Medizinrecht

Klage gegen den Betrieb eines EMS-Mikrostudios

Aktenzeichen  M 26a E 20.5958

Datum:
24.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33774
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
8. BayIfSMV § 10, § 12
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin betreibt verschiedene Studios, in denen sie Elektrische-Muskelstimulations-Trainings (EMS-Trainings) in Form von Personal Trainings anbietet. Sie begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sie die Studios auch unter den Vorgaben der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) weiterbetreiben kann.
Die 8. BayIfSMV vom 30. Oktober 2020 (BayMBl. Nr. 616, BayRS 2126-1-12-G), die durch Verordnung vom 12. November 2020 (BayMBl. Nr. 639) geändert worden ist, enthält in ihrer aktuellen Fassung unter anderem folgende Regelungen:
㤠10 Sport
(1) 1Die Ausübung von Individualsportarten ist nur allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands erlaubt. 2Die Ausübung von Mannschaftssportarten ist untersagt. 3Abs. 2 bleibt unberührt.“
(2) Der Wettkampf- und Trainingsbetrieb der Berufssportler sowie der Leistungssportler der Bundes- und Landeskader ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
1. Die Anwesenheit von Zuschauern ist ausgeschlossen.
2. Es erhalten nur solche Personen Zutritt zur Sportstätte, die für den Wettkampf- oder Trainingsbetrieb oder die mediale Berichterstattung erforderlich sind.
3. Der Veranstalter hat zur Minimierung des Infektionsrisikos ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und zu beachten, das auf Verlangen den zuständigen Behörden vorzulegen ist.
(3) 1Der Betrieb und die Nutzung von Sporthallen, Sportplätzen, Fitnessstudios, Tanzschulen und anderen Sportstätten ist untersagt. 2Abweichend von Satz 1 ist für die in Abs. 1 Satz 1 genannten Zwecke der Betrieb und die Nutzung von Sportstätten unter freiem Himmel zulässig. 3Abs. 2 und § 18 bleiben unberührt.
§ 12 Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
(1) 1Für Betriebe des Groß- und Einzelhandels mit Kundenverkehr gilt:
1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann.
2. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 10 m2 Verkaufsfläche.
3. Für das Personal, die Kunden und ihre Begleitpersonen gilt Maskenpflicht; soweit in Kassen- und Thekenbereichen von Ladengeschäften durch transparente oder sonst geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet ist, entfällt die Maskenpflicht für das Personal.
4. Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
2Für Einkaufszentren gilt:
1. Hinsichtlich der einzelnen Ladengeschäfte gilt Satz 1.
2. Hinsichtlich der verbindenden Kundenpassagen gilt Satz 1 mit der Maßgabe entsprechend, dass das Schutz- und Hygienekonzept die gesamten Kundenströme des Einkaufszentraums berücksichtigen muss.
(2) 1Für Dienstleistungsbetriebe mit Kundenverkehr gilt Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4. 2Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, sind untersagt (zum Beispiel Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios). 3Abweichend von Satz 2 sind Dienstleistungen des Friseurhandwerks unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zulässig (…).
Auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/haeufig-gestellte-fragen/, zuletzt aufgerufen am 23. November 2020) heißt es in der Rubrik „Fragen zu Betrieben/Betriebsuntersagungen“ auf die Frage: „Dürfen Yoga- und EMS-Studios offen bleiben?“:
„Yoga-Studios und EMS-Studios werden zwar nicht unter den Begriff der Fitnessstudios gefasst, jedoch handelt es sich hierbei um Sportstätten i. S. d. § 10 Abs. 3 der 8. BayIfSMV. Dies gilt auch für die Yoga- und EMS Studios, die nur Einzeltraining anbieten.“
Auf die Frage: „Ist Personal Training erlaubt?“ wird ausgeführt:
„Personal Training unterfällt nicht dem Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 2 der 8. BayIfSMV, da der Sportcharakter im Vordergrund steht, so dass sich die Zulässigkeit nach § 12 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 der 8. BayIfSMV nach den dortigen Vorgaben bemisst: allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands und in Sportstätten nur unter freiem Himmel. Werden diese Vorgaben eingehalten, so ist das Personal Training zulässig.“
Mit Schriftsatz vom 19. November 2020 wandte sich die Antragstellerin an das Bayerische Verwaltungsgericht München und beantragt,
Im Wege der einstweiligen Anordnung wird festgestellt, dass es der Antragstellerin erlaubt ist, ihre EMS-Mikrostudios zu betreiben und Personaltraining im Rahmen von Einzeltrainings oder Trainings für zwei Personen, die demselben Hausstand angehören, in kontaktfreier Durchführung ohne Verwendung von Sporthilfsmitteln (Hanteln, Gewichte, etc.) in den Studios der Antragstellerin nach den Vorgaben der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) vom 30. Oktober 2020 in der geänderten Fassung vom 12. November 2020 durchführen zu dürfen.
Hilfsweise festzustellen, dass es der Antragstellerin erlaubt ist, ihre EMS-Mikrostudios zu betreiben und Personaltrainings entsprechend im Rahmen von Einzeltrainings in kontaktfreier Durchführung ohne Verwendung von Sporthilfsmitteln (Hanteln, Gewichte, etc.) in den Studios der Antragstellerin nach den Vorgaben der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8.BayIfSMV) vom 30. Oktober 2020 in der geänderten Fassung vom 12. November 2020 durchführen zu dürfen.
Festzustellen, dass der Betrieb der Studios der Antragstellerin für die Durchführung Elektrischer Muskelstimulations-Trainings in Form von Personal Trainings (Einzeltrainings oder Trainings für zwei Personen, die demselben Hausstand angehören) in kontaktfreier Durchführung ohne Verwendung von Sporthilfsmitteln (Hanteln, Gewichte, etc.) in den Studios der Antragstellerin unter den Begriff der Dienstleistung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) vom 30. Oktober 2020 in der geänderten Fassung vom 12. November 2020 fallen und somit unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 BayIfSMV erlaubt sind.
Hilfsweise festzustellen, dass die EMS-Mikrostudios der Antragstellerin im Rahmen der Durchführung von Einzeltrainings oder Trainings für zwei Personen, die demselben Hausstand angehören, in kontaktfreier Durchführung ohne Verwendung von Sporthilfsmitteln (Hanteln, Gewichte, etc.) nicht unter den Begriff „Fitnessstudio“ im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) vom 30. Oktober 2020 in der geänderten Fassung vom 12. November 2020 fallen.
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, es liege ein umfassendes Hygienekonzept vor, das die Anforderungen der § 1 Satz 2 und 3, § 4 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr.1, 3 und 4 der 8. BayIfSMV erfülle. Es handele es sich um keine nach § 10Abs. 3 der 8. BayIfSMV untersagte Einrichtung, insbesondere keine Sportstätte und kein Fitnessstudios. In den Studios befänden sich zwei EMS-Trainingsgeräte, die während eines Trainings von je einer Person genutzt würden. Aufgrund der Position der Geräte sei der Mindestabstand zwischen den anwesenden Personen sichergestellt. Das EMS-Training finde in Form von Einzeltrainings mit maximal zwei gleichzeitig trainierenden Personen und maximal einem Trainer und einer Gesamtdauer von 30 Minuten statt. Insgesamt seien gleichzeitig – mit einem weiteren Mitarbeiter am Empfang – maximal vier Personen in den Studios anwesend. Das Training finde nur nach vorheriger Anmeldung statt. Außer einer EMS-Weste pro Person würden keine weiteren Hilfsmittel verwendet. Für die Wertung sei nicht entscheidend, dass der Kunde seine Fitness verbessern und Muskeln aufbauen wolle, sondern dass das Konzept der Studios aus Infektionsschutzgesichtspunkten nicht mit den Einrichtungen nach § 10 Abs. 3 der 8. BayIfSMV vergleichbar sei. Diesen sei gemein, dass sie der sportlichen Betätigung einer Mehrzahl von Personen dienten, die sich gleichzeitig dort aufhielten. Beim Angebot der Antragstellerin handele es sich daher um Dienstleistungen, für die § 12 Abs. 2 der 8. BayIfSMV gelte. Ein Fall der körpernahen Dienstleistung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BayIfSMV liege jedoch nicht vor, da das Training mit einer Distanz von 1, 5 Metern zwischen den anwesenden Personen stattfinde. Nach der Konzeption der 8. BayIfSMV sei ein Verbot dieser Dienstleitung nicht erforderlich, da Zweck der Regelungen der Verordnung eine Reduktion der Kontakte sei. Entscheidend sei daher jeweils nur die Infektionsgefahr, die mit der jeweiligen Tätigkeit verbunden sei. Eine Untersagung von Einzeltrainings in den Studios der Antragstellerin sei unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen, da Individualsport nach 10 Abs. 1 der 8. BayIfSMV ausdrücklich zulässig sei. Damit sei gemeinsame sportliche Betätigung verschiedener Personen zweier Hausstände auch in Innenräumen ohne Hygienekonzepte zulässig. Daneben sei Schulsport in Sportstätten unabhängig von der Anzahl der anwesenden Personen möglich. Es liege auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit anderen Dienstleistungsbetrieben vor. Darüber hinaus sei eine Untersagung des von der Antragstellerin geführten Betriebs, auch mit Blick auf die Berufsfreiheit, unzulässig und unverhältnismäßig, da nach der Konzeption der 8. BayIfSMV Freizeit- und Kontaktmöglichkeiten zulässig seien, die eine Nachvollziehbarkeit der Kontakte gewährleisteten. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der mit der Betriebsuntersagung einhergehenden wirtschaftlichen Existenzgefährdung und den drohenden Bußgeldern im Falle eines Verstoßes gegen Vorschriften der 8. BayIfSMV.
Der Antragsgegner beantragt,
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Anträge seien mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig, da die Feststellung unbegrenzt für die Zukunft beantragt und somit eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt werde und es am erforderlichen streitigen Rechtsverhältnis fehle, da kein Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt worden sei. Im Übrigen seien sie auch unbegründet, weil die Studios der Antragstellerin Sportstätten seien und damit den Regelungen des § 10 der 8. BayIfSMV unterliegen würden. Maßgeblich hierfür sei nicht die Anzahl der Geräte oder die Art der Betreuung, sondern die Frage, ob es sich um eine Stätte handele, an der Sport betrieben werde. Dies sei nach den Angaben der Antragstellerin auf deren Homepage und nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Fall.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Anträge nach § 123 VwGO auf einstweiligen Rechtsschutz haben keinen Erfolg.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
Die Anträge, bestehend aus Haupt- und Hilfsanträgen, sind nach §§ 88, 122 VwGO dahingehend auszulegen, dass sie nicht auf die Unwirksamkeitserklärung bzw. die Aussetzung des Vollzugs der streitentscheidenden Vorschriften als untergesetzliche Rechtsnormen gerichtet sind, sondern die Wirksamkeit der streitentscheidenden Normen, über deren Auslegung Streit besteht, gerade nicht in Frage stellen. Beantragt wird die Feststellung der Erlaubnis des Betriebs nach den Vorgaben der 8. BayIfSMV. Soweit in der Begründung weiter ausgeführt wird, dass eine Untersagung des Betriebs eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle, ist das erkennbare Rechtsschutzziel der Antragstellerin dennoch der Weiterbetrieb der Studios unter Anwendung der 8. BayIfSMV – womöglich in verfassungskonformer Auslegung – um Rechtsverstöße vermeiden.
Da die Antragsschrift vom 19. November 2020 als Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO überschrieben ist, geht das Gericht davon aus, dass alle vier Anträge auf Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung abzielen, auch wenn dies begrifflich nur im ersten Antrag ausdrücklich erwähnt wird. Mangels näherer Angaben in der Antragsschrift erachtet das Gericht des Weiteren auch nur die ausdrücklich als Hilfsanträge bezeichneten Anträge als solche, nämlich die Anträge 2 und 4, während es sich bei den Anträgen 1 und 3 um Hauptanträge handelt.
2. Der Hauptantrag 1 (Antrag 1) ist zulässig.
2.1. Der Antrag ist statthaft. § 47 Abs. 6 VwGO, der gegenüber einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO bzw. einem Antrag nach § 123 VwGO lex specialis ist (Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn.40 f., Beck OK VwGO, § 123 Rn.16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn.22), ist hier nicht einschlägig, da die Feststellung begehrt wird, dass der Betrieb der Studios trotz Geltung der Vorschriften der 8. BayIfSMV erlaubt ist. Ein einstweiliger Rechtsschutzantrag mit dem Ziel, die Wirksamkeit einer Norm im Wege einer vorläufigen Feststellung zu suspendieren, wäre hingegen nicht statthaft (BayVGH, B.v. 18.06.2020 – 20 CE 20.1388 -, Rn. 4 juris).
2.2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den auf (vorläufige) Feststellung gerichteten Antrag ist gegeben. Diesem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin den Antragsgegner zuvor nicht mit dem streitgegenständlichen Vorbringen befasst hat. Die Frage der Zulässigkeit des Betriebs der streitgegenständlichen Studios richtet sich unmittelbar nach der 8. BayIfSMV, ohne dass eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Die Befassung des Antragsgegners mit dem streitgegenständlichen Vorbringen war vor Antragstellung bei Gericht nicht erforderlich, da der Antragsgegner bereits auf der Homepage des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege mitgeteilt hatte, dass der Betrieb der streitgegenständlichen Mikrostudios der Regelung des § 10 Abs. 3 der 8. BayIfSMV unterfällt und Personal Trainings nur allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands und in Sportstätten nur unter freiem Himmel erlaubt sind. Damit ist die rechtliche Einordnung des streitgegenständlichen Sachverhalts durch den Antragsgegner so eindeutig kundgetan, dass ein konkretes streitiges Rechtsverhältnis gegeben ist.
Der Antragstellerin ist es – auch mit Blick auf die Bußgeldbewehrung § 27 Nr. 7 der 8. BayIfSMV – im Übrigen nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung ihr Studio zu betreiben und erst gegen eine etwaige künftige polizeiliche Maßnahme oder gegen einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 21.04.2020 – 14 K 1360/20 – juris Rn.12; BVerwG, U.v. 13.01.1969 – I C 86.64 -, BVerwGE 31, 177-181, Rn. 19, juris).
Soweit der Antragsgegner geltend macht, der Antrag sei auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, da eine endgültige Feststellung begehrt werde, ist dies vor dem Hintergrund der §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 938 Abs. 1 ZPO unschädlich, da das Gericht insofern eine vorläufige, zeitlich begrenzte Entscheidung treffen kann. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist deshalb gerechtfertigt, weil die Auslegung der einschlägigen Regelungen der 8. BayIfSMV durch den Antragsgegner in die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift und Rechtsschutz in der Hauptsache dagegen angesichts des Außerkrafttretens der Verordnung mit Ablauf des 30. November 2020 (§ 28 Satz 1 der 8. BayIfSMV) zu spät kommen würde.
3. Der Hauptantrag 1 ist jedoch unbegründet, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Die summarische Prüfung ergibt, dass eine Hauptsacheklage voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Eine Feststellung des Inhalts, dass es der Antragstellerin erlaubt ist, ihre Studios nach den Vorschriften der 8. BayIfSMV zu betreiben, kann nicht getroffen werden.
Bei den Studios der Antragstellerin handelt es sich um Sportstätten im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 der 8. BayIfSMV. Sportstätte ist ein Sammelbegriff für sämtliche Gebäude und Einrichtungen, die zur Ausübung von einer oder mehreren Sportarten dienen (https://de.wikipedia.org/wiki/Sportst%C3%A4tte, zuletzt aufgerufen am 23.November 2020). Unstreitig wird in den Studios der Antragstellerin Sport getrieben. So führt auch die Antragstellerin aus: „Die betreffenden Kunden treiben unter Zuhilfenahme der „verstärkenden“ Elektro-Muskelstimulation Sport (…)“ (vgl. Blatt 21 d. Antragsschrift vom 19. November 2020). Bei den Studios der Antragstellerin handelt es sich außerdem um Einrichtungen in Gebäuden.
Soweit vom Bevollmächtigten der Antragstellerin die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 11. Mai 2020, M 26 E 20.1850, angeführt wird, wonach § 9 Abs. 1 und § 11 Satz 1 der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr.240) dem Betrieb von Studios zur Durchführung von EMS-Trainings in Form von Einzeltrainings oder Trainings mit zwei Personen, die demselben Hausstand angehören, aller Voraussicht nicht entgegenstehen, ist auszuführen, dass diese Entscheidung auf die nunmehr geltende Sach- und Rechtslage nicht übertragen werden kann. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der streitentscheidenden Regelungen der vorliegend geltenden 8. BayIfSMV und der Intention des Verordnungsgebers ist kein Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne der Antragstellerin.
Untersagt ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 der 8. BayIfSMV – ohne die Möglichkeit weiterer Wertungen – der Betrieb und die Nutzung von Sporthallen, Sportplätzen, Fitnessstudios, Tanzschulen und anderer Sportstätten. Nicht relevant für die Untersagung ist die Frage, wie diese Sportstätten regelmäßig genutzt werden, insbesondere, ob sich bei üblicher Nutzung eine Vielzahl von Personen dort aufhält oder die Einrichtung von vornherein darauf ausgelegt ist, dass nur wenige Personen dort trainieren. Nach dem Willen des Verordnungsgebers, der auch durch die Änderung der 8. BayIfSMV vom 12. November 2020 nochmals deutlich zum Ausdruck gekommen ist, soll es für das Verbot der Sportstätten gerade nicht entscheidend sein, wie viele Personen dort gleichzeitig trainieren. Die Möglichkeit, in allen Sportstätten außer Fitnessstudios Individualsport zu betreiben, ist durch diese Änderung gerade entfallen und war das erklärte Ziel des Verordnungsgebers. Damit hat er auf den Beschluss des BayVGH vom 12. November 2020 (20 NE 20.2463 – juris) zu reagieren, der es als gleichheitswidrig beurteilte, dass nur der Betrieb von Fitnessstudios vollständig untersagt war, in anderen Sportstätten jedoch Individualsport nach § 10 Abs. 1 der 8. BayIfSMV betrieben werden durfte. Angesichts dieser Entscheidung des Verordnungsgebers kann daher nicht als Argument für die Erlaubnis des Betriebs herangezogen werden, dass in den Studios der Antragstellerin nur maximal zwei Personen gleichzeitig trainieren und daher die Ausbreitung des Infektionsgeschehens nicht befördert werde, da der Verordnungsgeber mit der Absicht handelte, dass künftig auch diese Sportstätten geschlossen bleiben müssen. Der Verordnungsgeber hat durch die Neufassung des § 10 Abs. 3 der 8. BayIfSMV deutlich gemacht, dass Individualsport ausschließlich in Sportstätten unter freiem Himmel zulässig ist.
Die Zielsetzung der 8. BayIfSMV unterscheidet sich insofern von früheren Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen. Ziel des mit der 8. BayIfSMV seit dem 2. November 2020 geltenden Gesamtkonzepts bzw. Maßnahmenbündels ist, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in eine nachverfolgbare Größenordnung von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche zu senken. Es geht somit nicht um eine Verhinderung aller bzw. aller nicht schlechthin (lebens-) notwendigen Kontakte, sondern um eine nur auf bestimmte Lebensbereiche und Wirtschaftszweige begrenzte Kontaktreduzierung unter ausdrücklicher Tolerierung von Kontakten in anderen Situationen. Während insbesondere der Freizeitgestaltung, Kultur und Unterhaltung dienende sowie touristische und gastronomische Einrichtungen geschlossen sind, werden Kontakte etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen, Kindergärten und Kirchen hingenommen (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2020 – 20 NE 20.2514 – juris Rn. 19). Das mit der 8. BayIfSMV verfolgte Konzept weicht damit maßgeblich von den Regelungskonzepten der ersten Maßnahmen im Frühjahr ab, weil es erklärtermaßen und in nicht unerheblichem Umfang auch andere als infektionsschutzrechtliche Belange berücksichtigt (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 20 NE 2463 – juris Rn. 33).
Der Betrieb der EMS-Mikrostudios und die Durchführung von Personaltrainings ist auch nicht als Dienstleistung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 der 8. BayIfSMV zulässig. Zwar mag es zutreffen, dass es sich beim Angebot des Elektrischen Muskelstimulations-Trainings um eine Dienstleistung nach § 12 Abs. 2 der 8. BayIfSMV handelt. Nach dem Regelungssystem der 8. BayIfSMV ist für deren Zulässigkeit jedoch weiter entscheidend, an welchem Ort diese angeboten wird. Denn nach § 10 Abs. 3 Satz 1 der 8. BayIfSMV ist der Betrieb von Sportstätten untersagt, so dass dort auch keine Dienstleistungen angeboten werden dürfen. § 10 Abs. 3 der 8. BayIfSMV ist insoweit lex specialis für Dienstleistungen, die im Bereich des Sportes an Orten nach § 10 Abs. 3 Satz 1 der 8. BayIfSMV angeboten werden, da die Regelung andernfalls leerliefe, da das Sporttreiben der Kunden auf der einen Seite regelmäßig mit einer Dienstleistung des Betreibers auf der anderen Seite einhergeht.
4. Im Hinblick auf den Hilfsantrag 1 (Antrag 2), der sich vom Hauptantrag 1 nur durch die Anzahl der am Training teilnehmenden Personen unterscheidet, gelten die unter Nr. 2 und Nr. 3 zum Hauptantrag 1 gemachten Ausführungen entsprechend, d.h. dieser ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Nach der oben dargelegten Wertung des Verordnungsgebers ist für die Zulässigkeit des Betriebs der Antragstellerin nicht entscheidend, ob nur eine Person trainiert oder zwei Personen, die demselben Hausstand angehören.
5. Der Hauptantrag 2 (Antrag 3), mit dem die Antragstellerin (im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig) festgestellt haben möchte, dass der Betrieb ihrer Studios unter den Begriff der Dienstleistung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 der 8. BayIfSMV fällt und somit unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 BayIfSMV erlaubt ist, ist unzulässig, da ihm neben dem Hauptantrag 1 keine eigenständige Bedeutung zukommt und ein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Feststellung neben dem Hauptantrag 1 nicht ersichtlich ist. Im Rahmen der Prüfung, ob es der Antragstellerin erlaubt ist, ihre EMS-Mikrostudios zu betreiben und Personaltrainings in den Studios nach den Vorgaben der 8. BayIfSMV durchführen zu dürfen, ist die Prüfung der Frage, ob der Betrieb als Dienstleistungsbetrieb gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 der 8. BayIfSMV zulässig wäre, – wie oben dargelegt – mitumfasst.
6. Soweit im Hilfsantrag 2 (Antrag 4) (im Wege einer einstweiligen Anordnung) die (vorläufige) Feststellung beantragt wurde, dass die EMS-Mikrostudios der Antragstellerin nicht unter den Begriff „Fitnessstudios“ im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 der 8. BayIfSMV fallen, ist der Hilfsantrag 2 unzulässig, da insoweit kein streitiges Rechtsverhältnis nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner vorliegt, wie sich aus den unter Gründe I. wiedergegebenen Angaben auf der Homepage des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege zur Frage „Dürfen Yoga- und EMS-Studios offenbleiben?“ und der Antragserwiderung im vorliegenden Verfahren ergibt.
Soweit im Hilfsantrag 2 (Antrag 4) (im Wege einer einstweiligen Anordnung) die (vorläufige) Feststellung beantragt wurde, dass die EMS-Mikrostudios der Antragstellerin nicht unter den Begriff „Sportstätten“ im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 der 8. BayIfSMV fallen, ist der Hilfsantrag 2 ebenfalls unzulässig, da ihm neben dem Hauptantrag 1 keine eigenständige Bedeutung zukommt und ein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Feststellung neben dem Hauptantrag 1 nicht ersichtlich ist. Im Rahmen der Prüfung, ob es der Antragstellerin erlaubt ist, ihre EMS-Mikrostudios zu betreiben und Personaltrainings in den Studios nach den Vorgaben der 8. BayIfSMV durchführen zu dürfen, ist die Prüfung der Frage, ob der Betrieb als Sportstätte gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 der 8. BayIfSMV zulässig wäre, – wie oben dargelegt – mitumfasst.
7. Soweit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens seitens der Antragstellerin die Frage aufgeworfen wurde, ob die vorliegend einschlägigen Vorschriften der 8. BayIfSMV rechtmäßig sind, ist dies nicht Gegenstand des zu entscheidenden Rechtsstreits. Dieser ist darauf gerichtet, festzustellen, dass der Betrieb der Studios der Antragstellerin trotz der geltenden Regelungen erlaubt ist. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Regelungen der 8. BayIfSMV müssten im Rahmen der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO überprüft werden.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Da die Haupt- und Hilfsanträge im Wesentlichen denselben Gegenstand betreffen, hat das Gericht nur den einfachen Streitwert angesetzt. Dabei ist es vom Regelstreitwert ausgegangen und hat, entgegen der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des VG Dresden vom 12. November 2020 (6 L 847/20), davon abgesehen, der Streitwertberechnung den von der Antragstellerin angegebenen wöchentlichen Verdienstausfall in Höhe von 27.000,00 EUR zugrunde zu legen. Da das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung abzielt, erscheint jedoch eine Reduzierung des Streitwerts auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht.


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