanden, gestützt hat, hat der Kläger weder durch das pauschale Bestreiten der dargestellten Faktenlage noch durch Vermutungen über die Anzahl der festgestellten Verstöße ernsthaft in Zweifel gezogen.
Vom Kläger selbst musste für die Identitätsfeststellung keine konkrete Gefahr ausgehen. Bei der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. geregelten polizeilichen Vorfeldbefugnis steht die Wahrscheinlichkeit des Antreffens von Straftätern an der Kontrollstelle im Vordergrund. Adressat kann jedermann, auch ein Nichtstörer sein. Schon die hinreichende Wahrscheinlichkeit, an diesem Ort einen Störer oder Straftäter aufzugreifen, rechtfertigt die Identitätsfeststellung
Die Feststellung der Identität des Klägers war auch verhältnismäßig. Zwar können allein durch die Identitätskontrolle keine Waffen o.ä. aufgefunden werden; hierfür wäre eine Durchsuchung des Klägers bzw. von Sachen, die er mit sich geführt hat, erforderlich gewesen. In Relation zu einer Durchsuchung stellt sich die Identitätsfeststellung jedoch als milderes Mittel dar, weil die Polizei anhand der festgestellten Identität im Vorfeld klären konnte, ob die Voraussetzungen für eine Durchsuchung nach Art. 21 bzw. Art. 22 PAG a.F. vorlagen. Der Behauptung des Klägers, die Identitätsfeststellung sei nicht angemessen gewesen, weil er dadurch behördlich registriert worden sei und er damit rechnen müsse, dass die erhobenen Daten gespeichert würden, ist der Beklagte wiederholt entgegengetreten. Die im Rahmen der Identitätsfeststellung erhobenen Daten des Klägers sind nicht gespeichert worden. Insbesondere kann aus einer angeblichen Benachteiligung des Zeugen B., der an mehreren „rechten“ Demonstrationen teilgenommen hat, bei einer Bewerbung für eine Einstellung in den öffentlichen Dienst, nicht darauf geschlossen werden, dass die Teilnahme des Klägers an der Versammlung in W. in polizeilichen Informationssystemen gespeichert worden ist. Eine solche Speicherung wäre auf Grundlage von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. nicht zulässig. Darauf hat auch das Verwaltungsgericht ausdrücklich hingewiesen (UA S. 19). Der Kläger kann die behauptete Unverhältnismäßigkeit der polizeilichen Identitätsfeststellung nicht dadurch „begründen“, dass er der Polizei rechtswidriges Handeln bezüglich der Erhebung und Speicherung von Daten unterstellt.
Der Kläger legt im Zulassungsverfahren nicht substantiiert dar, weshalb die Entscheidung der Polizei, an der eingerichteten Kontrollstelle seine Identität festzustellen, ermessensfehlerhaft gewesen sein sollte. Dass „das Wort Ermessen weder während der Identitätsfeststellung fiel noch in den Schriftsätzen der Beklagten vorhanden ist“, lässt nicht ohne Weiteres auf ein Ermessensdefizit schließen. Der Beklagte hat ausführlich erläutert, welche polizeilichen Überlegungen zur Errichtung der Kontrollstelle an der Rastanlage M. führten. Zweck war danach, bei allen Personen, die sich in den beiden Reisebussen aus Niederbayern auf der Fahrt zur Versammlung in W. befanden, die Identität festzustellen und ggf. Durchsuchungen durchzuführen, weil nach der polizeilichen Erkenntnislage wegen der Organisation der Busfahrt durch eine Person, die der rechtsextremen Szene angehört, davon auszugehen war, dass die Teilnehmer der Busfahrt ebenfalls der rechten Szene zuzuordnen waren und – wie schon in den Vorjahren – teilweise Waffen mit sich führten. Die Errichtung der Kontrollstelle zur Verhinderung versammlungsbezogener Straftaten intendierte somit bereits eine Identitätsfeststellung bei allen Teilnehmern dieser Busfahrt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass alleine die Anwesenheit des Klägers an der Kontrollstelle die Feststellung seiner Identität gerechtfertigt hat und daher nicht ermessensfehlerhaft war (UA S. 20).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass die am 12. November 2016 erfolgte Identitätsfeststellung den Kläger nicht in seinen Grundrechten aus Art. 8 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) verletzt hat.
Die Ausführungen des Klägers zu einer Speicherung der erhobenen Daten, einer befürchteten Benachteiligung wegen der Teilnahme an der Versammlung und der dadurch bedingten Beschränkung seines Grundrechts aus Art. 8 GG beruhen darauf, dass er dem Beklagten ohne hinreichenden Anlass rechtswidriges Handeln in der Folge seiner Identitätsfeststellung unterstellt, und sind daher zur Substantiierung seines Vorbringens ungeeignet. Dem Kläger ist auch der Zugang zur Versammlung nicht unzumutbar erschwert worden (hierzu vgl. BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 – juris Rn. 70; BayVGH, B.v. 23.1.2013 – 10 C 12.2061 – juris Rn. 14). Die Kontrolle der beiden Reisebusse war nach ca. 30 Minuten abgeschlossen, die Busse wurden von der Polizei zum Versammlungsort eskortiert. Die Teilnehmer waren rechtzeitig vor Versammlungsbeginn vor Ort.
Mit seinem Vorbringen im Zulassungsverfahren stellt der Kläger auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Identitätsfeststellung nicht substantiiert in Frage. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Identitätsfeststellung einen geringfügigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darstelle. Da dieses Grundrecht aber nicht schrankenlos gewährleistet sei, müsse der einzelne Eingriffe aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage hinnehmen. Maßgeblich sei eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Überwachungs- und Verwendungszwecks. Angesichts der Geringfügigkeit des mit der Identitätskontrolle verbundenen Eingriffs trete das Interesse des Klägers hinter das öffentliche Interesse, an der eingerichteten Kontrollstelle polizeibekannte oder als gefährlich eingeschätzte Personen herauszufiltern, zurück. Der Kläger wiederholt diesbezüglich lediglich sein Vorbringen, er müsse davon ausgehen, dass die Daten über die Teilnahme an der Versammlung gespeichert würden und wegen der „behördlichen Verdichtung“ gegen ihn verwendet werden könnten. Der Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur automatisierten Kennzeichenerfassung (B.v. 18.12.2018 – 1 BvR 142/15 – juris Rn. 49) geht insoweit ins Leere, weil hier die „Verdichtung“ der behördlichen Interessen an den betroffenen Daten als Argument zur Begründung der Eingriffsqualität der Datenverarbeitung dient. Die Eingriffsqualität der Identitätsfeststellung samt Datenabgleich hat das Verwaltungsgericht aber ausdrücklich bejaht. Soweit der Kläger meint, der Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei unverhältnismäßig gewesen, weil die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG a.F. nicht vorgelegen hätten, kann auf die Ausführungen von oben verwiesen werden. Die Vorschrift an sich steht mit Verfassungsrecht in Einklang, wenn „die Vorschrift durch das Erfordernis einer konkreten Gefahr in das allgemeine Sicherheitsrecht eingebunden bleibt und hierdurch ihre verfassungsrechtlich erforderliche Begrenzung erhält“ (BVerfG, B.v. 18.12.2018 – 1 BvR 142/15 – juris Rn. 133). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht vom Vorliegen einer konkreten Gefahr ausgegangen. Es hat bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch die vom Kläger geforderte Abwägung der Belange des Klägers und des Beklagten vorgenommen (UA S. 19).
Ein Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 GG durch Art. 74 PAG a.F. liegt bezüglich eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen einer Maßnahme nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 PAG nicht vor. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG knüpft an die in Satz 1 umschriebene Voraussetzung an, dass „ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“. Für diesen Fall wird bestimmt, dass das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist aus dieser Regelung in ihrem Zusammenhang hergeleitet worden, das Zitiergebot diene zur Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden könnten (vgl. BVerfG, B.v. 18.12.1968 – 1 BvR 638/64 u.a – juris Rn. 100 ff.). Indem das Gebot den Gesetzgeber zwingt, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen, will es sicherstellen, dass nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgen; auch soll sich der Gesetzgeber über die Auswirkungen seiner Regelungen für die betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben (BVerfG, B.v. 12.10.2011 – 2 BvR 236/08 – juris Rn. 177 ff.; B.v. 4.5.1983 – 1 BvL 46/80 – juris Rn. 26 m.w.N.). Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kann nicht durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor, kommt es darauf an, ob er verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, also auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und verhältnismäßig ist (vgl. BVerfG, B.v. 27.6.2018 – 2 BvR 1405/17 – juris Rn. 65 ff.). Für Eingriffe, die am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG gemessen werden, beansprucht das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG keine Geltung, da Art. 2 Abs. 1 GG keine Gesetzesvorbehalte i.S.d. Art. 19 Abs. Abs. 1 Satz 2 GG enthält (HessVGH, U.v. 25.7.2018 – 6 A 673/15 – juris Rn. 37 f. m.w.N.; BayVGH, U.v. 25.11.2014 – 10 BV 13.1151 – juris Rn. 25).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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