Medizinrecht

Konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen und medizinische Versorgung in Afghanistan

Aktenzeichen  B 6 K 16.31868

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142326
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5 u. 7, § 60a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Nach 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor. Gemäß § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.(Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die medizinische Versorgungslage ist nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-) Versorgung besteht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit sie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gerichtet war. Insoweit wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 VwGO).
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, weil die im Bescheid vom 08.12.2016 getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, wie auch die Abschiebungsandrohung rechtmäßig sind und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Ein Verbot, den Kläger nach Afghanistan abzuschieben, ergibt sich weder aus § 60 Abs. 7 AufenthG noch aus § 60 Abs. 5 AufenthG. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
2.1.1 Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Gemessen daran belegen die vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen.
Der Entlassungsbrief der Klinik … vom ….2016 über einen stationären Aufenthalt vom 01.07.2016 bis 06.07.2016 nach einem Fahrradunfall am 30.06.2016 diagnostizierte ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I mit kurzer Bewusstlosigkeit, eine HWS-Distorsion, eine Schulterprellung rechts, eine Rippenprellung rechts sowie eine BWS- und LWS-Prellung. Außerhalb der Diagnosen findet sich außerdem der Hinweis auf eine kleine schalige Absprengung volar (auf der Handflächenseite) am Os lunatum (einer der acht Handwurzelknochen) ohne Dislokation im Bereich des linken Handgelenks sowie auf eine kleine schalige Absprengung am Processus styloideus radii (Knochenfortsatz an der Speiche) ohne Dislokation am rechten Handgelenk. Weitere ärztliche Unterlagen betreffend den Fahrradunfall liegen nicht vor. Eine diesbezügliche weitere Behandlungsbedürftigkeit des Klägers sowie bleibende Schäden aufgrund der Verletzungen und eine dauerhafte Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit, insbesondere als Schuster, sind nicht nachgewiesen.
Ferner ergibt sich aus diesem Entlassungsbrief, dass sich bei der wegen Bradykardie (Herzfrequenz mit weniger als 60 Schlägen pro Minute) durchgeführten kardiologischen Abklärung keine weiteren therapeutisch konsequenten Befunde fanden.
Der vorläufige Entlassbrief des Klinikums … vom ….2016 über eine stationäre Behandlung vom 02.11.2016 bis 03.11.2016 diagnostizierte unspezifische bzw. unklare thorakale Beschwerden im Rahmen eines Hyperventilationssyndroms. Der Kläger wurde ohne Medikamentenverordnung und ohne Behandlungshinweise entlassen. Eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung ist damit nicht belegt.
Der vorläufige Entlassungsbrief des Bezirksklinikums … (undatiert) über einen stationären Aufenthalt vom 21.11.2016 bis 25.11.2016 sowie der Arztbrief des Bezirksklinikums … vom … über einen stationären Aufenthalt vom 22.05.2017 bis 29.05.2017 diagnostizieren eine mittelgradige depressive Episode, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung sowie Zustand nach abnormen Erregungszuständen mit Hyperventilation bzw. Erregungszustände mit Hyperventilation. Unter „Beurteilung, Therapie und Verlauf“ heißt es, der Kläger sei „wegen einer mittelgradigen depressiven Episode bei Zustand nach akutem Erregungszustand mit Hyperventilationstetanie auf dem Hintergrund erlebter Traumatisierung (Verlust der Familie auf seiner Flucht)“ – so der vorläufige Entlassungsbrief – bzw. „wegen einer mittelgradigen depressiven Episode und wiederholten Erregungszuständen mit Hyperventilation auf dem Hintergrund erlebter Traumatisierung (Verlust der Familie auf seiner Flucht)“ – so der Arztbrief vom … – behandelt worden. Damit vermögen die Diagnosen nicht im Sinne einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung (vgl. § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG) zu überzeugen, weil sie – möglicherweise auf Grund von Verständigungsschwierigkeiten – auf tatsächlichen Umständen beruhen, die so nicht zutreffen. Nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger seine Familie nicht auf der Flucht verloren. Vielmehr kamen seine Eltern und seine Schwester in Afghanistan bei einem Raketeneinschlag in ihr Haus ums Leben, als der Kläger sechs Jahre alt war, und aus diesem Grund brachten ihn eine Tante und ein Onkel zu seinem Bruder in den Iran. Das ist auch tragisch, aber eine Diagnose, die sich im Wesentlichen auf ein traumatisches Ereignis stützt, ist nicht stichhaltig, wenn dieses Ereignis so gar nicht stattgefunden hat.
Der vorläufige Entlassbrief der Klinik … vom ….2017 über einen stationären Aufenthalt vom 18.08.2017 bis 24.08.2017 diagnostiziert Hyperventilationssyndrom sowie als Differenzialdiagnose kleine fokale Epileptische Anfälle. Abgesehen davon, dass damit eine Erkrankung an Epilepsie nicht nachgewiesen ist, weil Differentialdiagnosen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen sind, die erst mittels Differentialdiagnostik voneinander abgegrenzt werden müssen, um zur Diagnose zu gelangen, lässt sich den dokumentierten Untersuchungsbefunden nicht entnehmen, auf welche tatsächlichen Umstände sich diese Differenzialdiagnose stützt. Ein qualifizierter Nachweis einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung ist damit nicht geführt.
Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Arztbrief des Facharztes für Nervenheilkunde … vom ….2017 über eine Behandlung am 30.09.2017 diagnostiziert „Verdacht auf Grand Mal Anfälle“, wobei sich diese Diagnose offensichtlich nicht auf Untersuchungsbefunde, sondern auf die „Schilderung der Symptomatik“ stützt (vgl. letzter Absatz: „Therapie: Angesichts der Schilderung der Symptomatik gehe ich von dieser Diagnose aus“).
Es ist erstaunlich, dass der Facharzt aufgrund einer Verdachtsdiagnose, der lediglich eine Schilderung seines Patienten zugrunde liegt, die Aussage treffen kann: „Aufgrund dieser Erkrankung wird Herr … lebenslang auf die antikonvulsive Medikation angewiesen sein. Jeder Abbruch wird zu Anfällen führen.“ Davon abgesehen heißt es in der Anamnese, der Kläger habe angegeben, dass er 6 Krampfanfälle in Teheran erlitten gehabt habe, mit Zungenbiss, Schaum vor dem Mund und Verdrehung der rechten Hand. Wenn dies die der Diagnose zugrunde liegende Schilderung ist, bestehen begründete Zweifel, ob sie auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht. Denn in der Anhörung beim Bundesamt, in der der Kläger seine gesundheitlichen Probleme ebenfalls geschildert hat, war nur von einem Vorfall im Iran mit Atemnot und einem Sturz die Rede. Auch dieser Arztbrief ist daher nicht geeignet, im Sinne einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung eine Epilepsieerkrankung des Klägers nachzuweisen.
Gleiches gilt für das ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest des Hausarztes … vom ….2017, bei dem sich der Kläger seit dem 06.07.2016, also seit seinem Fahrradunfall, in Behandlung befindet. Auch seine Diagnose „Verdacht auf Grand Mal Anfälle (Epilepsie)“ beruht offensichtlich allein auf „der Schilderung der Symptomatik“ und der Angabe des Klägers, „dass er 6 malig Krampfanfälle im Ausland hatte mit typischen Zungenbiss, Schaum vor dem Mund und Verdrehung der re. Hand“. Die weitere Aussage „Aufgrund dieser Erkrankung wird Herr … lebenslang auf die antikonvulsive Medikationen angewiesen sein. Jeder Abbruch dieser Medikationen wird zu epileptischen Anfällen führen.“ hört sich angesichts des nahezu identischen Wortlauts so an, als sei sie einfach aus dem Arztbrief des Facharztes für Nervenheilkunde übernommen worden. Auch sie entbehrt jeder belastbaren Tatsachengrundlage. Die weitere – durch den Entlassungsbrief der Klinik Sonneberg bestätigte – Diagnose „Zustand nach Schädelhirntrauma“ belegt keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht geeignet sind, das Gericht vom Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, zu überzeugen.
2.1.2 Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit aus anderen als gesundheitlichen Gründen besteht für den Kläger in Afghanistan ebenfalls nicht. Es muss sich hierbei um eine individuelle Gefahr handeln. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).
Als individuelle Gefahr hat der Kläger die Bedrohung seines Lebens durch einen oder mehrere in Afghanistan lebende Onkel – Halbbrüder seines Vaters – wegen einer Erbstreitigkeit geltend gemacht. Beim Bundesamt gab er an, sein Vater habe Streit mit ihnen über eine Erbschaft gehabt. Das Haus, das seine Eltern bewohnt hätten, habe sein Onkel besetzt. Wenn er (der Kläger) nach Afghanistan zurückkehre, denke der Onkel, er (der Kläger) sei da, um das Haus zurückzufordern, und bringe ihn um. In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Kläger, auch ein ausdrücklicher Verzicht auf das Erbe würde nichts nützen, um sein Leben zu schützen. Seinem Bruder, den die Onkel wieder aus Afghanistan vertrieben hätten, hätten sie gesagt, jeder von ihrer Familie, der zurückkehre, werde umgebracht.
Es ist nicht ganz nachvollziehbar, warum die Onkel den Kläger ermorden sollten, wenn er ausdrücklich darauf verzichtet, ihnen das Erbe streitig zu machen. Davon abgesehen ist nicht ernsthaft damit zu rechnen, dass die Onkel den Kläger in einer Stadt wie Kabul mit geschätzten rund 3,9 Millionen Einwohnern zufällig treffen und erkennen. Der Kläger hat Afghanistan im Alter von sechs Jahren verlassen. Bis dahin werden ihn die Onkel, mit denen der Vater im Streit lag, wohl kaum sehr häufig gesehen haben. Daher kann ausgeschlossen werden, dass die Onkel den nunmehr bald zweiundzwanzigjährigen Kläger im Falle einer unerwarteten Rückkehr nach Afghanistan bei einer zufälligen Begegnung wieder erkennen, wenn er sich nicht selbst zu erkennen gibt.
Im Übrigen kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leit-entscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein qualitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dabei sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und – wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK – zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12, Rn. 38, juris). Eine existenzielle Gefahrenlage in diesem Sinne ist schon dann zu verneinen, wenn in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten ist, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren können. Die medizinische Versorgungslage ist nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (BVerwG, a.a.O. Rn. 39).
Das Gericht ist davon überzeugt, dass dem Kläger in Afghanistan nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine existenzielle Gefahrenlage in diesem Sinne droht. Akut behandlungsbedürftige Erkrankungen sind, wie darlegt, nicht nachgewiesen. Im Übrigen steht es außer Frage, dass die Lebensbedingungen in Afghanistan sehr schwierig sind und in der bundesdeutschen Sozialstaatswirklichkeit keine Entsprechung finden. Diese schwierigen Lebensbedingungen teilt der Kläger aber mit Millionen seiner Landsleute. Erkenntnisse, dass der Gesamtheit oder weiten Teilen der Bevölkerung Afghanistans der Hunger- oder Kältetod drohen würde, weil sie nicht in der Lage wären, selbst die elementarsten Grundbedürfnisse zu decken, liegen nicht vor. In der Regel haben die aus Afghanistan in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Asylbewerber ihr Heimatland auch nicht aus existenzieller Not verlassen. Für den Kläger ergeben sich keine Besonderheiten, weil er im Iran aufgewachsen ist. Seine Aussage, er könne kein Dari sprechen, kann nicht zutreffen, nachdem die Anhörung beim Bundesamt in dieser Sprache durchgeführt wurde und der Kläger auf Nachfrage bestätigte, dass er sich mit dem Sprachmittler verständigen könne. Der Sprachmittler hat sogar erklärt, dass aus sprachlicher Sicht keine Zweifel an der Herkunft des Klägers aus Afghanistan bestünden, trotz des Umstandes, dass er lange Zeit im Iran gelebt habe. Der Kläger hat eine Anlaufstelle in Kabul, nämlich seine Großmutter mütterlicherseits, die nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit einer verwitweten Tante mütterlicherseits und deren Kindern zusammenlebt. Beim Bundesamt hatte der Kläger noch angegeben, die Großmutter wohne bei ihrem Schwiegersohn. Wenn es sich hierbei um den Mann der nunmehr verwitweten Tante handelt, muss dieser in der Zeit zwischen Anhörung und mündlicher Verhandlung verstorben sein und der Kläger muss davon erfahren haben. Aber selbst wenn sich das irgendwie anders verhält und der Kläger tatsächlich, wie beim Bundesamt angegeben, keinen Kontakt zu seiner Großmutter hat, lässt sich dieser Kontakt wiederherstellen. Für die Beschaffung einer Tazkira ist es dem Kläger ja auch gelungen, mit seiner Großmutter Kontakt aufzunehmen. Schließlich hat der Kläger sogar einen Beruf, er ist Schuhmacher. Dass er diese oder eine andere Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könnte, ist, wie bereits dargelegt, nicht nachgewiesen.
2.1.3 Bei dieser Sachlage ist auch nicht ersichtlich, dass die Abschiebung des Klägers gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK unzulässig wäre, weil er dadurch einer unmenschlichen Behandlung unterworfen würde.
2.2 Wurde nach alledem der Asylantrag des Klägers rechtskräftig abgelehnt und zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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