Medizinrecht

Kostenbescheid für anlassbezogene tierschutzrechtliche Anordnung

Aktenzeichen  23 ZB 16.922

Datum:
28.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7179
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKG Art. 2 Abs. 1 S. 1
TierSchG § 2, § 15 Abs. 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 37

 

Leitsatz

1 Aus § 2 Nr. 1 TierSchG ergibt sich unter anderem, dass der Tierhalter im Falle einer Erkrankung das Tier von einem Tierarzt behandeln lassen muss. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Beamteten Tierärzten ist bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3 Gewerbsmäßig iSd § 11 Abs. 1 Nr. 8a TierSchG handelt, wer die in der Vorschrift genannten Tätigkeiten selbständig, planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausübt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Bestätigung gem. Art. 37 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG ist selbst kein Verwaltungsakt und löst deshalb auch nicht selbständig Rechtsbehelfsfristen aus. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 15.1828 2016-04-05 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 94,89 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Die Begründung des Zulassungsantrags genügt, wie der Vertreter des Beklagten geltend macht, bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Die von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geforderte Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert eine konkrete fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 10 ZB 17.1343 – juris Rn.4). In der Sache rügt die Klägerin allgemein die Unrichtigkeit des Urteils, was für die Geltendmachung eines Zulassungsgrundes nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht ausreicht. Das Vorbringen der Klägerin wiederholt lediglich die schon in der ersten Instanz ausgetauschten Argumente und setzt sich nicht substantiiert mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander (vgl. Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2018, § 124a Rn. 72 f.).
b) Darüber hinaus sind dem Vortrag jedenfalls keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründen, mit der die Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten vom 25. September 2015, mit dem dieser Kosten für tierschutzrechtliche Anordnungen in Höhe von 94,89 € festgesetzt hat, abgewiesen wurde.
aa) Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, ist die Klägerin Veranlasserin der der Kostenrechnung zugrunde liegenden tierschutzrechtlichen Amtshandlungen. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 KG ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst. Veranlasser nach dieser Norm ist, wer durch sein Verhalten, Tun oder Unterlassen bzw. durch einen von ihm zu vertretenden Umstand die Amtshandlung auslöst (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die anlässlich der Kontrolle vom 22. September 2015 vorgefundenen Missstände sind ursächlich auf die Klägerin zurückzuführen, da sie als Halterin der Katzen verantwortlich für die Einhaltung der Anforderungen des § 2 TierSchG ist. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Das bedeutet unter anderem, dass der Halter im Falle einer Erkrankung das jeweils betroffene Tier von einem Tierarzt behandeln lassen muss (vgl. Moritz in Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 2 Rn. 27). Die Ausführungen im Berufungszulassungsschriftsatz vom 3. Juni 2016, die sich lediglich mit der Frage der Veranlassung der Ortskontrolle befassen, gehen folglich ins Leere. Es ist unerheblich, dass die der Kostenforderung zugrundeliegende Kontrolle der Katzenhaltung anlässlich einer Nachschau bezüglich der Hundehaltung (eines Dritten) erfolgte, denn insoweit ist Kostenschuldner grundsätzlich diejenige Person, die ursächlich für die Amtshandlung ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 a.a.O.). Wenn die Klägerin tatsächlich nicht Halterin der Hunde sein sollte, ist sie zwar nicht Veranlasserin der Ortskontrolle/Nachschau im Rahmen der Hundehaltung, sie ist aber Veranlasserin der Anordnungen anlässlich der von zwei Amtstierärzten festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße bei der Katzenhaltung. Die vom Beklagten getroffenen Anordnungen erfolgten gegenüber der Klägerin als Halterin der Katzen. Die Klägerin ist daher als Katzenhalterin Veranlasserin der ihr gegenüber erlassenen Kostenrechnung (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 KG i.V.m. Tarif-Nr. 7.IX.10/2.3 des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz), deren Höhe und Zusammensetzung als solche sie nicht in Zweifel zieht. Deshalb kann offen bleiben, ob die Klägerin darüber hinaus die Kosten nicht auch durch ihre Anfrage vom 20. Februar 2015 veranlasst hat.
bb) Zutreffend hat das Erstgericht unter Nr. 3 a seines Urteils festgestellt, dass die Anordnung, mit der erkrankten Katze zum Tierarzt zu gehen, ihre Rechtsgrundlage in § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 TierSchG findet. Soweit die Klägerin anführt, diese rechtliche Wertung sei unzutreffend, weil „kein tierschutzwidriges Verhalten der Klägerin“ zu erkennen sei, wird dadurch kein ernstlicher Zweifel dargelegt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass beamteten Tierärzten bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2017 – 9 C 17.1134 – juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 19.10.2017 – 9 ZB 16.2073 – juris Rn. 7). Amtstierärzte sind im Rahmen der Durchführung des Tierschutzgesetzes als gesetzlich vorgesehene Sachverständige eigens bestellt und regelmäßig zu beteiligen (§ 15 Abs. 2 TierSchG); ihr Gutachten erachtet der Gesetzgeber gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG grundsätzlich als ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2014 – 3 B 62.13 – juris Rn. 10). Das Erstgericht hat daher zutreffend festgestellt, dass die Einschätzung eines beamteten Tierarztes, dass bei der betroffenen Katze eine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt, im Regelfall als maßgeblich anzusehen ist. Hiervon ausgehend konnte das Verwaltungsgericht die nachvollziehbaren Stellungnahmen der Amtstierärzte heranziehen und auf deren Grundlage zu dem Schluss gelangen, dass bei der betroffenen Katze eine Augenentzündung vorlag, die eine weitere Behandlung durch einen Tierarzt erforderte. Bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung ist regelmäßig nicht ausreichend. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9; B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 7). Die Klägerin verfügt über keinerlei besondere Fachkenntnisse zur Beurteilung von Erkrankungen bei Katzen, insbesondere wurde die ärztliche Anordnung anders als von der Klägerin behauptet nicht „ins Blaue hinein formuliert“, sondern gründete auf der fachlichen Beurteilung der auch von der Klägerin nicht bestrittenen Entzündung am linken Auge eines Katzenwelpen, die zudem durch ein Lichtbild belegt ist (vgl. Behördenakte S. 27).
cc) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtsgrundlage für die mündliche Anordnung gegenüber der Klägerin, hinsichtlich der Katzenhaltung Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 TierSchG zu stellen, in § 16 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 a TierSchG sieht. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 a und b TierSchG bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten oder mit Wirbeltieren handeln will. Gewerbsmäßig im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 a TierSchG handelt, wer die in der Vorschrift genannten Tätigkeiten selbständig, planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausübt (vgl. Moritz a.a.O. § 11 Rn. 11; Metzger in Erbs/Kohlhaas/Metzger, Strafrechtliche Nebengesetze, 222. EL 2018, § 11 TierSchG Rn. 6). Nach Ziffer 12.2.1.5.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetztes (TierSchVwV) ist eine Katzenzucht gewerbsmäßig, wenn entweder mindestens fünf fortpflanzungsfähige Katzen gehalten oder mindestens fünf Würfe pro Jahr erzeugt werden (vgl. Moritz a.a.O. § 11 Rn. 11 m.w.N.). Dies war bei der Klägerin unstreitig der Fall. Dabei handelt es sich bei der mündlichen Anordnung auch um einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG und nicht um eine bloße wiederholte Auskunft nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG. Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 TierSchutzG darf mit einer solchen Tätigkeit „erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden“, ansonsten liegt nicht nur ein einfacher Gesetzesverstoß, sondern darüber hinaus gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 20 TierSchG eine Ordnungswidrigkeit vor, die gemäß § 18 Abs. 4 TierSchG mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden kann. Im vorliegenden Fall konkretisiert die amtliche Feststellung, dass die Grenze der erlaubnisfreien Tierhaltung überschritten und daher ein entsprechender Antrag nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TierSchG zu stellen ist. Die Anordnung ist im vorliegenden Fall darauf gerichtet, den formell rechtswidrigen Zustand alsbald zu beenden und rechtmäßige Zustände herzustellen. Die Aufforderung, einen Antrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 a TierSchG zu stellen, ist auch verhältnismäßig. Der aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass behördliche Anordnungen einem legitimen Zweck dienen und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen sind (stRspr. BVerwG, U.v. 12.1.2012 – 7 C 5/11 – BVerwGE 141, 311 – juris Rn. 23 m.w.N.). Das gestufte Vorgehen des Beklagten, die Klägerin zunächst aufzufordern, einen entsprechenden Antrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 a TierSchG zu stellen, ist dabei das mildeste Mittel. Entgegen der Ansicht der Klägerin bedarf es einer solchen Anordnung, da die von der Klägerin vorgeschlagenen Maßnahmen (Erlass einer Unterlassungsverfügung oder die Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens) die Klägerin ungleich härter treffen würde, als die (bloße) Aufforderung, den erforderlichen Antrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 8a TierSchG zu stellen.
dd) Entgegen der Ansicht der Klägerin konnten die Anordnungen auch mündlich ergehen. Angesichts der von Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG vorausgesetzten Möglichkeit, auch mündliche Verwaltungsakte zu erlassen, ist die Mündlichkeit einer Anordnung als solche kein Argument gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 76). Mündliche Verwaltungsakte sind in der Verwaltungspraxis in Bereichen üblich und notwendig, in denen rasche Entscheidungen geboten erscheinen (vgl. Pautsch in Pautsch/Hoff-mann, VwVfG, 2016, § 37 Rn. 7). Dies ist bei einem kranken Tier, das einer ärztlichen Untersuchung bedarf, der Fall. Gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG sind mündliche Verwaltungsakte nur auf Antrag schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn dies unverzüglich verlangt wird und ein berechtigtes Interesse des Betroffenen hieran besteht (vgl. Stelkens a.a.O. § 37 Rn. 80). Hierzu ist von Seiten der Klägerin nichts vorgetragen. Die Bestätigung gem. Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG ist selbst kein Verwaltungsakt und löst deshalb auch nicht selbständig Rechtsbehelfsfristen aus. Sie führt auch nicht zu einer faktischen Verlängerung der noch offenen Rechtsbehelfsfrist (vgl. Tiedemann in BeckOK VwVfG, 42. Auflage 2019, § 37 VwVfG Rn. 37).
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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