Medizinrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  Au 3 K 18.30182

Datum:
23.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18402
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angegriffene Bescheid vom 8. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
1. Es besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist die Einzelrichterin davon überzeugt, dass der Kläger sein Heimatland nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung in diesem Sinne verlassen hat. Denn die Angaben des Klägers sind nicht geeignet, die Annahme einer vor seiner Ausreise tatsächlich erlittenen oder unmittelbar drohenden flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung zu rechtfertigen. Der Kläger hat darüber hinaus auch bei einer Rückkehr nach Pakistan eine solche Verfolgung nicht zu erwarten.
a) Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist. Die Angaben des Klägers sind in weiten Teilen widersprüchlich, überzogen und damit unglaubhaft.
In erster Linie agiert die MQM nicht als radikale, terroristische Partei in Pakistan, sondern ist vielmehr eine liberale Partei. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Partei derart intensive und aggressive Bemühungen anstellt, um gerade den Kläger zu einer Teilnahme zu bewegen. Der Kläger führte in seiner Anhörung aus, dass wiederholt bewaffnete Parteimitglieder zu ihm gekommen seien und ihn schließlich entführt hätten. Unterstellt man terroristische Strukturen in der MQM, so ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits beim ersten Mal entführt und unter Druck gesetzt worden wäre.
Auch der Vortrag, es seien bewaffnete Parteimitglieder in sein Büro gekommen, hätten ihn bedroht und er habe danach eine Stunde Computerspiele gespielt, ist unglaubhaft. Eine Bedrohung durch Bewaffnete stellt ein einschneidendes Erlebnis dar. Dass der Kläger als Reaktion darauf noch in Ruhe Computerspiele spielen konnte, spricht dafür, dass der Vorfall sich nicht so ereignet hat.
Insgesamt hat der Kläger nicht dargelegt, worin genau die Bedrohungen bestanden. Er gab auch dann, dass er sich schließlich entschlossen habe, mitzumachen, aber keine Menschen entführen zu wollen, er hätte auch nicht geglaubt, dass Leute umgebracht werden sollen. Er habe auch eine Pistole erhalten. Später in der Anhörung wiederum führte er aus, zwei Personen entführt zu haben. Dass ein gebildeter Mann mit abgeschlossenem Studium, eine Pistole erhält und nicht in Betracht zieht, was damit alles geschehen soll, ist unglaubhaft.
Überzogen erscheint auch der Vortrag, die Parteimitglieder hätten ihn zuerst gefoltert und daraufhin gelacht und sich bei ihm entschuldigt. Ein solches Verhalten erscheint für Angehörige des angeblich terroristisch-militärisch geprägten Parteiflügels realitätsfremd.
Überdies ist es ihm nach eigenen Angaben gelungen, unbehelligt zu seinem Onkel in * zu reisen, ohne dass die MQM ihn verfolgt hätte. Schließlich kehrte er aus freien Stücken zurück nach, was dafür spricht, dass er selbst die Bedrohung und Verfolgung durch die MQM nicht mehr fürchtete.
Widersprüche finden sich selbst im Vortrag des Klägers im Rahmen seiner medizinischen Untersuchung, was unterstreicht, dass der Vortrag des Klägers insgesamt überzogen und konstruiert erscheint. In der beim Bundesamt durchgeführten Anhörung gab er zum Beispiel an, vier bis viereinhalb Jahre Mitglied der Partei gewesen zu sein. Das ärztliche Gutachten vom 3. Januar 2020 der *klinik * führt hingegen aus, dass der Kläger nach eigenen Angaben acht Jahre Mitglied in der Partei war. Beim Bundesamt gab er in der Anhörung auch an, er habe die Tötung von zwei Personen miterleben müssen. Im Gutachten vom 18. Juni 2020 wird hingegen ausgeführt, dass es vier gewesen seien.
Zwar hat der Kläger ein ärztliches Attest vorlegen lassen, dass bescheinigt, dass in einem Gelenk der Hand eine Instabilität sowie eine Beugefehlstellung bestehen. Allerdings kann das Attest nicht zum Beweis für die angeblich erlittene Misshandlung dienen, denn aus dem Attest lässt sich nicht herauslesen, woher die Verletzungen stammen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die vom Arzt festgestellten Einschränkungen auf andere als die vorgetragenen Vorfälle zurückgehen.
Auf Grund der Widersprüche ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht von selbst Erlebtem berichtet, sondern die Verfolgungsgeschichte insgesamt frei erfunden hat.
Selbst wenn der klägerische Sachvortrag im Kern als zutreffend angesehen würde, wäre eine vom Kläger in Pakistan erlittene oder zum Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar drohende flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG nicht zu bejahen. Denn es ist nicht erkennbar, dass die vermeintlichen Repressionen, die der Kläger erlitten haben will, an ein tatsächliches oder – aus Sicht der Akteure – vermeintlich bestehendes Merkmal im Sinne § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG angeknüpft („wegen“) hätten.
b) Unabhängig davon stand und stünde dem Kläger in seinem Herkunftsstaat vor seiner Ausreise und auch derzeit bei einer Rückkehr nach Pakistan jedenfalls eine die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließende zumutbare interne Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zur Verfügung (vgl. etwa VG Augsburg, U.v. 22.2.2019 – Au 3 K 18.31278).
In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. In Pakistan existiert kein funktionierendes Meldewesen, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Angesichts der hohen Bevölkerungszahl in Pakistan und mehrerer Millionenstädte landesweit ist nicht ersichtlich, dass eventuell den Kläger bedrohende Personen die Möglichkeit hätten, diesen auch in einer anderen Provinz und/oder landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen (vgl. dazu insgesamt VG Augsburg, U.v. 5.8.2019 – Au 3 K 17.33514; VG München, U.v. 5.3.2019 – M 32 K 16.35466). Hinzu kommt, dass die MQM hauptsächlich in Karachi agiert.
In den Großstädten und in anderen Landesteilen Pakistans kann der Kläger als junger, erwachsener und gebildeter Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen auch ein ausreichendes Einkommen finden. Zwar ist das Leben in den Großstädten teuer, allerdings haben viele Menschen kleine Geschäfte oder Kleinstunternehmen. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis. Es kann somit vom Kläger erwartet werden, dass er sich in einem dieser Landesteile niederlässt (vgl. nur VG Augsburg, U.v. 22.2.2019 – Au 3 K 18.31278; VG München, U.v. 13.3.2019 – M 5 K 16.36335; VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674).
Im vorliegenden Fall ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan auch an bestehende familiäre Netzwerke anknüpfen könnte. Die Familie des volljährigen Klägers lebt noch in * bzw. *. Der Vater des Klägers ist Polizist und bestreitet so den Lebensunterhalt. Damit verfügt er über einen aufnahmefähigen und finanziell leistungsfähigen Familienverband.
Der Kläger ist auch gesundheitlich in der Lage, seinen Lebensunterhalt in Pakistan selbst zu sichern (dazu sogleich).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes im Sinn des § 4 Abs. 1 AsylG, § 60 Abs. 2 AufenthG.
a) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt, wenn inländische Fluchtalternativen im Sinn von § 3e AsylG bestehen.
b) Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes im Sinn des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) hat der Kläger nicht geltend gemacht. Es droht ihm auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (zu den Begriffen vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 156 ff) durch einen Verfolgungsakteur im Sinn des § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) liegen nicht vor, weil in Pakistan gegenwärtig kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt. Zudem weisen die dem Kläger in Pakistan drohenden allgemeinen Gefahren keine derart hohe Dichte bzw. keinen derart hohen Grad auf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist (zu den rechtlichen Maßstäben einschließlich des lokalen Anknüpfungspunktes vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15,17,18; BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 13a ZB 14.30449 – juris Rn. 10). Bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von über 200 Millionen Menschen in Pakistan ist das Risiko, als Zivilperson Schaden an Leib oder Leben durch Anschläge zu erleiden, verschwindend gering (vgl. VG München, B.v. 29.1.2019 – M 32 K 16.35462 – BeckRS Rn. 17; so auch bereits VG Augsburg, B.v. 16.8.2017 – Au 3 S 17.34173). Eine Verfolgung durch die MQM hat der Kläger – wie bereits oben ausgeführt – nicht glaubhaft gemacht.
Im Übrigen steht dem Kläger – wie oben ausgeführt – die Möglichkeit internen Schutzes offen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
3. Schließlich besteht auch kein Abschiebungsverbot.
a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen der allgemeinen Versorgungslage in Pakistan besteht nicht, weil zu erwarten ist, dass der Kläger eine Lebensgrundlage erwirtschaften kann (s.o.)
b) Der Kläger leidet auch nicht an einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die sich im Falle einer Abschiebung erheblich verschlechtern würde.
Das Gericht geht unbeschadet des § 87b Abs. 3 VwGO nicht davon aus, dass der Kläger nicht an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und auch nicht an einer anderweitigen depressiven Störung leidet. Der Kläger hat erstmals am 19. Juni 2020 durch seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, dass er an verschiedenen Erkrankungen leidet.
aa) Der Kläger beruft sich auf das Vorliegen einer PTBS. Bezüglich dieser Erkrankung wird unter Diagnoseschlüssel F43.1 der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification Version 2015 – ICD-10-GM Version 2015 – Folgendes ausgeführt:
„Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über.“
Das Gericht kann nicht feststellen, dass beim Kläger ein solches Krankheitsbild vorliegt. Anlass zu weiteren diesbezüglichen Ermittlungen von Amts wegen besteht nicht.
Soweit der Kläger sich für das Vorliegen einer PTBS auf die fachärztlichen Stellungnahmen vom 3. Januar und vom 18. Juni 2020 (Dr. *) beruft, fehlt es schon an der nötigen Substantiierung einer solchen Erkrankung. Es besteht zwar keine Pflicht des Rechtschutzsuchenden zur Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO, und auch eine Beweisführungspflicht ist regelmäßig zu verneinen. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes einer PTBS sowie seiner vielfältigen Symptome ist dennoch regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests zu fordern. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu zählen etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – juris Rn. 13 und 15).
Diese Voraussetzungen erfüllt die vorgelegte Stellungnahme nicht.
Bereits die Grundlage, auf der die Diagnose gestellt wurde, ist unzureichend, denn die Stellungnahme geht von falschen Voraussetzungen aus. Für die Annahme einer PTBS kommt es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit eines geschilderten inneren Erlebens und der zu Grunde liegenden äußeren Erlebnistatsachen an. Bei der PTBS handelt es sich nämlich um ein innerpsychisches Erleben, das sich einer Erhebung äußerlich-objektiver Befundtatsachen weitgehend entzieht. Dieses innerpsychische Erleben setzt zwingend ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, voraus (DIMDI, ICD-10-GM Version 2015, Diagnoseschlüssel F43.1). Die vom behandelnden Arzt seiner Diagnose einer PTBS zugrunde gelegte äußere Erlebnisgrundlage entspricht indes nicht den Tatsachen, die im Streitfall nach Aktenlage und Klägervorbringen anzunehmen sind.
Denn die Schilderung des Klägers zu den Ursachen seiner Traumatisierung ist – wie dargestellt – nicht glaubhaft. Überdies trifft der Arztbrief keinerlei Aussage dazu, weshalb der Kläger einmal in 2014 und dann fünf Jahre nicht mehr in Behandlung war. Im Jahr 2014 besuchte er außerdem nur die Ambulanz, eine Therapie machte er nicht. Die Stellungnahmen treffen auch nur teils eine Aussage zur Schwere der einzelnen Erkrankungen; darüber hinaus wird auch nicht angeführt, wie häufig der Kläger in ärztlicher Behandlung war.
bb) Der Kläger leidet zur Überzeugung des Gerichts auch nicht an einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD 10 F 33.1).
Das Gericht geht davon aus, dass die besonderen Anforderungen an die Substantiierung einer posttraumatischen Belastungsstörung, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17.07 – juris Rn. 15) jedenfalls dann auf andere psychische Erkrankungen anwendbar sind, wenn diese (1.) eine Unschärfe des Krankheitsbildes sowie vielfältige Symptome aufweisen (das ausreichen lassend OVG NRW, Bv. 21.3.2017 – 19 A 2461/14.A – juris Leitsatz) und (2.) – wie regelmäßig bei gleichzeitiger Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung – lediglich eine Begleiterscheinung der posttraumatischen Belastungsstörung sind, insbesondere ihre Ursache in einem traumatisierenden Erlebnis haben. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Posttraumatische Belastungsstörungen häufig mit einem depressiven Syndrom verbunden sind (s.o.). Würden die erhöhten Substantiierungsanforderungen nicht auf für typische Begleitdiagnosen einer PTBS (vgl. für eine „depressive Symptomatik im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung“ BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17.07 – juris Rn. 16) gelten, liefen sie in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle letztlich leer. Etwas Anderes kann allenfalls gelten, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles ausnahmsweise Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die weitere psychische Erkrankung eine selbständige, namentlich eine von der PTBS unabhängige Bedeutung hat.
Die so umschriebenen Voraussetzungen für die Übertragung der Substantiierungsanforderungen sind vorliegend für die vom Kläger behauptete mittelgradige depressive Episode im Rahmen einer rezidivierenden Depression erfüllt. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die entsprechende Diagnose ausnahmsweise eine selbständige, von der PTBS unabhängige Bedeutung hätte. Die fachärztliche Stellungnahme vom 3. Januar 2020 geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass die Depression Folge der Belastungsstörung sei.
cc) Soweit man schließlich unterstellen wollte, dass der Kläger unter gastroösophagialer Refluxkrankheit leidet, handelt es sich dabei offensichtlich nicht um eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG.
c) Selbst eine nachgewiesene posttraumatische Belastungsstörung oder depressive Störung ebenso wie die der schädliche Alkoholgebrauch würde nicht zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung führen. Die medizinische Versorgung in Pakistan ist in den staatlichen Krankenhäusern gewährleistet. Bedürftige werden dort kostenlos behandelt. Hierfür genügt bereits die Erklärung des Patienten, dass die Behandlung nicht bezahlt werden könne. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten einschließlich Psychopharmaka ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten können zudem – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – die meisten Krankheiten behandelt werden (vgl. dazu VG Augsburg, U.v. 9.4.2018 – Au 3 K 19.30306). Selbst eine posttraumatische Belastungsstörung und eine damit im Zusammenhang stehende Depression können in Pakistan nicht nur medikamentös behandelt werden, vielmehr ist auch eine Behandlung durch Psychiater und Psychologen und mittels einer Psychotherapie möglich (vgl. VG Augsburg, U.v. 12.7.2019 – Au 3 K 19.30655).
3. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, weist keine Rechtsfehler auf. Die Länge der Frist liegt im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Dass insoweit besondere Umstände vorlägen, die eine Verkürzung der Frist als zwingend erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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