Medizinrecht

Kein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die Verlegungsfahrt

Aktenzeichen  Au 2 K 16.1297

Datum:
3.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV BBhV § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Eine Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen (§ 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lit. a BBhV) liegt zB vor, wenn das Leistungsspektrum eines Krankenhauses mit höherer Versorgungsstufe für die weitere Behandlung nicht mehr erforderlich ist und durch die Verlegung in ein Krankenhaus mit niedrigerer Versorgungsstufe Kapazitätsengpässe für Erkrankte, die einer entsprechenden intensiven Behandlung bedürfen, vermieden werden. Verlegungen aus wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen können hingegen nicht anerkannt werden. (redaktioneller Leitsatz)
Die Verlegung muss nicht in ein wohnortnahes Krankenhaus erfolgen. Bei der Krankenhauswahl kommt es vielmehr auf die Entfernung zum abgebenden Krankenhaus an. (redaktioneller Leitsatz)
Es obliegt den Bediensteten, sich im Rahmen der zumutbaren Sorgfalt über die relevanten Beihilfevorschriften selbst zu informieren (ebenso BVerwG NVwZ 1998, 400). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten entbehrlich.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf anteilige Erstattung der Aufwendungen für die Verlegungsfahrt vom 10. März 2016 (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, gegeben war (BVerwG U. v. 30.4.2009 – 2 C 127.07 – juris Rn. 7; U. v. 15.12.2005 – 2 C 35.04 – BVerwGE 125, 21). Danach findet für die vom Kläger geltend gemachte Aufwendung die auf Grundlage von § 80 Abs. 4 BBG erlassene Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I 2009, S. 326), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2015 (BGBl. I S. 1368), Anwendung.
Die Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten bestimmt sich nach § 31 BBhV. Die Aufwendungen, die für ärztlich verordnete Verlegungsfahrten zwischen zwei Krankenhäusern entstanden sind, sind gemäß Absatz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift nur beihilfefähig, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist (Buchst. a) oder die Festsetzungsstelle zugestimmt hat (Buchst. b).
Eine Einwilligung der Festsetzungsstelle liegt unstreitig nicht vor. Es fehlt aber auch an der erforderlichen „zwingenden medizinischen“ Notwendigkeit der Verlegungsfahrt vom 10. März 2016. Ob zwingende medizinische Gründe eine Verlegung rechtfertigen, kann nur von einem Arzt sachgerecht beurteilt werden (vgl. 31.2.1 BBhVVwV), wobei der Festsetzungsstelle das Letztentscheidungsrecht ggf. nach gutachterlicher Überprüfung zukommt (Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand März 2016, § 31 BBhV Rn. 28). Es soll dadurch sichergestellt werden, dass Verlegungsfahrten zwischen den an der Erbringung stationärer Leistungen beteiligten Krankenhäusern nur dann zulasten der Beihilfe abgerechnet werden, wenn diese Verlegungsfahrten ausschließlich aus zwingenden medizinischen Erfordernissen geboten sind, wie beispielsweise bei Notfällen oder bei Verlegung von einem Krankenhaus niedrigerer Versorgungsstufe in ein Krankenhaus höherer Versorgungsstufe. Eine Verlegung kann – wie vorliegend – jedoch auch von einem Krankenhaus mit höherer Versorgungsstufe in ein Krankenhaus mit einer niedrigeren Versorgungsstufe erfolgen. Dies wird z. B. der Fall sein, wenn das Leistungsspektrum eines Krankenhauses mit höherer Versorgungsstufe für die weitere Behandlung nicht mehr erforderlich ist und so Kapazitätsengpässe für Erkrankte, die einer entsprechend intensiven Behandlung bedürfen, vermieden werden (Mildenberger/Pühler/Pohl/Wiegel, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Juli 2016, § 31 BBhV, Anm. 5 zu Absatz 2). Allerdings können Verlegungen aus wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen beihilfeseits nicht anerkannt werden (Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand März 2016, § 31 BBhV Rn. 29 f.).
Gemessen an diesen Grundsätzen können die geltend gemachten Aufwendungen für die Verlegungsfahrt vom …klinikum … in das Krankenhaus … nicht als beihilfefähig anerkannt werden. Aus der Bescheinigung des Klinikums … vom 20. Mai 2016 geht nicht hervor, weshalb am 10. März 2016 aus medizinischen Gründen eine Verlegung des Klägers in das über 100 Kilometer entfernte Krankenhaus … zwingend erforderlich gewesen ist. Auch wenn die bei der Erkrankung des Klägers erforderliche langfristige intravenöse Antibiotikagabe nicht unbedingt in einem Krankenhaus der Maximalversorgung durchzuführen gewesen war und – nach insofern unwidersprochenem Vortrag der Klagepartei – im …klinikum … im maßgeblichen Zeitraum eine extreme Bettenknappheit herrschte, so hätte dem auch durch eine Verlegung in ein wesentlich weniger weit entferntes Krankenhaus Rechnung getragen werden können. Das im Rahmen einer Verlegung aus medizinischen Gründen aufnehmende Krankenhaus muss nicht wohnortnäher sein (Mildenberger/Pühler/Pohl/Wiegel, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Juli 2016, § 31 BBhV, Anm. 5 zu Absatz 2).
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, über die einschlägigen Verwaltungsvorschriften und Voraussetzungen für die Kostenerstattung nicht informiert gewesen zu sein. Dem Dienstherrn obliegt keine allgemeine Pflicht zur Belehrung seiner Beamten über alle für sie, insbesondere zur Wahrung ihrer Rechte einschlägigen Vorschriften, vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die sich der Beamte – wie hier – unschwer selbst verschaffen kann. Dem Bediensteten obliegt es, in seinen eigenen Angelegenheiten die zumutbare Sorgfalt anzuwenden, so dass erwartet werden muss, dass er sich über die relevanten Vorschriften selbst informiert (BVerwG, U. v. 30.1.1997 – 2 C 10.96 – juris Rn. 16; U. v. 29.10.1992 – 2 C 19.90 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 14 ZB 14.1508 – juris Rn. 6 m. w. N.).
Soweit der Kläger geltend macht, im Jahr 2007 bei „identischer Sachlage“ Beihilfe erhalten zu haben, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Nachdem sich der Erklärungsgehalt früherer Beihilfebescheide stets lediglich auf die Beihilfefähigkeit der jeweils konkret geltend gemachten Aufwendungen bezogen hat, kann eine Behörde weder unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verpflichtet werden, einen etwaigen Fehler zu wiederholen (BVerwG, U. v. 17.7.2009 – 5 C 25.08 – BVerwGE 134, 206; NdsOVG, U. v. 23.4.2010 – 5 LB 388/08 – juris Rn. 24), noch kann daraus ein Erstattungsanspruch für spätere „inhaltsgleiche Aufwendungen“ abgeleitet werden, zumal die hier streitentscheidende Norm ohnehin erst zum 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 329) eingeführt worden ist.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§ 124 Abs. 2, § 124a VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 316,40 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).


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