Aktenzeichen 9 ZB 19.31230
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 138 Nr. 3
Leitsatz
1 Von einer willkürlichen Ablehnung eines Beweisantrags kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (Anschluss an BVerfG BeckRS 2015, 50913). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 14 K 17.35149 2019-02-14 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 GG) wegen der Ablehnung von in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 14. Februar 2019 gestellten Beweisanträgen liegt nicht vor.
Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 4 m.w.N.).
1. Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze begründet die Ablehnung, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger an einer behandlungsbedürftigen schweren psychiatrischen Krankheit leidet und dass im Fall einer Rückführung nach Sierra Leone mit einer schweren lebensgefährlichen Erkrankung gerechnet werden muss, den benannten behandelnden Arzt zu vernehmen (Beweisantrag zu 1) sowie ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag zu 4), als nicht hinreichend substantiiert und nicht entscheidungserheblich keinen Gehörsverstoß. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils zutreffend darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG die Vorgaben zu den qualitativen Anforderungen an ärztliche Atteste nach § 60a Abs. 2c AufenthG zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 9 ZB 19.30999 – juris Rn. 6 m.w.N.). Es hat diese nicht als erfüllt angesehen und sowohl im Urteil als auch in den Gründen zur Ablehnung der Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung zu den Defiziten der vorgelegten Atteste, insbesondere zu dem von Klägerseite als maßgeblich bezeichneten Attest vom 11. Februar 2019, welches – wie auch das Verwaltungsgericht feststellt – allerdings von einer Fachärztin für Psychiatrie unterzeichnet ist, die nach Bekunden von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung nicht die behandelnde Psychiaterin des Klägers ist, umfänglich und nachvollziehbar ausgeführt. Das Verwaltungsgericht hat dabei sachlich begründet zum Ausdruck gebracht, dass es anhand der vorgelegten Atteste – sowohl einzeln betrachtet als auch in der Gesamtschau – nicht möglich ist, festzustellen, auf welcher Grundlage ein Facharzt zu seiner Diagnose gelangt ist, wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt und warum mit welchen Entwicklungen im Fall der Rückkehr nach Sierra Leone gerechnet werden muss.
Entgegen dem Zulassungsvorbringen lassen die im Attest vom 11. Februar 2019 enthaltenen Angaben zu den Beschwerden des Klägers („Schlafstörungen, die Stimmung sei schlecht, er sei freudlos, oft habe er auch starke Kopfschmerzen„) und zum psychischen Befund („im Kontaktverhalten distanziert, deutlich depressive Grundstimmung, im Affekt flach, die emotionale Ausdrucksfülle und die affektive Schwingungsfähigkeit sind erheblich vermindert, Antriebsminderung, paranoide Denkinhalte lassen sich nicht eruieren, dass kognitive Leistungsvermögen ist aufgrund der sprachlichen Probleme nicht beurteilbar“) nicht den Schluss auf das Vorliegen einer schweren Depression (vgl. schwere depressive Episode nach ICD 10 F 32.2.) zu. Selbst wenn man der – hier nicht vertretenen – Meinung wäre, dass trotz des Fehlens einer näheren Beschreibung der Krankengeschichte und des Beschwerdebildes die genannten wenigen Angaben die Grundlage für die Diagnose einer depressiven Erkrankung darstellen könnten, lässt sich jedenfalls – wie das auch das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – die angegebene Schwere des Krankheitsbildes nicht nachvollziehen. Dies gilt auch unabhängig von der Frage, ob dem Verwaltungsgericht vorliegend darin zu folgen ist, dass im fachärztlichen Attest eine Auseinandersetzung mit anderslautenden Vordiagnosen hätte erfolgen müssen. Uneingeschränkt zuzustimmen ist dem Verwaltungsgericht darin, dass dem Attest vom 11. Februar 2019 bei zumindest hinsichtlich der Schwere der Erkrankung völlig unklarem Bild nicht entnommen werden kann, auf welcher Tatsachengrundlage die ausstellende Ärztin zu ihrer Folgenprognose kommt. Dass der Kläger Suizidgedanken oder -handlungen angegeben hätte, kann dem betreffenden Attest oder den sonst noch vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht entnommen werden. Eine akute Suizidgefahr wurde danach auch nicht festgestellt. Wieso es im Fall der Rückkehr des Klägers nach Sierra Leone zu einer erheblichen „Zunahme der Erkrankung bis hin zu Suizidalität“ kommen könnte, ist im Attest vom 11. Februar 2019 unzureichend allein damit begründet, dass die erforderliche konsequente Weiterbehandlung im Heimatland vermutlich nicht zur Verfügung stehe. Zur Behandlung kann dem Attest allerdings nur entnommen werden, dass regelmäßige Konsultationen und eine Medikation mit Antidepressiva erfolgen. Die verschriebenen Medikamente werden nur namentlich genannt, ihre Dosierung wird nicht angegeben. Nach alledem lässt sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG), nicht nachvollziehen.
Das Verwaltungsgericht vertritt entgegen dem weiteren Zulassungsvorbringen auch nicht die Auffassung, das vorgelegte ärztliche Attest vom 11. Februar 2019 sei deshalb nicht beachtlich, weil sich die attestierende Ärztin nicht zur Durchführung bzw. zur Erforderlichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung erklärt habe, oder weil ein Behandlungsplan nicht vorgelegt worden sei. Vielmehr stellt es zwar fest, dass ein hinreichend konkreter Behandlungsplan, insbesondere ein klares psychotherapeutisches Vorgehen, nicht erkennbar sei, argumentiert damit bei einer Gesamtschau seiner Ausführungen ersichtlich aber nur dafür, dass der bisherige Behandlungsverlauf nicht nachvollziehbar ausgeführt wurde (s. UA S. 9 f.). Dies wäre jedoch erforderlich gewesen (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 8 ZB 18.33333 – juris Rn. 7; B.v. 13.12.2018 – 13a ZB 18.33056 – juris Rn. 8).
2. Aus den vorstehenden Ausführungen zu den Beweisanträgen zu 1 und zu 4 ergibt sich, dass die Beweisanträge zu 2 und 3 betreffend die Einvernahme des behandelnden Arztes und die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, jeweils zum Vorliegen einer schweren Depression, ebenfalls unsubstantiiert waren und das Verwaltungsgericht sie daher im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat. Dass es die Beweisanträge zu 2 und 3 nicht bereits als unsubstantiiert und damit unzulässig, sondern als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat, ist insoweit nicht von Belang. Ob dies im Falle eines substantiierten Beweisangebots vertretbar gewesen wäre, kann dahinstehen.
Die Ablehnung des Beweisantrags zu 5 betreffend die Frage, ob die ambulante und stationäre psychiatrische Behandlung des Klägers in Sierra Leone gewährleistet wäre, ist mangels substantiierter Darlegung einer Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG jedenfalls nicht entscheidungserheblich und war daher mit der zutreffenden Begründung des Verwaltungsgerichts ebenfalls abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).