Medizinrecht

Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen

Aktenzeichen  L 11 AS 717/17 NZB

Datum:
6.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131465
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 32, § 59
SGB III § 309 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

1. Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen.
2. Allein die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss nicht immer einen wichtigen Grund für das Nichterscheinen zu einem Meldetermin darstellen. (Rn. 9)

Verfahrensgang

S 13 AS 59/17 2017-09-13 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.09.2017 – S 13 AS 59/17 – wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 um 10 v. H. des Regelbedarfes.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 06.06.2016 Alg II für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2016. Nachdem der Kläger zu einem Termin unter Vorlage einer am 05.09.2016 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 05.09.2016 bis 23.09.2016 nicht erschienen war, lud der Beklagte ihn mit Schreiben vom 06.09.2016 zum 15.09.2016 erneut zur Besprechung seiner beruflichen Situation unter Erteilung einer Rechtsfolgenbelehrung ein. Im Falle des Nichterscheinens aus gesundheitlichen Gründen solle der Kläger eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, aus der hervorgehe, dass er aus gesundheitlichen Gründen gehindert sei, den Termin wahrzunehmen. Der Kläger erschien zum Termin nicht und berief sich im Rahmen der Anhörung auf die bereits vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.09.2016. Mit Bescheid vom 20.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2016 stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung in Höhe von 10 v. H. des Regelbedarfes (40,40 € monatlich für 2016) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 fest und hob die bereits bewilligten Leistungen für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.12.2016 auf. Mit Bescheid vom 15.11.2016 bewilligte der Beklagte Alg II für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2017, wobei für Januar 2017 eine Minderung erfolgte.
Gegen den Bescheid vom 20.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge zur Annahme eines wichtigen Grundes für sein Nichterscheinen. Das SG hat am 13.09.2017 nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung beschlossen, nach Lage der Akten zu entscheiden und die Klage mit Urteil vom 13.09.2017 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vorgeschichte sei der Beklagte berechtigt, die Einladung mit dem Hinweis zu verbinden, eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung sei vorzulegen, um für das Nichterscheinen einen wichtigen Grund zu haben. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 05.09.2016 bis 23.09.2016 vorgelegt; dies genüge nach der Geschäftsanweisung der Bundesagentur. Aus § 309 Abs. 3 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 59 SGB II ergebe sich ebenfalls, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge. Ansonsten hätte der Beklagte eine ärztliche Untersuchung anordnen müssen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.Aufl, § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist vorliegend nicht zu erkennen. Entsprechend dem Urteil des BSG vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R – (veröffentlicht in juris) kann in begründeten Einzelfällen eine Bescheinigung darüber gefordert werden, dass ein Meldetermin nicht wahrgenommen werden kann. Vom Vorliegen eines solchen Einzelfalles ist vorliegend das SG ausgegangen, wobei es aus diesen vorangegangenen Verhalten des Klägers sowie der Tatsache, dass der Kläger trotz Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung laut dem Beklagten eine Busfahrt nach L-Stadt am 06.09.2016 hat unternehmen können, zu Recht geschlossen hat, dass es sich vorliegend um einen besonderen Fall handelt, und die Vermutung des Vorliegens eines wichtigen Grundes durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entkräftet ist. Die Rechtsfrage, ob allein eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich ausreicht, einen wichtigen Grund für ein Nichterscheinen darzustellen, ist somit bereits geklärt.
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat der Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein Verhalten darzulegen und nachzuweisen. Vorliegend hat sich der Kläger lediglich auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.09.2016 berufen. Das SG hat aber im vorliegenden Einzelfall gerade nicht die fehlende Möglichkeit, am 15.09.2016 zu erscheinen, als dargelegt und nachgewiesen angesehen, denn der Beklagte hat hierzu aufgrund vorangegangener Erkenntnisse den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreiche. Zudem hat der Beklagte – unwidersprochen – im Rahmen des Klageverfahrens darauf hingewiesen, dass der Kläger trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit mit dem Bus nach L-Stadt fahren habe können, so dass einem Aufsuchen der Beklagten damit zumindest eine sogenannte Wegeunfähigkeit nicht entgegen gestanden hätte. Weitere Darlegungen eines wichtigen Grundes für sein Nichterscheinen durch den Kläger sind nicht erfolgt. Damit aber ist die trotz der Darlegungs- und Nachweispflicht weiter bestehende Amtsermittlungspflicht des Beklagten im vorliegenden Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit auch nicht klärungsfähig (zu weiter bestehenden Amtsermittlungspflicht trotz der Darlegungs- und Nachweislast des Leistungsberechtigten vgl. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 32 Rn. 27 i.V.m. § 31 Rn. 68 ff.).
Eine Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung ist durch das SG im vorliegenden Fall auch nicht zu erkennen.
Verfahrensfehler werden vom Kläger nicht geltend gemacht, so dass auch die Frage, ob nach der laut Protokoll eröffneten mündlichen Verhandlung eine Entscheidung nach Lage der Akten noch möglich ist, nicht eingegangen zu werden braucht.
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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