Medizinrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 29 K 16.34928

Datum:
16.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53773
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AsylG § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7
AufenthG § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 16. September 2019 konnte der Rechtsstreit verhandelt werden, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten sind ausweislich der aus der Niederschrift ersichtlichen Feststellungen in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden.
2. Die Entscheidung kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen. Die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Der Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2019 auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Als Prozesshandlung kann dieses Einverständnis grundsätzlich nicht widerrufen werden. Dies ist gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 128 Abs. Abs. 2 Satz 1 ZPO, der neben § 101 Abs. 2 VwGO anwendbar ist (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 101 Rn. 7), vielmehr nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage der Fall. Eine derartige Änderung der Prozesslage ist insbesondere bei wesentlich neuem Tatsachenvortrag oder auch bei einem die Grundlage des Prozesses verschiebenden neuen rechtlichen Gesichtspunkt denkbar. Die Beurteilung erfolgt anhand eines Vergleichs der aus objektiver Sicht bestehenden Prozesslage im Zeitpunkt der Zustimmungserklärung mit jener im Zeitpunkt des Widerrufs, wobei auch die Vorhersehbarkeit einer Veränderung der Prozesslage in die Wertung eingestellt werden kann. Beispielsweise berechtigt daher eine bloße Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufgrund eines für die Partei ungünstigen Beweisergebnisses im Fall eines Übergangs ins schriftliche Verfahren nach Erlass des Beweisbeschusses nicht zum Widerruf (vgl. Fritsche, in MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 128 Rn. 32).
Gemessen hieran liegt und lag am 16. Dezember 2019 keine wesentliche Änderung der Prozesslage vor, die den Klägerbevollmächtigten zum Widerruf seines Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung berechtigen würde.
a. Das Gericht hat dem Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2019 eine Schriftsatzfrist bis zum 30. Oktober 2019 gegeben, um ein weiteres Attest für die Klägerin zu 1) nachzureichen. Das Attest sollte für die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, innerhalb dessen wiederum die Frage des Vorliegens einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG die (zunächst) entscheidende Frage ist, Klärung bringen. In dieser prozessualen Situation wurde dem Kläger insbesondere zur nochmaligen Ermöglichung der Vorlage einer als Grundlage für ein gesundheitsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlichen qualifizierten ärztlichen Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG eine weitere Frist von mehr als sechs Wochen eingeräumt, die auch der in der mündlichen Verhandlung anwesende Verfahrensbevollmächtigte der Kläger für ausreichend erachtete. Vor diesem Hintergrund stellt die Möglichkeit, dass auch die in der nochmals eingeräumten Schriftsatzfrist vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht den Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG genügen, keine wesentliche Änderung der Prozesslage dar, die einen Widerruf des Verzichts auf weitere mündliche Verhandlung rechtfertigen könnte, zumal eine dahingehende prozessuale Lage ohne Weiteres vorhersehbar war. Ein wesentlich neuer Tatsachenvortrag eines Beteiligten oder ein die Grundlage des Prozesses verschiebender neuer rechtlicher Gesichtspunkt ist insoweit nicht im Ansatz erkennbar. Das Gericht ist auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis eine ärztliche Bescheinigung, deren Beschaffung und Vorlage dem jeweiligen Kläger obliegt und um die er sich daher recht- und frühzeitig kümmern muss (vgl. § 74 Abs. 2 AsylG), den Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG genügt.
b. Auch ist eine wesentliche Änderung der Prozesslage nicht dadurch eingetreten, dass die Beklagte aufgrund der neuerlich vorgelegten Atteste wiederum keine Abhilfeentscheidung erlassen hat. Auch diesbezüglich ist ein wesentlich neuer Tatsachenvortrag eines Beteiligten oder ein die Grundlage des Prozesses verschiebender neuer rechtlicher Gesichtspunkt insoweit nicht im Ansatz erkennbar.
c. Es liegt auch kein Verbrauch des Verzichts auf die mündliche Verhandlung vor. Selbst wenn der Klägerbevollmächtigte die Beweisanträge nicht nur angekündigt hätte, sondern diese als gestellt zu behandeln wären – wovon das Gericht aufgrund der Schreiben des Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2019, 5., 11. und 19. November 2019, in denen jeweils ausdrücklich von „angekündigten“ Beweisanträgen gesprochen wird, nicht mehr ausgeht – würde dies keinen Verbrauch des Verzichts auf mündliche Verhandlung bedeuten. Denn das Gericht wäre nicht verpflichtet, über die Beweisanträge vorab zu entscheiden. Eine solche Pflicht besteht regelmäßig nur für solche Beweisanträge, die in der mündlichen Verhandlung gestellt werden (§ 86 Abs. 2 VwGO). Haben die Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO auf mündliche Verhandlung verzichtet, ist zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über einen Beweisantrag, der nach dem Verzicht auf mündliche Verhandlung schriftsätzlich gestellt wird, ebenfalls durch einen gesonderten Beschluss vor der Sachentscheidung zu befinden (U.v. 30.5.1989 – 1 C 57.87 – juris Rn. 12). Hier hat das Gericht aber vielmehr lediglich den Klägern nachgelassen, noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz bzw. ein Attest nachzureichen. Wird in einem nachgelassenen Schriftsatz ein Beweisantrag gestellt, ist das Gericht nicht zur Wahrung rechtlichen Gehörs verpflichtet, über diesen Antrag vorab zu entscheiden. Das Gericht muss den rechtzeitig eingegangenen Schriftsatz zur Kenntnis nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung ziehen. Ein dort gestellter Beweisantrag kann nur Anlass geben, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, nämlich dann, wenn sich aus ihm die Notwendigkeit weiterer Aufklärung des Sachverhalts ergibt. Hiermit braucht sich das Gericht aber erst in den Entscheidungsgründen auseinander zu setzen (vgl. BVerwG, B.v. 15.04.2003 – 7 BN 4/02 – juris Rn. 17).
3. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16. September 2019 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) und den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschiften nach dem Asylgesetz keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Dauer der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG.
Das Gericht nimmt hinsichtlich der Gründe auf den Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird, insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen im Klageverfahren, ausgeführt:
a. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gemäß § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die gemäß Nr. 1 auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig sind, oder die gemäß Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
Nach diesen Maßstäben ist den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
Die von der Klägerin zu 1) geschilderte Ermordung des Ziehsohns, das Verschwinden des Ehemanns und der Vorfall, dass uniformierte Leute zuhause bei den Klägern nach der Klägerin zu 1) gefragt hätten, knüpfen unabhängig davon, ob sei diese wahrheitsgemäß geschildert haben, jedenfalls nicht an eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten und in § 3b Abs. 1 AsylG näher definierten Merkmale der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an, das die Verfolger den Klägern zuschreiben würde. Die Klägerin zu 1) hat angegeben, dass ihr Ziehsohn mit dreizehn Schüssen erschossen worden sei. Warum und von wem, dass wisse sie nicht. Soweit sie einen Zusammenhang der Ermordung ihres Ziehsohnes mit den Bojewiki (Anm.: bewaffnete Untergrundkämpfer) vermutet, bei denen der Ziehsohn Mitglied gewesen sei und austreten habe wollen, konnte die Klägerin zu 1) nicht nachvollziehbar erklären, warum sie selbst nach seiner Ermordung von diesen Leuten verfolgt werden sollte. Damit fehlt es an der gemäß § 3a Abs. 3 AsylG notwendigen Verknüpfung zwischen einem der Klägerin zu 1) zugeschriebenen Verfolgungsgrund und einer Verfolgungshandlung i.S.v. § 3a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG. Gleiches gilt für den Kläger zu 2), für den keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden.
b. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Auch insoweit gilt, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens sowohl von staatlichen wie auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG). Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU kommt dem Schutzsuchenden ebenfalls zugute.
Es obliegt dem Schutzsuchenden, sein erlittenes Schicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141.83 – juris Rn. 11; B.v. 20.5.1992 – 9 B 295.91 – juris Rn. 5). Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert (BayVGH, U.v. 16.07.2019 – 11 B 18.32129 – juris Rn. 28).
Insoweit können die Kläger einen ernsthaften Schaden in diesem Sinne nicht darlegen.
Es wird aus den geschilderten Vorkommnissen nicht deutlich, warum die Kläger eine Verfolgung oder einen Schaden befürchten. Nach der vorgetragenen Ermordung des Ziehsohns der Klägerin zu 1) im Mai 2009 und dem Verschwinden des Ehemanns und Vaters der Kläger sind nach dem Vortrag im August 2009 uniformierte Leute zu den Klägern nach Hause gekommen und hätten nach der Klägerin zu 1) gefragt. Was diese Leute gewollt haben könnten, konnten die Kläger jedoch nicht erklären oder auch nur vermuten. So auch nicht, warum sie nach dem Tod des Ziehsohns mehrere Monate unbescholten weiter in Tschetschenien gelebt haben sowie auch die Ehefrau und der Sohn des Ziehsohns bis jetzt in Inguschetien leben, ohne jemals bedroht worden zu sein.
b. Im Übrigen – und die Entscheidung selbständig tragend – müssen sich die Kläger auf die Möglichkeit verweisen lassen, sich gegebenenfalls an einem anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens niederzulassen.
Dem Ausländer wird subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor der Gefahr eines ernsthaften Schadens oder wenn er dort Schutz vor einem ernsthaften Schaden hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
Eine zumutbare inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass die voraussichtlichen Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen. In wirtschaftlicher Hinsicht scheidet die Zumutbarkeit grundsätzlich nur und erst dann aus, wenn das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche wirtschaftliche Existenzminimum auf einfachem Niveau nicht mehr erreichbar ist, d.h. wenn die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen am Ort der inländischen Fluchtalternative weder durch eine ihm zumutbare Beschäftigung noch auf sonstige Weise gewährleistet ist (BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 u.a. – juris Rn. 114 ff.).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass es den Klägern – wie zahlreichen anderen tschetschenischen Volkszugehörigen auch – trotz etwaiger Anfangsschwierigkeiten möglich und zumutbar wäre, außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation Zuflucht zu suchen und dort den Lebensunterhalt zu sichern (so ausführlich BayVGH, U.v. 16.7.2019 – 11 B 18.32129 – juris Rn. 45 ff.).
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 13. Februar 2019 (Stand: Dezember 2018) können Personen aus dem Nordkaukasus grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation reisen. Tschetschenen stehe wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zur Verfügung. Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten sei stark angewachsen. Allein in Moskau sollen ca. 200.000 Tschetschenen leben. Sie träfen allerdings immer noch auf antikaukasische Stimmungen (so auch EASO-Informationsbericht‚ Die Situation der Tschetschenen in Russland‘ vom August 2018 und das Länderinformationsblatt‚ Russische Föderation‘ des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Gesamtaktualisierung 31.8.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.2.2019)).
In Tschetschenien gesuchte Personen sind zwar auch außerhalb der Teilrepublik nicht vor Nachstellungen durch die Sicherheitskräfte des Präsidenten und „Oberhaupts“ der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, sicher. Auch wenn die umfangreiche tschetschenische Diaspora innerhalb Russlands nicht unter seiner unmittelbaren Kontrolle steht, können kriminelle Akte gegen explizite Regimegegner nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, sollen etwa auch in Moskau präsent sein. Außerdem können die regionalen Strafverfolgungsbehörden Menschen auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Derartige Maßnahmen setzen allerdings voraus, dass die Betreffenden ins Visier der tschetschenischen Machthaber geraten sind (vgl. EASO-Informationsbericht ‚Die Situation der Tschetschenen in Russland‘, S. 49 ff.; Länderinformationsblatt ‚Russische Föderation‘ des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 81 ff.).
Hiervon ausgehend ist es den Klägern zuzumuten, sich gegebenenfalls an einem anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens niederzulassen, vor allem da die Kläger nicht darlegen können, warum sie besonders verfolgt sind.
Der Klägerin zu 1) hat angegeben, zu vermuten, dass die uniformierten Leute wegen der Ermordung ihres Ziehsohns zu ihnen nach Hause gekommen seien und nach ihr gefragt hätten. Weder sie noch die Familie des Ziehsohnes hätten aber sonst weitere Probleme gehabt. Es sind daher keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum die Kläger außerhalb Tschetscheniens nicht unbescholten leben könnten. Die Kläger, insbesondere die Klägerin zu 1), standen auch nach ihrem Vorbringen zu keinem Zeitpunkt in Verdacht, selbst gegen die russische oder tschetschenische Regierung politisch aktiv gewesen zu sein. Sie haben auch sonst nichts berichtet, woraus sich ergeben würde, dass die tschetschenischen Machthaber Anlass hätten, ihrer habhaft zu werden. Bei einer Niederlassung in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens hätten die Kläger somit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einen ernsthaften Schaden zu befürchten. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die von ihnen geschilderte Bedrohung – wenn von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann – im Falle einer Niederlassung an einem anderen Ort zehn Jahre nach der Ausreise wiederholen würde.
Die Klägerin zu 1) war nach eigenem Bekunden vor ihrer Ausreise als Bauingenieurin und Bauleiterin bei einer Firma in … beschäftigt. Zuvor habe sie als Lehrerin und auch als Erzieherin gearbeitet. Außerdem hat die Klägerin zu 1) schon einige Zeit bei ihrem Bruder in Moskau gelebt. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass es den Klägern möglich ist, nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten den Lebensunterhalt für die Familie auf einfachem Niveau zu sichern.
c. Schließlich sind auch die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht erfüllt.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 9).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine wesentliche Verschlechterung ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz bei existentiellen Gesundheitsgefahren (vgl. OVG Münster, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56). Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Dabei ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt zudem in der Regel auch dann vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). „Konkret“ ist die Gefahr, wenn die Verschlechterung „alsbald“ nach der Rückkehr des Betroffenen in den Heimatstaat einträte, weil er dort auf unzureichende Möglichkeiten der Behandlung seiner Leiden trifft und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1997 – 9 C 58/96 – juris Rn. 13; U.v. 22.3.2012 – 1 C 3/11 – juris Rn. 34; OVG Münster, U.v. 18.1.2005 – 8 A 1242/03.A – juris Rn. 53; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 9 ZB 13.30236 – juris Rn. 28).
Ein derartiger außergewöhnlich schwerer Schaden ist hier im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation für die Kläger nicht ersichtlich und ergibt sich insbesondere nicht aus den vorgelegten Arztbriefen und ärztlichen Attesten für die Klägerin zu 1).
(1) Gemäß § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird zudem vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss gemäß § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris Rn. 8; B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn. 7 f.; OVG LSA, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 5 ff.). Diese ärztliche Bescheinigung soll gemäß § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. § 60a Abs. 2c AufenthG gilt auch im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2018 – 15 ZB 18.32354 – juris Rn. 12; B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 6 ff.; B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris Rn. 6 ff.; 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn. 7; U.v. 13.12.2018 – 13a ZB 18.33056 – juris Rn. 7).
Gemessen hieran liegen dem Gericht auch unter Berücksichtigung der inner-halb der Schriftsatzfrist im Anschluss an die mündliche Verhandlung vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin zu 1) an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Die gesetzliche Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wurde nicht widerlegt. Mit den vorgelegten, unter Heranziehung der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) erstellten ärztlichen Stellungnahmen von Refugio München und von Herrn Dr. M. wurde keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die sich durch ihre Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, glaubhaft gemacht (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen lassen nicht den Schluss zu, dass sich die gesundheitliche, insbesondere die psychische Verfassung der Klägerin zu 1) im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation derart verschlechtern wird, dass sie dort akut suizid- oder in sonstiger Weise gesundheitlich existentiell gefährdet wäre.
Die ärztlich-psychotherapeutische Stellungnahme vom … … 2012 der Frau … … (* … …*) enthält zwar eine ausführliche Schilderung in Form des von der Klägerin zu 1) erzählten Befindens und der berichteten Erlebnisse, nicht jedoch auch die von der Ärztin durchgeführten weiteren Untersuchungen. Es wird lediglich auf eine eigene Exploration bzw. eine fachärztliche Untersuchung verwiesen, deren Inhalt jedoch völlig unklar bleibt. Die erstellte Prognose stützt sich im Wesentlichen auch auf die zwischenzeitlich überholte drohende Abschiebung nach Polen.
Aus den ärztlichen Attesten von Herrn … … vom … … 2017, 4. und … … 2019, sowie vom … … 2019 geht hinsichtlich der Diagnosen die Methode der Tatsachenerhebung und damit ihre Grundlage (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/047 – juris Rn. 15) nur teilweise – ebenfalls in Form des von der Klägerin zu 1) erzählten Befindens und der berichteten Erlebnisse, die völlig gegensätzlich zu den Aussagen in der ärztlichen Stellungnahme von Frau … … sind, nicht jedoch auch in Form vom Arzt durchgeführter weiterer Untersuchungen – sowie die konkrete Ausformung und damit Schwere der jeweiligen bei der Klägerin zu 1) diagnostizierten Krankheiten ebenfalls nicht in hinreichendem Umfang hervor (zur Erforderlichkeit dahingehender Aussagen vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2017 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 14.12.2018 – 1 ZB 18.33263 – juris Rn. 3).
Die ärztlichen Atteste des Herrn … … enthalten zwar wie auch die ärztliche Stellungnahme von Frau … … eine konkrete Diagnose und auch den Schweregrad der bei der Klägerin zu 1) diagnostizierten Erkrankungen. So wurde bei der Klägerin eine chronifizierte komplexe posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10:F43.1), eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10:F33.2) und eine generalisierte Angststörung (ICD-10:F41.1) diagnostiziert. Ausweislich des Arztbriefes vom … … 2017 und des fachärztlichen Attests vom … … 2019 wurden die Diagnosen jedoch tragend allein aus der bekannten Vorgeschichte gestützt, was den Anforderungen an eine qualifizierte (fach-)ärztliche Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG offensichtlich nicht genügt. Gerade bei der Diagnose einer Angststörung – die von Frau … … von … … nicht diagnostiziert wurde – sind aufgrund der Unschärfen des Krankheitsbildes und ihrer vielfältigen Symptome über die Diagnose hinausgehende Mindestanforderungen an das vorzulegende Attest zu stellen. Diese psychische Störung bedarf ebenso wie eine PTBS einer fundierten Exploration mittels Befragung des Betroffenen und regelmäßig für eine sichere Diagnose auch einer körperlichen Untersuchung, um organische Grunderkrankungen mit ähnlicher Symptomatik auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2018 – 1 ZB 18.33263 – juris Rn. 3).
Das fachärztliche Attest vom … … 2019 beschreibt schließlich von der Klägerin zu 1) geschilderte traumatisierende Ereignisse, nämlich die Verhaftung und Misshandlung durch russische Soldaten im August 2009, die im völligem Gegensatz zu den bei Frau … … von … … geschilderten traumatisierenden Vorfällen, nämlich die Ermordung des Ziehsohnes, Entführung des Ehemanns und Bedrohung der Kinder, stehen und verzichtet ebenfalls auf die Darstellung der Methodik, aufgrund derer Herr … … selbst zu seinen Diagnosen gekommen ist. Eine Auseinandersetzung mit den als Vorgeschichte bekannt vorausgesetzten und in der Stellungnahme von Frau … … als Trauma auslösend bezeichneten Ereignissen, nämlich den Tod des Ziehsohns, die Entführung des Ehemanns und die Bedrohung der Kinder, findet nicht statt. Schließlich ist aus den fachärztlichen Attesten von Herrn … … nicht erkennbar, wie konkret die bisherige Behandlung verlaufen ist, d.h. welche konkrete Therapie im Rahmen der „intensiven psychiatrischen Behandlung und begleitendenden Psychotherapie – abgesehen von der dargestellten medikamentösen Therapie und dem Hinweis auf eine nicht näher beschriebene Psychotherapie auf Dauer – erfolgte.
Zudem verhalten sich die ärztlichen Stellungnahmen nicht zu den Folgen, die sich aus der krankheitsbedingten Situation der Klägerin zu 1) voraussichtlich ergeben und aus denen sich ergeben könnte, dass die Klägerin zu 1) zum maßgeblichen Zeitpunkt gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es in diesem Fall zu einer existentiellen Gesundheitsgefahr für die Klägerin zu 1) käme, bleibt vielmehr offen.
Das Attest vom … … 2019 äußert sich nur dahingehend, dass bei einem Abbruch der Behandlung mit einer rapiden psychischen Entgleisung zu rechnen ist und weiterhin eine Behandlungsbedürftigkeit besteht. Soweit Herr Dr. M2. feststellt, dass bei einer Rückkehr ins Heimatland eine Verschlechterung des psychischen Zustands drohe und zwar aufgrund der permanent bestehenden Gefahr einer erneuten Verhaftung, handelt es sich bei der Feststellung des Bestehens einer solchen Gefahr um eine Rechtsfrage, die vom Gericht zu prüfen ist. Soweit das Attest zu der pauschalen Aussage kommt, dass eine Abschiebung der Klägerin zu1) schließlich zur Gefahr einer Retraumatisierung führe, ergibt sich daraus schon nicht mit hinreichender Konkretheit, welche gesundheitlichen Gefahren der Klägerin zu 1) im Fall einer Abschiebung drohen. Mangels jeglicher näherer Beschreibung der der Klägerin zu 1) unter ebenfalls nicht näher beschriebenen Voraussetzungen drohenden gesundheitlichen Gefahren ist zudem nicht ersichtlich, ob diese Gefahren der Klägerin zu 1) vornehmlich bedingt durch die Tatsache der (drohenden) Abschiebung bereits in Deutschland drohen, was kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen vermag, oder ob sich die gesundheitliche Lage erst infolge der Abschiebung in deren Zielstaat zu verschlechtern droht. Damit bezieht sich Attest nicht – wie für ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 60a Abs. 2c AufenthG erforderlich – eindeutig auf Gefahren, die der Klägerin im Zielstaat der Abschiebung aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation drohen. Mit der geltend gemachten Reiseunfähigkeit ist jedenfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit ein Umstand angesprochen, aufgrund dessen die Klägerin zu) im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland dort einer existentiellen Gesundheitsgefahr ausgesetzt wäre. Reiseunfähigkeit stünde bereits der Durchführung der Abschiebung der Klägerin entgegen und kann daher kein im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG allein relevantes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot begründen (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 9 ZB 13.30236 – juris Rn. 33).
Soweit in dem Attest vom … … 2019 festgestellt wird, dass bei einer Rückkehr in ihr Heimatland eine drastische Gesundheitsverschlechterung der Klägerin zu 1) eintreten könne, genügt dies den Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG schon deshalb nicht, weil eine drohende Gesundheitsverschlechterung nicht ansatzweise näher beschrieben wird. Dies wäre jedoch erforderlich, da ein gesundheitsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur im Fall einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung vorliegen kann und insofern nicht jegliche – auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit alsbald nach der Rückkehr ins Heimatland drohende und im Vergleich zum derzeitigen Zustand wesentliche – Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen vermag. Der Hinweis auf die Gefahr einer wesentlichen und alsbaldigen Gesundheitsverschlechterung der Klägerin zu 1) im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland – womit lediglich Teile der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für ein gesundheitsbezogenes Abschiebungsverbot wiederholt werden, nicht jedoch eine Tatsachengrundlage für die Bejahung dieser Voraussetzungen geliefert wird – sind insofern nicht hinreichend substantiiert.
(2) Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient nicht dazu, eine bestehende Erkrankung in der Bundesrepublik Deutschland optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern (vgl. OVG NRW, B.v. 14.6.2005 – 11 A 4518/02.A – juris Rn. 22 m.w.N.; VG Bayreuth, U.v. 1.9.2014 – B 3 K 14.30195 – juris Rn. 39). Diese Vorschrift stellt vielmehr alleine den Schutz vor einer alsbaldigen wesentlichen oder lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ausreisepflichtigen im Heimatland sicher, wenn eine bestehende Krankheit dort wegen mangelnder Ressourcen faktisch und/oder aus finanziellen Gründen nicht hinreichend behandelt werden kann. Der Ausreisepflichtige muss sich dabei aber grundsätzlich auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser niedriger ist als in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BayVGH, U.v. 16.5.2006 – 9 B 03.31193 – juris Rn. 42; VG München, U.v. 5.2.2015 – M 17 K 14.31233 – juris Rn. 25 m.w.N.).
Soweit die ärztlichen Atteste des Herrn … … vom … und … … 2019 die weitere Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin zu 1) in Form einer intensiven psychiatrischen sowie medikamentösen Behandlung feststellen, ist nach den aktuellen Erkenntnismitteln davon auszugehen, dass diese auch in ihrem Heimatland sichergestellt ist. Eine Behandlung der Erkrankungen der Klägerin zu 1) ist auch in der Russischen Föderation möglich. Die medizinische Versorgung in der Russischen Föderation ist zwar auf einfachem Niveau, jedoch grundsätzlich ausreichend. Zumindest in den Großstädten sind auch das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen vorhanden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13.2.2019, S. 21). So sind auch psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Störungen und Krankheiten, wie auch Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Mentale Krankheiten werden zwar hauptsächlich mit Medikamenten behandelt und es gibt nur selten eine Therapie. Jedoch sind Nachsorgeuntersuchungen und Psychotherapie auch für PTBS in der gesamten Russischen Föderation möglich, in Moskau werden unterschiedliche Arten von Therapien zur Behandlung von PTBS angeboten. Obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist, besteht ein System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten (vgl. Länderinformationsblatt ‚Russische Föderation‘ des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 91 ff.).
Daher gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zu 1) den Zugang zu der ihr nötigen Behandlung in Tschetschenien und der Russischen Föderation nicht erhalten könnte. Die Behandlung wird auch in der Bundesrepublik in russischer Sprache und lediglich alle vier Wochen durchgeführt. Diese Behandlungsdichte wird die Klägerin zu 1) daher trotz eventuell längerer Wartezeiten auch in ihrem Heimatlant aufrechterhalten können. Da es der Klägerin zu 1) auch vor ihrer Ausreise gelungen ist, für sich und ihre Kinder den Lebensunterhalt sichern zu können, ist davon auszugehen, dass sich die Klägerin zu 1) die entsprechenden Medikamente, soweit sie nicht kostenfrei sind, leisten kann, insbesondere da die mittlerweile erwachsenen Kinder nun selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können.
(3) Zusammenfassend kann daher dahinstehen, ob die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen auch deshalb die Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht zu widerlegen vermögen, weil die dort gestellten ärztlichen Diagnosen auf einem unglaubhaften Tatsachenvortrag beruhen, so dass die ärztlichen Bescheinigungen auch aus diesem Grund nicht geeignet sein können, eine Erkrankung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG glaubhaft zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 9 ZB 13.30236 – juris Rn. 32; B.v. 15.2.2017 – 9 ZB 14.30433 – juris Rn. 7).
(4) Schließlich wird darauf hingewiesen, dass der vom Klägerbevollmächtigten für den Fall der Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung angekündigte Beweisantrag aufgrund der dargelegten Mängel der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und der dadurch bedingten unzureichenden Glaubhaftmachung einer Erkrankung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG (bislang) nicht hinreichend substantiiert bzw. nicht entscheidungserheblich und aus diesem Grund abzulehnen wäre (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn. 5; OVG Bremen, B.v. 13.6.2018 – 2 LA 50/17 – juris Rn. 5).
Ebenso wenig ergibt sich aus den angekündigten Beweisanträgen die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts.
(5) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG.
Den von der Klägerin zu 1) vorgelegten ärztlichen Attesten ist keine (dauerhafte) Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit zu entnehmen. Die Klägerin zu 1) hat es nach eigenen Angaben schon vor ihrer Ausreise geschafft, sich eine Existenzgrundlage für sich und ihre Familie zu schaffen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihr das im Fall einer Rückkehr nicht wieder möglich sein soll. Das gilt auch für den Kläger zu 2) als gesunden, arbeitsfähigen Mann.
d. Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung im Fall beider Kläger nicht zu beanstanden. Die Ausreisefrist wurde mit 30 Tagen an der oberen Grenze des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angesetzt. Ebenfalls rechtmäßig ist das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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