Medizinrecht

Kein Anspruch auf Erteilung eines Jagdscheins mangels Mitwirkung an medizinisch-psychologischem Gutachten

Aktenzeichen  21 B 16.527

Datum:
29.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 49326
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJagdG § 15, § 17
WaffG § 5, § 6
AWaffV § 4
WaffVwV Nr. 6.3
VwGO § 86, § 108

 

Leitsatz

1. Das Vorliegen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeits- und Eignungsanforderungen ist zugleich Erteilungsvoraussetzung für den Jagdschein, sofern der Jagdscheinbewerber nicht nur einen Falknerjagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG begehrt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn zur Frage der waffenrechtlichen Eignung keine andere geeignete und verhältnismäßige Möglichkeit als die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unter Mitwirkung des Klägers in Betracht kommt, und der Kläger eine solche durch ausdrückliche Erklärung verweigert, ist das Verhalten des Klägers im Sinne einer Beweisvereitelung zu würdigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 14.1303 2015-08-20 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Jagdscheins (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Im Verpflichtungsklageverfahren auf Erteilung eines Jagdscheins ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – hier des Berufungsverfahrens – maßgeblich (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 133 Rn. 217, 218).
1. Der Erteilung des Jagdscheins an den Kläger steht der zwingende Versagungsgrund des § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG entgegen.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf ein Jagdschein, wie ihn der Kläger begehrt, Personen nicht erteilt werden, wenn ihnen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) oder die waffenrechtliche persönliche Eignung (§ 6 WaffG) fehlt. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen nicht die erforderliche persönliche Eignung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol sind. Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen, so hat die zuständige Behörde dem Betroffenen auf seine Kosten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben (§ 6 Abs. 2 WaffG). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf seine Nichteignung schließen.
Der Versagungsgrund des § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG verknüpft für andere als für Falknerjagdscheine das Jagdrecht mit dem Waffenrecht. Diese Vorschrift ist durch das am 1. April 2003 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts – WaffNeuRegG – vom 11. Oktober 2002 (BGBl. S. 3970) eingefügt worden. Der Gesetzgeber hielt es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit für nicht hinnehmbar, dass ein zuvor in waffenrechtlicher Hinsicht unzuverlässiger, jedoch in jagdrechtlicher Hinsicht zuverlässiger Jagdscheininhaber weiterhin eine Waffe nicht nur besitzen, sondern auch führen darf, während einem Waffenbesitzkarteninhaber, der nicht zugleich Jagdscheininhaber ist, die Waffenbesitzkarte zu entziehen ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum WaffNeuRegG, BT-Drs.: 14/7758 S. 102; BVerwG, U. v. 22.8.2012 – 6 C 27.11 – juris Rn. 25). Seitdem ist somit das Vorliegen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeits- und Eignungsanforderungen zugleich Erteilungsvoraussetzung für den Jagdschein, sofern der Jagdscheinbewerber nicht nur einen Falknerjagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG begehrt (vgl. OVG NW, U. v. 21.2.2014 – 16 A 2367/11 – juris Rn. 35 ff). Die Auffassung des Klägervertreters, dass zur Beurteilung der Eignungsvoraussetzungen des Klägers nicht die waffenrechtlichen Vorschriften, sondern nur die jagdrechtlichen Vorschriften (§ 17 Abs. 4 Nr. 4 und Abs. 6 BJagdG) anzuwenden seien, steht nach alldem im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes und dem eindeutig geäußerten Willen des Gesetzgebers.
2. Zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren ist der Senat nach Würdigung aller Umstände insbesondere der in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärten Weigerung des Klägers, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger die erforderliche persönliche Eignung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG nicht besitzt, da Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er abhängig von Alkohol ist.
Die in der Person des Klägers seit dem Vorfall vom 3. Oktober 2003 und der im Anschluss gemessenen Blutalkoholkonzentration von 2,32‰ aufgetretenen Eignungszweifel an seiner waffenrechtlichen Eignung (2.1) bestehen auch noch im entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz fort (2.2). Der Kläger hat die Eignungszweifel bislang auch nicht durch eine in seinem Fall erforderliche medizinisch-psychologische Untersuchung ausgeräumt (2.3). Aufgrund der ausdrücklichen Weigerung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, war der Senat auch im Rahmen der Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht gehalten, diesen entscheidungserheblichen Umstand durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären, sondern durfte von einer Beweiserhebung absehen (2.4).
Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) konnte der Senat vielmehr zum Nachteil des Klägers berücksichtigen, dass dieser durch Verweigerung der erforderlichen Untersuchung die weitere Sachaufklärung unmöglich gemacht und dadurch seine prozessrechtliche Mitwirkungspflicht verletzt hat, so dass nach Sachlage auf die Nichteignung des Klägers geschlossen werden durfte (2.5).
2.1 Ursache und Ausgangspunkt der waffenrechtlichen Eignungszweifel ist der Vorfall vom 3. Oktober 2003 und die unmittelbar danach beim Kläger gemessene Blutalkoholkonzentration von 2,32‰. Bei diesem Vorfall führte der Kläger in stark alkoholisiertem Zustand seinen geladenen Revolver in einer Gastwirtschaft mit sich und zeigte ihn öffentlich vor – soweit auch vom Kläger unbestritten. Nicht entscheidungserheblich ist hier, ob der Kläger die Gastwirtin mit dem Revolver bedroht hat. Der daraufhin vorläufig festgenommene Kläger machte auf die Polizeibeamten zwar einen betrunkenen Eindruck, habe dem Geschehen jedoch folgen können. Damit waren Tatsachen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung des Klägers im Hinblick auf seine Alkoholabhängigkeit begründen (§ 6 Abs. 2 WaffG).
Nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung deutet eine Blutalkoholkonzentration (BAK) ab 1,6‰ auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin (vgl. zum Fahrerlaubnisrecht: BR-Drs. 443/98, Beschluss S. 6). Auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (gültig ab 1.5.2014, Nr. 3.13 „Alkohol“; abgedruckt in Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115), die als Niederschlag sachverständiger Erfahrung von Gewicht sind (vgl. BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – juris Rn. 14) bestätigen, dass mit einer entsprechenden Alkoholgewöhnung ein erhöhtes Gefährdungspotential einhergeht. Im Einklang mit den Richtlinien hat das Bundesverwaltungsgericht zur Eignung von Fahrerlaubnisinhabern wiederholt entschieden, dass Personen, die Blutalkoholwerte von 1,6‰ und mehr erreichen, regelmäßig – auch wenn sie Ersttäter sind – an einer dauerhaften ausgeprägten Alkoholproblematik leiden, so dass die Straßenverkehrsbehörden in solchen Fällen Art, Inhalt und Folgen einer möglichen Alkoholabhängigkeit des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers und ihre Auswirkungen auf sein Verhalten im Straßenverkehr mit den erforderlichen und angemessen Mitteln aufzuklären haben (vgl. BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 11 C 34.95 – juris Rn. 14).
Auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffenrecht vom 5. März 2012 (WaffVwV) benennt als Beispiel für das Bekanntwerden von Tatsachen, die Bedenken gegen die persönliche Eignung im Sinn von § 6 WaffG begründen, die amtliche Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6‰ (Nr. 6.3 WaffVwV) und überträgt damit diese Erkenntnisse auf das Waffenrecht.
Vor diesem Hintergrund boten die Tatsachen – die hohe Blutalkoholkonzentration des Klägers von 2,32‰, die zudem in Zusammenhang mit dem missbräuchlichen Gebrauch einer Waffe in stark alkoholisiertem Zustand stand – hinreichenden Anlass zu berechtigten Eignungszweifeln im Sinn von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WaffG.
2.2 Diese Eignungszweifel bestehen auch noch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz fort. Insbesondere sind die vom Kläger vorgetragenen Umstände und vorgelegten Unterlagen nicht geeignet, die Eignungszweifel im Hinblick auf eine Alkoholabhängigkeit zu beseitigen.
Der Kläger trägt vor, seit 3. Oktober 2003 keinen Alkohol mehr getrunken zu haben und seither im Wesentlichen regelmäßig Sitzungen der Sucht-Selbsthilfegruppe … e.V. besucht zu haben. Seine Alkoholabstinenz wolle er durch die Vorlage von „Bestätigungen“ verschiedener Personen (u. a. Mitglieder des … e.V. bzw. der Borreliose-Selbsthilfegruppe) und Laborwerte belegen.
Zum einen hat der Kläger schon nicht in geeigneter Weise den Nachweis geführt, dass er über einen langen Zeitraum hinweg, der nach Angaben des Klägers über zwölf Jahre betrage, alkoholabstinent gelebt hat. Zum Nachweis einer Abstinenz sind u. a. regelmäßige Untersuchungen von geeigneten Laboratorien erforderlich einschließlich der relevanten Labordiagnostik (vgl. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung a. a. O., S. 46). Bereits daran fehlt es vorliegend. Der Kläger hat nur punktuell Laborbefunde vorgelegt, aus denen nur Aussagen für begrenzte Zeiträume möglich sind. Auch die untersuchten Parameter umfassen nicht stets das erforderliche Spektrum. Darüber hinaus ist eine Beurteilung sämtlicher Laborbefunde nur mit allen im Rahmen einer Begutachtung erhobenen Befunde möglich (vgl. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung a. a. O., S. 46).
Auch Aussagen von Personen, mit denen der Kläger Umgang gehabt hat, über ein alkoholabstinentes Verhalten des Klägers sind zum Nachweis einer dauerhaften Abstinenz nicht geeignet. Insoweit könnten nur Aussagen über das Trinkverhalten des Klägers in einzelnen Situationen gewonnen werden.
Darüber hinaus wäre – jedenfalls im vorliegenden Fall – selbst eine jahrelange nachgewiesene Alkoholabstinenz nicht geeignet und ausreichend, um die waffenrechtlichen Eignungszweifel im Hinblick auf die Alkoholproblematik auszuräumen. Wegen der allgemeinen Verfügbarkeit des Alkohols besteht bei Alkoholabhängigkeit und -missbrauch generell eine hohe Rückfallgefahr, so dass im Einzelfall strenge Maßstäbe anzulegen sind, bevor eine positive Prognose im Hinblick auf die waffenrechtliche Eignung gestellt werden kann (vgl. auch Begutachtungsleitlinie a. a. O., S. 47; BVerwG, U. v. 21.5.2008 – 3 C 32.07 – juris Rn. 16). Dem trägt im Fahrerlaubnisrecht § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV Rechnung, der bestimmt, dass die Fahrerlaubnisbehörde für den Fall, dass „sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht“, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnet.
2.3 Der Kläger hat die Eignungszweifel bislang nicht durch eine in seinem Fall erforderliche medizinisch-psychologische Untersuchung ausgeräumt.
2.3.1 Die medizinisch-psychologische Untersuchung ist vorliegend das geeignete und angemessene Mittel, um die aufgetretenen Eignungszweifel auszuräumen.
Im Waffenrecht bestimmt § 4 AWaffV Voraussetzungen und Verfahren eines behördlich angeordneten Gutachtens über die persönliche Eignung näher. § 4 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 AWaffV gibt dem Gutachter auf, eine klare Aussage zu treffen; dabei geht es – dem Ziel des Gutachtens entsprechend ungeeignete Personen vom Umgang mit Waffen oder Munition auszuschließen – um eine Negativ-Prognose (Aussage über die Nichteignung; BR-Drs. 415/03 S. 40). Die im Fahrerlaubnisrecht zur Thematik Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik enthaltenen Grundsätze und die dazu ergangene Rechtsprechung können in ihren wesentlichen Grundzügen auch der Klärung von Eignungszweifeln im Waffenrecht zugrunde gelegt werden:
Das Fahrerlaubnisrecht sieht zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik für die Fälle des Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6‰ oder mehr sowie wenn „sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht“ (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c und e FeV) zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vor. Eine Beurteilung nur der körperlichen Befunde, die den dauerhaften völligen Alkoholverzicht belegen, ist nicht ausreichend. Zur Wiederherstellung der Eignung ist je nach Fallgestaltung beispielsweise zu fordern, dass Alkoholabstinenz eingehalten wird und die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und motivational gefestigt ist. Letzteres erfordert z. B. eine Prognose, inwieweit die inneren und äußeren Bedingungen einer Stabilisierung des geänderten Verhaltens nicht entgegenstehen (vgl. Begutachtungsleitlinien a. a. O., S. 45; BVerwG, U. v. 21.5.2008 – 3 C 32.07 – juris Rn. 20).
Die Ermittlung und Bewertung anamnestischer und aktuell vorliegender (sozial-) medizinischer Gegebenheiten setzt psychologischen Sachverstand voraus, wie die Kriterien der ICD-10 zeigen. Eine bloß medizinische (körperliche) Untersuchung kann Alkoholabhängigkeit weder belegen noch verneinen (vgl. BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – juris Rn. 16; BVerwG, U. v. 21.5.2008 – 3 C 32.07 – juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, U. v. 17.11.2015 – 11 BV 14.2738 – DÖV 2016, 227: Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Wiedererteilungsverfahren bei Alkoholproblematik erforderlich).
Darüber hinaus ist eine medizinisch-psychologische Begutachtung zur Ausräumung der Eignungszweifel auch deshalb geboten, weil beim Kläger neben der Alkoholproblematik hinzu kommt, dass er gerade in stark alkoholisiertem Zustand seine geladene Schusswaffe in der Gastwirtschaft mit sich führte, so dass bei ihm das Zusammenwirken von Alkohol und der missbräuchliche Umgang mit Waffen in unmittelbarem Zusammenhang stand.
Dementsprechend ergab auch die amtsärztliche Stellungnahme des damals zuständigen Gesundheitsamtes beim Landratsamt Schweinfurt im September 2004, dass eine Verlängerung des Jagdscheins nur möglich sei, wenn der Kläger ein medizinisch-psychologisches Fachgutachten vorlege, das ihm bescheinige, nicht alkoholabhängig zu sein und er die erforderliche persönliche Eignung für das Führen eines Jagdscheins und den Umgang mit Waffen besitze.
2.3.2 Die vom Beklagten auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AWaffV angeordnete Vorlage eines fachpsychiatrischen Gutachtens war hingegen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Die Behörde durfte nicht gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV bei ihrer Entscheidung von der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des Klägers schließen. Für die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage, deren Streitgegenstand der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Jagdscheins ist, ist allein entscheidend, ob dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung der geltend gemachte Anspruch zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Entgegen der Darlegungen des Klägervertreters handelt es sich bei der Verpflichtungsklage nicht um eine „Verbindung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage“, sondern um einen „unselbstständigen Anfechtungsannex“ der Verpflichtungsklage (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 33). Der Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung ist somit im Rahmen der vorliegenden Verpflichtungsklage nicht weiter nachzugehen. Da aber der Senat zur Ausräumung der Eignungszweifel von der Gebotenheit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung ausgeht und nicht – wie die Behörde – von einer psychiatrischen Begutachtung, wird weiter ausgeführt, dass die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung – jedenfalls beruhend auf der aus den Akten ersichtlichen Tatsachengrundlage – nach der Überzeugung des Senats vorliegend unverhältnismäßig in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreift. Die Erstellung eines Gutachtens setzt die Erhebung höchstpersönlicher Befunde, die unter dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stehen voraus (BVerfG, B. v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – juris Rn. 52 ff.). Dies gilt nicht nur für den medizinischen und psychologischen Teil, sondern in noch gesteigertem Maße für den psychiatrischen Teil der Untersuchung, der u. a. die Erstellung eines psychiatrischen Persönlichkeitsbilds zugrunde liegt. Den amtsärztlichen Stellungnahmen kann nicht entnommen werden, auf welchen tatsächlichen Umständen die behördlichen Bedenken, der Kläger könne in einer die persönliche (geistige) Eignung ausschließenden Weise psychisch krank sein, gründen. Allein die amtsärztliche Einschätzung, dass „der psychopathologische Befund des Klägers auffällig sei“ (vgl. Dr. J. vom 25.11.2008 und 29.1.2009), ohne Darstellung der wesentlichen zur Beurteilung führenden Umstände, genügt diesen Anforderungen nicht. Eine psychiatrische Untersuchung ist nach alldem kein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel, um gerade die konkret aufgetretenen Eignungszweifel aufzuklären.
2.4 Da sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nach Aufklärung über die Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich weigerte, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen und um Entscheidung auf vorhandener Tatsachengrundlage bat, war der Senat auch im Rahmen der Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht gehalten, diesen Umstand durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären, sondern durfte von einer Beweiserhebung absehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt Folgendes (vgl. OVG NRW, B. v. 2.2.1998 – 19 A 4638/97 – juris): Aus § 86 Abs. 1 VwGO und dem dort festgelegten Untersuchungsgrundsatz ergibt sich grundsätzlich die Befugnis – und daher gegebenenfalls die Verpflichtung – Eignungsuntersuchungen des betroffenen Antragstellers im Wege des Beweisbeschlusses anzuordnen. Aus der Weigerung ein zu Recht angefordertes Eignungsgutachten beizubringen, kann auf die Ungeeignetheit des betreffenden Kraftfahrers zum Führen von Kraftfahrzeugen dann geschlossen werden, wenn diese Weigerung in dem Zeitpunkt besteht, auf den es bei der Prüfung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die Entscheidung ankommt (BVerwG, B. v. 31.7.1985 – 7 B 123.85 – juris Rn. 5). Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. U. v. 10.8.1988 – 7 C 83.87 – juris Rn. 7) geklärt, dass im Verfahren zur (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis die Frage der Kraftfahreignung des Bewerbers nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts zu beantworten ist, und dass das Tatsachengericht im Falle von Eignungszweifeln auch dann die Pflicht hat, diese für entscheidungserheblich gehaltenen Umstände gemäß § 86 Abs. 1 VwGO durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären, wenn der Kläger zwar im Verwaltungsverfahren die für erforderlich gehaltene Untersuchung abgelehnt hat, aber im Klageverfahren vorsorglich seine Bereitschaft zu einer solchen Begutachtung erklärt hat. Von einer Beweiserhebung darf seitens des Tatsachengerichts nur abgesehen werden, wenn der Kläger sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Entscheidung weigert, sich untersuchen zu lassen.
So liegt der Fall hier. Nach der ausdrücklich erklärten Weigerung des Klägers in der Berufungsverhandlung, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, konnte von einer Beweiserhebung abgesehen werden.
2.5 Der Senat berücksichtigt im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zum Nachteil des Klägers, dass dieser durch Verweigerung der erforderlichen Untersuchung die weitere Sachaufklärung unmöglich gemacht und dadurch seine prozessrechtliche Mitwirkungspflicht verletzt hat, und schließt nach der Sachlage auf die Nichteignung des Klägers.
Zwar muss das Tatsachengericht bis zur Grenze der Zumutbarkeit jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Den Beteiligten obliegt jedoch bei der Sachaufklärung eine prozessuale Mitwirkungspflicht. Eine Verletzung dieser Pflicht kehrt zwar die materielle Beweislast nicht um. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kann jedoch das Tatsachengericht berücksichtigen, dass eine Partei die an sich erforderliche weitere Sachaufklärung schuldhaft vereitelt hat (vgl. BVerwG, U. v. 3.7.1987 – 8 C 39.85 – juris Rn. 7).
Da vorliegend zur weiteren Aufklärung der bestehenden Eignungszweifel im Hinblick auf die Alkoholproblematik des Klägers keine andere geeignete und verhältnismäßige Möglichkeit als die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unter Mitwirkung des Klägers zur Frage seiner waffenrechtlichen Eignung in Betracht kommt, und der Kläger eine solche durch ausdrückliche Erklärung in der Berufungsverhandlung verweigert hat, ist das Verhalten des Klägers im Sinne einer Beweisvereitlung zu würdigen.
Insbesondere sind auch keine Umstände ersichtlich, die einen anderen Schluss zulassen. Die nunmehr ausdrücklich ausgesprochene Weigerung zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung und die Bitte um eine Entscheidung auf vorhandener Tatsachengrundlage erscheinen vielmehr als Folge des Verhaltens des Klägers in den vorangegangenen auf Erteilung eines Jagdscheins gerichteten behördlichen Verfahren. Der Kläger hatte sich bereits im Jahr 2006 nicht der angeordneten medizinisch-psychologischen Untersuchung unterzogen, sondern ist nach zunächst erteilter Zustimmung zur Untersuchung nach Übergabe der Begutachtungsunterlagen durch die Behörde an den TÜV Süd dort nicht zum Untersuchungstermin erschienen.
Aus der Beweisvereitelung des Klägers in Verbindung mit seiner Vorgeschichte und unter Würdigung der amtsärztlichen Äußerungen, zieht der Senat im Rahmen der Beweiswürdigung (Rechtsgedanke der §§ 427, 444, 446 ZPO; BVerwG, U. v. 10.8.1988 – 7 C 83/87 – juris Rn. 7) den Schluss auf das Vorliegen eines persönlichen Eignungsmangels des Klägers (arg. § 4 Abs. 6 AWaffV).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. den §§ 708 ff. ZPO.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 VwGO benannten Gründe vorlag.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000,– EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. vom 18.7.2013).


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