Medizinrecht

Kein glaubhafter Vortrag eines traumatisierenden Ereignisses

Aktenzeichen  M 21 K 16.34824

Datum:
10.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Fehlt es an dem glaubhaften Vortrag eines Verfolgungsschicksals, ist die nach der klägerischen Schilderung vorgenommene ärztliche bzw. therapeutische Bewertung der Symptome der Erkrankung und die darauf gestützte Ableitung traumatisierender Ereignisse grundsätzlich nicht plausibel.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen ist die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2017 verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, zulässig, aber unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Der Kläger kann sich insbesondere nicht mit Erfolg auf ein von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasstes gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot berufen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des am 17. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nach § 60a Abs. 2c) Satz 1 bis 3 AufenthG in derselben Gesetzesfassung wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Bei der vom Kläger geltend gemachten posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich zudem um ein komplexes psychisches Krankheitsbild, bei dem nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen, sodass es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit und die Nachvollziehbarkeit des geschilderten Erlebens und der zu Grunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen ankommt. Aufgrund dieser Eigenart des Krankheitsbildes bestehen entsprechende Anforderungen an ärztliches Vorgehen und Diagnostik, die nach der Rechtsprechung nur von Fachärzten und Fachärztinnen für Psychiatrie oder für psychotherapeutische Medizin erfüllt werden können. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 –, BVerwGE 129, 251; BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 –, juris; BVerwG, B. v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 -, juris).
Letzte Voraussetzung erfüllt der vom Kläger vorgelegte Befundbericht nicht. Der Kläger ist bereits im Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die von ihm geltend gemachte Traumatisierung wird auf Erlebnisse in seinem Heimatland zurückgeführt. Warum der Kläger sich dann erst im Oktober 2016, also ein ganzes Jahr nach seiner Einreise, um einen Therapie Platz bemüht, erschließt sich dem Gericht nicht. Insbesondere äußert sich auch der vom Kläger vorgelegte Befundbericht des Beratungs- und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Folteropfer (Refugio München) hierzu nicht.
Überdies folgt die Unverwertbarkeit des vom Kläger vorgelegten Befundberichts auch aus dem völlig unglaubhaften Vortrag des Klägers zu den traumatisierenden Ereignissen in seinem Leben. Der Kläger hat im Rahmen der Behandlung die bereits in der Anhörung durch das Bundesamt vorgetragene Verfolgungsgeschichte wiederholt und weiter ausgebaut. An deren Wahrheitsgehalt hegt das Gericht erhebliche Zweifel. So ist beispielsweise der vom Kläger (auch) in der mündlichen Verhandlung nochmals vorgenommene Versuch, die Suche nach seiner Mutter plausibel zu schildern, gescheitert. Der Kläger hat bereits bei seiner Anhörung verschiedene Orte angegeben, in denen er seine Mutter gesucht habe. Er konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht erklären, warum er ausgerechnet in diesen Orten und warum ausgerechnet in dieser Reihenfolge nach seiner Mutter gesucht hat. Überdies sind auch die geographischen Angaben des Klägers fehlerhaft. Bei seiner Anhörung erklärte der Kläger, dass 567 km von Tessalit und 354 km von Kidal entfernte Gao liege zwischen den beiden Orten. Schließlich ist auch sein Vortrag, wonach ihn der Anführer der Islamistengruppe mit seinem Wagen nach Hause gefahren habe, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sein Heimatort eine zwischen 15 und 16 Stunden dauernde Autofahrt von Gao entfernt ist, gänzlich lebensfern.
Fehlt es damit insgesamt an einem glaubhaften Vortrag des Klägers, so ist die nach der Schilderung des Klägers vorgenommene ärztliche bzw. therapeutische Bewertung der Symptome der Erkrankung und die darauf gestützte Ableitung traumatisierender Ereignisse im Leben des Klägers grundsätzlich nicht plausibel. Die Tatsachengrundlagen, die ursächlich für die Traumatisierungen des Asylbewerbers sein sollen, sind vorliegend gerade nicht zur richterlichen Überzeugung glaubhaft gemacht. Die darauf gestützten therapeutischen Bewertungen zur weiteren Behandlungsbedürftigkeit des Klägers sind damit nicht auf tatsächliche Grundlagen gestützt, die die Diagnosen tragen können (vgl. VG München – U. v. 21.2.2017 – M 21 K 14.31075 – juris Rn. 34).
Die Klage ist nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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